Organisationskultur der katholischen Kirche

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Um potentiellen, sowohl angestrebten oder aber auch unbewussten Fehlinterpretationen aus dem Weg zu gehen, sei hier jedoch der Versuch gewagt, die vielleicht zu sehr auf eine weltliche Institution bezogene und damit eingrenzende Begriffsbezeichnung „Organisationskultur“ im Kontext der Kirche Jesu Christi präziser zu formulieren. Zudem könnte die Begrifflichkeit „Organisationskultur“ zur Betrachtung einer eindimensionalen, d.h. der sichtbaren Fassade der Kirche verleiten. Um der ungeteilten komplexen Wirklichkeit der Kirche nach Lumen gentium gerecht werden zu können, sollte demnach der in der Betriebswirtschaft wurzelnde Ausdruck „Organisationskultur“ für die Kirche präziser und somit auch unmissverständlicher gefasst werden.

Um diese Spannung lösen zu können, bedarf es der Reflexion auf die Sendung der Kirche in der Welt. „Man wird den ganzen Fragen nur gerecht, wenn man die Botschaft von der Gottesherrschaft als die Mitte der Verkündigung Jesu darstellt“, schreibt Kardinal Karl Lehmann schon 1982, damals noch nicht Bischof, und fügt hinzu: „Jesus sieht die endzeitliche Gottesherrschaft als das Heil an, das schon jetzt das ganze Denken und Handeln des Menschen bestimmen soll.“198 Es geht also keineswegs um eine Vertröstung auf das jenseitige Reich Gottes, sondern um die Verkündigung der Frohen Botschaft, dass Gottes Herrschaft schon hier auf Erden Möglichkeit hat zu keimen und zu wachsen, aber noch nicht zur vollen Blüte kommen kann.

Jede soziale Organisation oder Institution, ob wirtschaftlich, karitativ, wissenschaftlich oder religiös gesehen, baut in und um sich neben der Organisationskultur

(1) eine Strategie, also einen „genauen Plan des eigenen Vorgehens [auf], der dazu dient, ein militärisches, politisches, psychologisches, wirtschaftliches o.ä. Ziel zu erreichen, und in dem man diejenigen Faktoren, die in die eigene Aktion hineinspielen könnten, von vornherein einzukalkulieren versucht“199; und

(2) eine Struktur, die die „Anordnung der Teile eines Ganzen zueinander“ regelt, etabliert einen gegliederten Aufbau, also eine innere Gliederung des Handelns, und ein „Gefüge, das aus Teilen besteht, die wechselseitig voneinander abhängen; [also ein] in sich strukturiertes Ganzes.“200

Die Organisation der Kirche und ihrer nahestehenden Organisationen, die mit ihr direkt oder indirekt verbunden sind, unterscheidet sich in diesem organisationstheoretischen Sinn nicht von anderen Organisationen, auf die diese zitierten Definitionen Bezug nehmen.

72 Siehe Kap. 6., Kulturanalyse zweier österreichischer Diözesen.

73 Vgl. Soares-Prabhu, Biblical Themes, 16-25.

74 Vgl. ebd., 16.

75 Vgl., ebd., 16. Als indischer Jesuit hat Soares-Prabhu aus den letzten Jahrhunderten christlicher Missionsarbeit gelernt und sieht heute die Fehltritte vor allem evangelikaler Missionare sehr klar, ohne allerdings Vertreter großer christlicher Gemeinschaften und selbst die katholische Kirche von solchen zweifelhaften Missionspraktiken auszuschließen.

76 Vgl. Soares-Prabhu, 18-19.

77 Soares-Prabhu, Biblical Themes, 20: „Because living out Christian life properly is already mission, the Sermon on the Mount, which marks out the contours of Christian living, becomes a strategy for mission!” [Übersetzung des Verfassers].

78 Siehe Kap. 5, Sechs Dimensionen einer kirchlichen Organisationskultur.

79 Vgl. Soares-Prabhu, 21-23.

80 Ebd.: „[…] and not just of a mother Teresa in it“ [Übersetzung des Verfassers].

81 Vgl. Eucharistiefeier mit den Kardinälen, Predigt von Papst Franziskus in der Sixtinischen Kapelle am 14.03.2013, in: https://w2.vatican.va/content/francesco/de/homilies/2013/documents/papafrancesco_20130314_omelia-cardinali.html, abgerufen am 23.02.2015.

82 Vgl. Soares-Prabhu, 21.

83 Vgl. Werlen, Heute im Blick, 163-164.

84 Vgl. Soares-Prabhu, 21-22.

85 Im Original: „I would suggest, first, that all of you Christians, missionaries, and all, must begin to live more like Jesus Christ.” [Übersetzung des Verfassers], in: Where Love is, God is Also, http://robtshepherd.tripod.com/gandhi.html, abgerufen am 23.02.2015.

86 Gandhi, Christian Missions, 162, „Don’t talk about it. The rose doesn’t have to propagate its perfume. It just gives it forth and people are drawn to it. Don’t talk about it. Live it. And people will come to see the source of your power” [Übersetzung des Verfassers].

87 Barry/Doherty, Gott in allen Dingen finden, 103-106.

88 Soares-Prabhu, Biblical Themes, 22, „[…] as leading history to its fulfilment in the full realization of the kingdom of God“ [Übersetzung vom Verfasser].

89 Vgl. Werlen, Heute im Blick, 163-166.

90 Vgl. Soares-Prabhu, Biblical Themes, 23.

91 Fußnote zitiert in LG 23: Cyprian, Epist. 55, 24: Hartel 642, Z. 13: „Die eine Kirche ist über die ganze Welt hin in vielen Gliedern verteilt“, ders., Epist. 36, 4: Hartel 575, Z. 20 bis 21.

92 Vgl. Dulles, A., Models of the Church, Garden City, NY, 1974.

93 Kasper, Katholische Kirche, 180.

94 Vgl. ebd., 181-190.

95 Ebd., 183.

96 Ebd., 196.

97 Vgl. Rahner, K., Kirche der Sünder, Freiburg im Breisgau 2011.

98 Martin Luther „hat das ‚blinde undeutliche Wort Kirche‘ oft als Versammlung und versammelten Haufen bestimmt“, zitiert in: Kasper, Katholische Kirche, 184 nach: Luther, M., BSLK 656; WA 5, 293; 50, 635.

99 Vgl. dazu die von Papst Pius XII. am 29. Juni 1943 veröffentlichte Enzyklika Mystici corporis.

100 Kasper, Katholische Kirche, 185.

101 Kasper, Papst Franziskus, 53.

102 Vgl. ebd.

103 Vgl. Ansprache von Papst Johannes Paul II. bei seinem Besuch in der Synagoge von Rom, 1986, zitiert in: Lustiger, Kardinal Jean-Marie; „Unsere älteren Brüder“ (Johannes Paul II.). 40 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil und Nostra aetate, (https://www.nostra-aetate.unibonn.de/kirchliche-dokumente/online-publikation-die-kirchen-und-das-judentum/i.-katholische-verlautbarungen-1/pdfs/pdf-201eunsere-aelteren-brueder201c-johannes-paul-ii.-.-40-jahrezweites-vatikanisches-konzil-und-nostra-aetate, abgerufen am 01.12.206); Jorge Bergoglio im Gespräch mit Rabbiner Abraham Skorka, in: Bergoglio, Jorge (Papst Franziskus), Skorka, Abraham, Über Himmel und Erde, München 2013.

104 Kasper, Katholische Kirche 185.

105 Augustinus, Sermones 341, 9, 11; Enarrationes in Psalmos 90,1; De civitate Dei XVIII, 51, zitiert in: Kasper, Katholische Kirche, 186.

106 Kasper, Katholische Kirche, 188.

107 Ebd., 190.

108 Vgl. Fußnote des Originaltextes von LG 8: Leo XIII., Enz. Sapientiae christianae, 10. Jan. 1890: ASS 22 (1889-90) 392; ders., Enz. Satis cognitum, 29. Juni 1896: ASS 28 (1895-96) 710 u. 724ff. Pius XII., Enz. Mystici corporis, 29. Juni 1943: AAS 35 (1943) 199f.

109 LG 8; vgl. auch Fußnote des Originaltextes von LG 8: Vgl. Pius XII., Enz. Mystici corporis, a. a. O. 221ff; ders., Enz. Humani generis, 12. Aug. 1950: AAS 42 (1950) 571.

110 Vgl. Toynbee, Arnold, Menschheit und Mutter Erde. Die Geschichte der großen Zivilisationen, Berlin 1979.

111 Vgl. Kropfberger, Erfolgsmanagement statt Krisenmanagement, 82-88.

112 Vgl. Fußnote des Originaltextes von LG 8: Leo XIII., Enz. Satis cognitum, 29. Juni 1896: ASS 28 (1895-96) 713.

113 Vgl. Bischof Wanke, Kirche darf nicht als Apparat auftreten, in: http://www.kathpress.at/site/nachrichten/database/68361.html, abgerufen am 10.03.2015.

114 Vgl. Eucharistiefeier mit den Kardinälen, Predigt von Papst Franziskus in der Sixtinischen Kapelle am 14.03.2013, in: https://w2.vatican.va/content/francesco/de/homilies/2013/documents/papafrancesco_20130314_omelia-cardinali.html, abgerufen am 23.02.2015.

115 Vgl. Wiedenhofer, Societas perfecta, in: LThK 33 06, Bd. 9, 681-682.

116 Römischer Messkanon, Schott-Messbuch. Originaltexte der authentischen deutschen Ausgabe des Messbuches und des Messlektionars.

117 Vgl. Bruners, Über die Steppe hinaus…, in: Dein Wort – Mein Weg, 2/15, 7-9.

118 Vgl. Siegmar, Priester-Aufstand gegen den Papst, in: Kirche In, 29. Jg./Nr.3, 20-23.

119 Vgl. Ansprache von Papst Benedikt XVI., Begegnung mit in Kirche und Gesellschaft engagierten Katholiken, Konzerthaus, Freiburg im Breisgau, 25. September 2011, in: http://w2.vatican.va/content/benedict-xvi/de/speeches/2011/september/documents/hf_benxvi_spe_20110925_catholics-freiburg.html, abgerufen am 12.03.2016.

120 Vgl. Bruners, Über die Steppe hinaus 0133 …, in: Dein Wort – Mein Weg, 2/15, 8.

121 Der jüdische Glaube spricht von der Wohnstatt Jahwes in seinem Volk, von der Schechina, der Anwesenheit bei seinen Leuten (hebr.: ##שכינה## šǝxīnāh), was diesen auch Ruhe, Glück, Heiligkeit oder Frieden bringt. Jahwe ist immer und überall anwesend, wo sein Volk ist.

 

122 Vgl. Rahner, K., Kirche der Sünder, Freiburg im Breisgau 2011.

123 Ebd. 17.

124 Ebd.

125 Vgl. Rahner, H., Die Kirche, Gottes Kraft in menschlicher Schwäche, Freiburg 22.

126 Rahner, H., Die Kirche, Gottes Kraft, 1; der Lobspruch auf die Kirche stammt von Hrabanus Maurus, Judith-Kommentar 13, PL 109, 576.

127 Vgl. Wiedenhofer, Societas perfecta, in: LThK, Bd. 9, 681-682.

128 Denzinger 1794, zitiert in Rahner, H., Die Kirche, Gottes Kraft,11.

129 Rahner, H., Die Kirche, Gottes Kraft, 11.

130 Ebd.

131 Augustinus, Ennarrationes in Ps. 30, Sermo 2,6 (PL 36, 243) zitiert in Rahner, H. Die Kirche, Gottes Kraft, 11.

132 Rahner, H., Die Kirche, Gottes Kraft, 7.

133 Ebd., 10-11.

134 Augustinus, Enarrationes in Ps. 99, 11 (PL 37, 1278); zitiert in: Rahner, H., Die Kirche, Gottes Kraft, 11.

135 Vgl. Die Papstansprache an die Kurie [22.12.2014], in: http://de.radiovaticana.va/news/2014/12/23/die_papstansprache_an_die_kurie/1115831, abgerufen am 16.09.2015.

136 Rahner, H., Die Kirche, Gottes Kraft, 12.

137 Vgl. ebd.

138 Ebd.

139 Vgl. ebd., 14.

140 Vgl. Augustinus, Inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te, Domine., Conf. I, 1.

141 Vgl. Rahner, K., Kirche der Sünder, Freiburg im Breisgau 2011.

142 Vgl. László, Die Sünde in der heiligen Kirche Gottes, in: Congar et al., Konzilsreden. 35.

143 Ebd., 35-36.

144 Ebd., 36.

145 Ebd.

146 Vgl. ebd., 37-38.

147 Ebd., 38.

148 Ebd.

149 Rahner, K., Kirche der Sünder, 54.

150 Ebd., 22.

151 Papst traf Ordensleute: „Weckt die Welt auf!“, in: http://de.radiovaticana.va/newsletterde?data=05/01/2014, abgerufen am 05.10.2015. Um die Zitate von Franziskus richtig einordnen zu können, sei auf die Einleitung zu diesem Artikel in Radio Vatikan hingewiesen, in dem der Redakteur schreibt: „Das Protokoll des Gesprächs des Papstes mit den Oberen hat die italienische Jesuitenzeitschrift ‚La Civiltà Cattolica‘ […] veröffentlicht. Der Chefredakteur der Zeitung, Pater Antonio Spadaro, war vom Leiter der Vereinigung der Oberen, Pater Adolfo Nicolás, gebeten worden, bei der Begegnung dabei zu sein und Protokoll zu führen. […] Pater Spadaro fasst die dreistündige Unterredung, bei der der Papst in ungezwungener Atmosphäre und in freier Rede Fragen beantwortete, auf 15 Seiten zusammen […]“.

152 Ebd.

153 Augustinus, De civitate Dei I, 36; De doctrina christiana III, 323, 45.

154 Vgl. Kasper, Katholische Kirche, 249.

155 Vgl. Die Kirche, die sich um sich selber dreht: Theologischer Narzissmus, in: http://blog.radiovatikan.de/die-kirche-die-sich-um-sich-selber-dreht-theologischer-narzissmus/; abgerufen am 11.01.2015.

156 Orth, Rustikal. Papst Franziskus erntet mit seinen flapsigen Bemerkungen Proteste, in: Herder Korrespondenz 69, 3/2015, 113.

157 Oertel, Welcome in America, Holy Father, in: Herder Korrespondenz 69, 4/2015, 186.

158 Diesen Gedanken der „gegenseitigen Beweihräucherung“ greift Papst Franziskus auch nach fast zweijähriger Erfahrung im Pontifikat in seiner Weihnachtsansprache an die vatikanischen Mitarbeiter am 22. Dezember 2014 im Katalog der 15 Krankheiten der Kurie auf; vgl. http://w2.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2014/december/documents/papafrancesco_20141222_curia-romana.html, abgerufen am 10.01.2015.

159 Vgl. Die Kirche, die sich um sich selber dreht: Theologischer Narzissmus, in: http://blog.radiovatikan.de/die-kirche-die-sich-um-sich-selber-dreht-theologischer-narzissmus/; abgerufen am 11.01.2015.

160 Ebd.

161 Vgl. Leitner, Papst Franziskus, 9-11.

162 Vgl. Hesemann, Papst Franziskus; auch Leitner, Papst Franziskus, 6.

163 EG 23; Johannes Paul II, Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici, 32.

164 Vgl. Franziskus, Europa, wach auf!, 46-47.

165 Vgl. ebd.

166 Vgl. Werlen, Heute im Blick, 65.

167 Exerzitien mit dem Papst: Die „wahre Reform“ der Kurie, in: http://de.radiovaticana.va/news/2015/02/25/kurienexerzitien_als_%E2%80%9Ewahre_reform%E2%80%9C_der_kurie_diego_fares/1125489, abgerufen am 25.02.2015.

168 Ebd.

169 Großes Papst-Interview für das mexikanische Fernsehen, in: http://de.radiovaticana.va/news/2015/03/13/gro%C3%9Fes_papstinterview_f%C3%BCr_das_mexikanische_fernsehen/1129055, abgerufen am 14.03.2015.

170 Politi, Franziskus unter Wölfen, 37.

171 In der Mitte des vergangenen Jahrhunderts sprach die Wissenschaft noch von etwa 170 verschiedenen Begriffsdefinitionen ‚Kultur‘, vgl. dazu Kroeber/Kluckhohn, 62 ff.

172 Vgl. Stowasser, J. M., Lateinisch-Deutsches Schulwörterbuch, Prag-Wien-Leipzig 1894, 196-197.

173 Vgl. Reckwitz, Andreas, Die Transformation der Kulturtheorien. Zur Entwicklung eines Theorieprogramms, Weilerswist 2000; vgl. auch Fuchs, Max, Kulturbegriffe, Kultur der Moderne, kultureller Wandel (2013), in: https://www.kubi-online.de/artikel/kulturbegriffe-kultur-modernekultureller-wandel, abgerufen 03.12.2016.

174 Vgl. Matis/Stiefel, Unternehmenskultur in Österreich, 50-51.

175 Messner, Kulturethik, 336.

176 Brockhaus Konversationslexikon, Berlin und Wien 1414, 10. Bd, 792.

177 Vgl. ebd.

178 Vgl. Encyclopaedia Britannica, Chicago 1929.

179 Google Search am 30.11.2015.

180 Ebd.

181 Messner, Kulturethik, 344.

182 Google Search am 18.09.2015.

183 Vgl. Pasquier, Unternehmenskultur, in: agogik, 7. Jg. 3/1984.

184 Reber, Christlich-spirituelle Unternehmenskultur, 29.

185 Schein, Organisationskultur, 39.

186 Organisationspsychologie, in: http://www.managementcircle.de/seminar/organisationspsychologie-3.html, abgerufen am 07.10.2015.

187 Vgl. Schein, Organisationskultur, 31-41.

188 Vgl. Hewitt Associates LLC. (Ed.), Employee Engagement: Insights into Why It Matters and What You Can Do About It, Lincolnshire Ill. 2004.

189 Der private Glaube – öffentlich, in: CIG, Nachrichten, Nr. 21/2014, 234.

190 Ebd.

191 Merz/Schwabeneder, Franziskus, 212.

192 Friedrich, Keineswegs einheitliche Positionierung der Bischöfe, in: Die Furche 37/2011, 15. September 2011, 5.

193 Internationale Theologische Kommission, Sensus fidei im Leben der Kirche, Überschrift Kap. 1a.

194 Merz/Schwabeneder, Franziskus, 208-209.

195 Vgl. z.B. die Haltung der Bischöfe der Diözese von Mostar-Duvno und T rebinje-Mrkanj zum Wallfahrtsort Medjugorje, in dem der Franziskanerorden verwurzelt ist, und die daraus resultierenden „strategischen“, strukturellen und vor allem kulturellen Unterschiede; die „atmosphärischen Störungen“ übertragen sich in manchen Fällen sogar auf andere Diözesen außerhalb von Bosnien und Herzegowina.

196 Matis/Stiefel, Unternehmenskultur in Österreich, 59.

197 Ebd., 181.

198 Lehmann, Neuer Mut zum Kirche sein, 14.

199 Definition von Strategie im Online-Duden, in: http://www.duden.de/rechtschreibung/Strategie, abgerufen am 30.11.2015.

200 Definition von Struktur im Online-Duden, in: http://www.duden.de/rechtschreibung/Struktur, abgerufen am 30.11.2015.

3 Organisationskultur der Kirche als Zeichen der Zeit

3.1 Dem Zeitgeist nicht ausweichen

Schon im Alten Testament wird die Zeit durch das Erfahrene und den Geschehnisprozess bestimmt:201 „Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben, eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Abernten der Pflanzen, eine Zeit zum Töten und eine Zeit zum Heilen, eine Zeit zum Niederreißen und eine Zeit zum Bauen …“ (Koh 3,1-8). Zeit ist mehr als eine abstrakte mathematischlineare Größe, die die Menschheit durchschreitet. Zeit ist das Erlebte und das Geschehene von gestern, das im Moment Gedachte und Getane, das Erwartete und Erhoffte der Zukunft. Theologische Fachliteratur spricht im Zusammenhang mit „Zeit“ über Vergangenheit und Zukunft, über Ewigkeit und Heilszeit, über Zeitbegriffe und Zeitverständnis, über Zeitalter und Zeitrechnung,202 viel seltener aber über den Zeitgeist, der dann zudem eher eine einseitig negative Konnotation erhält.

In der Auseinandersetzung um die eine heilige, katholische und apostolische Tradition und die kirchlichen Traditionen (Plural!) weist Martin Werlen darauf hin, dass der Zeitgeist

(1) weder negativ noch positiv ist,

(2) nicht mit der durch Christus in Gott verwurzelten Tradition der Kirche in Verbindung gebracht werden darf,

(3) allerdings als das „Spezifische einer Epoche“ zu einem tieferen Verständnis der unterschiedlichen Traditionen der Kirche beitragen kann, die dem Glaubensleben in vergangenen Zeiten einen bestimmten Anstrich gegeben haben, heute geben und auch in der Zukunft geben werden.203

Zwei Beispiele aus der Vergangenheit und der Gegenwart: Der Purpur der Kardinäle und der vergangenen Päpste war zwar die säkulare, aber zugleich vergöttlichende Farbe der römischen Kaiser in den Zeiten des triumphalen Absolutismus. Das heutige Streben eines Großteils des Volkes Gottes nach einer synodalen Kirche gründet nicht zuletzt im säkularen Zeitgeist der Gleichberechtigung, in der im unbegrenzten Informationszugang Chancengleichheit gefordert wird, die ihrerseits durch kreative Mitbestimmung neue gesellschaftliche Parameter setzt.

3.1.1 „Kultur“ als gesellschaftliches und kirchliches Modewort?

Der Begriff „Kultur“ wird meistens sowohl im gesellschaftlichen als auch im kirchlichen Kontext zunächst für etwas anderes (und dennoch nicht zu etwas ganz so anderem) verwendet. So ist beispielsweise auf der Menü-Zeile der Homepage von America, des einzigen katholischen Wochenmagazins der Vereinigten Staaten, auch „Culture“ zu finden, worunter dann im Sub-Menü die Begriffe „Kunst, Dichtung, Bücher, Filme, Ideen, Theater und TV“ angeboten werden.204 Über diese Themen und Begriffe kann geschrieben und gesprochen werden, was allerdings noch nicht bedeutet, etwas über die Organisationskultur erfahren zu können. Nach der Kultur eines Teams, einer Gruppe, einer Organisation oder eines Unternehmens zu fragen und damit etwas zunächst Verborgenes über Wertvorstellungen, Weg und Ziele einer Institution – so klein sie auch sein mag – zu erfahren benötigt somit mehr als eines Klicks auf die Enter-Taste unter „Kultur“.

Nach der Begriffsklärung von Kultur und Organisationskultur geht es in diesem Kapitel um das klare Verstehen, ob in der Kirche und in kirchlichen Institutionen unter Kultur und Organisationskultur etwas anderes verstanden wird – oder werden muss – als im gesellschaftlichen Alltag, ohne jedoch schon detailliert auf die inhaltlichen Unterschiede einzugehen. Nicht selten entsteht in Gesprächen das Empfinden, dass Menschen auch in der Kirche bei Verwendung ein- und desselben Begriffes aneinander vorbeireden oder bewusst Aspekte und Inhalte eines Begriffs zudecken. Wenn beispielsweise im Jahr der Orden (2015) die zweihundert österreichischen Ordensgemeinschaften in einem kleinen Prospekt ihre Spiritualität, ihren diakonischen Dienst oder ihre Internationalität vorstellen, erhofft sich der Angesprochene auch etwas über die Art und Weise zu erfahren, wie diese Ordensmänner und -frauen in ihren Gemeinschaften „ihren Weg gehen“, was einmal grob als „Kultur der Orden“ bezeichnet werden könnte. Unter dem Titel „Aufgehoben in der Zeit. Kultur“ und dem Bild einer barocken Klosterbibliothek erfährt der Leser etwas über „die Verwurzelung in Tradition, Kultur und Kunst [,die den] Menschen einen längeren Atem und eine gelassenere Sichtweise“205 verleiht. Das kulturelle Erbe und die Kulturgüter, die den Besucher tatsächlich „heilsame Orte, Zeiten und Rituale“206 erleben lassen können, übertönen jedoch nicht selten die ordenseigenen Wege zu den heilsamen Orten, in den Zeiten des Alltags und bei den Ritualen ihrer Communio. Spezielle Handlungsmaximen verleihen den vielfältigen Ausprägungen des Ordenslebens eine kulturelle Prägung oder eine nicht zu verleugnende Geisteshaltung, die Teil der „Ordenskultur“ sein kann, allerdings vom Inhalt her wenig mit dem Kunstbegriff der Kultur zu tun hat.

 

Immer dann, wenn im kirchlichen Kontext über Kultur bzw. ein besonderes Spektrum der Kultur gesprochen wird, wird genauso wie im profanen Bereich begriffliche Redlichkeit verlangt, was wiederum nichts anderes bedeutet als eine richtige Verwendung des Kulturbegriffs, der allerdings zunächst klar definiert werden muss.

In der „Rahmenordnung Liturgie“ der Erzdiözese Wien wird schon in der richtungsweisenden Überschrift von „Sonntagskultur“ gesprochen,207 ohne diesen Begriff nur im Ansatz zu erläutern. Im Gegenteil, der Begriff kommt dann im gesamten Kapitel kein einziges Mal mehr vor. Stillschweigend und ohne Erklärung, was denn die Liturgen, die diesen Text zusammengestellt haben, unter Sonntagskultur verstehen wollen, wird dann in den wohl praktischen liturgischen Richtlinien von den Wurzeln der Liturgie in der Communio der Gemeinde am Herrentag gesprochen, dem Tag, an dem Christus auferweckt wurde. Diese Überlegungen enden in einem letzten Absatz mit „einige[n] Elemente[n] der Leitungskultur von Gottesdiensten.“208 Darin wird unter dem Begriff der „Feierkultur von Gottesdiensten“209 auf deren schon im CIC festgehaltenen Respekt hingewiesen, demgemäß „ein Priester und andere Verantwortliche für nicht mehr als drei Eucharistiefeiern am Sonntag (inkl. Vorabend) zur Verfügung [stehen]“.210 Grundsätzlich ist gegen die Verwendung der Begriffe Sonntags-, Leitungs- und Feierkultur nichts einzuwenden, nur scheint sowohl das Defizit, was unter diesen Begriffen verstanden wird, und auch deren xbeliebige Vermischung eher hinterfragbar, auch wenn sie in einem nichtwissenschaftlichen Zusammenhang verwendet werden. Ein praktisch-theologischer Kontext der Feier des sonntägigen Herrenmahls würde allerdings umso mehr eine klare Sprache erfordern, als Begrifflichkeiten einfach der Interpretation oder Beliebigkeit des Lesers zu überlassen.

Kultur der und in der Kirche möchte hier als die physische, geistige und geistliche Ganzheit verstanden sein, mit der sie, d.h. die Kirche, als Communio auf ihr Endziel zugeht. Diese lebendige Grundkonzeption schließt sowohl anthropologische und soziologische als auch ethnologische und normative Paradigmen mit ein.

3.1.2 Organisationskultur als Leistungs-Katalysator

In säkularen Wirtschaftsunternehmen steht heute außer Zweifel, dass neben Strategie und Struktur deren Unternehmenskultur wesentlichen Einfluss auf ihren Unternehmenserfolg ausübt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche gemeinsamen Werte und Überzeugungen einer high-performing culture zugrunde liegen. Edward Gubman, internationaler Unternehmensberater in den Bereichen unternehmerischer Leistungsfähigkeit, spricht von vier verhaltensorientierten Grundvoraussetzungen, die allen „exzellenten“ Unternehmen über eine längere Zeit Erfolg versprechen.211 Dabei beobachtet er auch die Notwendigkeit, diese Werte und Überzeugungen überall und ständig mit Taten zu untermauern, um Kunden und Mitarbeitern sichtbar zu machen, dass daraus Konsequenzen für die Leistung (Performance) ihres Unternehmens resultieren. Gubman definiert diese vier Überzeugungen, die den erfolgreichsten Organisationen gemeinsam sind:212

(1) Wir tun alles für den Kunden.

(2) Wir wollen stets in allem, was wir tun, die Besten sein.

(3) Wir wollen einander immer fair und mit Respekt behandeln. Mit anderen Worten: Wir tragen füreinander Sorge.

(4) Wir respektieren individuelle Würde und gestalten unsere Arbeit so, dass Mitarbeiter daraus Erfüllung und Zufriedenheit schöpfen können – entweder, weil die Aufgabe Freude bereitet oder die Herausforderungen, die ihr zugrunde liegen, motivierend sind.

Diese vier Grundwerte eines profit- oder sozial orientierten Unternehmens finden auch eine analoge Gültigkeit in der Kirche und ihren Organisationen; zumindest können sie für eine effiziente administrative als auch kirchlich-pastorale Arbeit „übersetzt“ werden:

(1) Nicht der Mensch ist für die Kirche da, sondern die Kirche für den Menschen.213

(2) Auch in seiner kirchlichen Sendungsarbeit bringt der Christ „großes Gottvertrauen und die Ausübung seiner Fähigkeiten in Einklang“.214

(3) Der Christ trägt Sorge dafür, anderen seine Freude an Jesus Christus zu verkünden (EG 30).

(4) Die Aufgabe der Kirche ist es, „die Welt mehr entsprechend der hohen Würde des Menschen zu gestalten“ (GS 91).

Wenn Jesus Christus nach Paulus „unser Haupt“, also das Haupt der Kirche ist (Kol 1,18; Eph 4,15), so mag es doch nicht zu weit hergeholt sein, diese seine Kirche auch zu höchster Anstrengung anzueifern (1Kor 9,24), um ihr missionarisches Ziel zu erreichen. Damit ist dem von Ignatius von Loyola stammenden Diktum „Bete, als hinge alles von dir ab, und arbeite, als hinge alles von Gott ab“215 nicht widersprochen. Es beleuchtet vor allem die Spannung zwischen Kontemplation und Aktion in der Kirche, die beide auf die missionarische Sendungsaufgabe, den Menschen als solchen und den Menschen untereinander ausgerichtet sind.

Ein zweiter Aspekt einer Kultur, die die vier oben genannten Merkmale einer high-performance culture in den Unternehmensalltag umsetzt, ist der „Klebstoff“, der die Mitarbeiter aller hierarchischen Stufen zusammenschweißt, nämlich die Identifikation mit dem Unternehmen. Nicht wenige Führungskräfte verwenden viel Zeit und auch emotionale Ressourcen darauf, die positive Kultur ihrer Unternehmung trotz oft entgegengesetzter Einflüsse zu formen, von außen zu bewahren und zu vertiefen. Unternehmenskultur ist gleichsam zu „riechen“, viel schwerer jedoch zu messen. So mancher Technokrat, der auch in kirchlichen Diensten nicht selten zu orten ist, glaubt allerdings kaum an die Kraft einer zielführenden Organisationskultur, weil diese quantitativ nicht erfass- oder messbar zu sein scheint. Für die einsichtige Führungskraft jedoch beginnt nach der Umsetzung der vier Grundprinzipien die Identifikation mit der Organisation. Wenn Mitarbeiter ihre Werte als die Werte ihres Unternehmens erkennen, dann entsteht persönliche Identifikation mit dem, wofür sie gemeinsam arbeiten. Wenn pastorale Mitarbeiter einer Diözese das tun wollen, was ihnen ihr Hirte vorzuleben und vorzugeben versucht, wird Identifikation innerhalb der Ortskirche geboren. Gubman erwähnt in „The Talent Solution“ Gedanken von Phil Jackson, einem Coach der Chicago Bulls, einer Mannschaft der nordamerikanischen Basketball-Profiliga: „Der effektivste Weg, ein erfolgreiches Team zusammenzuschmelzen, besteht darin, an die Bedürfnisse der Spieler zu appellieren, sich etwas Größerem anzuvertrauen als sich selbst.“ Und weil dies die Aufgabe eines Eigeninteresses für einen größeren Wert bedeutet, spricht Jackson von einem „spiritual act.“216

Organisationskulturelle Identifikation ereignet sich am offensichtlichsten mittels Übereinstimmung der gemeinsamen Werte der Mitarbeiter mit denen der Unternehmensleitung. Normalerweise geschieht das anhand eines schriftlichen Statements des Unternehmens und einer Ausrichtung der Mitarbeiter durch Begleitung und entsprechende Schulung.217 Die Realität scheint jedoch vielfach anders zu sein: Mission Statements und Leitbilder sind eher „geduldig“, das heißt auf Papier gedruckt, nicht aber von den Mitarbeitern adoptiert und gelebt; und Maßnahmen der Personalentwicklung fokussieren eher auf Fachwissen und Kompetenzen, viel weniger jedoch auf der Erfassung von Werten und dem ethischen Verhalten des einzelnen Individuums oder eines Teams.

Analysen diözesaner Personalentwicklungsmaßnahmen weisen in dieselbe Richtung. Während die Qualität von theologischen Fortbildungskursen für pastorale Mitarbeiter fast nie zu bezweifeln ist, werden beispielsweise Kurse und Seminare für Teamarbeit, Entscheidungsfindung, Zeit-Management, Konfliktbewältigung etc. kaum angeboten; und wenn überhaupt, dann meist ohne konkreten kirchlich-pastoralen Bezug. Damit wird die Erkenntnis von und die Forderung des Zweiten Vatikanums nach einer Durchdringung von Dogma und Pastoral ad absurdum geführt.218 Was nützt es einem Priester, einem Diakon oder einem Pastoralassistenten ein brillanter Exeget zu sein, ohne die katechetische Fähigkeit oder die zeitliche Verfügbarkeit zu haben, die Frohe Botschaft auch weitergeben zu können?

In der vor-konziliaren Epoche, die aus dem Tridentinischen Konzil entwachsen, jedoch durch die kirchlichen Zentralisierungsbemühungen des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts insbesondere in ihrer Lehre fixiert wurde, scheint es sichtbare Parallelen zwischen der erwähnten Wirtschaftswelt und der Organisationskultur der Kirche gegeben zu haben. Weder der Klerus noch die Basis des Volkes Gottes hatte es wirklich gewagt, dem offiziellen Lehramt der Kirche zu widersprechen. Orthodoxie war oberstes Gebot der Stunde, Orthopraxie war kaum ein Diskussionsthema, und wenn da und dort doch etwas davon an die Oberfläche drang, wurde es strikte der Orthodoxie, das heißt dem kirchlichen Lehramt nachgeordnet und im Falle des Zuwiderhandelns oder -denkens mit Exkommunikation geahndet.219

Das letzte Konzil setzt mit der Pastoralkonstitution Gaudium et spes neue Maßstäbe, auch wenn einige Konzilsväter zunächst Widerstand gegen die Bezeichnung „Konstitution“ geäußert hatten, die ihrer Meinung nach ein dogmatisches Paradigma darstellte, während der Begriff „Pastoral“ ja auf einen seelsorgenden, d.h. pastoralen Charakter des Dokumentes hinwies. Letztlich siegte die Erkenntnis, dass diese beide Paradigmen miteinander untrennbar verschlungen sind.220 Die Konzilssynodalen weisen in der Anmerkung zum Titel des Dokuments auf dieses fundamentale Ineinandergreifen von Dogma und Pastoral hin:221

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