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Die toten Seelen

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»Wie die Fliegen sterben sie.«

»Wahrhaftig, wie die Fliegen? Gestatten Sie die Frage, wohnt er weit von Ihnen?«

»Fünf Werst weit.«

»Nur fünf Werst!« rief Tschitschikow aus und fühlte sogar leichtes Herzklopfen. »Wenn man aber aus Ihrem Tore hinausfährt, so ist es rechts oder links?«

»Ich rate Ihnen nicht, sogar den Weg zu diesem Hund zu kennen«, antwortete Ssobakewitsch. »Es ist verzeihlicher, irgendeinen unanständigen Ort aufzusuchen, als ihn.«

»Nein, ich fragte nicht aus irgendwelchem … , sondern weil ich mich nur für die Lage von Örtlichkeiten jeder Art interessiere«, entgegnete Tschitschikow.

Nach der Hammellende kamen Käseküchlein, von denen jedes größer als der Teller war, dann folgte ein Truthahn von der Größe eines Kalbes, mit allerlei guten Dingen gefüllt: mit Reis, Eiern, Lebern und Gott weiß was sonst, was nachher wie ein Stein im Magen lag. Damit war das Mittagessen zu Ende. Als sie sich aber von der Tafel erhoben, fühlte sich Tschitschikow um ein ganzes Pud schwerer geworden. Sie gingen ins Gastzimmer hinüber, wo schon ein Tellerchen mit Eingemachtem bereitstand; es waren weder Birnen noch Pflaumen noch andere Beeren – übrigens rührte weder der Hausherr noch der Gast die Sachen an. Die Hausfrau ging hinaus, um noch einige Tellerchen zu bringen. Tschitschikow benutzte diese Gelegenheit und wandte sich an Ssobakewitsch, der, im Sessel liegend, nach dem üppigen Mittagessen nur noch ächzte, unartikulierte Laute von sich gab, sich bekreuzigte und jeden Augenblick die Hand vor den Mund hielt. Tschitschikow wandte sich an ihn mit folgenden Worten: »Ich möchte mit Ihnen gern über eine kleine Sache sprechen.«

»Hier ist noch Eingemachtes«, sagte die Hausfrau, wieder ins Zimmer tretend: »Rettich, in Honig gekocht!«

»Wir wollen später davon nehmen«, sagte Ssobakewitsch. »Geh jetzt in dein Zimmer. Pawel Iwanowitsch und ich möchten uns jetzt die Fräcke ausziehen und ein wenig ruhen!«

Die Hausfrau erklärte sich sofort bereit, Federbetten und Kissen holen zu lassen, aber der Hausherr sagte: »Es ist nicht nötig, wir ruhen in den Sesseln aus«, und die Hausfrau ging.

Ssobakewitsch neigte leise den Kopf, um zu hören, um was für eine kleine Sache es sich handle.

Tschitschikow holte sehr weit aus, berührte zunächst den ganzen russischen Staat, über dessen weite Ausdehnung er sich mit großem Lobe äußerte, und sagte, daß selbst die altrömische Monarchie nicht so groß gewesen sei, daß die Ausländer mit Recht staunen … (Ssobakewitsch hörte immer mit geneigtem Kopfe zu), und daß nach den bestehenden Gesetzen dieses Staates, dem an Ruhm kein anderer gleiche, die leibeigenen Seelen, die ihr irdisches Sein abgeschlossen, in den Revisionslisten wie die Lebenden geführt werden, um die Amtsstellen nicht mit einer Menge kleinlicher und nutzloser Schreibereien zu belasten und den schon ohnehin komplizierten Staatsmechanismus nicht noch komplizierter zu machen … (Ssobakewitsch hörte immer mit geneigtem Kopfe zu); wie gerecht diese Maßregel auch sei, falle sie jedoch manchem Besitzer zur Last, da sie ihn zwinge, für solche Seelen die Steuern genau so wie für die Lebenden zu entrichten; er aber sei bereit, da er eine persönliche Hochachtung für Ssobakewitsch empfinde, diese tatsächlich schwere Verpflichtung zum Teil auf sich zu nehmen. In bezug auf den Hauptgegenstand äußerte sich Tschitschikow sehr vorsichtig: er sprach von den Seelen nicht als von gestorbenen, sondern als von »nichtexistierenden«.

Ssobakewitsch hörte ihm immer mit geneigtem Kopf zu, während sein Gesicht auch nicht den geringsten Ausdruck zeigte. Es schien, daß er in seinem Körper überhaupt keine Seele habe, oder daß sie sich nicht dort befinde, wo sie sich zu befinden habe, sondern wie beim unsterblichen Kaschtschej der russischen Sage irgendwo hinter fernen Bergen wohne und in einer so dicken Schale stecke, daß alles, was sich auf ihrem Grunde bewege, nicht die geringste Erschütterung auf ihrer Oberfläche hervorrufe.

»Nun? … « sagte Tschitschikow, nicht ohne eine gewisse Aufregung auf die Antwort wartend.

»Sie brauchen tote Seelen?« fragte Ssobakewitsch sehr einfach, ohne das geringste Erstaunen, als ob die Rede von Getreide wäre.

»Ja,« antwortete Tschitschikow und milderte ein wenig den Ausdruck, indem er hinzufügte, »nichtexistierende Seelen.«

»Es werden sich schon welche finden, warum auch nicht … « sagte Ssobakewitsch.

»Und wenn sich welche finden sollten, so wird es Ihnen ohne Zweifel angenehm sein, sich ihrer zu entledigen?«

»Bitte sehr, ich bin bereit, sie zu verkaufen«, sagte Ssobakewitsch, indem er den Kopf ein wenig hob. Er ahnte, daß der Käufer irgendeinen Vorteil darin sehen müßte.

– Hol's der Teufel! – dachte sich Tschitschikow, – er will sie schon verkaufen, ehe ich auch nur ein Wort davon sprach! – Dann sagte er laut: »Und wie wäre beispielsweise der Preis? Obwohl es so ein Gegenstand ist, daß es sogar sonderbar wäre, vom Preise zu sprechen … «

»Um nicht zuviel zu verlangen, hundert Rubel pro Stück«, sagte Ssobakewitsch.

»Hundert Rubel pro Stück!« rief Tschitschikow, indem er den Mund aufriß und Ssobakewitsch gerade in die Augen blickte; er wußte nicht, ob er sich verhört oder ob die schwerfällige Zunge Ssobakewitschs aus Versehen ein falsches Wort gebraucht habe.

»Ist es Ihnen vielleicht zu teuer?« versetzte Ssobakewitsch. Nach einer Weile fügte er hinzu: »Und was ist Ihr Preis?«

»Mein Preis! Wir haben uns wohl geirrt, oder wir verstehen uns nicht recht und haben vergessen, um was für einen Gegenstand es sich hier handelt. Hand aufs Herz, ich meine meinerseits, daß achtzig Kopeken pro Stück der angemessene Preis wäre!«

»Was Ihnen nicht einfällt – achtzig Kopeken pro Stück!«

»Nun, ich bin der Ansicht, daß man dafür nicht mehr bieten kann.«

»Ich verkaufe doch keine Bastschuhe.«

»Sie werden aber zugeben müssen, daß es auch keine Menschen sind.«

»Sie glauben also wirklich, daß Sie einen Dummkopf finden, der Ihnen eine in den Listen geführte leibeigene Seele für zwanzig Kopeken verkauft?«

»Aber gestatten Sie einmal: warum nennen Sie sie in den Listen geführte Seelen? Die Seelen selbst sind doch schon längst tot, und es ist von ihnen nur ein für die Sinne kaum faßbarer Schall geblieben. Um nicht viel zu reden, bin ich übrigens bereit, Ihnen anderthalb Rubel pro Stück zu geben, mehr kann ich nicht.«

»Sie sollten sich schämen, eine solche Summe zu nennen! Schlagen Sie doch einen vernünftigen Preis vor!«

»Ich kann nicht, Michailo Ssemjonowitsch; glauben Sie mir, ich kann wirklich nicht; was nicht geht, das geht eben nicht«, sagte Tschitschikow, erhöhte aber den Preis gleich um einen halben Rubel.

»Was geizen Sie so?« sagte Ssobakewitsch. »Es ist doch weiß Gott nicht teuer! Irgendein Gauner wird Sie betrügen und Ihnen statt Seelen einen Schund verkaufen. Bei mir ist es aber lauter gewählte Ware: entweder Handwerker oder sonst tüchtige Kerle. Nehmen Sie z. B. den Wagenbauer Michejew: der baute nur Wagen auf Federn. Und das war keine Moskauer Arbeit, die nur eine Stunde hält: seine Arbeit war sehr dauerhaft; auch polsterte und lackierte er die Wagen selbst.«

Tschitschikow machte den Mund auf, um einzuwenden, daß dieser Michejew schon lange nicht mehr auf der Welt sei; Ssobakewitsch war aber schon im Zug und so gesprächig geworden, wie man es ihm gar nicht zugetraut hätte.

»Und Stepan Probka, der Zimmermann? Ich setze meinen Kopf ein, daß Sie so einen Mann nicht mehr finden. Was der für eine Kraft hatte! Wenn er in der Garde diente, was bekäme er nicht alles: er war doch über drei Arschin groß!«

Tschitschikow wollte wiederum einwenden, daß auch Probka nicht mehr auf der Welt sei; aber Ssobakewitsch hatte wohl eine Art Durchfall bekommen: ihm entströmte ein so unaufhaltsamer Redefluß, daß man nur zuhören konnte. »Und dann der Ziegelbrenner Miluschkin! Der konnte in jedem Hause einen Ofen aufstellen. Maxim Teljatnikow, der Schuster: wenn der bloß mit der Ahle hinstach, so war gleich ein Paar Stiefel fertig. Stiefel, für die man sich bedanken mußte, und dabei nahm er keinen Tropfen Schnaps in den Mund. Und erst Jeremej Ssorokopljuchin! Dieser Bauer allein war so viel wert wie alle anderen: er trieb in Moskau Handel und brachte mir fünfhundert Rubel jährlich an Zins allein ein. Ja, das waren lauter solche Leute! Das ist doch was ganz anderes, als was Ihnen so ein Pljuschkin verkaufen wird.«

»Aber gestatten Sie«, sagte endlich Tschitschikow, erstaunt über diese Redeüberschwemmung, die gar kein Ende zu nehmen schien. »Warum zählen Sie alle ihre Vorzüge auf? Jetzt haben alle diese Leute nicht den geringsten Wert; sie sind ja alle tot. Mit einem Toten kann man höchstens einen Zaun stützen, wie es im Sprichworte heißt.«

»Ja, gewiß, sie sind tot«, sagte Ssobakewitsch, als hätte er erst jetzt eingesehen, daß alle diese Leute in der Tat tot waren. Dann fuhr er fort: »Übrigens, was taugen die Leute, die heute als Lebende gelten? Es sind Fliegen und keine Menschen.«

»Aber diese existieren immerhin, und die anderen sind nur ein Wahn.«

»Nein, durchaus kein Wahn! Ich will Ihnen nur das eine sagen: so einen Menschen wie den Michejew finden Sie jetzt nicht wieder; er war so ein Mordskerl, daß er in diesem Zimmer kaum Platz hätte; nein, das ist kein Wahn! In den Schultern hatte er aber eine Kraft, wie sie ein untersetztes Pferd von Wjatka hat. Ich möchte wissen, wo Sie noch einen solchen Wahn finden!« Die letzten Worte sprach er, sich an die Bildnisse Bagrations und Kolokotronis wendend, wie es meistens bei Gesprächen vorkommt, wenn einer der Sprechenden sich nicht an die Person, an die seine Worte gerichtet sind, wendet, sondern an einen Dritten, der zufällig ins Zimmer gekommen ist, selbst an einen Unbekannten; man weiß zwar, daß man von diesem Dritten weder eine Antwort noch seine Ansicht noch eine Bestätigung zu hören bekommt, aber man richtet auf ihn dennoch seinen Blick, als riefe man ihn zu einem Schiedsrichter an; der Unbekannte, der im ersten Augenblick ein wenig verlegen wird, weiß gar nicht, ob er sich zu der Sache, von der er noch nichts gehört hat, äußern oder lieber des Anstandes wegen eine Weile schweigend dastehen und dann erst fortgehen soll.

 

»Nein, mehr als zwei Rubel kann ich nicht geben«, sagte Tschitschikow.

»Gut, damit Sie mir nicht vorwerfen, daß ich zuviel verlange und Ihnen nicht entgegenkomme, will ich Ihnen die Seelen zu fünfundsiebzig Rubel das Stück lassen, doch nur in Banknoten, und das auch nur aus Freundschaft!«

– Hält er mich für einen Narren? – dachte sich Tschitschikow. Dann sagte er laut: »Es kommt mir wirklich sonderbar vor: es ist, als ob wir Theater oder irgendeine Komödie spielten; anders kann ich es mir nicht erklären … Sie scheinen ein recht kluger Mann zu sein und über Wissen und Bildung zu verfügen. Der Gegenstand ist doch nichts! Was ist er wert? Wer braucht ihn noch?«

»Sie wollen ihn doch kaufen, folglich brauchen Sie ihn.«

Tschitschikow biß sich hier in die Unterlippe und wußte im Moment nicht, was darauf zu antworten. Er fing an, etwas von Familienangelegenheiten zu reden, doch Ssobakewitsch unterbrach ihn einfach:

»Ich will von Ihren Verhältnissen nichts wissen: in Familienangelegenheiten mische ich mich nicht ein – das ist Ihre Sache. Sie brauchen Seelen, und ich will Ihnen welche verkaufen. Sie werden es auch bereuen, daß Sie sie nicht bei mir gekauft haben.«

»Zwei Rubelchen«, sagte Tschitschikow.

»Ach Gott, Sie haben sich das eine in den Kopf gesetzt: Sie haben sich auf die zwei Rubel versteift und wollen nicht herunter. Bieten Sie mir doch einen anständigen Preis!«

– Hol ihn der Teufel! – dachte sich Tschitschikow. – Einen halben Rubel will ich dem Hund noch hinwerfen! – »Schön, ich will noch einen halben Rubel dazugeben.«

»Gut, jetzt will ich Ihnen auch mein letztes Wort sagen: fünfzig Rubel! Ich verkaufe sie mit Schaden, billiger werden Sie so tüchtige Leute nirgends finden!«

– Dieser Filz! – sagte sich Tschitschikow. Dann fuhr er etwas geärgert fort: »Was ist das in der Tat? … Als ob es eine ernste Sache wäre! Anderswo bekomme ich sie umsonst. Ein jeder wird sie mir mit Freuden abgeben, um sie los zu sein, höchstens ein Narr wird sie noch länger behalten wollen und Steuern für sie zahlen!«

»Aber wissen Sie auch, daß Käufe dieser Art – das sage ich ganz unter uns, in aller Freundschaft – nicht immer erlaubt sind, und wenn ich oder ein anderer es wiedererzählen wollte, so würden Sie bei Abschluß von Verträgen oder irgendwelchen lohnenden Vereinbarungen nicht das geringste Vertrauen finden.«

– Da will er also hinaus, der Schuft! – dachte sich Tschitschikow und fügte gleich höchst kaltblütig hinzu: »Ganz wie Sie wollen! Ich kaufe sie nicht, weil ich sie brauche, wie Sie sich einbilden, sondern nur so … aus Gesinnung. Wenn Sie zwei Rubel fünfzig nicht nehmen wollen, so leben Sie wohl!«

– Den bringe ich nicht aus dem Konzept, er gibt nicht nach! – dachte sich Ssobakewitsch. »Nun, Gott mit Ihnen, geben Sie mir dreißig Rubel pro Stück und nehmen Sie die Seelen!«

»Nein, ich sehe, Sie wollen sie nicht verkaufen. Leben Sie wohl!«

»Aber erlauben Sie einmal!« sagte Ssobakewitsch, ohne seine Hand loszulassen und ihm auf den Fuß tretend; unser Held hatte sich nämlich nicht in acht genommen und mußte jetzt zur Strafe dafür aufzischen und auf einem Fuße hüpfen.

»Ich bitte um Verzeihung! Ich bin Ihnen, glaube ich, zu nahe getreten. Bitte, setzen Sie sich her! Ich bitte darum!« Mit diesen Worten nötigte er ihn in einen Sessel mit der Gewandtheit eines Bären, der schon in Dressur war und sich zu wenden und einige Kunststücke zu machen weiß, wenn man ihn auffordert: »Mischa, zeig mal, wie sich die Weiber im Dampfbade abreiben!« oder: »Mischa, zeig mal, wie die Kinder Erbsen stehlen!«

»Wirklich, ich verliere nur meine Zeit, ich habe Eile.«

»Bleiben Sie doch noch eine Minute, ich will Ihnen gleich ein Ihnen angenehmes Wort sagen.« Ssobakewitsch setzte sich näher zu ihm heran und raunte ihm ins Ohr wie ein Geheimnis: »Wollen Sie ein Viertel?«

»Das heißt fünfundzwanzig Rubel? Keine Rede! Nicht mal ein Viertel von dem Viertel, keine Kopeke mehr.«

Ssobakewitsch verstummte. Auch Tschitschikow schwieg. An die zwei Minuten währte das Schweigen. Bagration mit seiner Adlernase verfolgte von der Wand herab die Unterhandlungen mit der größten Aufmerksamkeit.

»Was wäre also Ihr äußerster Preis?« fragte endlich Ssobakewitsch.

»Zwei Rubel fünfzig.«

»Die Menschenseele scheint Ihnen wirklich so viel wert zu sein wie eine gebrühte Rübe. Geben Sie doch wenigstens drei Rubel.«

»Ich kann nicht.«

»Nun, es ist mit Ihnen wohl nichts zu machen. Ich verkaufe mit Schaden, aber ich habe schon mal so einen Hundecharakter: ich kann meinem Nächsten unmöglich ein Vergnügen versagen. Ich glaube, wir müssen auch einen Kaufvertrag abschließen, damit alles in Ordnung ist?«

»Selbstverständlich.«

»Nun sehen Sie es, also werde ich in die Stadt fahren müssen.«

So wurde das Geschäft abgeschlossen. Sie vereinbarten, sich am nächsten Tage in der Stadt zu treffen, um den Kaufvertrag perfekt zu machen. Tschitschikow bat um eine kleine Liste der Bauern. Ssobakewitsch ging gerne darauf ein, begab sich sofort zum Sekretär und stellte eigenhändig die Liste auf, die nicht nur die Namen, sondern auch die lobenswerten Eigenschaften eines jeden Bauern enthielt.

Tschitschikow begann indessen, da er nichts anderes zu tun hatte, das mächtige Gestell Ssobakewitschs zu studieren. Als er seinen Rücken, der so breit wie bei einem Pferde war, und seine Beine, die an die gußeisernen Pfosten erinnerten, wie man sie längs der Bürgersteige aufzustellen pflegt, sah, mußte er sich sagen:–Wie hat dich doch der liebe Gott ausgerüstet! Bist zwar nicht schön zugeschnitten, aber dauerhaft genäht! … Bist du schon als Bär zur Welt gekommen, oder haben dich das Provinzleben, die Landwirtschaft, die Plackereien mit den Bauern zu einem Bären gemacht, so daß du solch ein Wucherer geworden bist? Aber nein: ich glaube, du wärest der gleiche, auch wenn man dich nach der Mode erzogen und dir zu einer Karriere verholfen hätte, auch wenn du in Petersburg und nicht in der Provinz lebtest. Der ganze Unterschied besteht darin, daß du jetzt eine halbe Hammellende mit Brei und dazu einen Käsekuchen von Tellergröße verzehrst, während du dortirgendwelche Kotelette mit Trüffeln gegessen hättest. Jetzt hast du die Bauern in deiner Gewalt: du lebst mit ihnen in Eintracht und tust ihnen nichts zuleide, weil sie dein sind und weil es dein Schaden wäre, sie schlecht zu behandeln; dort hättest du aber Beamte unter dir, und die würdest du viel schlechter behandeln, weil sie nicht deine Leibeigenen sind, oder du würdest auch den Staat bestehlen! Nein, wenn einer schon so eine Faust hat, so kann er seine Finger nicht mehr gerade biegen! Und wenn du auch einen oder zwei Finger gerade biegst, so wird es noch schlimmer. Dann kostest du ein wenig von irgendeiner Wissenschaft, und wenn du nachher einen angeseheneren Posten bekommst, so wirst du allen, die die Wissenschaft wirklich verstehen, das Leben sauer machen! Vielleicht wirst du hinterher noch sagen: »Ich will mal zeigen, was ich kann!« Und du erfindest irgendeine weise Verordnung, daß es vielen recht bitter zumute wird … Ach, wenn doch alle diese Wucherer … –

»Die Liste ist fertig!« sagte Ssobakewitsch, sich nach ihm umwendend.

»Fertig? Bitte, geben Sie sie her!« Er überflog sie und wunderte sich über die Genauigkeit und Akkuratesse: bei jedem Bauern waren nicht nur sein Handwerk, Stand, Alter und Familienverhältnisse angegeben, sondern am Rande standen noch einige Bemerkungen über das Betragen, die Nüchternheit, mit einem Worte – es war ein Vergnügen, die Liste zu sehen.

»Nun bitte ich um eine kleine Anzahlung«, sagte Ssobakewitsch.

»Was brauchen Sie eine Anzahlung? Sie bekommen doch das ganze Geld auf einmal in der Stadt.«

»Ja, Sie wissen doch, es ist mal Sitte«, entgegnete Ssobakewitsch.

»Ich weiß nicht, wie ich Ihnen die Anzahlung machen soll: ich habe kein Geld bei mir. Nur zehn Rubel habe ich da.«

»Ach, was sind zehn Rubel! Geben Sie mir wenigstens fünfzig.«

Tschitschikow versuchte zu behaupten, daß er soviel Geld nicht bei sich habe; Ssobakewitsch erklärte aber so positiv, daß er doch welches bei sich haben müsse, daß jener noch eine Banknote aus der Tasche zog und sagte: »Gut, hier haben Sie noch fünfzehn, im ganzen sind es also fünfundzwanzig. Ich möchte Sie aber um eine Quittung bitten.«

»Was brauchen Sie eine Quittung?«

»Wissen Sie, eine Quittung ist doch sicherer. Für jeden Fall … es kann doch allerhand passieren!«

»Gut, dann geben Sie erst das Geld her.«

»Warum denn das Geld? Ich halte es ja in der Hand! Sobald Sie die Quittung geschrieben haben, werden Sie es gleich bekommen.«

»Aber wie soll ich die Quittung schreiben? Ich muß doch zuerst das Geld sehen.«

Tschitschikow gab die Banknoten Ssobakewitsch, der an den Tisch ging, das Geld mit der linken Hand bedeckte und zugleich mit der Rechten auf einen Papierfetzen schrieb, daß er eine Anzahlung von fünfundzwanzig Rubel in Banknoten für die verkauften Seelen erhalten habe. Nachdem er dieses geschrieben hatte, sah er sich die Banknoten noch einmal an.

»Das eine Papierchen ist etwas alt«, sagte er, es gegen das Licht haltend, »und ein wenig zerrissen; aber unter Freunden sieht man nicht darauf.«

– Ein Wucherer, ein Wucherer!– dachte sich Tschitschikow.– Und auch noch eine Bestie dazu! –

»Wollen Sie nicht auch einige weibliche Seelen haben?«

»Nein, ich danke.«

»Die könnte ich Ihnen billig lassen. Aus Freundschaft zu einem Rubel das Stück.«

»Nein, Weiber brauche ich nicht.«

»Nun, wenn Sie keine brauchen, so lohnt es sich nicht, darüber zu reden. Über den Geschmack läßt sich nicht streiten: der eine liebt den Popen und der andere die Popenfrau, wie es im Sprichwort heißt.«

»Ich möchte Sie noch bitten, daß dieses Geschäft ganz unter uns bleibt«, sagte Tschitschikow beim Abschied.

»Das versteht sich doch von selbst. Ein Dritter braucht davon nichts zu wissen: was unter zwei intimen Freunden in aller Aufrichtigkeit abgemacht ist, das muß im Bereiche ihrer gegenseitigen Freundschaft bleiben. Leben Sie wohl! Ich danke Ihnen für den Besuch; vergessen Sie uns bitte auch in Zukunft nicht; wenn Sie mal eine freie Stunde haben, so kommen Sie zu uns: wir essen zu Mittag und verbringen die Zeit zusammen. Vielleicht bietet sich wieder einmal eine Gelegenheit, einander einen Dienst zu erweisen.«

– Ja, Schnecken!– sagte sich Tschitschikow, indem er in den Wagen stieg.– Zwei Rubel fünfzig hat er mir für eine tote Seele abgeknöpft, der Halsabschneider! –

Er war über Ssobakewitschs Benehmen äußerst unzufrieden. Ssobakewitsch war doch immerhin sein Bekannter, er war mit ihm beim Gouverneur und beim Polizeimeister zusammengekommen, hatte sich aber jetzt wie ein ganz Fremder benommen: ließ sich für einen solchen Dreck Geld zahlen! Als der Wagen schon den Hof verlassen hatte, sah sich Tschitschikow noch einmal um: Ssobakewitsch stand noch immer vor dem Hause und spähte aus, wohin sein Gast jetzt wohl fahren würde.

»Er steht noch immer da, der Schuft!« sagte Tschitschikow durch die Zähne und befahl Sselifan, den Wagen zu den Bauernhäusern zu wenden, so daß man ihn vom Herrenhause aus nicht mehr sehen könne. Er wollte nämlich zu Pljuschkin fahren, bei dem, nach Ssobakewitschs Worten, die Leute wie die Fliegen starben; er wollte aber nicht, daß Ssobakewitsch es wisse. Als der Wagen schon das Ende des Dorfes erreicht hatte, rief er den ersten besten Bauer zu sich heran, welcher gerade einen dicken Balken von der Straße aufgehoben hatte und gleich einer unermüdlichen Ameise zu sich ins Haus schleppte.

»He, du Bart! Wie kommt man von hier zu Pljuschkin, ohne am Herrenhause vorbei zu müssen?«

Die Frage machte dem Bauer anscheinend einige Schwierigkeiten.

»Nun, weißt du es nicht?«

»Nein, Herr, ich weiß es nicht.«

»Ach, du! Und dabei hast du schon graue Haare! Kennst du denn den Geizhals Pljuschkin nicht, der seinen Leuten nichts zu essen gibt?«

»Ach so, den Geflickten, den Geflickten!« rief der Bauer aus. Dem Worte »Geflickter« ließ er noch ein Substantivum folgen, das zwar äußerst gelungen war, aber in anständiger Sprache nicht gebraucht wird; darum wollen wir es hier nicht wiedergeben. Der Ausdruck war wohl übrigens ungemein treffend, weil Tschitschikow, auch schon als er eine ganze Strecke weiter gefahren war und den Bauer längst hinter sich gelassen hatte, noch immer, in seinem Wagen sitzend, grinste. Das russische Volk hat eben solche kräftige Ausdrücke. Und wenn es einem ein solches Wörtchen angehängt hat, so geht es dann von Geschlecht zu Geschlecht, folgt ihm in den Staatsdienst, nach Petersburg, bis ans Ende der Welt und bleibt ihm auch dann, wenn er schon seinen Dienst quittiert hat. Man mag dann klügeln, soviel man will, um den Spitznamen zu veredeln, man mag sogar einen Federfuchser gegen Bezahlung veranlassen, den Namen von einem altfürstlichen Geschlecht abzuleiten – es nutzt alles nichts: der Spitzname krächzt ganz von selbst aus seiner Rabenkehle und bezeugt unzweideutig, woher der Vogel stammt. Was einmal treffend ausgesprochen ist, das kann, ebenso wie was schwarz auf weiß geschrieben steht, auch nicht mit einer Axt ausgelöscht werden. Wie treffend ist aber alles, was aus den tiefsten Gründen Rußlands stammt, wo es weder deutsche noch finnische noch irgendwelche andere Volksstämme gibt, wo lauter urwüchsiges Volk mit seinem lebendigen, schlagfertigen russischen Verstand lebt, das das treffende Wort immer fertig zur Hand hat, das solch ein Wort nicht erst ausbrüten muß wie die Glucke ihre Kücken, und es einem wie einen Paß fürs ganze Leben mitgibt; dann braucht man nicht noch eigens zu erwähnen, was für eine Nase und was für Lippen der Mensch hat: mit dem einen Worte ist er ganz vom Kopfe bis zu den Füßen gekennzeichnet!

 

Wieviel Kirchen, Klöster mit Kuppeln und Türmen und Kreuzen über das ganze fromme Rußland verstreut sind, soviel Völker, Stämme und Geschlechter bewegen sich auf dem Antlitze der Erde. Und jedes Volk, das in sich das Pfand der Kraft trägt und von schöpferischen Eigentümlichkeiten seiner Seele, seiner grellen Eigenart und anderen Gottesgaben erfüllt ist, zeichnet sich auch durch seinen eigenen Wortschatz aus: wenn es einen Gegenstand mit einem Namen bezeichnet, so spiegelt diese Bezeichnung auch einen Teil des Volkscharakters wider. Herzenserkenntnis und Lebensweisheit spricht aus dem Worte des Briten; leicht und elegant blitzt das kurzlebige Wort des Franzosen auf, das sofort wieder verschwindet; kompliziert und schwer verständlich ist das superkluge und dürre Wort des Deutschen; aber es gibt kein Wort, das mit solchem Schwung und kühn direkt aus dem Herzen käme, das so brodelte und zappelte wie das treffende russische Wort.