Zwischen meinen Inseln

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Brisbane, 22. September 1914

Nach kurzen Kämpfen hat die australische Marine auch Deutsch Neuguinea eingenommen und die dort stationierten deutschen Truppen vertrieben. Australien schein alles zu tun, um den Feind Englands zu bekämpfen. Vater sagt, dass es natürlich auch eine Gelegenheit ist, sich Inseln im Pazifikraum anzueignen. Es wurde aber auch ein erster Verlust an Material und Menschenleben verzeichnet. Seit mehreren Tagen wird ein Unterseeboot der Marine vermisst, an Bord war eine fünfunddreißigköpfige Mannschaft.

Brisbane, 30. September 1914

Wir waren wieder zur Untersuchung. Es ist soweit alles in Ordnung. Der Doktor sagt aber, wir müssen darauf achten, dass Toms Rücken immer hübsch gerade ist. Er möchte es sich in einem halben Jahr noch einmal ansehen. Ich weiß nicht, ob mich das beunruhigen soll. Onoo war immer kerzengerade und muskulös und ich bin doch auch nicht krumm und Vater auch nicht. Wir werden Tom schon einen geraden Rücken vererbt haben.

Brisbane, 3. Oktober 1914

Ich blättere in meinem Tagebuch. In den letzten beiden Monaten habe ich fast nur über den Krieg in Europa berichtet, alles andere steht zurück und das erschreckt mich.

Brisbane, 17. Oktober 1914

Ich schreibe ab heute auf Portugiesisch, es wird also am Anfang wieder etwas merkwürdig klingen. Ich warne mich selbst und hoffe, wenn ich diese Zeilen in ein paar Jahren einmal wieder lese, noch zu begreifen, was hier jetzt steht. Ich merke, dass ich einige spanische Wörter einfließen lasse, das muss ich unbedingt abstellen. In meinen ersten spanischen Aufzeichnungen musste ich auch viel herumkritzeln, immer wieder durchstreichen und neu schreiben. Eigentlich ist es etwas schade, weil ich mir doch sonst so viel Mühe gebe, in meinem Tagebuch sauber und ordentlich zu schreiben. Vielleicht werde ich künftig auch alles auf einem Zettel vorschreiben und erst dann in mein Tagebuch übertragen, das hätte ich vielleicht gleichmachen sollen.

Brisbane, 3. November 1914

Das Osmanische Reich hat sich den Deutschen und Österreichern angeschlossen und führt nun auch Krieg gegen England.

Brisbane, 5. November 1914

Der Krieg in Europa ist natürlich seit Wochen das große Thema auf dem College. Es erscheint mir alles wie aus einer anderen Welt. Natürlich ist die Welt näher zusammengerückt, das, was in Europa geschieht, erreicht uns unmittelbar in Form der Nachrichten. In den Kinos gibt es bereits Filme, die den heroischen Aufmarsch zeigen und auch die Schlachtfelder nicht auslassen. Längst hat auch Australien mobilgemacht und seine Söhne an den Ort des Geschehens geschickt. Australien und das ferne England sind stark miteinander verwoben und kämpfen gegen einen gemeinsamen Feind, der ebenfalls fern unserer Vorstellung ist.

Brisbane, 11. November 1914

Nach Deutsch Neuguinea sind jetzt auch die Inseln Bougainville und Buka, die zu den Salomonen gehören, von australischen Streitkräften besetzt. Es bleibt nicht mehr viel vom deutschen Einfluss im Pazifik übrig.

Brisbane, 30. November 1914

Australische Truppen sind schon seit Anfang des Monats auf dem Weg nach Ägypten in Nordafrika, um dort stationiert zu werden. Wo sie dann kämpfen werden, ist wohl nur den Befehlshabern bekannt.

Brisbane, 10. Dezember 1914

Paris ist wieder so sicher, dass die französische Regierung aus dem Exil zurückgekehrt ist. Die deutschen Truppen sollen aber keine sechzig Meilen von der Stadt entfernt die Front errichtet haben.

Brisbane, 25. Dezember 1914

Es war das erste Mal, dass Tom richtig begriffen hat, was Weihnachten ist. Es sind nicht die Geschenke, die hat er im letzten Jahr auch schon bekommen. Wir haben uns heute Nachmittag ein Krippenspiel angesehen und Tom war ganz fasziniert. Auf dem Rückweg hat er die ganze Zeit von dem Christuskind gesprochen. Vater meint allerdings, dass Tom sich mehr für die Tiere im Stall interessiert hat. Bei dem Krippenspiel gab es richtige Tiere, einen Esel und drei Schafe und unpassenderweise auch ein halbes Dutzend Hühner.

1915
Brisbane, 5. Januar 1915

In den Ferien habe ich kräftig Holländisch gelernt. Ich habe viel gelesen und übersetzt. Jetzt will ich auch in meinem Tagebuch auf Holländisch schreiben, mit dem Spanischen und Portugiesischen ging es doch recht gut. Ich bin beim Holländischen aber noch mehr darauf angewiesen vorzuschreiben, ansonsten müsste ich jedes zweite Wort durchstreichen, oder ganze Sätze, wenn ich am Ende merke, dass die Stellung der Wörter nicht stimmt. Ich habe ein Ziel, irgendwann möchte ich jederzeit zwischen den Sprachen umstellen können. Wenn jemand mir zuruft, denke und schreibe auf Spanisch, dann möchte ich es ohne Zögern können, ebenso mit dem Portugiesischen und dem Holländischen. Ich habe auch schon überlegt, mir drei Karten zu schreiben, für jede Sprache eine, und sie vor jedem Tagebucheintrag verdeckt zu ziehen. Steht auf der Karte Holländisch, so schreibe ich sofort auf Holländisch, ist es die spanische Karte, dann schreibe ich auf Spanisch und so weiter.

Brisbane, 7. Februar 1915

Ich bin gestern das erste Mal seit Monaten wieder ausgegangen. Wir waren zu fünft, eine ledige Mutter und zwei ehrbar verheiratete Paare. Olga und Helen habe ich letztes Jahr auf einem Wohltätigkeitsball kennengelernt. Sie sind auch Mütter und zum Glück etwa in meinem Alter. Sie haben aber jede ein Mädchen und ich habe sofort an potentielle Bräute für meinen Tom gedacht. Olga ist mit John verheiratet, John I, denn Helens Mann heißt ebenfalls John, John II und so nennen wir sie auch, wenn wir zusammen sind. Der gestrige Nachmittag hatte eine Besonderheit, denn wir haben einen dritten John kennengelernt, den wir aber nicht John III nennen, sondern John B., weil sein zweiter Vorname Bernhard lautet, John Bernhard Altsmith. Olga meint, dass John B. mich kennengelernt hat und nicht ich ihn und das kam so. Wir haben natürlich nicht auf die Pferde gesetzt, wir haben kein Geld gesetzt, wir haben aber untereinander gewettet und jeder hat seinen Favoriten für die Rennen genannt. Zweimal lagen wir alle daneben. Beim dritten Mal stand John B. hinter uns, als wir am Führring wieder über die möglichen Sieger des nächsten Rennens gesprochen haben. Ich hatte mir Beach gewählt, einen mutig aussehenden Fuchs und John B. verkündete plötzlich, dass er sofort auf mein Pferd setzen wolle. Wir waren natürlich überrascht. John I und John II haben nur geklatscht und für mich die Hälfte des Gewinns gefordert, falls tatsächlich Beach siegen würde. Wir haben John B. zum Wettschalter begleitet. Beach hat natürlich nicht gewonnen. Nach dem vierten Rennen haben wir dann die Rennbahn verlassen, diesmal zu sechst. Den Rest des Nachmittags haben wir in einem Café verbracht. Am nächsten Sonntag will John B. wieder auf der Rennbahn sein und er erwartet auch mein Kommen. Ich fürchte er ist mein erster Kavalier, seitdem ich in Brisbane lebe.

Brisbane, 10. Februar 1915

Helen und Olga haben mich ganz verwirrt. Sie drängen mich am Sonntag wieder die Rennen zu besuchen. Erst wollte ich natürlich nicht. Dann habe ich es doch zugesagt, vorläufig. Ich werde aber nur gehen, wenn mich Olga und Helen und die beiden Johns wieder begleiten. Diese Woche habe ich noch viel zu tun. Ich muss mich auf einige Prüfungen vorbereiten und noch eine ganze Reihe Bücher lesen. Anfang März geht es mit den Prüfungen los und ich hoffe, dass ich meinen ersten Abschluss nach zwei Jahren auf dem College schaffe. Eine schöne Vorbereitung für die mündlichen Prüfungen ist der Diskutierkreis, den ich zweimal in der Woche besuche, am Dienstag- und Donnerstagnachmittag. Wir treffen mit portugiesischen und brasilianischen Konsulatsangestellten zusammen, die mit ihren Familien in Brisbane leben. Dort wird dann in der ersten Stunde nur Portugiesisch gesprochen. Zum Ausgleich helfen wir ihnen dann in der zweiten Stunde ihr Englisch zu verbessern. Die Themen, über die wir diskutieren, entnehmen wir immer den gerade aktuellen Zeitungen. Wir sprechen natürlich viel über den Krieg in Europa, aber auch über lokale Nachrichten aus New South Wales, was eigentlich angenehmer ist. Am Freitagvormittag arbeite ich dann noch in einer Buchhandlung, die als Besonderheit spanische Literatur anbietet und deren Publikum Einwanderer aus den unterschiedlichsten südamerikanischen Ländern sind und sich dort mit Lesestoff versorgen. Natürlich suche ich hier ebenfalls das Gespräch und kann obendrein noch etwas Geld verdienen. Mein Holländisch kann ich aber nur am College verbessern. Montags treffen wir uns in Vierergruppen und plaudern einfach drauflos. Oft ist der Anfang etwas schwer, bis wir das richtige Thema gefunden haben. Einer der Lehrer geht dann immer reihum und kontrolliert uns oder verbessert die Aussprache oder nimmt einfach an den Gesprächen teil. Im Holländischen ist mein mündlich nicht so gut, aber ich reiße es mit dem schriftlichen wieder heraus. Ich kann mir jetzt noch nicht vorstellen, jemals als Dolmetscherin für Holländisch zu arbeiten. Tom muss zum Glück nicht unter meiner Ausbildung leiden, ich habe immer noch genügend Zeit für ihn, auch wenn er sich schon daran gewöhnt hat, dass Mrs. Lovegrove am Vormittag und manchmal auch am Nachmittag für ihn da ist. Er darf sie sogar Oma nennen. Als ich es das erste Mal gehört habe, musste ich sofort an seine richtige Großmutter denken, jene liebenswürdige, bescheidene Frau auf Ua Huka.

 

Brisbane, 15. Februar 1915

Gestern haben mich Olga und John I zur Rennbahn begleitet, Helen und John II waren leider verhindert. Wir standen in der Nähe des Führrings, der sonst noch menschenleer war, als wir einen merkwürdigen Ruf hörten. Ich weiß gar nicht, wie ich es schreiben soll, Quuii oder Cooee. John B. war gerade durch das Kassenhäuschen getreten, gut hundert Yards von uns entfernt, und er war es, der gerufen hat. Olga hat mir dann erklärt, dass sein Ruf auf dem Lande üblich ist, dass die Leute sich mit diesem Ruf finden, auch wenn sie sich in der Wildnis nicht sehen. John B. hat uns aber gesehen, nur wir ihn nicht. Er ist dann gleich zu uns gekommen und hatte drei Rosen dabei, denn es war gestern ausgerechnet auch noch Valentinstag. Die Rosen waren für uns Damen bestimmt, da aber Helen fehlte, habe ich zwei erhalten, was ich gerade noch als schicklich angesehen habe. Es wurde dann ein lustiger Nachmittag. John B. hat zweimal auf die Rennen gewettet und einmal tatsächlich etwas gewonnen, wobei der Name des Siegerpferdes von mir kam. Der Gewinn belief sich aber nur auf ein paar Schillinge, die John B. mit mir geteilt hat, so wie es ihm schon am vergangenen Sonntag auferlegt wurde. Wir sind diesmal bis zum Ende der Rennen geblieben, haben uns aber in ein Pub auf dem Gelände der Rennbahn gesetzt und uns unterhalten. Es war ganz gut, dass Olga und John I dabei waren. John B. hat mich dauernd angesehen und ich konnte seinem Blick nur ausweichen, indem ich auch mit Olga oder John I gesprochen habe. Nicht, dass es mir unangenehm war, aber ich bin diese Aufmerksamkeit nicht gewohnt. John B. wollte alles über mich wissen, ich habe ihm aber nur etwas über das College erzählt und dass Vater Journalist ist. John B. selbst arbeitet in der Firma seines Vaters sie stellen Drähte her, was immer das bedeutet. Der Nachmittag endete damit, dass uns John B. noch zum Zug gebracht hat. Wie er selbst heimgekommen ist und wo er wohnt, haben wir an diesem Nachmittag nicht mehr erfahren. Über ein nächstes Treffen hat er mich auch im Unklaren gelassen und mir nur einen geheimnisvollen Hinweis gegeben, dass er mich auf jeden Fall wiedersehen wird.

Brisbane, 23. Februar 1915

Am vergangenen Sonntag gab es keine Rennen, was ich beinahe bedauert habe. Es wäre sicher auch albern gewesen, erneut hinzugehen und auf eine Begegnung mit John B. zu hoffen. Dennoch habe ich ihn wiedergesehen, es war heute Mittag. Ich wollte gerade vom College nach Hause fahren, als plötzlich John vor mir stand. Ich muss gestehen, dass ich ein wenig Herzklopfen hatte. Natürlich war ich auf ein Rendezvous nicht eingerichtet. Ich musste nach Hause, zu Tom, was ich John natürlich nicht gesagt habe. Ich habe mich dann auch nur auf ein Stündchen eingelassen. Wir sind spazieren gegangen und haben viel gesprochen, das erste Mal allein. Jetzt, hier zu Hause, wo ich an meinem Schreibtisch sitze, bin ich mir meiner Gefühle nicht ganz sicher. Ich ertappe mich dabei, an die Gefühle zu denken, die ich für Onoo hatte. Es ist schon merkwürdig, dass dies alles für mich bereits Vergangenheit ist. Es sind doch eben erst drei Jahre her, seit ich Onoo das letzte Mal gesehen habe. Ich bin mir nicht sicher, ob es richtig ist, nicht mehr auf ihn zu warten. Natürlich ist es richtig. Onoo, Ua Huka, die ganzen Inseln, selbst Tahiti ist jetzt nur noch Vergangenheit für mich. Ich will nach vorne schauen, in meine Zukunft. John hat mich zu einem weiteren Rendezvous gedrängt und ich habe ja gesagt. Er wollte wissen, wo ich wohne, weil er mich abholen wollte, aber ich werde es nicht zulassen, zumindest jetzt noch nicht. Ich habe John auch noch nichts von Tom erzählt, nicht weil ich mich davor fürchte, sondern, weil ich John B. Altsmith noch gar nicht richtig kenne. Er wird mich am Samstag vor dem College abholen, dort wo er mich heute so überrascht hat.

Brisbane, 5. März 1915

Überall sind jetzt diese Plakate zu sehen, auf denen es um ein Buschfeuer geht, doch eigentlich geht es um den Krieg in Europa. Australien ruft seine Bürger weiterhin dazu auf, nicht tatenlos zuzusehen, wie das Buschfeuer wütet, sondern sich zu melden, es zu löschen. Ich finde es Recht gelungen, weil es jeder hier in Australien versteht.

Brisbane, 20. März 1915

Die Zeitungen haben einen Bericht über die Kriegslage in Europa gebracht. Deutschland muss an zwei Fronten kämpfen, im Westen gegen England und Frankreich und im Osten gegen das Russische Reich. Es besteht die Meinung, dass ein Zweifrontenkrieg nur schwer durchzuhalten ist und somit eine der beiden Fronten einbrechen muss. Wir hoffen, dass die Deutschen schnell aus Frankreich und Belgien vertrieben werden, um so den Sieg und das Ende des Krieges zu bringen.

Brisbane, 12. April 1915

In den Wochen vor und nach Ostern war John nicht in Brisbane. Er hatte seine Familie nach Perth begleitet, um dort Verwandte zu besuchen. Ich kenne John B. Altsmith jetzt schon sehr gut. Ich weiß eine Menge von ihm und er kennt auch meine Lebensgeschichte, wenn ich ein solches Fazit überhaupt schon ziehen kann. Ich habe John noch im Februar, gleich bei unserem dritten Treffen von Tom erzählt und die beiden haben sich auch schon kennengelernt. Es ist vielleicht anmaßend, aber ich könnte mir John sehr gut als Toms Vater vorstellen. Ich weiß auch, dass solche Gedanken ungerecht gegenüber Onoo sind, weil Onoo nie die Chance hatte, Tom kennenzulernen, ihm ein Vater zu sein. Ich will aber nicht länger an Onoo denken, obwohl ich genau weiß, dass ich ihn einmal geliebt habe. Dies alles ist aber Vergangenheit und wird sich nicht ändern, egal was Onoo jetzt noch unternimmt. Ich glaube ich verliebe mich gerade in John, aber ich bin mir noch nicht sicher. Vater hat John auch schon kennengelernt. Ich habe genau beobachtet, wie sie einander begegnet sind. Ich kenne Vater gut genug, um zu wissen, was er von einem Menschen hält, auch wenn er es mir nicht direkt sagt. Ich erkenne es daran, wie er mit ihm spricht, ob er ihn respektiert oder nur akzeptiert. Ich habe ein gutes Gefühl bei Vater und John. Vater hat mich nach dem Treffen noch einiges über John gefragt, was bedeutet, dass er sich für John interessiert.

Brisbane, 27. April 1915

Die australischen und neuseeländischen Truppen haben ihren ersten Kriegseinsatz begonnen. Ganz im Osten Europas kämpfen sie gegen das Osmanische Reich. Ein neuer Begriff prägt sich gerade ein, Australian and New Zealand Army Corps oder kurz ANZAC steht für die Verbände aus Australien und Neuseeland, die in Europa im Einsatz sind.

Brisbane, 1. Mai 1915

Ich bin schon so aufgeregt, obwohl es noch so lange hin ist. Zu Pfingsten will mich John seiner Familie vorstellen. Er hat es zwar nicht so gesagt, dass ich ihnen präsentiert werde, aber genau das wird es sein. Er hat mich zu Pfingsten auf den Sommersitz seiner Eltern eingeladen. Ich werde zwangsläufig die Mitglieder seiner Familie kennenlernen. John ist der einzige Sohn der Altsmiths und er ist das jüngste von vier Kindern. John hat drei verheiratete Schwestern, die schon Kinder haben. Das ist auch der Grund, warum John nicht nur mich, sondern auch Tom eingeladen hat. Er sagt, es sei selbstverständlich, dass Tom mitkäme, weil er doch zu mir gehöre und außerdem könne ich Tom doch auch nicht tagelang alleine lassen. Ich habe schon die Namen von Toms Schwestern gelernt. Emilia ist die Älteste, dann kommen Caroline und Fabiola. Die Namen ihrer Ehemänner hat John mir noch nicht verraten. Ich liebe es, wenn die Familie groß ist, das war auch schon auf Ua Huka so. Hier in Australien ist das natürlich wieder etwas ganz anderes. Die Altsmiths sind vornehme Leute und leben nicht alle auf einem Fleck. Nur zu den Feiertagen, wie jetzt zu Pfingsten, kommen sie zusammen. Ich muss John unbedingt noch fragen, was er seiner Familie über mich erzählt hat.

Brisbane, 3. Mai 1915

Ein weiteres australisches Unterseeboot ist verloren gegangen. Diesmal ist es wohl ganz sicher, dass es durch feindlichen Beschuss versenkt wurde. Im östlichen Mittelmeer halten die Kämpfe gegen das Osmanische Reich an. Es werden jetzt so viele Ortsnamen erwähnt, die Dardanellen, das Schwarze Meer und Gallipoli. Gerade dort sind die Truppen unter schweren Beschuss geraten.

Brisbane, 8. Mai 1915

Wie eine böse Nachricht muss es um die Welt gegangen sein und hat sehr schnell auch Australien erreicht. Der Passagierdampfer Lusitania wurde von den Deutschen versenkt. Hunderte Menschen sind ertrunken, verbrannt oder wurden zerfetzt, darunter auch viele Amerikaner. Alles wartet jetzt auf eine Reaktion der amerikanischen Regierung. Die Deutschen können nicht ungestraft Amerikaner töten, die gar nichts mit dem Krieg zu tun haben. Es wird auch erwartet, dass die Amerikaner jetzt aufseiten der Entente in den Krieg gegen Deutschland eintreten.

Brisbane, 14. Mai 1915

Heute war ich einkaufen. Ich habe nicht nach dem Geld geschaut, denn es geht darum, was ich zu Pfingsten anziehe. Ich habe in einem Modemagazin geblättert und in der vergangenen Woche begonnen, andere Frauen zu beobachten, was sie tragen, was gerade in Mode ist. Ich bin doch so einfach. Ich habe mir bisher noch nie über den Schnitt eines Kleides oder einer Bluse Gedanken gemacht. Ich habe mir auch die Frage gestellt, welche Bedeutung Pfingsten hat, ist es ein religiöses Fest? Natürlich ist es das, aber steht es über Ostern oder Weihnachten. Oh Gott, ich weiß noch nicht einmal, welcher Konfession John und seine Familie angehören. Wenn ich dort hochgeschlossen wie eine Klosternovizin erscheine, kann es ein Fehler sein, genauso als wenn ich zu leger gekleidet bin. Ich traue mich nicht, John zu fragen, ich bin schließlich eine Frau und kann einen Mann nicht nach solchen Dingen fragen. Meine zweite Schwierigkeit hat mit Tom zu tun. Ich habe eigentlich auch für ihn nichts richtig Festliches anzuziehen. Es war bisher nicht notwendig. Ich möchte aber unbedingt, dass Tom und ich standesgemäß auftreten. Was ist eigentlich unser Stand, frage ich mich jetzt. In der Kolonie, auf Tahiti und auf den Marquesas, war Vater sehr angesehen. Ich habe mich dem nicht immer würdig gezeigt, weil ich meinen eigenen Kopf hatte. Warum ist es mir dann jetzt so wichtig, was Johns Familie über mich denkt. Es ist die Umgebung. Ich lebe nicht mehr in einer Kolonie. Brisbane ist eine Großstadt, kein Dorf, ich muss mich selbst anpassen, wenn mich die Menschen beachten sollen, von denen ich Beachtung erwarte. Für Tom werde ich Hose, Hemd und Jacke kaufen. Es soll schlicht sein, er ist schließlich erst drei und braucht nicht wie ein kleiner Prinz herumlaufen.