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Die toten Seelen

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Endlich standen sie vom Tische auf. Manilow war außerordentlich zufrieden; er legte seine Hand dem Gast auf den Rücken und wollte ihn schon ins Gastzimmer geleiten, als dieser plötzlich mit bedeutungsvoller Miene erklärte, daß er mit ihm in einer sehr wichtigen Angelegenheit zu sprechen habe. »In diesem Falle gestatten Sie mir, Sie in mein Kabinett zu bitten«, sagte Manilow und führte ihn in ein kleines Zimmer, dessen Fenster auf den in der Ferne blauenden Wald hinausgingen. »Dies ist mein kleiner Winkel«, sagte Manilow. »Ein angenehmes Zimmerchen«, sagte Tschitschikow, nachdem er es mit einem Blicke gestreift hatte. Das Zimmer war in der Tat nicht ohne Anmut: die Wände waren mit einer blauen Farbe, die ins Graue hinüberspielte, gestrichen; vier Stühle, ein Sessel und ein Tisch standen darin; auf dem letzteren lag das Buch mit dem Lesezeichen, von dem wir schon sprachen, ferner einige vollbeschriebene Bogen Papier; am meisten gab es hier aber Tabak. Er war hier in allerlei Behältnissen vorhanden: in Paketen, in einem Topf und schließlich auch als einfacher Haufen auf dem Tische. Auf den beiden Fensterbänken prangten Häuflein Tabakasche, die nicht ohne Sorgfalt in hübschen Reihen angeordnet waren. Dies verschaffte offenbar dem Hausherrn zuweilen einen angenehmen Zeitvertreib.

»Darf ich Sie bitten, hier in diesem Sessel Platz zu nehmen«, sagte Manilow. »Sie werden es bequemer haben.«

»Gestatten Sie mir, daß ich mich auf den Stuhl setze.«

»Gestatten Sie mir, Ihnen das nicht zu gestatten«, entgegnete Manilow lächelnd. »Dieser Sessel ist bei mir eigens für die Gäste bestimmt. Ob Sie wollen oder nicht, Sie müssen sich hineinsetzen.«

Tschitschikow setzte sich.

»Gestatten Sie mir, Ihnen eine Pfeife anzubieten.«

»Nein, ich rauche nicht«, erwiderte Tschitschikow freundlich, sogar mit sichtlichem Bedauern.

»Warum denn?« fragte Manilow ebenso freundlich und mit Bedauern.

»Ich habe es mir nicht zur Gewohnheit gemacht. Ich fürchte mich: man sagt, die Pfeife trocknet die Lunge aus.«

»Gestatten Sie mir zu bemerken, daß es nur ein Vorurteil ist. Ich glaube sogar, daß das Pfeifenrauchen viel gesünder ist als das Schnupfen. Wir hatten in unserem Regiment einen Leutnant, einen herrlichen und außerordentlich gebildeten Menschen, der die Pfeife nicht nur bei Tisch, sondern auch, mit Verlaub zu sagen, an allen anderen Orten nie aus dem Munde ließ. Heute ist er über vierzig Jahre alt und dabei, Gott sei Dank, so gesund, wie man es sich besser gar nicht wünschen darf.«

Tschitschikow bemerkte darauf, daß ähnliche Fälle wohl vorkämen und daß es in der Natur überhaupt viele Dinge gäbe, die selbst ein großer Geist nicht zu fassen vermöge.

»Aber gestatten Sie mir zuvor eine Bitte … « sagte er mit einer Stimme, in der ein seltsamer oder beinahe seltsamer Unterton lag; dabei schielte er aus irgendeinem Grunde nach der Türe. Auch Manilow sah sich um, er wußte selbst nicht warum. »Wann haben Sie die letzte Revisionsliste eingereicht?«

»Es ist schon lange her; offen gestanden, ich habe es schon vergessen.«

»Sind Ihnen seit jener Zeit viele Bauern gestorben?«

»Das weiß ich wirklich nicht; darüber müßte man, glaube ich, den Verwalter fragen. He, Junge! Ruf mal den Verwalter her, er muß heute hier sein.«

Nun erschien der Verwalter. Es war ein Mann von etwa vierzig Jahren, ohne Bart und mit einem Rock angetan; er hatte hier offenbar ein sehr ruhiges Leben, denn sein Gesicht war voll und wie geschwollen, und die gelbliche Gesichtsfarbe und die kleinen Äuglein wiesen darauf hin, daß er allzu gut wußte, was Federbetten und Daunenkissen sind. Es war ihm sofort anzusehen, daß er die gleiche Laufbahn hinter sich hatte wie die meisten Gutsverwalter; anfangs hatte er einfach als ein des Lesens und Schreibens kundiger Junge im Herrenhause gelebt, hatte dann irgendeine Agaschka, die Wirtschafterin und Favoritin der Hausfrau, geheiratet und war dann selbst Haushälter und zuletzt Verwalter geworden. Sobald er aber Verwalter geworden war, trieb er es genau so wie alle Verwalter: er verkehrte mit allen reicheren Bauern des Dorfes, stand bei ihnen Gevatter, legte den ärmeren Bauern schwere Fronarbeit auf, pflegte erst um neun Uhr früh aufzustehen, dann auf den Samowar zu warten und Tee zu trinken.

»Hör mal, mein Bester, wie viele Bauern sind bei uns gestorben, seit wir die letzte Liste eingereicht haben?«

»Das ist nicht so leicht zu sagen. Viele sind seitdem gestorben«, sagte der Verwalter. Dabei rülpste er und hielt sich die Hand wie ein Schild vor den Mund.

»Ja, ich muß gestehen, das habe ich mir auch selbst gedacht,« fiel ihm Manilow ins Wort, »es sind wirklich sehr viele gestorben!« Hier wandte er sich an Tschitschikow und wiederholte: »Wirklich, sehr viele!«

»Wie viele ungefähr?« fragte Tschitschikow.

»Ja, wie viele?« wiederholte Manilow die Frage.

»Ja, wie soll ich es sagen? Es ist doch unbekannt, wie viele gestorben sind: kein Mensch hat sie gezählt.«

»Gewiß,« bestätigte Manilow, sich an Tschitschikow wendend, »das ist auch meine Ansicht, die Sterblichkeit war groß; es ist völlig unbekannt, wie viele gestorben sind.«

»Bitte, zähle sie einmal,« sagte Tschitschikow zu dem Verwalter, »und stelle eine kleine Namensliste auf.«

»Ja, eine Liste mit allen Namen«, sagte Manilow. Der Verwalter sagte: »Zu Befehl!« und ging.

»Zu welchem Zwecke brauchen Sie das?« fragte Manilow, als der Verwalter gegangen war.

Diese Frage schien dem Gast einige Schwierigkeit zu machen; sein Gesicht nahm auf einmal einen so gespannten Ausdruck an, daß er sogar errötete – er wollte offenbar etwas sagen, was sich nicht gut in Worte kleiden ließ. Manilow bekam bald in der Tat so seltsame und ungewöhnliche Dinge zu hören, wie sie noch kein menschliches Ohr gehört hat.

»Sie fragen, zu welchem Zweck? Der Zweck ist folgender: ich möchte gerne die Bauern kaufen … « begann Tschitschikow. Hier verschluckte er sich und kam nicht weiter.

»Gestatten Sie aber die Frage,« sagte Manilow, »wie wollen Sie die Bauern kaufen: mit dem Boden oder zwecks Übersiedlung, also ohne Boden?«

»Nein, eigentlich will ich nicht die Bauern,« sagte Tschitschikow, »ich möchte die toten … «

»Wie? Entschuldigen Sie… ich höre etwas schlecht, mir kam eben vor, als hätten Sie etwas sehr Merkwürdiges gesagt … «

»Ich habe die Absicht, die Toten zu kaufen, die aber in der letzten Liste noch als Lebende geführt werden«, sagte Tschitschikow.

Manilow ließ seine Pfeife auf den Boden fallen, riß den Mund auf und blieb mit aufgerissenem Munde einige Minuten sitzen. Die beiden Freunde, die soeben von den Annehmlichkeiten eines freundschaftlichen Zusammenlebens gesprochen hatten, saßen unbeweglich da und starrten einander an wie zwei Porträts, die man in alter Zeit zu beiden Seiten eines Spiegels aufzuhängen pflegte. Manilow hob endlich seine Pfeife auf und blickte Tschitschikow von unten ins Gesicht, ob nicht ein Lächeln auf seinen Lippen zu sehen wäre, ob er nicht scherze; er sah aber nichts dergleichen: das Gesicht schien sogar ernster und gesetzter als früher. Dann kam ihm der Gedanke, daß der Gast vielleicht plötzlich verrückt geworden sei, und er blickte ihn aufmerksam an; die Augen des Gastes waren aber vollkommen klar, und es war in ihnen nichts von jenem wilden, unruhigen Feuer zu entdecken, wie es in den Augen eines Verrückten zuckt; alles war durchaus in Ordnung. Wie sehr sich auch Manilow anstrengte, auszudenken, was er nun zu tun habe, fiel ihm doch nichts anderes ein, als den in seinem Munde noch verbliebenen Rauch in einem feinen Strahle entweichen zu lassen.

»Ich möchte also gerne wissen, ob Sie gewillt sind, mir diese in Wirklichkeit zwar toten, doch hinsichtlich der gesetzlichen Form noch lebenden Seelen zu überlassen oder abzutreten oder in irgendeiner anderen Form, die Ihnen beliebt, zu überweisen?«

Manilow war aber so verlegen und ratlos, daß er den Gast nur noch anstarren konnte.

»Ich glaube, Sie haben Bedenken?« bemerkte Tschitschikow.

»Ich? … nein, es sind keine Bedenken,« sagte Manilow, »aber ich kann nicht verstehen … entschuldigen Sie … ich habe natürlich nicht die glänzende Bildung genossen, die sozusagen aus jeder Ihrer Bewegungen spricht; auch beherrsche ich nicht die Kunst, mich gut auszudrücken … Vielleicht steckt hier … in der Wendung, die Sie soeben gebrauchten … etwas anderes … Vielleicht beliebten Sie sich nur des Stiles wegen so auszudrücken?«

»Nein,« fiel ihm Tschitschikow ins Wort, »nein, ich verstehe den Gegenstand so, wie er ist, ich meine wirklich die Seelen, die gestorben sind.«

Manilow kam ganz aus der Fassung. Er fühlte, daß er etwas unternehmen, irgendeine Frage stellen müsse, doch was für eine Frage – das weiß der Teufel. Er endete damit, daß er wieder den Rauch ausblies, diesmal aber nicht mit dem Munde, sondern durch die Nasenlöcher.

»Wenn also nichts weiter im Wege steht, so könnten wir gleich den Kaufvertrag abschließen«, sagte Tschitschikow.

»Wie, einen Kaufvertrag über tote Seelen?« »O nein!« antwortete Tschitschikow. »Wir schließen ihn so ab, als ob sie noch lebten, wie es in der Revisionsliste auch wirklich steht. Ich pflege in allen Dingen die bürgerlichen Gesetze zu achten; ich habe zwar dafür im Dienste vieles erdulden müssen, aber Sie müssen mich schon entschuldigen: die Pflicht ist für mich eine heilige Sache, und ich verstumme vor dem Gesetze.«

Die letzten Worte machten auf Manilow einen guten Eindruck, aber den Sinn der Sache hatte er noch immer nicht erfaßt. Statt eine Antwort zu geben, sog er so fest an seiner Pfeife, daß diese schließlich wie ein Fagott zu schnarchen anfing. Es war, als wollte er aus der Pfeife eine Ansicht über diese so unerhörte Angelegenheit heraussaugen; die Pfeife aber schnarchte nur und sonst nichts.

»Haben Sie vielleicht irgendwelche Zweifel?«

»Oh, ich bitte Sie, nicht im geringsten! Ich will ja gar nicht gesagt haben; daß ich in bezug auf Sie irgendwelche kritische Vorurteile hätte. Aber gestatten Sie mir die Bemerkung: wird diese Unternehmung, oder, um es deutlicher auszudrücken, diese Negoziation –, wird sie nicht mit den bürgerlichen Satzungen und den politischen Absichten Rußlands im Widerspruch stehen?«

 

Manilow machte dabei eine eigentümliche Kopfbewegung und sah Tschitschikow vielsagend ins Gesicht, wobei alle seine Züge und die zusammengepreßten Lippen einen so tiefsinnigen Ausdruck annahmen, wie man ihn wohl kaum auf einem Menschengesicht beobachtet hat, höchstens auf dem eines allzu klugen Ministers, und auch das nur bei einer außergewöhnlich kniffligen Sache.

Aber Tschitschikow erklärte ihm einfach, daß eine derartige Unternehmung oder Negoziation in keiner Weise den bürgerlichen Satzungen und den politischen Absichten Rußlands widersprechen könne; nach einem Augenblick fügte er dem noch hinzu, daß der Staat davon sogar einen Vorteil in Form der gesetzlichen Gebühren haben werde.

»Sie glauben also? … «

»Ich glaube, es wird sich sehr gut machen lassen.«

»Dann ist es natürlich eine ganz andere Sache; dagegen habe ich nichts einzuwenden«, sagte Manilow und beruhigte sich völlig.

»Es bleibt uns noch, den Preis auszumachen … «

»Wieso, den Preis?« sagte Manilow wieder und stockte. »Glauben Sie denn wirklich, daß ich Geld für die Seelen nehmen werde, die ihre Existenz gewissermaßen abgeschlossen haben? Wenn Ihnen schon so ein, ich möchte wohl sagen, phantastischer Wunsch gekommen ist, so werde ich sie Ihnen ohne jede Bezahlung überlassen und auch die Kosten des Kaufvertrags auf mich nehmen.«

Der Chronist der hier mitgeteilten Begebenheiten verdiente wohl einen scharfen Tadel, wenn er unerwähnt ließe, daß diese Worte Manilows den Gast mit größter Freude erfüllten. Wie gesetzt und solid er auch war, war er nahe dabei, einen richtigen Bocksprung zu machen, was man bekanntlich nur bei Ausbrüchen höchster Freude zu tun pflegt. Er drehte sich in seinem Sessel so heftig um, daß der Wollstoff, mit dem das Kissen bespannt war, platzte; Manilow selbst sah ihn mit einigem Erstaunen an. Vor Erkenntlichkeit überfließend, sagte ihm der Gast so viele Dankesworte, daß jener verlegen wurde, errötete, den Kopf verneinend schüttelte, und schließlich äußerte, daß es doch eine Bagatelle sei, daß er in der Tat nur den Wunsch gehabt habe, irgendwie seine herzliche Zuneigung, den Magnetismus der Seele zu zeigen; die toten Seelen seien aber gewissermaßen ein Dreck.

»Durchaus, kein Dreck«, sagte Tschitschikow und drückte ihm die Hand.

Und er stieß einen sehr tiefen Seufzer aus. Er schien zu herzlichen Ergüssen geneigt und sprach zuletzt nicht ohne Gefühl und Ausdruck folgende Worte: »Wenn Sie nur wüßten, welchen Dienst Sie mit diesem scheinbaren Dreck einem Menschen erwiesen haben, der weder einen Namen noch eine Heimstätte hat! Was habe ich nicht schon alles erdulden müssen? Wie irgendein Nachen inmitten stürmischer Wellen … Was für Verfolgungen, was für Nachstellungen habe ich nicht zu erdulden gehabt! Und wofür? Weil ich immer das Recht achtete, weil ich stets ein reines Gewissen hatte und meine Hand wie den hilflosen Witwen, so auch den elenden Waisen entgegenstreckte … !« Hierbei wischte er sich sogar eine Träne aus dem Auge.

Manilow war ganz gerührt. Die beiden Freunde drückten sich sehr lange die Hand und blickten einander in die Augen, in denen Tränen schimmerten. Manilow wollte die Hand unseres Helden nicht aus der seinigen lassen und fuhr fort, sie so fest und warm zu drücken, daß jener gar nicht wußte, wie sie zu befreien. Nachdem er sie endlich doch vorsichtig befreit hatte, sagte er, daß es gut wäre, wenn man den Kaufvertrag möglichst bald abschließen und wenn Manilow selbst zu diesem Zweck in die Stadt kommen wollte; dann griff er nach seinem Hut und begann sich zu verabschieden.

»Wie? Sie wollen schon fahren?« sagte Manilow, plötzlich zur Besinnung kommend und beinahe erschrocken.

In diesem Augenblick trat Frau Manilow ins Kabinett.

»Lisanjka,« sagte Manilow mit etwas unglücklicher Miene, »Pawel Iwanowitsch verläßt uns schon!«

»Weil Pawel Iwanowitsch unser überdrüssig ist«, entgegnete Frau Manilowa.

»Gnädigste! Hier,« sagte Tschitschikow, »sehen Sie, hier,« er drückte sich die Hand aufs Herz: »ja, hier verbleibt die Schönheit der Stunden, die ich mit Ihnen verlebt habe! Und glauben Sie mir: es gäbe für mich keine größere Seligkeit, als mit Ihnen zu wohnen, und wenn auch nicht im gleichen Hause, so doch wenigstens in der nächsten Nachbarschaft.«

»Wissen Sie, Pawel Iwanowitsch,« versetzte Manilow, dem dieser Gedanke gut gefiel: »wie gut wäre es in der Tat, so zusammen zu leben und unter dem gleichen Dache oder im Schatten irgendeiner Ulme zu philosophieren, sich in etwas zu vertiefen … «

»Oh, das wäre ein paradiesisches Leben!« sagte Tschitschikow mit einem Seufzer. »Leben Sie wohl, Gnädigste!« fuhr er fort, Frau Manilowa die Hand küssend. »Leben Sie wohl, verehrter Freund! Vergessen Sie meine Bitte nicht!«

»Oh, seien Sie überzeugt!« antwortete Manilow. »Ich trenne mich von Ihnen für höchstens zwei Tage.«

Alle traten ins Speisezimmer.

»Lebt wohl, ihr lieben Kleinen!« sagte Tschitschikow, als er Themistoklus und Alkides erblickte, die mit einem hölzernen Husaren ohne Nase und Arm spielten. »»Lebt wohl, ihr Kleinen. Verzeiht mir, daß ich euch kein Geschenk mitgebracht habe. Aber ich muß gestehen, ich wußte nicht einmal, daß ihr auf der Welt seid. Doch wenn ich wiederkomme, bringe ich euch bestimmt was mit. Dir bringe ich einen Säbel. Willst du einen Säbel?«

»Ja, ich will«, antwortete Themistoklus.

»Und du kriegst eine Trommel. Willst du eine Trommel?« fuhr Tschitschikow fort, sich über Alkides beugend.

»Dommel«, antwortete Alkides leise, mit gesenktem Kopf.

»Gut, ich bringe dir eine Trommel – eine schöne Trommel! Die macht: tra–ta–ta, tra–ta–ta … Leb wohl, Herzchen! Leb wohl!« Er küßte das Kind auf den Kopf und wandte sich mit einem leisen Lächeln zu Manilow und dessen Gattin, wie man sich immer an die Eltern wendet, wenn man ihnen die Harmlosigkeit der Wünsche ihrer Kinder zu verstehen geben will.

»Bleiben Sie doch wirklich da, Pawel Iwanowitsch!« sagte Manilow, als alle auf den Flur getreten waren. »Schauen Sie nur: diese Wolken.«

»Es sind ganz kleine Wölkchen«, entgegnete Tschitschikow.

»Kennen Sie überhaupt den Weg zu Ssobakewitsch?«

»Danach will ich mich eben erkundigen.«

»Gestatten Sie, das werde ich Ihrem Kutscher erklären.« Manilow setzte die Sache dem Kutscher mit der gleichen Freundlichkeit auseinander und sprach ihn sogar einmal mit »Sie« an.

Nachdem der Kutscher erfahren hatte, daß er an zwei Wegkreuzungen vorbeifahren und erst bei der dritten einbiegen müsse, sagte er: »Wir finden es schon, Euer Wohlgeboren«, und Tschitschikow fuhr davon, noch lange vom Nicken und Tücherschwenken der Gastgeber begleitet, die auf den Fußspitzen standen.

Manilow stand noch lange auf dem Flur und begleitete den sich entfernenden Wagen mit den Augen; und auch als dieser schon verschwunden war, stand er noch immer da und rauchte seine Pfeife. Schließlich ging er in sein Zimmer, setzte sich auf einen Stuhl und gab sich seinen Gedanken hin, tief erfreut, daß er dem Gast ein Vergnügen bereitet hatte. Dann gingen seine Gedanken auf andere Gegenstände über und brachten ihn schließlich Gott weiß wohin.

Er dachte an die Wonnen eines freundschaftlichen Zusammenlebens und wie gut es wäre, mit einem Freunde irgendwo am Ufer eines Flusses zu wohnen; dann wurde über diesen Fluß eine Brücke erbaut, dann ein Haus mit einem so hohen Aussichtsturme errichtet, daß von dort aus selbst Moskau zu sehen war; wie gut es wäre, dort oben unter freiem Himmel den Abendtee zu trinken und mit dem Freunde über irgendwelche angenehme Gegenstände zu sprechen; dann malte er sich aus, wie er und Tschitschikow in wunderbaren Equipagen in eine Gesellschaft gekommen sind, wo alle von ihren angenehmen Umgangsformen bezaubert werden, wie der Kaiser, nachdem er von ihrer so innigen Freundschaft erfahren, ihnen beiden den Generalsrang verliehen hat, und schließlich kamen seine Gedanken so durcheinander, daß er sich selbst nicht mehr zurechtfinden konnte. Die seltsame Bitte Tschitschikows unterbrach plötzlich alle seine Träume; diesen Gedanken konnte er unmöglich verdauen; wie lange er ihn auch in seinem Kopfe herumwälzte, er konnte ihn doch nicht fassen. Und so saß er bis zum Abendessen mit seiner Pfeife da.

Kapitel 3

Tschitschikow saß aber in bester Laune in seinem Wagen, der schon seit geraumer Zeit über die Landstraße rollte. Aus dem vorhergehenden Kapitel war zu ersehen, was den eigentlichen Gegenstand seines Geschmacks und seiner Neigungen bildete, und darum ist es auch nicht zu verwundern, daß er sich bald mit Leib und Seele in ihn versenkte. Die Vermutungen, Überschläge und Erwägungen, die ihm durch den Kopf gingen, waren sichtlich sehr angenehm, denn sie hinterließen auf seinem Gesicht jeden Augenblick die Spuren eines zufriedenen Lächelns. Mit ihnen beschäftigt, merkte er gar nicht, daß sein Kutscher, der über den Empfang durch das Hausgesinde Manilows sehr zufrieden war, recht vernünftige Bemerkungen an das gescheckte rechte Beipferd richtete. Dieser Scheck war äußerst schlau und tat bloß so, als zöge er den Wagen mit, während das braune Mittelpferd und das hellbraune andere Beipferd, welches »Assessor« hieß, weil es einst von irgendeinem Assessor erworben worden war, sich redlich abmühten, so daß man in ihren Augen sogar das Vergnügen, daß sie davon hatten, lesen konnte. »Schwindle nur! Ich werde dich schon überlisten!« sagte Sselifan, sich etwas erhebend und dem Faulpelz einen Peitschenhieb versetzend. »Tu deine Arbeit, du deutscher Hosenheld! Der Braune ist ein ehrlicher Gaul, er tut seine Pflicht; ich werde ihm gern ein Maß Hafer mehr geben, denn er ist ein anständiger Gaul; auch der Assessor ist ein guter Gaul … Nun, was schüttelst du die Ohren? Hör zu, wenn man mit dir spricht, du Dummkopf! Ich werde dich nichts Schlechtes lehren, du Flegel. Wie schleichst du schon wieder!« Er gab ihm wieder die Peitsche und sagte dabei: »Du, Barbar, du verfluchter Bonaparte … « Dann schrie er alle dreie an: »He! Ihr Lieben!« und gab allen dreien die Peitsche, doch nicht als Strafe, sondern um ihnen zu zeigen, wie zufrieden er mit ihnen war. Nachdem er ihnen dieses Vergnügen bereitet hatte, richtete er seine Rede wieder an den Schecken: »Du glaubst wohl, daß du dein Benehmen verbergen kannst? Nein, sei redlich, wenn du willst, daß man dir Achtung bezeugt. Was waren doch die Leute des Gutsbesitzers, bei dem wir eben waren, für gute Menschen. Mit einem guten Menschen rede ich immer gern; mit einem guten Menschen bin ich immer gut Freund: mit so einem trink ich gern Tee oder nehme einen Imbiß, wenn er ein guter Mensch ist. Einem guten Menschen erweist jedermann Achtung. Unsern Herrn achtet ein jeder, weil er im Staatsdienste seine Pflicht tat und weil er Kollegienrat ist … «

Unter solchen Betrachtungen gelangte Sselifan schließlich zu den entferntesten Abstraktionen. Hätte ihm Tschitschikow zugehört, so hätte er eine Menge Einzelheiten erfahren, die ihn direkt angingen; aber seine Gedanken waren so sehr mit dem einen Gegenstande beschäftigt, daß ihn erst ein heftiger Donnerschlag veranlaßte, zu sich zu kommen und um sich zu blicken: der ganze Himmel war von dunklen Wolken umlagert, und auf die staubige Landstraße fielen einzelne Regentropfen nieder. Dann erdröhnte ein zweiter Donnerschlag, viel lauter und näher, und es fing plötzlich in Strömen zu gießen an. Anfangs fiel der Regen schräg und peitschte erst die eine und dann die andere Seite des Wagens. Dann wechselte er die Angriffsfront und prasselte senkrecht auf das Wagendach nieder; schließlich fielen die Tropfen auch Tschitschikow ins Gesicht. Dies veranlaßte ihn, die beiden Ledervorhänge, in denen sich zwei runde Fensterchen zum Betrachten der Aussicht befanden, aufzuspannen und Sselifan zu befehlen, schneller zu fahren. Sselifan, der mitten in seinem Redeflusse unterbrochen war, sah schnell ein, daß er nicht länger säumen durfte, holte sofort unter seinem Sitze irgendein zerlumptes Etwas aus grauem Tuche hervor, schlüpfte in die Ärmel, ergriff die Zügel und schrie sein Dreigespann an, welches kaum die Beine bewegte, da es sich durch seine belehrenden Worte angenehm ermattet fühlte. Sselifan konnte sich aber nicht mehr erinnern, ob er an zwei oder drei Kreuzwegen vorbeigefahren war. Nachdem er etwas nachgedacht und sich des ganzen zurückgelegten Weges erinnert hatte, kam er darauf, daß er schon eine ganze Menge von Kreuzwegen hinter sich gelassen hatte. Da aber der Russe in entscheidenden Augenblicken, ohne sich überflüssigen Betrachtungen hinzugeben, immer weiß, was er zu tun hat, so wandte er den Wagen bei der ersten Kreuzung nach rechts, rief den Pferden zu: »He, ihr werten Freunde !« und fuhr im Galopp weiter, ohne sich viel zu überlegen, wohin ihn der eingeschlagene Weg bringen würde.

 

Der Regen schien indessen ein richtiger Landregen werden zu wollen. Der Straßenstaub verwandelte sich bald in weichen Schmutz, und den Pferden wurde es von Augenblick zu Augenblick schwerer, den Wagen weiterzuziehen. Tschitschikow wurde schon unruhig, da vom Besitztum Ssobakewitschs noch immer nichts zu sehen war. Nach seinen Berechnungen hätte er schon längst da sein müssen. Er spähte nach beiden Seiten aus, aber es war so finster, daß man nicht die Hand vor Augen sah.

»Sselifan!« sagte er endlich, sich zum Wagenfenster hinausbeugend.

»Was denn, gnädiger Herr?« fragte Sselifan.

»Schau mal hin: ist das Dorf noch nicht zu sehen?«

»Nein, gnädiger Herr, es ist nicht zu sehen!« Nach diesen Worten stimmte Sselifan, die Peitsche schwingend, etwas an, was eigentlich kein Lied, aber so lang und gedehnt war, daß man dem kein Ende absehen konnte. Es enthielt alles: alle ermunternden und anspornenden Rufe, mit denen man sämtliche Pferde in Rußland, vom einen Ende des Reiches bis zum anderen traktiert, Eigenschaftsworte jeder Art, ganz ohne Wahl, wie sie ihm eben in den Sinn kamen. Es ging so weit, daß er seine Pferde schließlich – »Sekretäre« nannte.

Indessen merkte Tschitschikow, daß sein Wagen nach beiden Seiten zu schwanken und ihm heftige Stöße zu versetzen begann; daraus schloß er, daß sie vom Wege abgebogen waren und über einen geeggten Acker fuhren. Auch Sselifan schien es gemerkt zu haben, sagte aber kein Wort.

»Was ist das, Spitzbube, was für einen Weg fährst du jetzt?« fragte Tschitschikow.

»Was soll man machen, gnädiger Herr, es ist halt so eine Stunde; man sieht seine eigene Peitsche nicht: so finster ist es!« Nachdem er dieses gesagt, neigte er den Wagen so sehr auf die Seite, daß Tschitschikow sich mit beiden Händen festhalten mußte. Nun merkte er erst, daß Sselifan nicht ganz nüchtern war. »»Halt, halt, du schmeißt mich noch um!« schrie er ihm zu.

»Nein, Herr, wie ist's möglich, daß ich umschmeiße« sagte Sselifan. »Das wäre gar nicht gut, wenn ich umschmisse; das tue ich niemals.« Dann fing er an, den Wagen allmählich umzuwenden und tat das so lange, bis er ihn ganz auf die Seite legte. Tschitschikow fiel mit den Armen und Beinen in den Schmutz. Sselifan hielt jedoch die Pferde an; sie blieben übrigens auch von selbst stehen, da sie sehr ermattet waren. Dieser unvorhergesehene Fall versetzte ihn in höchstes Erstaunen. Er stieg vom Bock, stellte sich vor den Wagen, stemmte beide Hände in die Hüften, während sein Herr im Schmutze zappelte und aufzustehen versuchte, und sagte nach einiger Überlegung: »Sieh mal an, da ist er wirklich umgefallen!«

»Du bist betrunken wie ein Schuster!« sagte Tschitschikow.

»Nein, Herr; wie ist es möglich, daß ich betrunken wäre! Ich weiß ja selbst, daß es gar nicht gut ist, betrunken zu sein. Ich habe wohl mit einem Freunde geredet, weil man mit einem guten Menschen reden darf und darin nichts Schlechtes ist; und wir haben auch eine Kleinigkeit zu uns genommen. So ein Imbiß ist doch nichts Schlechtes: mit einem guten Menschen darf man wohl auch einen Imbiß zu sich nehmen.«

»Und was sagte ich dir das letzte Mal, als du betrunken warst? Wie? Hast es schon vergessen?« sagte Tschitschikow.»Nein, gnädiger Herr, wie könnte ich so was vergessen! Ich kenne meine Pflicht. Ich weiß, daß es nicht gut ist, sich zu betrinken. Ich hab nur mit einem guten Menschen geredet, weil … «

»Ich werde dich auspeitschen lassen – da wirst du wissen, was es heißt, mit einem guten Menschen zu reden.«

»Wie es Euer Gnaden beliebt«, antwortete Sselifan, der mit allem einverstanden war. »Wenn ich ausgepeitscht werden soll, so hab ich nichts dagegen. Warum auch nicht? Warum soll man mich nicht auspeitschen, wenn ich's verdient habe? Alles steht in Ihrer Gewalt. Man muß den Bauern einmal auspeitschen, denn er vergißt sich zuweilen; es muß doch Ordnung sein. Wenn ich's verdient habe, so soll man mich nur auspeitschen; warum denn nicht?«

Auf solche Worte fand Tschitschikow keine Antwort. Da schien aber das Schicksal sich ihrer zu erbarmen. Aus der Ferne ertönte Hundegebell. Tschitschikow gab, hoch erfreut, den Befehl, die Pferde schneller anzutreiben. Der russische Kutscher hat statt Augen einen guten Instinkt; darum kommt es auch vor, daß er mit geschlossenen Augen wie der Wind dahersaust und doch irgendwo ankommt. Sselifan lenkte die Pferde, obwohl er nicht einen Lichtschimmer sah, so sicher mitten ins Dorf, daß er erst dann stehen blieb, als die Deichselstangen gegen einen Zaun stießen und er unmöglich weiterfahren konnte. Tschitschikow sah durch den dichten Schleier des strömenden Regens nur etwas, was einem Dache glich. Er schickte den Sselifan, das Tor zu suchen, was sicher sehr lange gedauert hätte, wenn es in Rußland statt der Portiers nicht die scharfen Hunde gäbe, die seine Ankunft so laut meldeten, daß er sich die Ohren mit den Fingern zuhielt. In einem der Fenster leuchtete Licht auf, das als nebliger Streif auch den Zaun erreichte und unsern Reisenden das Tor zeigte. Sselifan fing zu klopfen an, und bald ging ein Pförtchen auf, aus dem eine in einen Bauernmantel gehüllte Gestalt hervorlugte, und der Herr und sein Diener hörten die heisere Weiberstimme: »Wer klopft? Was macht ihr solchen Skandal?«

»Wir sind Reisende, Mütterchen, laß uns übernachten«, versetzte Tschitschikow.

»Sieh mal an, wie flink er ist«, sagte die Alte. »Zu so einer Stunde kommt er gefahren ! Hier ist kein Gasthof, daß du's weißt, hier wohnt eine Gutsbesitzerin.«

»Was soll ich machen, Mütterchen! Wir haben uns verirrt, wir können doch nicht bei solchem Wetter im Felde übernachten.«

»Ja, es ist schlechtes Wetter und finstere Nacht«, fügte Sselifan hinzu.

»Schweig', Narr!« sagte Tschitschikow.

»Ja, wer sind Sie denn?« fragte die Alte.

»Ein Edelmann, Mütterchen.«

Beim Worte »Edelmann« wurde die Alte doch nachdenklich. »Warten Sie, ich will's der Gnädigen sagen«, sagte sie und kam schon nach zwei Minuten mit einer Laterne in der Hand zurück. Das Tor wurde aufgemacht. Das Licht erschien in einem anderen Fenster. Der Wagen fuhr in den Hof ein und hielt vor einem kleinen Hause, das im Finstern schwer zu unterscheiden war. Nur die eine Hälfte war vom Lichte beschienen, das aus den Fenstern drang; eine Pfütze vor dem Hause wurde sichtbar, auf die direkt immer das gleiche Licht fiel. Der Regen prasselte laut gegen das hölzerne Dach und lief in rauschenden Strömen in eine zu diesem Zweck aufgestellte Tonne hinab. Die Hunde bellten indessen mit allen möglichen Stimmen: der eine hatte den Kopf in den Nacken geworfen und heulte so gedehnt und mit solcher Mühe, als ob er dafür Gott weiß was für ein Gehalt bekäme; ein anderer machte die Sache kurz und hastig wie ein Küster; darunter klang wie ein Postglöckchen eine unermüdliche Diskantstimme, die offenbar von einem ganz jungen Hund herrührte, und alles vervollständigte eine Baßstimme; es war vielleicht ein sehr alter Hund mit rüstiger Hundenatur, denn die Stimme dröhnte wie ein Sängerbaß bei einem Chorkonzert: die Tenöre stellen sich auf die Fußspitzen, vom sehnlichsten Wunsche beseelt, eine hohe Note rein herauszubringen, alle recken sich in die Höhe, den Kopf in den Nacken zurückgeworfen, aber einer hockt sich, das unrasierte Kinn in die Halsbinde vergraben, fast hin und läßt aus der Tiefe einen Ton los, vor dem die Fensterscheiben erzittern und erklirren. Schon nach diesem Hundechor, der aus solchen Musikern bestand, konnte man schließen, daß das Dörfchen recht ansehnlich war; doch unser durchnäßter und durchfrorener Held dachte an nichts außer an ein Bett. Der Wagen hielt noch nicht, als er schon auf den Flur hinaussprang und beinahe hinfiel. Auf dem Flur erschien eine andere Frau, die etwas jünger als die erste schien, doch ihr sehr ähnlich sah. Sie geleitete ihn ins Zimmer. Tschitschikow streifte es mit zwei flüchtigen Blicken: das Zimmer war mit alten gestreiften Tapeten beklebt; an den Wänden hingen Bilder mit Darstellungen von Vögeln und zwischen den Fenstern altertümliche kleine Spiegel in dunklen Rahmen in Form zusammengerollter Blätter; hinter jedem Spiegel steckte entweder ein Brief oder ein altes Spiel Karten oder ein Strumpf; dann gab es eine Uhr mit Blumen auf dem Zifferblatt … sonst konnte man nichts unterscheiden. Tschitschikow fühlte, daß seine Augenlider so klebrig waren, als ob sie jemand mit Honig beschmiert hätte. Einen Augenblick später trat die Hausfrau selbst ins Zimmer – eine ältere Dame, mit einer Schlafhaube auf dem Kopfe, die sie sich offenbar in aller Eile aufgesetzt hatte, und einer Flanellbinde um den Hals – eines von jenen Mütterchen, kleinen Gutsbesitzerinnen, die ständig, den Kopf etwas auf die Seite geneigt, über Mißernten und Verluste klagen, dabei aber allmählich Geld in Leinenbeuteln sammeln, die sie in ihren Kommoden verteilen. In das eine Säckchen tun sie lauter Rubelstücke, in ein anderes – Fünfzigkopekenstücke, in ein drittes – Viertelrubel; von außen sieht es aber so aus, als enthielte die Kommode nichts außer Wäsche, alten Nachtjacken, Zwirnknäueln und einem alten aufgetrennten Morgenrock, der sich später einmal in ein Kleid verwandeln wird, wenn das alte beim Backen von Festkuchen und dergleichen einmal anbrennt oder von selbst brüchig wird. Das Kleid wird aber weder anbrennen noch von selbst brüchig werden: die Alte ist sparsam, und dem Morgenrock ist es beschieden, in aufgetrenntem Zustande noch lange zu liegen und später einmal laut Testament zugleich mit anderen alten Lumpen der Nichte einer Cousine dritten Ranges zuzufallen.