Za darmo

Sämmtliche Werke 4: Mirgorod

Tekst
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

„Hm, sagen Sie doch Iwan Nikiforowitsch, um wieder auf die Flinte zurückzukommen, was wollen Sie mit ihr anfangen? Sie brauchen sie doch nicht?“

„Ich brauche sie nicht? Ja und wenn ich nun einmal schießen will?“

„Gott behüte sie, Iwan Nikiforowitsch, wann wollen Sie denn schießen? Vielleicht beim jüngsten Gericht? So viel ich weiß und von andern erfahren konnte, haben Sie noch nie eine Ente getötet, ja Gott der Herr hat Ihnen auch gar nicht die Natur dazu gegeben, daß Sie schießen sollten. Sie haben eine stattliche Figur, ein elegantes Auftreten: wie wollen Sie in den Sümpfen umherwaten, wenn das Kleidungsstück, das ich aus Anstandsrücksichten nicht nennen möchte, schon jetzt ausgelüftet werden muß? Was wird erst dann sein? Was Sie brauchen, ist Ruhe, Erholung.“ (Wir haben schon oben erwähnt, daß Iwan Iwanowitsch ungewöhnlich schön sprechen konnte, wenn es galt, jemanden zu überzeugen. Nein, wie er redete, Herrgott, wie er redete!) „Ja, ja, Ihnen stehen nur edle Handlungen an. Was meinen Sie, wie wär’s, wenn Sie mir die Flinte geben würden?“

„Wie könnte ich! So eine teure Flinte! So eine ist für kein Geld mehr zu haben. Die stammt noch aus der Zeit, als ich in die Miliz eintreten wollte, da habe ich sie von einem Tataren erstanden, und jetzt sollte ich sie so mir nichts dir nichts weggeben? Ich bitte Sie, das ist doch ein unentbehrliches Instrument.“

„Unentbehrlich? Wozu?“

„Wozu – wozu? Und wenn nun Räuber mein Haus überfallen! Ausgezeichnet! Nicht unentbehrlich! … Gottlob, jetzt bin ich ruhig und fürchte mich vor nichts; denn ich weiß, in meiner Kammer steht eine Flinte!“

„Eine nette Flinte, Iwan Nikiforowitsch, der Hahn ist ja total verdorben!“

„Was macht denn das? Und wenn der Hahn nun wirklich verdorben wäre! Man kann ihn doch reparieren! Man muß ihn nur ein bißchen mit Hanföl einschmieren, damit er nicht rostet!“

„Nach Ihren Worten könnte man vermuten, daß Sie nicht die geringste Freundschaft für mich hegen, Iwan Nikiforowitsch, Sie wollen mir durchaus kein Zeichen Ihrer Sympathie geben?“

„Iwan Iwanowitsch, wie können Sie sagen, daß ich Ihnen kein Zeichen meiner Sympathie gebe. Schämen Sie sich! Ihre Ochsen weiden auf meiner Wiese, und ich habe sie noch nie zum Pflügen benutzt. Jedesmal, wenn Sie nach Poltawa fahren, bitten Sie mich um meinen Wagen, und habe ich es Ihnen je abgeschlagen? Ihre Kinder klettern über den Zaun, springen in meinen Garten und spielen mit meinen Hunden – und ich sage nichts; mögen sie doch spielen, solange sie nur nichts anrühren, mögen sie doch spielen …“

„Nun, wenn Sie mir Ihre Flinte durchaus nicht verehren wollen – so wollen wir tauschen.“

„Und was würden Sie mir dafür geben?“ Bei diesen Worten stützte sich Iwan Nikiforowitsch auf seinen Arm und sah Iwan Iwanowitsch ins Gesicht.

„Ich würde Ihnen das braune Schwein dafür geben, das ich in meinem Stall gemästet habe. Eine großartige Sau! Passen Sie auf – im nächsten Jahre wirft sie Ihnen schon Ferkel.“

„Ich verstehe nicht, Iwan Iwanowitsch, wie Sie so sprechen können. Was soll ich mit Ihrem Schwein? Soll ich etwa dem Teufel ein Fest geben?“

„Schon wieder! Sie können nicht reden, ohne den Teufel anzurufen. Es ist eine Sünde, Iwan Nikiforowitsch, bei Gott, es ist eine Sünde!“

„Sie sind mir der Rechte, Iwan Iwanowitsch! Für eine Flinte bieten Sie mir weiß der Teufel was – eine Sau!“

„Warum ist eine Sau „weiß der Teufel was“, Iwan Nikiforowitsch?“

„Warum? Bitte urteilen Sie doch selbst: eine Flinte – da weiß doch jeder, was das für ein Gegenstand ist – und Sie bieten mir weiß der Teufel was – eine Sau! Wären Sie es nicht, der mir diesen Vorschlag machte, ich könnte es wahrhaftig für eine Beleidigung halten.“

„Was finden Sie denn so Schlimmes an einem Schwein?“

„Ja für was halten Sie mich denn eigentlich, daß ich ein Schwein …“

„Bitte setzen Sie sich, setzen Sie sich, ich rede nicht mehr davon. Behalten Sie Ihre Flinte; möge sie in irgend einem Winkel Ihrer Kammer verrosten und verderben – ich rede kein Wort mehr davon.“

Hier trat eine lange Pause ein.

„Man spricht davon,“ begann endlich Iwan Iwanowitsch, „daß drei Könige unserm Kaiser den Krieg erklärt haben.“

„Ja, Peter Fjodorowitsch erzählte mir davon. Was ist das für ein Krieg? Warum führt man ihn?“

„Das kann ich nicht genau sagen, Iwan Nikiforowitsch,“ antwortete Iwan Iwanowitsch, „ich glaube, die Könige verlangen von uns, daß wir alle den türkischen Glauben annehmen sollen.“

„Sieh einer an, was die Narren ausgeheckt haben,“ sagte Iwan Nikiforowitsch und hob den Kopf in die Höhe.

„Verstehen Sie? Der Kaiser aber hat ihnen den Krieg erklärt. Nehmt mal lieber selber den christlichen Glauben an! sagte er.“

„Was meinen Sie, Iwan Iwanowitsch, die Unsern werden sie doch besiegen?“

„Ganz sicher, Iwan Nikiforowitsch! Sie wollen mir also Ihre Flinte nicht eintauschen?“

„Ich bin wirklich erstaunt, Iwan Iwanowitsch, ich glaubte immer, Sie seien ein Mann von einer gewissen Bildung, und heute reden Sie wie ein Kind. Bin ich denn ein Narr?“

„Bleiben Sie sitzen, bleiben Sie sitzen, Gott mit ihr, mag sie verrosten, ich sage kein Wort mehr.“

In diesem Augenblick wurde der Imbiß aufgetragen.

Iwan Iwanowitsch nahm einen Schnaps und aß einen Rahmkuchen dazu. „Hören Sie, Iwan Nikiforowitsch, ich gebe Ihnen außer dem Schwein noch zwei Säcke Hafer; Sie haben ja keinen gesät. Sie müssen also dieses Jahr sowieso welchen kaufen.“

„Bei Gott, Iwan Iwanowitsch, um mit Ihnen zu reden – muß man Erbsen gefressen haben.“ (Das war noch gar nichts, Iwan Nikiforowitsch konnte noch ganz andere Sachen vom Stapel lassen.) „Wo in aller Welt ist es erhört, daß man eine Flinte für zwei Säcke Hafer eingetauscht hätte? Ihre Pekesche werden Sie mir wohl nicht anbieten, da bin ich sicher.“

„Sie vergessen, Iwan Nikiforowitsch, daß Sie noch das Schwein dazu bekommen.“

„Was, zwei Säcke Hafer und ein Schwein für eine Flinte?“

„Ist das vielleicht zu wenig?“

„Für eine Flinte?“

„Jawohl, für eine Flinte!“

„Zwei Säcke für eine Flinte?“

„Die Säcke sind doch nicht leer, sondern voll Hafer. Und das Schwein – das Schwein haben Sie vergessen?“

„Geben Sie doch Ihrem Schwein einen Kuß, oder wenn’s Ihnen besser paßt: dem Teufel.“

„Weh dem, der mit Ihnen anbindet! Warten Sie ab, für solche gottlose Reden wird man Ihnen in jener Welt die Zunge mit glühenden Nadeln spicken! Wenn man mit Ihnen gesprochen hat, muß man sich wahrhaftig Kopf und Hände waschen, und den ganzen Körper ausräuchern!“

„Gestatten Sie, Iwan Iwanowitsch, eine Flinte ist ein nobler Gegenstand, mit dem man sich aufs schönste unterhalten kann, und zugleich der angenehmste Zimmerschmuck …“

„Iwan Nikiforowitsch, Sie sprechen von Ihrer Flinte grad wie der Narr von seinem Futtersack,“ sagte Iwan Iwanowitsch, der allmählich anfing, ärgerlich zu werden.

„Und Sie, Iwan Iwanowitsch, Sie sind der reinste Gänserich!“

Hätte Iwan Nikiforowitsch nur gerade dies Wort nicht gebraucht, die beiden Freunde hätten sich gestritten und wären dann wie immer in aller Freundschaft geschieden; jetzt aber passierte etwas ganz anderes. Iwan Iwanowitsch wurde feuerrot. „Was haben Sie da gesagt, Iwan Nikiforowitsch?“ fragte er mit erhobener Stimme.

„Ich sage, daß Sie einem Gänserich gleichen, Iwan Iwanowitsch.“

„Was wagen Sie, mein Herr! Sie vergessen allen Anstand, Sie vergessen alle Achtung, die Sie meinem Stande und meiner Familie schuldig sind! Wie können Sie es wagen, einen Menschen mit einem so schimpflichen Namen zu belegen?“

„Was ist denn Schimpfliches daran? Und was fuchteln Sie so mit den Händen, Iwan Iwanowitsch?“

„Ich wiederhole. Wie konnten Sie es wagen, den Anstand so gröblich zu verletzen und mich einen Gänserich zu nennen?“

„Ich huste Ihnen was, Iwan Iwanowitsch! Was gackern Sie denn so?“

Jetzt konnte sich Iwan Iwanowitsch nicht länger beherrschen. Seine Lippen zitterten, sein Mund verlor die gewöhnliche Form (aus dem V wurde ein O), er blinzelte so mit den Augenwimpern, daß einem angst und bange werden konnte. Das passierte Iwan Iwanowitsch äußerst selten, er mußte schon außerordentlich erzürnt sein. „So erkläre ich Ihnen hiermit,“ rief Iwan Iwanowitsch, „von heute ab kenne ich Sie nicht mehr!“

„Großes Unglück! Bei Gott, das soll mir keine Träne auspressen,“ antwortete Iwan Nikiforowitsch. – Aber er log, bei Gott, er log. Es tat ihm schrecklich leid.

„Ich werde nie wieder die Schwelle Ihres Hauses betreten!“

„Aha!“ rief Iwan Nikiforowitsch; er wußte vor Verdruß nicht, was er tun sollte – und sprang ganz gegen seine Gewohnheit auf.

„Hallo Alte.“

In der Tür erschienen das alte dürre Weib und ein kleiner Junge, der in einem großen langen Rock steckte und sich beständig darin verwickelte.

„Nehmen Sie Iwan Iwanowitsch bei der Hand und führen Sie ihn hinaus!“

„Was? Mich? Einen Edelmann?“ rief Iwan Iwanowitsch voller Würde und Entrüstung. „Wagt es nur, in meine Nähe zu kommen. Ich vernichte Euch samt Eurem dummen Herrn. Und keine Krähe soll Euer Grab finden!“ (Iwan Iwanowitsch konnte sehr wuchtig sprechen, wenn er bis in die tiefste Seele erschüttert war.)

Die ganze Gruppe hatte etwas Imposantes an sich. In der Mitte des Zimmers stand Iwan Nikiforowitsch in seiner ganzen nackten Schönheit ohne jede Dekoration; dazu die Alte mit aufgerissenem Munde, einem dummen Gesicht und geängstigter Miene! Iwan Iwanowitsch aber stand da wie ein römischer Tribun mit erhobener Rechte – es war ein gewaltiger Augenblick, ein Schauspiel von wunderbarer Größe! Und doch war nur ein Zuschauer da: der Knabe in dem Uniformrock, der ruhig dastand und sich mit dem Finger die Nase putzte. Endlich ergriff Iwan Iwanowitsch seine Mütze. „Sie benehmen sich sehr vornehm, Iwan Nikiforowitsch, sehr vornehm. Ich werde es nicht vergessen.“

 

„Gehen Sie, Iwan Iwanowitsch, gehen Sie! Sehen Sie sich vor, daß Sie mir nicht in den Weg kommen, sonst … ich könnte Ihnen, Iwan Iwanowitsch … ich könnte Ihnen ihre ganze Visage verbläuen!“

„Daraus mache ich mir soviel, Iwan Nikiforowitsch,“ antwortete Iwan Iwanowitsch, drehte ihm eine lange Nase, und warf die Türe ins Schloß. Man hörte sie jedoch sofort wieder knarren, sie öffnete sich, und Iwan Nikiforowitsch erschien in der Türöffnung. Er wollte noch etwas sagen – aber Iwan Iwanowitsch eilte davon, ohne sich umzusehen.

Drittes Kapitel
Was nach dem Streit zwischen Iwan Iwanowitsch und Iwan Nikiforowitsch geschah

So entzweiten sich die beiden Ehrenmänner, Mirgorods Stolz und Zierde; sie entzweiten sich – und warum? Wegen einer Kleinigkeit! wegen eines Gänserichs! Sie mieden sich, und brachen alle Beziehungen zueinander ab, sie, die doch früher als unzertrennliches Freundespaar gegolten hatten! Früher hatten sie jeden Tag zueinander geschickt und sich gegenseitig nach ihrem Befinden erkundigt, oder auf ihren Balkonen ausgestreckt miteinander geplaudert und sich so viel Angenehmes gesagt, daß es ein Vergnügen war, ihnen zuzuhören. Des Sonntags gingen sie oft – Iwan Iwanowitsch in seiner vornehmen Pekesche und Iwan Nikiforowitsch in seinem gelblich-braunen, leinenen Kosakenrock – Arm in Arm zur Kirche; und wenn Iwan Iwanowitsch, der sich durch sein scharfes Auge auszeichnete, zuerst eine Pfütze oder einen Schmutzhaufen auf der Straße erblickte – was auch in Mirgorod manchmal vorkommt – dann sagte er immer zu Iwan Nikiforowitsch: „Geben Sie acht, bitte treten Sie nicht hierher, hier ist etwas nicht ganz in Ordnung.“ Aber auch Iwan Nikiforowitsch ließ es nicht an rührenden Freundschaftsdiensten fehlen. So weit entfernt er auch von Iwan Iwanowitsch stehen mochte, stets hielt er ihm die Dose hin und murmelte, „Bitte bedienen Sie sich.“ Und welch herrlichen Hausstand hatten beide! … Und diese beiden Freunde …! Als ich es erfuhr, war ich wie vom Blitz getroffen. Ich wollte es lange Zeit nicht glauben. Gerechter Gott! Iwan Iwanowitsch hat sich mit Iwan Nikiforowitsch entzweit! Diese Ehrenmänner! Was ist noch von Dauer auf dieser Erde?

Als Iwan Iwanowitsch nach Hause kam, war er in heftiger Erregung. Sonst ging er gewöhnlich in den Stall, um nachzusehen, ob die junge Stute auch ihr Heu fraß (Iwan Iwanowitsch hatte eine hellbraune Stute mit einem weißen Fleck auf der Stirn – ein reizendes Pferdchen), dann fütterte er eigenhändig die Truthühner und die Ferkel, und ging endlich wieder ins Haus zurück, um Holzgeschirr zu schnitzen (er war äußerst geschickt, und stellte die verschiedensten Gegenstände aus Holz her wie der gewandteste Drechsler), oder er las in einem Buche, das bei Ljubi, Gari und Popow gedruckt war (an den Titel erinnerte sich Iwan Iwanowitsch nicht mehr, die Dienstmagd hatte vor längerer Zeit die obere Hälfte des Titelblattes abgerissen, und einem Kinde zu spielen gegeben), oder er legte sich unter das Schutzdach und ruhte aus. Heute aber tat er nichts von alledem. Im Gegenteil, er schalt Gapka, die ihm gerade entgegenkam, aus, weil sie müßig umher schlendere, obgleich sie Grütze nach der Küche trug, und warf einen Stock nach einem Hahn, der bis an die Treppe herangekommen war, um das gewohnte Futter in Empfang zu nehmen. Und als ihm der kleine schmutzige Junge im zerrissenen Hemdchen entgegenlief, und „Papa, Papa, einen Kuchen“ zu schreien anfing, drohte er ihm mit dem Finger und stampfte so laut mit dem Fuße, daß der erschreckte Knabe sich schleunigst aus dem Staube machte.

Endlich besann er sich jedoch und nahm seine gewohnte Beschäftigung wieder auf. Er aß sehr spät zu Mittag, und es dämmerte schon, als er sich auf der Veranda zur Ruhe niederlegte. Die ausgezeichnete Rübensuppe mit Täubchen, die Gapka zubereitet hatte, verbannte die Ereignisse des Morgens vollständig aus seinem Gedächtnis.

Wieder begann Iwan Iwanowitsch mit Vergnügen nach allem zu sehen, was in seinem Haushalt vorging, und als seine Augen über des Nachbars Hof glitten, sagte er, wie im Selbstgespräch zu sich: „heut war ich ja noch nicht bei Iwan Nikiforowitsch, ich muß doch mal rübergehn.“ Hierauf nahm er seine Mütze und seinen Stock und ging auf die Straße, aber kaum hatte er das Haustor verlassen, als ihm sein Streit mit dem Nachbar einfiel. Ärgerlich spuckte er aus und ging wieder in das Haus hinein. Ein ähnlicher Vorgang spielte sich auf dem Hofe des Iwan Nikiforowitsch ab. Iwan Iwanowitsch sah, wie die Alte schon den Fuß auf den Zaun setzte, um in seinen Hof zu klettern, als plötzlich Iwan Nikiforowitschs Stimme erscholl: „Zurück, zurück, es ist nicht nötig.“ Iwan Iwanowitsch wurde sehr traurig. Es ist sehr möglich, daß sich die beiden Ehrenmänner schon am nächsten Tage wieder versöhnt hätten, wenn nicht ein ganz besonderes Ereignis im Hause Iwan Nikiforowitschs jede Hoffnung auf eine Einigung vernichtet und Öl in die schon verglimmende Flamme der Feindschaft gegossen hätte.

Am Abend dieses Tages kam Agafja Fedosiewna zu Iwan Nikiforowitsch. Agafja Fedosiewna war weder verwandt noch verschwägert mit Iwan Nikiforowitsch, sie war nicht einmal seine Gevatterin. Eigentlich hatte sie also gar keinen Grund, ihn zu besuchen, und er war auch nicht sonderlich erfreut über ihre Anwesenheit: aber nichtsdestoweniger kam sie öfters zu ihm und blieb mitunter einige Wochen und noch länger bei ihm. Dann nahm sie die Schlüssel und die ganze Wirtschaft unter ihre Obhut. Das war nun Iwan Nikiforowitsch sehr unangenehm, aber zum allgemeinen Erstaunen gehorchte er ihr wie ein Kind, und so oft er mit ihr in Streit geriet, zog er immer den kürzeren.

Ich muß gestehn, ich begreife es nicht, warum es in der Welt so eingerichtet ist, daß uns die Frauen so geschickt an der Nase zu packen wissen, wie den Henkel einer Teekanne. Sind vielleicht ihre Hände besonders dazu geeignet, oder taugen unsere Nasen zu nichts anderem? Obschon Iwan Nikiforowitschs Nase eine große Ähnlichkeit mit einer Pflaume hatte, packte sie ihn doch an dieser Nase und zog ihn wie ein Hündchen hinter sich her. Während ihrer Anwesenheit veränderte er sogar unwillkürlich seine gewohnte Lebensweise: er lag nicht soviel in der Sonne, und wenn er es tat, nicht mehr nackt, sondern mit Hemd und Hosen bekleidet da, obwohl Agafja Fedosiewna gar keinen Wert darauf legte; sie liebte es, keine Umstände zu machen, und als Iwan Nikiforowitsch einmal das Fieber bekam, rieb sie ihn eigenhändig vom Kopf bis zu den Füßen mit Terpentin und Essig ein. Agafja trug eine Haube auf dem Kopfe, hatte drei Warzen auf der Nase, und ging in einem kaffeebraunen Morgenkleid mit gelben Blumen einher. Ihre Figur ähnelte einem Faß, und darum war es ebenso schwer, ihre Taille zu entdecken, wie ohne Spiegel seine eigene Nase zu sehen. Ihre Beinchen waren kurz und hatten die Form zweier Kissen. Des Morgens aß sie gesottene Rüben, sie verstand es, zu klatschen und meisterlich zu schimpfen, aber während all dieser mannigfaltigen Betätigungsweisen veränderte sich ihr Gesichtsausdruck nicht einen Augenblick – eine Erscheinung, die nur bei Frauen zu beobachten ist.

Seit sie angekommen war, ging alles drunter und drüber. „Iwan Nikiforowitsch, versöhne dich nicht mit ihm, bitte ihn nicht um Verzeihung, er will dich ins Unglück stürzen, das ist so ein Mensch! Du kennst ihn noch nicht!“ Und das verdammte Weib schwatzte und lag ihm fortwährend in den Ohren, und die Folge war, daß Iwan Nikiforowitsch nichts mehr von Iwan Iwanowitsch wissen wollte.

Alles nahm jetzt ein anderes Aussehen an; wenn der Hund des Nachbarn auf den Hof kam, griff man zum ersten besten Gegenstand, den man in die Hand bekam, und verabfolgte ihm eine Tracht Prügel; wenn einmal ein Kind über den Zaun kletterte, kam es heulend zurück, hob das Hemdchen in die Höhe und zeigte die Striemen auf seinem Rücken; selbst die Alte betrug sich so unanständig, daß Iwan Iwanowitsch, dieser delikate Mensch, als er eines Tages eine Frage an sie richtete, nur auszuspucken vermochte, und vor sich hinmurmelte: „Ein widerliches Weib – die ist noch schlimmer als ihr Herr.“

Und endlich, um das Maß der Kränkungen voll zu machen, baute der verhaßte Nachbar, gegenüber Iwan Iwanowitschs Haus, gerade an der Stelle, wo man so bequem hinübersteigen konnte, einen Gänsestall, nur, um seine Beleidigung noch besonders zu verschärfen. Dieser, für Iwan Iwanowitsch so peinliche Bau wurde mit geradezu diabolischer Schnelligkeit, im Laufe eines Tages hergestellt.

Iwan Iwanowitschs Wut war grenzenlos, er sehnte sich nach Rache. Übrigens ließ er sich seinen Ärger nicht merken, obgleich der Stall sogar einen Teil seines Terrains einnahm. Aber sein Herz pochte so heftig, daß es ihm ungemein schwer fiel, die äußere Ruhe zu wahren.

So verbrachte er den Tag und die Nacht kam heran. … Oh, wenn ich ein Maler wäre, – wie wollte ich die Herrlichkeit der Nacht auf die Leinwand bannen. Ich würde darstellen, wie ganz Mirgorod schläft, wie zahllose Sterne unbewegt herniederblicken, wie nahes und entfernteres Hundegebell die tiefe Stille durchbricht, wie der verliebte Küster herbeigelaufen kommt und mit ritterlicher Furchtlosigkeit über den Zaun klettert, wie die weißen Häuser im Mondschein noch viel weißer und die sie beschattenden Bäume noch viel dunkler erscheinen; schwärzer als sonst ruht der Schatten der Bäume auf der Erde, Blumen und Gräser beginnen stärker zu duften, und die Heimchen, diese unermüdlichen Ritter der Nacht, lassen von allen Seiten ihre schrillen Lieder erklingen. Ich würde darstellen, wie in einer der niedrigen Lehmhütten die schwarzgelockte Bewohnerin auf einsamem Lager hingestreckt, mit wogendem Busen von einem Husaren mit Sporen und Schnurrbart träumt, während die Strahlen des Mondes auf ihren Wangen spielen. Ich würde malen, wie der dunkle Schatten einer Fledermaus über den weißen Weg huscht und sich auf den weißen Schornsteinen der Stadt niederläßt. Allein Iwan Iwanowitsch zu malen, der in dieser Nacht mit der Säge in der Hand aus seinem Hause trat: das würde mir kaum gelingen. Zu zahlreich waren die Gefühle, die sich in seinem Antlitz spiegelten! Leise, ganz leise schlich er zum Gänsestall. Iwan Nikiforowitschs Hunde wußten noch nichts von dem Streit ihrer Herren, und erlaubten ihm daher als einem alten Freunde, dicht an den Stall heranzuschleichen, der auf vier Eichenpfählen stand. Als er sich an den einen Pfosten herangedrängt hatte, legte er die Säge an und begann zu sägen. Der Lärm, welchen die Säge verursachte, zwang ihn, sich in einem fort umzusehen, aber der Gedanke an die erlittene Schmach gab ihm immer wieder neuen Mut. Der erste Pfahl war durchgesägt, und Iwan Iwanowitsch machte sich an den zweiten. Seine Augen brannten, und vor Angst vermochte er nichts zu sehen. Plötzlich schrie Iwan Iwanowitsch auf, er erstarrte und glaubte einen Leichnam vor sich zu sehen, aber er ermannte sich bald wieder, als er sah, daß es nur eine Gans war, die den Hals nach ihm ausstreckte. Ärgerlich spuckte Iwan Iwanowitsch aus, und setzte seine Arbeit fort. Der zweite Pfahl war durchgesägt, – der Bau erzitterte. Als Iwan Iwanowitsch den dritten Pfosten in Angriff nahm, schlug sein Herz so heftig, daß er seine Arbeit einigemale unterbrechen mußte. Schon war mehr als die Hälfte des Pfahls durchgesägt, als plötzlich das ganze schwankende Gebäude zu erzittern begann – Iwan Iwanowitsch hatte kaum Zeit beiseite zu springen – da stürzte es auch schon krachend zusammen. Die Säge krampfhaft in der Hand haltend, lief er tödlich erschreckt in sein Haus und warf sich auf sein Bett; er hatte nicht den Mut, durch das Fenster die Folgen seiner furchtbaren Tat zu beobachten. Ihm schien, als ob alle Knechte und Mägde Iwan Nikiforowitschs sich versammelt hätten – das alte Weib, Iwan Nikiforowitsch, der Junge in dem unendlichen Rock, sie alle kamen mit Keulen bewaffnet und von Agafja Fedosiewna geführt heran, um sein Haus zu zertrümmern.

Den ganzen folgenden Tag brachte Iwan Iwanowitsch wie im Fieber zu. Er glaubte, daß seine verhaßten Gegner ihm aus Rache mindestens das Haus anzünden würden, und daher befahl er Gapka in einem fort, überall nachzusehen, ob nicht irgendwo trockenes Stroh herumliege. Um jeder Gefahr vorzubeugen, beschloß er endlich, Iwan Nikiforowitsch zuvorzukommen, und beim Mirgoroder Kreisgericht eine Klage gegen ihn einzureichen. Worin diese Klage bestand, – das kann der Leser aus dem nächsten Kapitel erfahren.