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Der versiegelte Engel und andere Geschichten

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ZWEITES KAPITEL

Wischnewskij aß, wie oben erwähnt, angeblich nur Bärenfleisch und hielt deshalb auf einem der Twerschen Güter seiner Frau einen Bärenzwinger. Man mästete dort die Bären und brachte sie nach Moskau zum Tisch Stepan Iwanowitschs. Gegen die Polizei hegte Wischnewskij einen eingeborenen und unbesiegbaren Haß, und kein Polizist durfte es wagen, sich zu erkühnen, seinen Hof zu betreten, ohne zu riskieren, allen möglichen Beleidigungen ausgesetzt zu sein, wenn ihn Stepan Iwanowitsch erblickte. Wischnewskijs Haus zu Moskau war für die Polizei unzugänglich, und aus diesem oder einem anderen Grunde stand es bald in einem sehr geheimnisvollen, aber wenig schmeichelhaften Rufe. Vor allem wurde dieser durch die sittenlosen Instinkte Wischnewskijs in Bezug auf die Frauen, oder um es genauer zu bezeichnen, auf die Kinder weiblichen Geschlechts gefördert. Die Polizei haßte ihrerseits Stepan Iwanowitsch ebenfalls und suchte einen Anlaß, um ihm seine Flegelhaftigkeit heimzuzahlen, fand aber lange keinen geeigneten Grund dafür. Schließlich stellte sich ein solcher ein. Ein Hofhund hatte einen noch nicht ganz der Muskel beraubten Knochen auf die Straße geschleppt und dort fallen lassen, und in diesem Knochen erkannte man das Gelenk eines kleinen menschlichen Fußes. Einige Tage später wiederholte sich dasselbe. Man beobachtete den Hund und sah, daß er diese Knochen aus der Abfallgrube holte. Die Dienerschaft der Nachbarhäuser begann davon zu reden, daß Wischnewskij mit seinen leibeigenen Mädchen Schändliches treibe und sie dann töte. Bald zählte man auch schon die spurlos verschwundenen Mädchen auf und nannte sogar ihre Namen.

Die Polizei erblickte hierin nicht nur einen hinreichenden Grund einzuschreiten, sondern hielt es geradezu für ihre Pflicht, – was es in der Tat auch war. Zu diesem Zweck erschienen der Polizeikommissar und der Revieraufseher auf dem Hofe Stepan Iwanowitschs und schritten zur Besichtigung der Grube, aus der der Hund die verdächtigen Knochen geholt hatte. Die treuen Diener Stepan Iwanowitschs ließen die Polizei nicht zur Besichtigung zu, ehe sie ihren »Pan« davon in Kenntnis gesetzt hatten. Stepan Iwanowitsch zog seinen Rock an, ging selbst zu den Polizisten hinaus und befahl ihnen, die Grube zu öffnen. Zur Freude der Polizisten fand sich dort eine ganze Menge derselben Knochen, die den Anlaß zu dem Verdachte gegeben hatten. Aber zugleich stellte sich freilich heraus, daß sie keineswegs Überreste menschlicher Füße waren, sondern die Tatzen der jungen, für den Tisch Wischnewskijs getöteten Bären.

Die Polizisten gerieten in Verlegenheit und begannen sich bei Wischnewskij zu entschuldigen, indem sie erklärten, sie seien durch Verdächtigungen und verleumderische Gerüchte zu diesem Mißgriff verleitet worden.

Wischnewskij verzieh ihnen und … prügelte sie mit der Knute.

Dieser krasse Vorfall hatte zur Folge, daß ihm befohlen wurde, Moskau zu verlassen und auf seinen kleinrussischen Dörfern zu leben, die sein Vater durch die Freigebigkeit der Kaiserin Jelisaweta Petrowna erhalten hatte.

Wischnewskij mußte sich dem Befehle unterwerfen und fuhr nach Farbowanaja im Perejaslawschen Kreis, um dort sein Treiben in noch größerer Freiheit fortzusetzen.

Der Vorfall mit den Bärentatzen wird nach Moskauer Darstellungen verschiedenen Personen zugeschrieben; Stepan Iwanowitsch Wischnewskij wird er nur in einigen kleinrussischen Überlieferungen zugeeignet, die vor allem in den vom Udai und Ssupoi befruchteten Tälern verbreitet sind. Bezüglich der Visiten mit dem Ochsengespann suchte ich in Moskauer Überlieferungen vergeblich nach einer Erinnerung an diese originelle Ausfahrt. Diese Erzählung muß man daher als zweifelhaft ansehen. Aber unter den Bewohnern der Täler von Udai und Ssupoi behaupten viele Liebhaber solcher Überlieferungen nachdrücklich die Wahrheit dieser Geschichte und weisen alle Beweisgründe, daß sie in Moskau nicht bestätigt werde, mit Selbstvertrauen und voll Verachtung zurück, indem sie ihre dicken Kosakenlippen aufwerfen und sagen:

»Ja dort, – wenn ihr die Wahrheit in Moskau suchen wollt!«

DRITTES KAPITEL

Als Stepan Iwanowitsch Wischnewskij auf seine kleinrussischen Dörfer übersiedelte, baute er sich in den beiden Orten an den beiden Ufern des ruhmwürdigen Ssupoi, in Farbowanaja und in Ssosnowka je ein Haus. In beiden in großherrschaftlichem Stile errichteten Häusern hielt er zahlreiche Dienerschaft, Jagdgefolge, Gestüte und Harems. Mit den letzteren begnügte sich Stepan Iwanowitsch übrigens nicht, sondern machte überdies bei allen Frauen seiner Herrschaft ausgedehnten Gebrauch von den Rechten eines Padischah. Er lebte abwechselnd bald auf dem einen, bald auf dem anderen Gut und hielt überall die von ihm eingeführten willkürlichen Sitten aufrecht. Er hielt es für sein vollstes Recht, jeden, wie er sich ausdrückte, »zu seinem Christenglauben« zu bekehren, und erreichte frei und schrankenlos alles, was er zu erreichen wünschte.

Unter allen Launen seines Eigensinns nahm Wischnewskijs unbezähmbarer Haß gegen die Polizei die erste Stelle ein. Kaum war er angekommen, als er die Anordnung traf, daß weder der Kreischef, noch der Polizeikommissar, noch überhaupt irgendein Beamter es wagen dürfen, mit Schellen durch seine Herrschaft zu fahren. Den Bauern war befohlen, jeden, der mit Geläute durchs Dorf fuhr, anzuhalten und sich zu erkundigen, wer er sei. Wenn der Durchreisende ein Adeliger oder überhaupt eine Privatperson war, so mußten sie ihn weiterfahren lassen und ihm sagen, daß das Land, durch das er fahre, dem Pan Wischnewskij gehöre, und daß dieser Pan ehrliche Gäste »liebe und schätze«. Sie luden die Durchreisenden ein, zum Herrn zu kommen, um sich dort von den Reisemühen zu erholen und die Gastfreundschaft des Pan zu genießen. Wenn der Durchreisende Eile hatte und nicht »zu Gast« fahren wollte, sondern sich höflich bedankte, hielt man ihn nicht mit Gewalt zurück, sondern gestattete ihm ebenso höflich, weiterzufahren und ungehindert seine Schellen läuten zu lassen. Hatte dagegen der Reisende Zeit und erklärte er sich damit einverstanden, zum Pan zu fahren, so begleitete man ihn nach Farbowanaja oder nach Ssosnowka, je nachdem, in welchem der beiden Dörfer der Pan Wischnewskij zur Zeit lebte.

Stepan Iwanowitsch empfing alle diese Gäste freundlich, fragte nicht nach Rang und Amt und bewirtete sie nach damaligem Brauch üppig und reichlich, – manchmal allzu reichlich, so daß manchen seine Gastfreundschaft schlecht bekam. Doch gab es weder beim Essen noch beim Trinken irgendeinen Zwang, nur wurde alles im Übermaß aufgetragen, und wenn sich einer dadurch zur Unmäßigkeit verleiten ließ, so lag darin keinerlei Zwang oder Gewalt von Seiten Wischnewskijs, und der unvorsichtige Gast hatte es sich selbst zuzuschreiben, wenn er für seine Völlerei büßen mußte.

Vielen Gästen, die Not zu leiden schienen, gab Stepan Iwanowitsch beträchtliche Unterstützungen, Offizieren aber pflegte er stets etwas Wertvolles zum Andenken zu schenken. Gegen Beamte jedoch, besonders aber gegen die Polizei, zeigte sich Stepan Iwanowitsch als roher Tyrann, und die Forderungen, die er an diese unglücklichen Menschen stellte, waren derartig hart und erniedrigend, daß es schwer verständlich ist, wie sie sich ihnen unterwerfen konnten und keine Mittel fanden, sich vor dem Sonderling von Farbowanaja zu schützen.

Wenn der Kreischef oder der Revieraufseher an die Grenze der Wischnewskijschen Herrschaft kamen, mußten sie den Wagen halten lassen und die Schellen festbinden, damit sie nicht läuteten. Andernfalls mußten die Bauern sie anhalten, ihnen das Geläute wegnehmen und sie unverzüglich zum Pan selbst in das Herrenhaus führen. Widersprach der Polizeibeamte, so drohte ihm eine doppelte Gefahr: nämlich erstens von den Bauern geprügelt zu werden, die das »auf den Kopf des Herrn« tun durften, das heißt auf Verantwortung des Gutsbesitzers selbst; und zweitens, vor den Pan geführt zu werden, bei dem jeden Polizeibeamten ein ungeheuer erniedrigendes, aber mit unabänderlicher Strenge eingehaltenes besonderes Zeremoniell erwartete.

Ob der Polizeibeamte gefügig oder widerspenstig war, ehrlich oder anspruchsvoll, bei Pan Wischnewskij standen sie alle »auf ein und demselben Blatt«. An ihre Ehrenhaftigkeit glaubte er übrigens nicht im mindesten, und es scheint, daß er sich darin nicht allzusehr irrte. Er hatte den Grundsatz aufgestellt, daß kein Beamter die Schwelle seines Hauses überschreiten durfte, gleichgültig in welcher Angelegenheit oder unter welchem Vorwand. Hatten der Kreischef oder der Polizeikommissar dienstlich mit ihm zu tun, oder mußten sie mit einem Anliegen oder einer Bitte bei ihm erscheinen, so wußten sie genau, daß sie durch seine Besitzungen ohne Geläute und möglichst leise fahren und vor dem Tore halt machen mußten; auf keinen Fall durften sie es wagen, in den Hof einzufahren. Auf dem Gut und auf dem Hofe mußten sie zu Fuß gehen, am Tor die Mütze abnehmen und an den Fenstern des Hauses stets mit entblößtem Haupte vorübergehen.

Andernfalls, beim geringsten Verstoß gegen diese Regel, packte die darauf dressierte Hausdienerschaft den Betreffenden bei den Armen, stieß ihn vor das Tor und »versetzte ihm mehrere kräftige Nackenstöße«. Da dieses Verfahren genau und streng eingehalten wurde, wagte niemand, an Ungehorsam oder Widerstand auch nur zu denken. Damit war aber die Erniedrigung noch nicht zu Ende. Der Beamte durfte nicht weiter als bis zur Freitreppe, unter der in einem Verließ die großen Madelanschen Hunde hausten. Dort mußte er stehen bleiben und warten, bis Stepan Iwanowitsch seinen »Kammerkosaken« oder seinen Lakai zu ihm herausschickte. Den Lakai mußte der Beamte »als seinesgleichen begrüßen«, das heißt ihm die Hand geben, und erst dann durfte er ihm den Zweck seines Besuches beim Pan auseinandersetzen.

Fand Wischnewskij, daß die Angelegenheit, wegen welcher der Beamte gekommen war, keine Beachtung verdiene, so befahl er ihn davonzujagen. War es dagegen eine adelige Angelegenheit oder eine Mitteilung aus den höheren Sphären, so zog Stepan Iwanowitsch seine Pekesche an, setzte die Mütze auf, kam selbst auf die Freitreppe hinaus und hörte den Beamten an. Während der ganzen Zeit stand er seitwärts zu ihm und schaute ihn kein einzigesmal an.

 

Hierauf ging Wischnewskij schweigend ins Haus, und der Lakai brachte dem Beamten auf einem Teller ein Glas Schnaps und einen Fünfzigerschein. Der Beamte mußte zuerst den Schnaps austrinken, dann durfte er die fünfzig Rubel »für den Imbiß« nehmen. Für Beamte gab es im Hause Wischnewskijs keine Gastfreundschaft. Hatte der Beamte wider Erwarten eine hohe Meinung von sich und weigerte sich, das ihm auf die Treppe hinausgebrachte Glas Schnaps zu trinken, so erhielt er auch das Geld für den Imbiß nicht. Der Lakai mußte ihn in diesem Falle hinunterstoßen, ihm den Schnaps in den Rücken gießen, die fünfzig Rubel selbst einstecken und an einer Leine ziehen, die zu dem eisernen Fallgatter führte, hinter dem die Madelanschen Hunde unter der Treppe saßen.

Da die Beamten dies alles wußten, wagten sie niemals, auch nur den kleinsten Widerstand gegen die Einrichtungen Stepan Iwanowitschs zu zeigen; sie waren sogar erfreut, wenn eine Angelegenheit sie zur Freitreppe des Pans von Farbowanaja führte.

Wenn sich dies alles wirklich so verhielt, wie es die Überlieferungen erzählen, so besaßen die fünfzig Rubel für den Imbiß augenscheinlich einen hohen Wert.

VIERTES KAPITEL

In Bezug auf Moral und Keuschheit war Stepan Iwanowitsch ein sehr unzeremonieller und überdies naiver Mensch. Übrigens waren seine Erlebnisse dieser Art einander meist sehr ähnlich, doch schildert die heroische Epopöe die außerordentlich originelle Rolle, die seine Frau, Stepanida Wassiljewna, geborene Schubinskaja, dabei spielte. Anscheinend kann man auch sie mit vollem Recht als psychopathisch bezeichnen, wenn auch in einem anderen Sinne.

Sie war, wie bereits erwähnt, eine Twersche Adelige, eine gebildete Frau aus sehr guter Familie. Sie liebte ihren Gemahl und lebte mit ihm stets im besten Einvernehmen. Aus ihrer Ehe mit Stepan Iwanowitsch hatte sie zwei Töchter. Die Geburt der zweiten Tochter verlief so unglücklich, daß Stepanida Wassiljewna für ihr ganzes Leben »einen Schaden« davontrug. Stepan Iwanowitsch begann sich von ihr fernzuhalten: wenn sie in Farbowanaja lebte, fuhr er nach Ssosnowka, war sie in Ssosnowka, so fuhr er nach Farbowanaja. Als Stepanida Wassiljewna dies sah und weil sie, wie sie sagte, ihren Mann liebte, begann sie Vorsorge dafür zu tragen, daß »er sich von ihr nicht fernhalte« und daß »ihm das Leben bei ihr nicht langweilig werde«. Zu diesem Zweck hielt sie an Abenden Spinnstunden ab, zu denen die Mädchen nur ungern und unter Tränen kamen, aber Stepanida Wassiljewna behandelte sie freundlich, bewirtete sie so lange, bis sie zutraulich wurden und nicht mehr weinten. Dann schrieb sie ihrem Gemahl und lud ihn ein zu kommen, »um sich an den Mädchen zu erfreuen«. Und er antwortete ihr: »Ich danke dir sehr und weiß deine Sorge für mich zu schätzen, im übrigen habe ich bei der Auswahl zu deinem Geschmack mehr Vertrauen, als zu meinem eigenen.«

Eine solche Antwort ihres Mannes freute Stepanida Wassiljewna nicht nur, sondern rührte sie. Ihre Gefühle für Stepan Iwanowitsch brannten mit doppelter Glut, und sie schrieb ihm unverzüglich in aller Eile zurück: »Für dein Vertrauen, mein teuerster Freund, danke ich dir vielmals, und ich hoffe, daß die Wahl meines Geschmacks, auf den du so vertraust, deinem Herzen gefallen wird. Nur bitte ich dich, Engel meiner Seele, komm so bald wie möglich zu mir, denn mein Herz sehnt sich nach dir, und du wirst sehen, daß ich über nichts gekränkt bin, sondern deinen Geschmack verstehe. Unsere Kinder sind beide gesund, grüßen dich und küssen deine Hände.« Unterschrift: »Deine treue Frau und Dienerin Stepanida.«

Wenn Stepan Iwanowitsch eine solche Nachricht erhielt, gab er sein Einzelleben auf und fuhr zu seiner Gemahlin, die damit ihren Zweck erreicht hatte, daß er »in ein und demselben Hause mit ihr lebe, ohne sich zu langweilen«.

Sie verhätschelte nicht nur die Favoritinnen, die sie für ihren Mann auswählte, sondern pflegte und versorgte auch seine Kinder, die sich bei der patriarchalischen Ordnung dieses Herrenlebens in Farbowanaja rasch vermehrten.

Wischnewskij selbst war bei weitem nicht so gutherzig und aufrichtig wie seine Frau: wenn sich sein verderbtes Herz bei der Person, welche die Obliegenheit hatte, ihm »das Leben kurzweilig zu machen«, zu langweilen begann, so schickte sich Wischnewskij an, wieder allein im anderen Dorfe zu leben.

Stepanida Wassiljewna verstand dies sogleich und hinderte ihren Mann daran nicht, da für sie der Friede und das eheliche Einvernehmen, nach dem Vermächtnis der Vorfahren, am höchsten in der Welt standen; einige Zeit später traf sie wieder Vorbereitungen und schrieb ihm einen vorsichtigen und zärtlichen Brief, in dem sie sagte: »Deine List und deine Unaufrichtigkeit mir gegenüber in wichtigen Angelegenheiten kränken und quälen mich sehr, mein Freund, da ich sie durch nichts verdient habe. Gott sieht meine Wahrhaftigkeit, und daß ich dich über alles in der Welt liebe. Durch die Trennung von dir welkt mein Herz dahin wie Gras, und meine heißen Tränen versiegen nicht. Die Person, die dich durch ihre Reizlosigkeit ermüdet und gelangweilt hat, habe ich durch meine Bemühungen ohne viel Aufhebens versorgt; alle sind jetzt mit ihrer Lage vollkommen zufrieden und bedanken sich. Wenn du bald zu mir kommst, kannst du dich an einer sehr liebenswürdigen Person ergötzen. Unsere Kinder sind durch Gottes Gnade wohlbehalten und gesund und beten für ihren Vater.« Und wieder dieselbe Unterschrift: »Deine Frau und Dienerin.«

Wischnewskijs Antwort waren Grüße an seine Frau und die Versicherung seines vollen Vertrauens zu ihrem Geschmack, und bald darauf kehrte Stepan Iwanowitsch in den Schoß seiner Familie zurück. Man erwartete ihn natürlich und begrüßte ihn mit Zymbeln und Gesang, Zurufen und Schmeicheleien und allem, was notwendig war, um ihn so zufrieden zu stellen, wie er es sich selbst wünschte und seine zärtliche, überzärtliche Frau es einrichten konnte, die das Unglück gehabt hatte, aus einer lebhaften und reizenden Frau »auf Lebenszeit ein unbrauchbarer Mensch« zu werden.

FÜNFTES KAPITEL

Nach dem beschriebenen Zwischenfall besserte sich Stepan Iwanowitsch in Bezug auf seine Verschlossenheit und sein Mißtrauen und nahm nie mehr Zuflucht zum Separatleben.

Stepanida Wassiljewna sorgte für ihn, wie sich die Bauern ausdrückten, »wie eine Mutter für ihr Kind«.

Die unwahrscheinliche, primitive Einfachheit dieser Beziehungen, die an die biblische Erzählung von Sarah und Hagar erinnert, wird noch unwahrscheinlicher, wenn man den Einzelheiten Glauben schenken will, die die Bauern über das Leben dieser Ehegatten erzählen.

Stepan Iwanowitsch war ein reiner Türke. Seine mannigfaltigen Verbindungen umfaßten alle Arten von Liebe, von einer flüchtigen Verirrung bis zur Anhänglichkeit eines Sultans an seine Odaliske oder an seine erste Sultanin. Die vorübergehenden Beziehungen kommen natürlich nicht in Betracht, die Stellung der ersten Sultanin nahm selbstverständlich seine gesetzliche Frau ein, die er vielleicht auf seine Weise liebte und auf jeden Fall, wie er versicherte, »hoch schätzte«.

»Wenn jemand etwas wider mich unternimmt«, pflegte er zu sagen, »so kann ich es vielleicht noch verzeihen, aber wenn es jemand einfällt, Stepanida Wassiljewna zu beleidigen, so werde ich ihn zu erreichen wissen, wer es auch sei, und selbst Zar Iwan der Grausame hat keine derartigen Marter ersonnen wie die, mit denen ich den Beleidiger meiner Frau strafen werde.«

Alle wußten dies und wußten zudem, daß Stepan Iwanowitsch nicht scherzte, sondern alles, was er sagte, auch machte, und so kam es niemandem in den Sinn, Stepanida Wassiljewna gegenüber auch nur das geringste Anzeichen von Unehrerbietigkeit oder Ungehorsam zu äußern. Nicht alle dagegen verstanden diese eifrige Sorge Wischnewskijs für seine Frau, und während die einen sie seiner übergroßen Zärtlichkeit zuschrieben, sahen andere darin Verschlagenheit, wie sie ja dem kleinrussischen Charakter Wischnewskijs in der Tat in beträchtlichem Maße eigen war. Sie nahmen an, er wolle allen vor seiner Frau »Furcht einjagen«, damit ihre auf die Ergötzung seines Lebens durch die Liebe der leibeigenen Odalisken gerichteten Bemühungen nicht auf den geringsten Widerstand stießen, da er jeden Ungehorsam ihr gegenüber so bestrafen würde, daß Zar Iwan der Grausame in seinem Grab erzitterte.

Übrigens mag es sein, wie es will, Bestimmtes ist darüber nicht zu sagen; dagegen wird mit Bestimmtheit erzählt, daß Stepan Iwanowitsch, der in seinen sonstigen flüchtigen Romanen verderbt und rücksichtslos bis zur Grausamkeit war, es liebte, in seine Beziehungen zu den Odalisken, die ihm seine erste Sultanin nach ihrem Geschmack auswählte, eine eigenartige Poesie zu tragen. Es entsprach dies ganz seiner Natur, in der sich in solchen Fällen etwas Zartes und Gefühlvolles äußerte. Ähnlich wie Don Juan darf er sich rühmen, daß er diese jungen Wesen nie durch Rauheit kränkte, sie auch nie »mit kalter Leidenschaftslosigkeit« verführte. Nein, er kam immer mit zarter Aufmerksamkeit in das Haus seiner Frau, die für ihn liebevoll eine neue Freude bereithielt, und die beiden Gatten pflegten die Erwählte, »wie man ums Morgenrot einen Falken steigen läßt«. Sie liebkosten, schmückten und hätschelten sie, das Mädchen wohnte in den Gemächern Stepanida Wassiljewnas, war bunt gekleidet, mit Süßigkeiten übersättigt und versank in Genüssen, so daß sie selbst nicht merkte, wie sie von einer Rolle in die andere überging und lange Zeit, wie benebelt, nicht wußte, was mit ihr geschah und womit das enden würde. Alle diese Odalisken hatten das Kindesalter noch kaum überschritten, in dem der Kopf noch arm an Erfahrungen ist, die Vorstellungen über die Zukunft noch unentwickelt sind und nur das lusterfüllte Leben des Augenblicks lockt. So gaben sich viele aufrichtig mit Herz und Seele ihrem Gebieter hin, oder empfanden ihre Rolle wenigstens nicht als Last; Stepanida Wassiljewna aber liebten sie wie eine Mutter. Und in der Tat, sie verhätschelte sie wie eine Mutter und ermunterte sie wie eine ältere Haremsgenossin, die sich über das Glück freut, das die jungen Odalisken ihrem geliebten Padischah bereiten. Frau, Mann und die diensthabende Favoritin trennten sich im Hause fast nie und verbrachten die meiste Zeit zu dritt. Einige seiner Odalisken aber liebte Stepan Iwanowitsch so sehr, daß er sich keinen Augenblick von ihnen trennen konnte. Wischnewskij war dann zu seiner Geliebten nicht nur gefühlvoll, sondern liebevoll wie ein feuriger Jüngling, und wenn er das Haus unbedingt verlassen mußte, so nahm er sie in der Verkleidung eines Pagen oder Jägers, dem die Obhut seiner kostbaren Bernsteinpfeifen und seiner Tabaksbeutel anvertraut war, mit. Da Stepan Iwanowitsch stets, selbst Nachts rauchte, war ihm ein solcher »Pfeifenjunge« unentbehrlich, und er hatte immer einen bei sich.

Man schloß daraus, daß Stepan Iwanowitsch hier bis zu einem gewissen Grad von Eifersucht geleitet wurde, doch entbehrt diese Annahme jeder Grundlage, da er ja nichts riskierte, wenn er das Mädchen unter der Obhut Stepanida Wassiljewnas zurückließ. Man muß vielmehr annehmen, er habe, wie es diejenigen behaupten, die diesen kleinrussischen Psychopathen genauer kannten, seine Favoritinnen so leidenschaftlich geliebt, daß er sich von ihnen so lange nicht trennen konnte, bis seine Leidenschaft ihren gewöhnlichen Lauf genommen hatte und abflaute.

Die Anhänglichkeit Stepan Iwanowitschs an die betreffende Odaliske war um so stärker, je größere Zärtlichkeit und Sorge sie in seiner Frau weckte. War Wischnewskijs Leidenschaft verflogen und fuhr er »hinter den Ssupoi«, so nahm Stepanida Wassiljewna die Sorge auf sich, die alte »Ergötzung« unterzubringen und eine neue vorzubereiten, die den Pan von Farbowanaja wieder vom anderen Ufer zurücklocken sollte.

Tragisch waren diese Trennungen nie. Dank der Taktik, der Güte und der Freigibigkeit Stepanida Wassiljewnas wurden alle diese Angelegenheiten friedlich und im Guten und zur allgemeinen Zufriedenheit sämtlicher Verwandten des Mädchens beigelegt. Eine einzige Ausnahme bildete der Fall eines fünfzehnjährigen Bauernmädchens, das das Herz Wischnewskijs besonders stark gefesselt und ihm einen Sohn und eine schmerzliche Spur in seinen Erinnerungen hinterlassen hatte.