Za darmo

Sämmtliche Werke 4: Mirgorod

Tekst
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Viertes Kapitel

Gleich am nächsten Tage beriet sich Taraß Bulba mit dem neuen Hetman, wie man die Saporoger zu einem Kriegszuge anstacheln könnte. Der Hetman war ein kluger, gewiegter Kosak, er kannte die Saporoger und sagte daher zuerst:

„Den Eid können wir nicht brechen. Das geht auf keinen Fall.“ Dann schwieg er eine Weile und fuhr fort:

„Es macht nichts, es geht auch so. Wir werden den Eid nicht verletzen, aber ein Vorwand wird sich schon finden. Sorge nur dafür, daß sich das Volk wieder versammelt, aber nicht auf meinen Befehl hin, sondern aus freiem Antriebe … ihr wißt ja selbst am besten, wie das gemacht wird. Dann kommen wir sogleich mit den Ältesten auf den Platz geeilt, als ob wir von nichts wüßten.“

Es war noch keine Stunde seit diesem Gespräch vergangen, als schon die Pauken erdröhnten. Sogleich war auch wieder eine ganze Menge von betrunkenen und unvernünftigen Kosaken zur Stelle. Tausende von Kosakenmützen füllten plötzlich den Platz. Ein mächtiges Stimmengewirr erhob sich. Überall ertönten Fragen: „Was ist geschehen? Warum hat man uns zusammengerufen?“ Niemand antwortete. Endlich tönte es aus dieser und jener Ecke hervor: „So vergeudet man die Kosakenkraft! Es gibt keinen Krieg! Die Vorsteher haben sich hinter den Ofen gelegt, und schwimmen in ihrem Fett! Es gibt keine Gerechtigkeit mehr in der Welt!“ Die Kosaken hörten erst eine Weile zu und stimmten dann mit in das Geschrei ein: „Wahrhaftig, es gibt keine Gerechtigkeit in der Welt.“ Die Ältesten schienen über die Vorwürfe sehr bestürzt zu sein. Endlich trat der Hetman vor und sagte: „Werte Herren Saporoger! erlaubt ihr mir, eine Rede zu halten?“

„Rede!“

„Werte Herren, es wird jetzt darüber gesprochen, und ihr wißt es am besten, daß viele Saporoger bei den Juden in den Schenken und auch bei den eigenen Kameraden viele Schulden haben! Kein Teufel traut ihnen mehr. Außerdem spricht man darüber, daß es bei uns eine große Anzahl von jungen Burschen gibt, die noch nie mit eigenen Augen eine Schlacht gesehen haben – während ihr doch selbst wißt, werte Herren, daß so ein junger Mensch ohne Krieg nicht leben kann. Was ist denn das auch für ein Saporoger, der sich noch nie mit den Heiden herumgeschlagen hat!“

„Er spricht ausgezeichnet,“ dachte Bulba.

„Denkt übrigens nicht, ihr Herren, daß ich das sage, um den Frieden zu stören. Gotte behüte mich! Ich meine das nur so. Und ein Gotteshaus haben wir – es ist eine wahre Sünde, wie es aussieht! Solange schon blüht die Sjetsch durch Gottes Gnade, und bis jetzt sind die Heiligenbilder – von dem Äußeren wage ich garnicht zu sprechen – noch immer ohne jeden Schmuck! Hätte ihnen wenigstens noch jemand ein silbernes Gewand geschmiedet! So aber haben sie nur gerade das erhalten, was ihnen der eine oder der andere Kosak hinterlassen hat. Diese Gaben waren aber meistens recht ärmlich, hatten sie doch schon bei Lebzeiten alles vertrunken. Ja, also ich rede nicht etwa, um den Krieg gegen die Ungläubigen zu predigen: wir haben dem Sultan Frieden geschworen, und es wäre eine große Sünde ihn zu brechen, denn wir haben auf unsern Glauben geschworen.“

„Was schwatzt er denn da durcheinander,“ sagte Bulba vor sich hin.

„Ihr seht also, werte Herren, daß sich ein Krieg nicht so leicht beginnen läßt: das wäre gegen unsere Ritterehre. Aber ich in meinem einfältigen Verstande denke mir folgendes: Man müßte einmal allein die Jungen auf Kähnen ein bißchen an der Küste Anatoliens herumstreifen lassen! Was denkt ihr darüber, ihr Herren?“

„Führe uns, führe uns alle dahin,“ schrie die Menge von allen Seiten, „für unsern Glauben opfern wir gern unser Leben.“

Der Hetman erschrak. Er hatte durchaus nicht die Absicht, alle Saporoger in Aufruhr zu bringen; jedenfalls hielt er es in diesem Falle für ehrlos, den Frieden zu brechen. „Gestattet mir noch einige Worte, werte Herren.“

„Hör auf,“ riefen die Saporoger, „was Besseres kannst du ja doch nicht sagen!“

„Nun, wenn ihr meint, so möge es denn sein. Ich bin der Knecht eures Willens. Wie es ja schon in der Schrift heißt: Volkes Stimme – Gottes Stimme. Es läßt sich nichts Klügeres erdenken, als was das ganze Volk ersonnen hat. Aber, werte Herren, ihr wißt, daß der Sultan das Vergnügen, das sich unsere tapfern Burschen gestatten werden, nicht ungestraft lassen wird? Allein inzwischen müssen auch wir uns rüsten und frische Kräfte sammeln, dann brauchen wir niemand zu fürchten. Aber während unserer Abwesenheit könnten die Tataren die Sjetsch überfallen: diese türkischen Hunde wagen es nicht, einem ins Gesicht zu sehen und einem offen gegenüberzutreten, dagegen beißen sie einem gern von hinten in die Fersen, und das gründlich. Hm, und um die Wahrheit zu sagen: wir verfügen auch nicht über so viel Boote und Pulver, wie wir benötigten, wenn alle mitziehen wollten. Im übrigen: was mich betrifft – ich bin zu allem bereit: ich bin nur der Knecht eures Willens.“

Der listige Hetman schwieg. Einzelne Haufen begannen miteinander zu beratschlagen, ebenso die Hauptleute der einzelnen Heerabteilungen. Zum Glück waren nicht allzuviele von ihnen betrunken, und man beschloß daher, sich dem vernünftigen Rat zu fügen.

Sofort wurden einige Leute ans gegenüberliegende Ufer des Dnjepr nach dem Zeughaus gesandt, wo sich in unzugänglichen Verstecken, unter dem Wasser und im Schutt, die Kriegeskasse, sowie ein Teil der vom Feinde erbeuteten Waffen befanden. Die andern machten sich schnell an die Boote, um sie gründlich zu besichtigen und für die Reise auszurüsten. In einem Augenblick war das Ufer vom Volk überschwemmt. Die Zimmerleute kamen mit dem Beil in der Hand herbeigeeilt. Alte, sonnenverbrannte, breitschultrige Saporoger, mit graumelierten und schwarzen Schnurrbärten standen mit aufgeschürzten Schifferhosen bis zu den Knien im Wasser und zogen die Boote an einem festen Tau vom Ufer herab. Andre schleppten fertige, trockene Balken und Baumstämme herbei. Da wurde ein Kahn mit Brettern verschlagen, dort kehrte man einen um und kalfaterte und teerte ihn. Hier befestigte man nach Kosakenbrauch lange Schilfbündel an den Kahnwänden, damit die Meereswellen die Boote nicht zum Kentern bringen sollten. Etwas abseits am Ufer wurden kupferne Kessel aufgestellt, in denen man Pech zum Teeren der Boote siedete. Die Älteren und Erfahrenen belehrten die Jungen, ringsum hallte alles von dem Lärm der Arbeit wider, das ganze Ufer war voller Leben und Bewegung.

Unterdessen näherte sich dem Ufer eine große Fähre, deren Bemannung schon von fern mit den Händen winkte. Es waren Kosaken in zerlumpten Röcken. Ihre zerrissene Bekleidung – mehrere von ihnen hatten nichts als ein Hemd an und eine kurze Pfeife in den Zähnen – bewies, daß sie soeben einer großen Gefahr entronnen waren oder ihr gesamtes Besitztum vertrunken und verbummelt hatten. Aus ihrer Mitte trat ein kleiner, breitschultriger Kosak von etwa fünfzig Jahren hervor, und stellte sich vorn auf die Fähre. Er schrie und bewegte die Arme noch heftiger, als die andern: aber der Lärm und das Klopfen der Arbeiter übertönte seine Stimme. „Wie kommt ihr hierher,“ fragte der Hetman, als die Fähre ans Ufer stieß. Alle Arbeiter stellten die Arbeit ein, ließen Beil und Meißel ruhen und schauten voller Erwartung drein.

„Wir haben Unglück gehabt,“ schrie der kleine Kosak auf der Fähre.

„Was für ein Unglück?“

„Erlauben die Herren Saporoger einige Worte?“

„Sprich.“

„Wollt ihr nicht lieber eine Versammlung abhalten?“

„Sprich, wir sind alle hier.“

Das Volk drängte sich zu einem Haufen zusammen.

„Habt ihr denn garnichts davon gehört, was in der Ukraine vorgeht?“

„Was denn?“ fragte einer der Hauptleute.

„Was? euch hat wohl der Tatar die Ohren verstopft, daß ihr nichts gehört habt!“

„So sprich doch, was geschehen ist!“

„Es geschieht etwas, was wir seit unserer Geburt und unserer Taufe nicht gesehen haben!“

„So sag doch endlich, was es ist, du Hundessohn!“ schrie einer aus der Menge, der die Geduld zu verlieren schien.

„Es ist eine Zeit angebrochen, wo selbst die heiligen Kirchen nicht mehr uns gehören!“

„Weshalb gehören sie uns nicht?“

„Sie sind jetzt an die Juden verpachtet. Wenn man die Juden nicht erst bezahlt, kann man keine Messe mehr darin abhalten.“

„Was faselst du?“

„Und wenn so ein Judenhund mit seiner unreinen Hand nicht ein Zeichen über die Hostie macht, kann man auch kein Ostern mehr feiern.“

„Er lügt, Brüder, es ist unmöglich, daß der unreine Jude ein Zeichen über die Hostie macht!“

„Hört zu, ich werde euch noch ganz andere Dinge erzählen. Katholische Geistliche fahren jetzt in Bauernwagen in der Ukraine herum. Das ist ja freilich noch kein Unglück, daß sie in Bauernwagen herumfahren; wohl aber das, daß sie statt der Pferde rechtgläubige Christen vorspannen. Ja, noch mehr hört mal weiter: man erzählt, daß sich die Judenweiber Röcke aus den Gewändern der Geistlichen nähen! So liegen die Dinge in der Ukraine! Und ihr sitzt hier in der Sjetsch und unterhaltet euch! Ja, man sieht, der Tatar hat euch einen solchen Schrecken eingeflößt, daß ihr weder Augen noch Ohren noch sonst etwas habt, daß ihr nichts davon merkt, was in der Welt vorgeht!“

„Halt, halt,“ unterbrach ihn hier der Hetman, der bis dahin mit zu Boden gesenkten Augen dagestanden hatte, wie alle Saporoger, die sich bei wichtigen Angelegenheiten nie von dem ersten Eindruck hinreißen lassen, sondern schweigen, bis ihre Erbitterung im stillen um so mächtiger anschwillt. „Hör auf, hör auf, hier habe ich auch noch ein Wort mitzureden. Und was habt ihr – der Teufel soll eurem Vater das Fell gerben – was habt ihr getan? Hattet ihr denn keine Säbel, he? Wie konntet ihr denn solche Niederträchtigkeiten zulassen?“

„Wie man eine solche Niederträchtigkeit unbestraft lassen kann! He? Versuch doch nur was anzufangen, wo uns allein fünfzigtausend Polen gegenüberstanden. Und dann, wir wollen unsere Schande nicht verheimlichen; es gab auch Hunde unter uns, die schon den feindlichen Glauben angenommen hatten!“

 

„Und was taten euer Hetman und eure Heerführer?“

„Unser Hetman hat etwas getan, wovor uns alle Gott bewahre!“

„Wie? was sagst du?“

„Hört zu: Unser Hetman liegt jetzt eingepökelt in einem kupfernen Kessel zu Warschau und die Köpfe und Hände unserer Hauptleute werden zur Augenweide für alles Volk auf den Jahrmärkten herumgeschleppt. So ist es unsern Anführern gegangen!“

Die ganze Volksmasse geriet in Bewegung. Zuerst herrschte tiefes Schweigen, wie es wohl einem schweren Unwetter vorhergeht, dann aber hallte plötzlich das ganze Ufer von wilden Reden, Ausrufen und Schreien wider.

„Was, die Juden haben die christlichen Kirchen gepachtet! Die katholischen Geistlichen spannen rechtgläubige Christen an ihre Deichseln!! Wie, man duldet auf russischem Boden solche Grausamkeiten von den verfluchten Ungläubigen! Und daß sie so mit unsern Heerführern und Hetmans umgehen! Das kann nicht sein, das darf nicht sein!“

So hallte es aus allen Ecken. Die Saporoger schrien sehr laut: sie empfanden ihre Kraft. Das war nicht mehr das Aufbrausen eines leichtsinnigen Völkchens; das war die Erregung bedachtsamer und männlicher Charaktere, die langsam in Hitze gerieten, aber, einmal entflammt, ihr inneres Feuer lange und dauernd bewahrten.

„Die ganze Judenbande muß gehenkt werden,“ schrie es aus der Menge, „sie sollen ihren Judenweibern keine Röcke mehr aus den geistlichen Gewändern nähen! Sie sollen keine Zeichen auf den heiligen Hostien machen!“

„Ersauft doch dies ganze Heidenpack im Dnjepr!“ Diese Worte, die einer aus der Menge gerufen hatte, zündeten blitzartig in allen Köpfen. Die Menge stürzte in die Vorstadt, mit dem festen Entschlusse, die ganze Judenschaft umzubringen.

Die armen Kinder Israel verloren ihre Geistesgegenwart und ihren letzten, schon ohnedies nicht allzu großen Mut, sie versteckten sich in leeren Branntweinfässern und in den Öfen, und verkrochen sich sogar unter den Röcken der Jüdinnen. Aber die Kosaken wußten sie überall zu finden.

„Erlauchte Herren,“ schrie ein langer spindeldürrer Jude, indem er sein mitleiderregendes, schreckentstelltes Haupt aus der Menge seiner Freunde hervorstreckte. „Erlauchte Herren! laßt mich euch nur ein Wort sagen, ein einziges Wort. Wir werden euch etwas mitteilen, was ihr noch nie gehört habt – etwas so Wichtiges; man kann garnicht sagen, wie wichtig es ist!“

„Gut, mag er sprechen,“ sagte Bulba, der es immer liebte, auch den schuldigen Teil anzuhören.

„Erlauchte Herren,“ sprach der Jude, „solche Herren hat man noch nie gesehen! So edle, gute und tapfere Männer gab es noch nie auf Erden.“ Seine Stimme erstarb und zitterte vor Angst. „Wie wäre es möglich, daß wir schlecht von den Saporogern dächten! Die gehören ja gar nicht zu uns, die in der Ukraine die Kirchen pachten! Bei Gott, sie gehören nicht zu uns! Das sind ja gar keine Juden! Der Teufel weiß, was das für Leute sind, das sind solche Schufte, die man bloß anspucken und ausrotten sollte! Alle hier werden es mir bestätigen! Nicht wahr, Schloma, nicht wahr, Schmuhl?“

„Bei Gott! Ob es wahr ist,“ riefen Schloma und Schmuhl aus der Menge; sie trugen zerrissene Mützen und waren so bleich wie Kalk. „Wir haben es nie mit den Feinden gehalten,“ fuhr der lange Jude fort, „und die Katholiken mögen uns überhaupt gestohlen bleiben. Der Teufel kümmere sich um sie. Wir fühlen mit den Saporogern wie mit unsern eigenen Brüdern …“

„Was! Die Saporoger sollen eure Brüder sein!“ rief einer aus der Menge. „Verfluchte Juden, das überlebt ihr nicht! In den Dnjepr mit ihnen, werte Herren, wir wollen diese verfluchten Hunde ersäufen!“ Diese Worte wirkten wie ein Signal. Man packte die Juden bei den Händen und warf sie in die Wogen. Von allen Seiten ertönte ein jämmerliches Schreien, aber die rauhen Saporoger lachten nur, als sie die mit Schuhen und Strümpfen bekleideten Füße der Juden in der Luft herumzappeln sahen.

Der arme Redner, der durch seine Worte das Unglück selbst heraufbeschworen hatte, wand sich aus dem Kaftan heraus, bei dem man ihn bereits gepackt hatte, warf sich in seinem scheckigen und engen Kamisol Bulba zu Füßen und flehte ihn mit jämmerlicher Stimme an: „Großer, erlauchter Herr! Ich habe Euern Bruder gekannt, den seligen Dorosch! Er war die Zierde des ganzen Rittertums. Ich habe ihm achthundert Zechinen gegeben, als er Geld brauchte, um sich aus der Gefangenschaft der Türken auszulösen!“

„Du kanntest meinen Bruder?“ fragte Bulba.

„Bei Gott, ich kannte ihn! Was war das für ein großmütiger Herr!“

„Und wie heißt du?“

„Jankel.“

„Gut,“ sagte Taraß und wandte sich nachdenklich an die Kosaken. „Wenn es sein muß, werden wir immer noch genug Zeit haben, den Juden aufzuknüpfen – jetzt aber überlaßt ihn mir.“

Mit diesen Worten führte Taraß ihn zu seinem Wagen, neben dem seine Kosaken standen. „Nun, krieche unter den Wagen, bleib dort liegen und rühr dich nicht vom Fleck; und ihr, Brüder, laßt mir den Juden nicht entweichen!“

Hierauf begab er sich nach dem Platz, wo die ganze Schar bereits versammelt war. Alle hatten das Ufer und die Arbeit an den Kähnen augenblicklich verlassen, stand doch jetzt ein Kriegszug zu Lande und nicht zu Wasser bevor, und man bedurfte der Schiffe und der Kosakenboote nicht mehr, wohl aber der Wagen und Pferde. Jetzt wollten alle mit in den Krieg, Alt und Jung; im Einverständnis mit dem Rate der Ältesten, dem Hetman, den Hauptleuten und dem ganzen Heer der Saporoger beschloß man, direkt nach Polen zu ziehen, um sich für alles Böse, für die Schändung des heiligen Glaubens und der Kosakenehre, zu rächen, in den eroberten Städten Beute zu machen, Dörfer und Scheunen in Brand zu setzen und überall in der Steppe seinen Ruhm zu verbreiten. Alles rüstete und bewaffnete sich. Der Hetman schien um mehrere Zoll gewachsen zu sein. Das war nicht mehr der schüchterne Vollstrecker der launischen Wünsche eines ungezähmten Volkes; das war ein unbeschränkter Gebieter, ein Despot, der nur zu befehlen verstand. Alle die eigenwilligen und stolzen Ritter standen bewegungslos in Reih und Glied mit ehrerbietig gesenkten Köpfen, und keiner erhob die Augen, wenn der Hetman Befehle erteilte. Er tat es ruhig, ohne viel Geschrei und ohne sich zu übereilen, aber bedächtig wie ein alter, vielerfahrener Kosak, der nicht zum erstenmal einen klug erdachten Plan zur Ausführung bringt.

„Seht euch um, seht euch recht gut um,“ sagte er, „bringt die Wagen und Teereimer in Ordnung, prüft eure Gewehre. Nehmt nicht zu viel Kleidung mit euch: ein Hemd und zwei Paar Hosen pro Mann und einen Topf mit Hirsebrei – keiner soll mehr bei sich führen. In den Wagen wird schon soviel Vorrat sein, als unbedingt nötig ist. Jeder Kosak soll ein Paar Pferde mit sich führen, auch nehmen wir zweihundert Paar Ochsen mit, da wir ihrer bei den Furten und in den morastigen Gegenden bedürfen könnten. Und, werte Herren, haltet vor allem auf Ordnung! Ich weiß, daß es einige unter euch gibt, die, sobald Gott eine reiche Beute schickt, sich sofort die Füße in Nanking und Seide hüllen. Laßt euch nicht vom Teufel verführen, werft allen Tand fort und nehmt euch höchstens ein Gewehr mit, wenn es gut ist, und ein paar Dukaten oder etwas Silbergeld – das sind Dinge, die nicht viel Raum einnehmen und die man immer gebrauchen kann.

Und das sage ich euch im voraus, werte Herren: sollte sich jemand von euch während des Feldzuges betrinken, so lasse ich ihn ohne jedes Gerichtsverfahren, wie einen Hund beim Genick packen, an den Wagen binden, und – mag er der tapferste Kosak sein – er wird sofort wie ein Hund erschossen und ohne Begräbnis den Vögeln zum Fraß überlassen, denn jemand, der sich im Feldzug betrinkt, ist eines christlichen Begräbnisses unwürdig. Ihr aber, ihr jungen Männer, gehorcht in allem den Alten. Wenn euch eine Kugel trifft oder ein Säbel euch am Kopf oder sonstwo verwundet: legt dem keine große Bedeutung bei; mischt eine Ladung Pulver in einem Becher Schnaps, trinkt ihn mit einem Satz aus, und alles geht vorüber, ohne jedes Fieber; oder wenn die Wunde nicht gar zu groß ist, so legt einfach etwas Erde darauf, nachdem ihr sie erst auf der Handfläche mit etwas Speichel verrieben habt: dann heilt sie bald zu. Und nun, an eure Arbeit, ihr Jungen, an die Arbeit, aber ohne Eile und mit Bedacht!“

So sprach der Hetman, und sobald er seine Rede beendet hatte, machten sich alle Kosaken sofort an ihre Arbeit. Die ganze Sjetsch wurde nüchtern und nirgends war ein Betrunkener mehr zu sehen, als hätte es unter den Kosaken nie welche gegeben. Die einen brachten die Räderreifen in Ordnung und ersetzten die alten Wagenachsen durch neue, andere trugen Säcke mit allerhand Vorräten in die Wagen oder luden Waffen auf, andere wieder trieben die Pferde und Ochsen zusammen. Von allen Seiten hörte man das Stampfen der Pferde, das Einschießen der Gewehre, das Klirren der Säbel, das Gebrüll der Ochsen, das Knarren der schwerbepackten Wagen und das laute Schreien und Rufen der Krieger. Bald dehnte sich das Kosakenlager über das ganze Feld aus. Und der hätte lange laufen können, der es von Anfang bis Ende hätte durchqueren wollen. In der kleinen Holzkirche hielt der Geistliche einen Gottesdienst ab und besprengte alle mit Weihwasser, und alle küßten das Kreuz. Als das Lager sich in Bewegung setzte und aus der Sjetsch hinauszog, da sahen sich alle Saporoger noch einmal um. „Leb wohl, du, unsere Mutter,“ riefen sie fast einstimmig, „möge dich Gott vor jedem Unglück bewahren!“

Als sie durch die Vorstadt zogen, bemerkte Taraß Bulba, daß der Jude Jankel sich bereits wieder eine Bude mit einem Schutzdach eingerichtet hatte und Feuersteine, Decken, Pulver und allerlei nützliche Dinge, die ein Heer im Kriege brauchen kann, ja sogar Zwieback und Brot feilbot. „So ein Teufelskerl dieser Jude,“ dachte Taraß, sprengte an ihn heran und sagte: „Du Narr, was sitzt du hier? Willst du, daß man dich wie einen Sperling niederschießt?“

Jankel trat vorsichtig zu ihm heran, machte ihm mit beiden Händen allerhand Zeichen, als wolle er ihm ein Geheimnis mitteilen, und sagte: „Wenn der Herr nur schweigen und es sonst keinem sagen wollte; unter den Kosakenwagen befindet sich einer, der mir gehört, ich führe allerlei nützliche Dinge für die Kosaken mit, und will euch unterwegs den Proviant so billig liefern, wie noch nie ein anderer Jude; bei Gott, es ist so, so wahr mir Gott helfe!“

Taraß Bulba zuckte die Achseln; er wunderte sich über die zähe, flinke Natur des Juden und ritt ins Lager zurück.