Kreativer leben!

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Kreative Entfaltungsmöglichkeiten

Was jetzt kommt, ist ein kleiner Streifzug durch verschiedene kreative Bereiche und Techniken. Wieder beschränke ich mich auf das, was ich selbst ausprobiert und als wirksam erfahren habe, denn über alles andere kann ich dir nichts sagen, was du nicht auch in anderen Büchern lesen kannst.

Generell gebe ich dir hier keine Schritt-für-Schritt-Anleitung, denn davon halte ich nichts. Solche Tutorials bringen dir bei, ein bestimmtes Motiv zu zeichnen oder eine Leinwand zu gestalten wie irgendein anderer Knilch (in diesem Fall: ich) das tun würde. Wenn es das ist, was du willst, findest du tonnenweise Bücher und Webseiten dafür. Ich aber will dir zeigen, wie du den Mut findest, deinen eigenen Stil zu entwickeln und deine eigenen Themen umzusetzen. Die Techniken und Übungen, die du auf den folgenden Seiten findest, sind deshalb ausdrücklich als Beispiele und Anregungen zu verstehen.

Ob du alles buchstabengetreu mitmachst, bestimmte Bereiche auslässt oder alles ganz anders machst, überlasse ich dir. Ich möchte dir nur ans Herz legen, alles zumindest mal auszuprobieren. Denn oft hat unser innerer Kritiker eine ganz hinterlistige Art, sein dummes Genöle als kühle Gedanken zu tarnen, damit wir mit einem leichthin gerufenen "Ach, das ist nicht so mein Ding" doch wieder brav zurück in unseren sicheren kleinen Pappkarton der Konformität kriechen. Hier ist also deine erste Gelegenheit, konstruktiv mit deiner Angst zu arbeiten. Halte bei jeder vorgestellten Technik und Übung kurz inne und höre in dich hinein, ob da dein Herz schneller schlägt oder dein Bauch leise grummelt. Hörst du Stimmchen, die so etwas flüstern wie "Das kann ich aber doch gar nicht" oder "Was wird man über mich sagen?“ Dann mach die Übung unbedingt! Denn wenn dich deine Angst davon abhalten will, muss eine Menge Potenzial dahinter stecken. Das heißt nicht, dass du deshalb jeden Tag Wolken zeichnen oder die Tuba spielen musst – das kannst du selbst entscheiden. Aber entscheide unbedingt erst nachdem du es ausprobiert hast. Lass nicht deinen inneren Kritiker entscheiden. Er wird dich immer nur klein halten.

Ein Wort zu den verwendeten Medien und Materialien: Auch hier stelle ich im Wesentlichen vor, was für mich am besten funktioniert und vor allem, was mir am besten gefällt. Ich weiß aber auch, dass hier die Geschmäcker wirklich weit auseinander gehen. Ich schreibe gern mit der Hand, weil ich das Gefühl der Schreibspitze auf dem Papier mag und weil ich dabei gut nachdenken kann. Ich kenne aber auch viele, die das Schreiben mit der Hand als umständlich oder anstrengend empfinden, und die auf einer Tastatur so schnell schreiben können wie sie denken (während ich dagegen noch immer nicht blind tippen kann – Schande!). Ich male gern

mit Aquarellfarben auf dickem, cremeweißem Papier, andere bevorzugen Kohle und Rötel auf braunem Karton, andere malen mit Filzstiften auf Transparentpapier, Fingerfarben auf Fenster, Kugelschreibern auf Gesichtern, wie auch immer. Was ich sagen will ist: Finde heraus, was dir am besten gefällt und lass dir von niemandem erzählen, dass deine Wahl weniger künstlerisch, klug oder seriös sei als irgendeine andere. Du brauchst kein teures Notizbuch mit Gummibandverschluss. Aber wenn du eins haben willst, dann geh um Gottes Willen los und kauf dir eins. Du bist der Kapitän auf deinem Dampfer! Achte nur darauf, dass du immer ein Auge auf deinen inneren Kritiker hast, und tu im Zweifelsfall genau das Gegenteil von dem, was er dir sagt. Was sagt er in diesem Moment? Dass du nicht gut genug zeichnen oder schreiben kannst, um ein teures Notizbuch mit Gummibandverschluss kaufen zu dürfen? Los, kauf das Buch. Dass deine Handschrift schrecklich aussieht? Bitte schreibe weiter mit der Hand. Dass du schon in der Schule immer schlechte Noten für deine Wasserfarbbilder bekommen hast? Dann kaufe dir unbedingt einen nagelneuen Farbkasten ganz für dich allein. Dein innerer Kritiker haut nicht ohne Grund auf den Putz, er versucht etwas zu verstecken, an das wir heranwollen. Zarte, furchtbar verletzliche Gedanken, die ganz leise und mit klopfendem Herzen flüstern: Ich bin es wert, ein teures Notizbuch zu haben.

Meine Handschrift ist schön, weil sie mir gehört. Ich will Pferdchen malen! Kannst du das Stimmchen hören? Es ist von klein auf überschrien und runtergemacht worden. Geld wächst nicht auf Bäumen, so sieht schöne Schrift aus, so malt man richtig – diese endlose Litanei, die unser innerer Kritiker einfach übernommen hat und sie dir wie ein Tonband immer wieder vorspielt. Und trotzdem ist das Stimmchen noch da. Weil es weiß, dass du ihm eines Tages zuhören wirst. Dieser Tag ist heute. Heute sagst du zu ihm: Ja, du bist es wert, hier ist dein Buch, hier ist dein Stift, hier ist dein Farbkasten. Leg los.

Suche dir also deine Materialen zusammen, aber mach keinen Staatsakt draus. Ich weiß gut, wie viel Zeit man damit verbringen kann, im Internet und in Geschäften nach dem perfekten Papier, dem perfekten Füllfederhalter und dem perfekten was auch immer zu suchen – SEHR viel Zeit. Und man kann auf diese Weise auch ganz elegant die ursprüngliche Aufgabe des Schreibens oder Malens aufschieben und das ist wieder genau das, was unser innerer Kritiker will. Verzettel dich also nicht. Du legst dich nicht für den Rest deines Lebens auf ein Notizbuch fest und du kannst dich jederzeit entscheiden, andere Materialien zu benutzen.

Eigentlich spielen die Materialien auch gar keine große Rolle, am Ende ist es nur Papier, Farbe, etwas Plastik, etwas Metall. Wichtig bist nur du.

Meine Empfehlung, von der du gerne nach Belieben abweichen darfst, ist folgende: Kauf dir

ein Blankobuch in einer Größe, die sich gut für dich anfühlt. Geh einfach nach Bauchgefühl, du wirst eh erst mit dem Befüllen merken, ob du mehr oder weniger Platz brauchst und vermutlich wirst du auch gar nicht immer nur das gleiche Format benutzen wollen. Ob du ein gebundenes Buch wählst oder einen Spiralblock ist ganz egal, die Seiten sollten sich nur gut aufschlagen lassen und nicht von selbst zufallen. Ob liniertes Papier, kariertes oder ganz unbedrucktes überlasse ich auch dir. Wähle im Zweifelsfall die Variante, auf der dir das Schreiben am leichtesten fällt. Es spielt aber keine große Rolle. An Stiften kannst du nehmen, was immer du zur Hand hast und dir Freude macht. Natürlich kannst du auch groß shoppen gehen und dich mit Künstlermaterial in bester Qualität eindecken, aber meiner Erfahrung nach wird das schnell wieder zum Stolperstein und gibt dem inneren Kritiker Futter für neue Vorhaltungen. Aber was weiß ich schon, mach was du willst. Du musst dich auch jetzt noch nicht festlegen, geh einfach so locker wie möglich an die ganze Sache.

Worum ich dich nur bitten möchte: Erzähle noch niemandem davon. Du wirst dich auf eine große Reise begeben, die sich gerade zu Anfang sehr gefährlich für dich anfühlen wird. Du wirst dich viel mit deinem inneren Kritiker auseinander setzen müssen, mit Gefühlen der Angst, des Selbstzweifels, der Unsicherheit. Und das letzte, was du da gebrauchen kannst, sind Freunde, Familienmitglieder oder Partner, die lesen wollen was du schreibst oder dir beim Zeichnen zusehen wollen. Egal wie gern sie dich haben und du sie – das ist ein Druckfaktor, den du dir zu diesem Zeitpunkt unbedingt ersparen solltest. Selbst den liebevollsten und wohlmeinendsten Menschen rutscht schnell mal ein "Was soll das denn darstellen?" oder ein "Ja, ganz nett – aber XY kann das richtig gut!" raus, einfach weil es schon beinahe Teil unserer Kultur ist, kreative Äußerungen gering zu schätzen, die nicht von Kindern oder anerkannten Profis kommen. Deine ersten Schritte sollten deshalb im sicheren Raum deines Notizbuches stattfinden und alle Diskussionen nur zwischen dir und deinem inneren Kritiker ausgetragen werden. Solltest du mit anderen Menschen zusammen leben, erkläre ihnen, dass dein Buch privat ist und bitte sie, das zu respektieren. Verstecke es, wenn es sein muss. Lüge. Sag allen, ich hätte dir verboten, dein Buch irgendwem zu zeigen. Das ist keine Lüge, ich verbiete es dir tatsächlich! Wenn du willst, kannst du später deine Sachen zeigen, wem du willst. Ich werde dir im Verlauf des Buches auch noch Tipps für den Umgang mit Kritikern geben. Aber jetzt arbeitest du erst mal im Geheimen.

Schreiben

Die erste Tätigkeit, die ich dir ans Herz legen möchte, ist das Schreiben. Zum einen, weil du dafür nicht viel mehr brauchst als einen billigen Kuli und etwas Papier oder meinetwegen auch dein Smartphone oder den Computer, an dem du ohnehin jeden Tag sitzt. Zum anderen, weil meiner Erfahrung nach nichts so wirkungsvoll und vielseitig ist wie das Schreiben.

Mit dem Schreiben ist es eine ganz eigenartige Sache. Wir alle lernen die Grundlagen in der Schule – das Alphabet, Grammatik, Rechtschreibung, Satzbau, Aufsätze schreiben. Gibst du jemandem Stift und Papier und sagst: „Schreib mir einen Satz!“ wird es kaum Probleme geben. Gibst du der selben Person dagegen Stift und Papier uns sagst: „Zeichne mir was!“ dann folgt meistens ein Geziere und Gezicke, dass es sich gewaschen hat. Dabei hat das Schreiben ebenso großes kreatives Potenzial wie die bildenden Künste, wir verstecken uns nur gern hinter dem funktionalen Aspekt. Sagst du deiner Testperson statt "Schreib mir was!" beispielsweise "Schreib mir ein Gedicht!" geht es schon wieder los: Das kann ich nicht so gut, ich hab‘s nicht so mit Worten, ich bin nicht so kreativ. Eigentlich furchtbar irrational, denn es ist ja alles da, was benötigt wird: die Kenntnis der Sprache und die eigenen Gefühle, die zum Ausdruck kommen wollen. Trotzdem blockieren wir uns selbst.

Und glaube mir, ich weiß wovon ich spreche. Ich hatte mein ganzes Leben unglaubliche Probleme, irgendetwas zu schreiben, was auch nur annähernd in eine kreative Richtung ging. Manchmal hatte ich Geistesblitze der Inspiration für Geschichten, Essays, Gedichte. Aber sobald ich die ersten Worte aufgeschrieben habe, wurde ich derart von Selbstzweifeln überflutet, dass ich alles wieder vernichtet habe. Das ist nicht gut genug formuliert, das ist peinlich, das interessiert doch niemanden – kommt dir das bekannt vor? Dann hoffe ich, dass dir auch helfen wird, was mir geholfen hat, denn diese Blockade zu überwinden war eine der besten Sachen, die in meinem Leben je passiert sind. Heute schreibe ich täglich viele, viele Seiten in meinem Tagebuch, in meinen Blogs und in jeder Menge anderen Projekten und habe einen Beruf, in dem man mich auch noch für das Schreiben bezahlt. Und ich bin mir sicher, dass das nichts mit Talent zu tun hat, sondern nur damit, dass ich nichts mehr zurückhalte.

 

Was mir damals die Augen geöffnet hat war ein ganz simpler Ratschlag. "Du solltest Tagebuch schreiben", riet mir eine gute Freundin. "Hab ich schon versucht", war meine resignierte Antwort, "aber ich komme mir dabei immer so blöd vor." "Dann schreib genau das in dein Tagebuch", sagte sie.

Bäm! Ich nehme es dir nicht übel, wenn du jetzt nicht beeindruckt bist, aber ich war damals völlig umgehauen. Mein ganzes Leben hatte ich jedes Mal, wenn ich zu schreiben versucht hatte, nur daran gedacht, wie das Endergebnis aussehen müsse: elegant, brillant, raffiniert. Und weil ich ja über persönliche Gedanken und Gefühle schreiben wollte, folgerte ich in irgendeiner dunklen Ecke meines Gehirns, dass ich folglich elegant, brillant und raffiniert sein müsse, was ich aber ganz sicher nicht war. Und deshalb müsse auch alles, was ich schreiben könne, wertloser Mist sein. Der einfache Rat, genau diese beim Schreiben aufkommenden Selbstzweifel zum Gegenstand des Schreibens zu machen, hat mir eine völlig neue Perspektive geschenkt, indem er meine Aufmerksamkeit von dem weggenommen hat, was ich glaubte erreichen zu müssen, und sie zu mir zurückgelenkt hat. Denn wenn man über seine Gedanken und Gefühle schreiben möchte, ist es einfach dumm daran zu denken, wie diese Gedanken und Gefühle aussehen sollten. Man muss sich ansehen, wie sie tatsächlich aussehen.

Klingt logisch, oder? Aber solche Dinge müssen nicht nur mit dem Verstand begriffen werden, sondern auch mit dem Herzen. Und deshalb bist du jetzt dran: Hol dir dein Notizbuch oder was auch immer du dir ausgesucht hast, einen unkomplizierten Stift und dann fängst du an zu schreiben. Wirst du jetzt unruhig und zählst Gründe auf, das lieber später zu machen?

Sehr gut, das ist dein innerer Kritiker der anspringt. Das bedeutet, dass jetzt exakt der richtige Zeitpunkt zum Schreiben für dich ist. Nur Mut, ich bin bei dir.

Setze dir ein Limit, entweder in Form einer bestimmten Zeitspanne oder eine bestimmte Menge an Seiten, die du schreiben wirst. 10 Minuten, 30, 60, eine Seite, zwei, drei – mach es dir nicht zu einfach, aber bleib realistisch. Wichtig ist, dass du nicht aufhörst zu schreiben, bevor die Zeit um bzw. die Seiten voll sind. Damit kannst du auch direkt eine Menge möglicher Einwände deines inneren Kritikers beseitigen. Hat er zu Bedenken gegeben, dass doch in einer halben Stunde deine Lieblingsserie anfängt, die du auf keinen Fall verpassen darfst, und dass es sich deshalb doch gar nicht mehr lohnt, heute noch zu schreiben? Fein, lege dein Limit auf 20 Minuten.

Fang an zu schreiben. Beginne mit diesem Moment, mit dir. Was denkst du gerade? Was fühlst du? Wie fühlt es sich für dich an, jetzt zu schreiben? Bist du nervös? Dann schreibe "Ich bin nervös". Kommst du dir dumm vor? Schreibe "Ich komme mir dumm vor". Fällt dir nach diesem Satz nichts mehr ein? Schreibe "Jetzt fällt mir nichts mehr ein". Schreibe es hundert Mal wenn es sein muss, aber höre nicht auf zu schreiben bis dein Ziel erreicht ist. Ich

garantiere dir, irgendwann kommt deine innere Stimme – die echte innere Stimme, nicht dein innerer Kritiker – durch dieses ganze Dickicht der Unsicherheit und brüllt: "Ich wünschte, mir fiele etwas ein, ich wünschte, ich könnte alles aufschreiben was ich denke und fühle, ich will gehört werden!" Denn wir alle wollen gehört werden. Und das Schreiben ist der stärkste und großartigste Weg dahin, denn wenn wir schreiben, sagen wir zu uns selbst: Was du zu sagen hast ist wichtig und ich höre dir zu. Und wenn wir das tun und diese Einladung aussenden, wird unsere innere Stimme frei zu sprechen lernen und das ist es, was man ein kreatives, erfülltes Leben nennt.

Deshalb ist es so wichtig seitenweise Dinge zu schreiben, die sich vielleicht belanglos anfühlen. Ob du wirklich immer nur schreibst "Mir fällt nichts ein" oder ob du schreibst, worüber du dich auf der Arbeit geärgert hast – ganz egal, solange es das ist, was dich in diesem Moment beschäftigt. Stell dir deine innere Stimme als kleines Kind vor, das seinen Eltern am Abend erzählen will, was es alles im Kindergarten erlebt hat. Kleine Kinder können ewig über Kleinigkeiten sprechen, die uns ganz unwichtig vorkommen. Aber kämst du auf die Idee, ein kleines Kind anzubrüllen, es solle endlich mit dem Geschwätz aufhören und stattdessen einen pointierten Kommentar zur EU-Wirtschaft abgeben? Natürlich nicht. Also geh mit dir selbst auch nicht so um, nicht beim Schreiben und bitte auch sonst nicht.

Ich lege dir dringend ans Herz, regelmäßig nach diesem Prinzip zu schreiben. Du kannst das in Form der Morgenseiten nach Julia Cameron tun und dir jeden Morgen eine feste Zeit zum Schreiben reservieren. Du kannst auch abends im Bett schreiben, in der Bahn auf dem Weg zur Arbeit, im Büro auf dem Klo, ganz egal, aber schreibe. Gib dir selbst jeden Tag das Signal: Was du zu sagen hast ist wichtig und ich höre dir zu. Gib dir die Erlaubnis, jeden Mist, jede Belanglosigkeit, jeden Unsinn und jede Gemeinheit aufzuschreiben, die dir einfällt. Gib jeder Form von Widerstand, die in dir aufkommt, eine Stimme: der Unsicherheit, der Angst, dem Selbsthass, der Selbstkritik. Jeder einzelne dieser Gedanken wird sich zurückverfolgen lassen bis zu einem tief sitzenden Knoten, mit dem du einstmals deine Kreativität festgebunden hast. Wenn du ihn schreibend zurückverfolgst wirst du feststellen, wie sich dieser Knoten immer mehr lockert, bis er sich löst. Widerstände beim Schreiben müssen dir deshalb keine Angst machen und sollten dich auf keinen Fall dazu bringen, frustriert den Stift hinzuschmeißen und alles dranzugeben. Trage diese Kämpfe aus. Wenn dein innerer Kritiker sagt: Das ist doch alles Mist! frage zurück: Was daran ist Mist? Wenn er sagt: Was du schreibst ist unprofessionell und kindisch! frage zurück: Warum sollte ich professionell sein? Was gewinne ich dadurch? Was verliere ich durch Unprofessionalität? Und immer so weiter. Mit dieser Praxis wirst du jede kreative Herausforderung gehandhabt kriegen und vielleicht noch viele andere Probleme in deinem Leben. Deshalb kann ich dir nur dringend empfehlen: schreibe!

Entweder das Schreiben macht dir Spaß oder du bist einer Goldader auf der Spur. Du kannst nur gewinnen! Das Ergebnis ist kein „Krieg und Frieden“ und wird dich vielleicht nicht auf die internationalen Bestsellerlisten bringen. Aber es bringt dich zum Schreiben und das ist das Entscheidende. Es bringt dich vorwärts. Wie gut kommt dein Erfolgsroman voran, wenn du gar nicht schreibst? Ganz genau. Dieses persönliche, authentische Schreiben aber bringt dich in Fluss, bringt dir ein Grundlevel an Produktivität, auf dessen Grundlage du aufbauen kannst. Vielleicht sogar den nächsten internationalen Bestseller, wer weiß.

Eine andere Übung: Beschreibe mir, wo bist du jetzt gerade bist, was um dich herum ist und wie du gerade aussiehst – aber bitte mindestens auf drei verschiedene Arten. Such dir welche hiervon aus oder erfinde eigene:

 Schreibe so langweilig, wie du nur kannst.

 Schreibe so kitschig und klischeehaft, wie du nur kannst.

 Schreibe deinen Text als Twitter-Meldung mit maximal 140 Zeichen Länge.

 Schreibe gruselig, als handle es sich um eine Szene aus einem Horrorfilm.

 Beschreibe jedes Detail ganz genau.

 Beschreibe deine Szene, ohne dich selbst aktiv mit einzubringen (etwa: Der Kaffee wurde getrunken, das Buch füllte sich mit Zeilen, der Anruf wurde entgegengenommen).

 Tu so, als seist du eine Prinzessin, ein Piratenkapitän oder eine sprechende Maus und passe deine Szene entsprechend an ("Ich schreibe dies in mein goldenes Tagebuch...", "Ich schreibe dies auf dem Deck meines Schiffes, das nur Minuten von dem schweren Sturm entfernt ist, der es sicherlich zerschmettern wird. Der Kaffee ist passabel."). Bleib bei deiner Szene oder spinne die Geschichte so lange weiter, wie du magst.

 Beschreibe deine Szene, aber füge ihr eine Lüge deiner Wahl hinzu. Lüge glaubwürdig.

 Beschreibe dich selbst in deiner Szene auf überzogen verherrlichende Weise.

 Schreibe deine Szene aus der Perspektive eines allwissenden Erzählers wie in einem Roman.

 Schreibe deine Szene aus der Perspektive eines Gegenstandes in deinem direkten Umfeld.

 Beschreibe deine Umgebung als seist du ein Mensch aus dem Mittelalter, der sich plötzlich hier wiederfindet.

Siehst du, wie selbst die alltäglichste und ödeste Szene noch unglaubliches Potenzial zum Schreiben liefert? Und siehst du, zu wieviel zu in der Lage bist? Erzähl mir nicht, du könntest nicht schreiben oder du wüsstest nicht, worüber du schreiben solltest. Du kannst alles und alles andere sind nur Ausflüchte.

Mein Rat lautet: Schreibe so viel und so oft du nur kannst. Nimm dir jeden Tag Zeit zum Schreiben und finde Wege, dich zu motivieren. Schreib mit rosa Tinte wenn das dein Ding ist, oder mit Bleistift oder mit einem teuren Füller. Übe auch dann, wenn du gerade nicht schreibst! Sieh dir deine Lieblingsautoren genau an, mach sie zu Vorbildern! Was gefällt dir an ihrem Schreibstil so gut? Imitiere sie oder füge zu ihren Geschichten Szenen hinzu, die abseits der Romanhandlung stattfinden könnten. Habe keine Angst, der Autor wird es nie erfahren und du darfst so schlecht und albern schreiben wie du willst. Das gleiche kannst du natürlich auch mit den Helden deines Lieblingsfilms oder deiner Lieblingsserie machen. Alles was in deinem Herzen ist, gehört dir und du kannst damit machen was du willst! Zumindest in deinem kleinen, geheimen Buch, das niemand ohne deine Erlaubnis lesen darf. Wenn du deine Sachen eines Tages veröffentlichen wirst, wirst du dich mit Urheberrecht und dem ganzen Zinnober auseinandersetzen müssen, aber an diesem Punkt sind wir noch nicht. Glück gehabt.

Um eine regelmäßige Schreibpraxis aufzubauen, musst du dich nicht vor deine leere Seite setzen und verzweifeln, wenn dir nichts zu Schreiben einfällt. Schau einfach in dich hinein: was fühlst du, was liebst du, was hasst du? Das sind die Dinge, die nur du beschreiben kannst. Die von dir beschrieben werden wollen.

Du stehst vor der völligen Blockade? Okay, hier ist eine Technik, die für viele ganz gut funktioniert. Sie heißt Clustering, aber du kennst das Prinzip vielleicht auch als Mind Mapping oder unter einem anderen sinnigen Begriff. Die Sache ist ganz einfach: Schreibe den Kernbegriff des Themas, über das du schreiben möchtest, auf die Mitte der Seite. Wenn du partout nicht weißt, worüber du schreiben sollst, nimm den Begriff "Blockade" oder einfach "Schreiben". Ziehe einen Kringel um das Wort und schreibe rundherum die nächsten Worte auf, die dir dazu einfallen. Denke nicht daran, was daraus für ein Text werden könnte, sondern dokumentiere einfach nur, was an Verbindungen und Assoziationen in deinem Kopf stattfindet. Beim Begriff "Schreiben" könnten das ganz triviale Folgebegriffe wie "Stift",

"Papier", "Alphabet" und dergleichen sein, aber auch etwas wie "Rot" weil deine Schulaufsätze immer voller roter Anmerkungen deiner Lehrerin zurückkamen, oder "Schmerz", weil dir oft die Hand vom Schreiben wehtut. Mach dir keine Gedanken darüber, wie logisch die Verbindungen sind. Schreib die Begriffe auf, kringel sie ein und ziehe eine Linie zu deinem Kernbegriff, so dass sie wie Äste von einem Baum von ihm ausgehen (oder wie Wurzeln, wenn dir die Vorstellung lieber ist). Dann widmest du dich den Begriffen, die du gesammelt hast, und lässt jeden von ihnen weitere Verbindungen treiben und weitere Verästelungen entwickeln. An was denkst du bei dem Wort "Rot"? An deine alte Lehrerin, und an was erinnert sie dich? Vielleicht an das laute Klackern ihrer spitzen Schuhe oder an ihre dicke Hornbrille. Halte das in einem weiteren Kringel fest. Erinnert dich "Rot" auch noch an etwas anderes? Ampeln, Blut, Märchen, Feuerwehr? Aufschreiben. Mach einfach immer weiter bis die Seite voll ist und sieh dir deinen Cluster dann an. Du hast nun tatsächlich eine Karte vor dir, an der du dich einfach schreibend entlangarbeiten kannst. Fange einfach in der Mitte an, mache einen Satz aus deinem Kernwort. "Ich kann nicht schreiben, weil ..." oder "Ich schreibe jetzt über ..." und arbeite dich dann an den Ästen des Clusters entlang. Du kannst so viele Zweige einbeziehen wie du möchtest. Arbeite alle ab oder schreibe nur über deine Lehrerin mit dem Rotstift und den lauten Absätzen – Hauptsache du schreibst. Und du kannst schreiben, siehst du?

 
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