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Die toten Seelen

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»Sie glauben also, daß der Ackerbau das lohnendste Unternehmen ist?« fragte Tschitschikow.

»Nicht das lohnendste, aber das rechtschaffenste. Es steht auch geschrieben: ›Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen.‹ Da gibt es nichts zu klügeln. Es ist durch die Erfahrung der Jahrhunderte nachgewiesen, daß der Ackerbauer moralischer, edler und reiner ist und höher steht als jeder andere Mensch. Ich sage ja nicht, daß man nichts anderes anfangen soll; der Ackerbau soll aber allem andern zugrunde liegen, das ist es! Fabriken werden ganz von selbst entstehen, auf einer natürlichen Grundlage, um Dinge zu liefern, die der Mensch an Ort und Stelle braucht, und nicht zur Befriedigung von Bedürfnissen, die den Menschen heute so geschwächt haben. Es sind nicht die Fabriken, die zur Sicherung ihres Absatzes auf die gemeinste Weise vorgehen und das unglückliche Volk verderben und demoralisieren. Was mich betrifft, so werde ich nie so eine Fabrik gründen, die höhere Bedürfnisse weckt – und wenn man mir noch soviel von ihrem Nutzen erzählt –, also keinen Tabak und keinen Zucker erzeugen, und wenn ich auch eine Million verlieren müßte. Wenn schon die Demoralisation in die Welt kommen soll, dann nicht durch meine Hände! Ich will vor Gott gerecht dastehen … Ich lebe schon seit zwanzig Jahren mit dem Volke; ich weiß, wozu das führt.«

»Mir erscheint es am erstaunlichsten, daß man bei einer vernünftigen Wirtschaftsführung aus jedem Dreck, aus allen Abfällen Nutzen ziehen kann.«

»Ja, und die Volkswirtschaftler!« fuhr Kostanschoglo mit einem gallig-sarkastischen Gesichtsausdruck fort, ohne auf ihn zu hören. »Das sind mir gute Volkswirtschaftler! Durch die Bank Dummköpfe, und keiner sieht weiter, als seine dumme Nase reicht. So ein Esel steigt aber aufs Katheder, setzt sich die Brille auf … Idioten!« Und er spuckte ärgerlich aus.

»Das stimmt alles, aber rege dich bitte nicht so auf«, sagte seine Frau. »Als könnte man nicht über diese Dinge reden, ohne außer sich zu geraten.«

»Wenn man Ihnen zuhört, verehrtester Konstantin Fjodorowitsch, so dringt man sozusagen in den Sinn des Lebens ein, betastet gleichsam den Kern der Sache. Gestatten Sie mir aber, das Allgemein-Menschliche beiseite zu lassen und Ihre Aufmerksamkeit für eine Privatangelegenheit in Anspruch zu nehmen. Wenn ich, sagen wir, Gutsbesitzer geworden bin und die Absicht habe, in kurzer Zeit reich zu werden, um auf diese Weise sozusagen die wichtigste Bürgerpflicht zu erfüllen – was soll ich da anfangen?«

»Was man anfangen soll, um reich zu werden?« fiel ihm Kostanschoglo ins Wort. »Das will ich Ihnen gleich sagen … «

»Wir wollen zu Abend essen«, sagte die Hausfrau, vom Sofa aufstehend; sie trat in die Mitte des Zimmers und hüllte ihre jungen, durchfrorenen Glieder in ein Tuch.

Tschitschikow sprang mit einer beinahe militärischen Gewandtheit vom Stuhle auf, bot ihr seinen Arm und führte sie feierlich durch zwei Zimmer ins Eßzimmer, wo schon die Terrine ohne Deckel auf dem Tisch stand, einen angenehmen Duft der Suppe aus frischem Grünzeug und den ersten Kräutern des Frühjahrs verbreitend. Alle nahmen Platz. Die Diener stellten flink sämtliche Gerichte zugleich nebst allem Zubehör in zugedeckten Schüsseln auf den Tisch und entfernten sich. Kostanschoglo liebte es nicht, daß die Lakaien den Gesprächen der Herrschaften zuhörten, und noch viel weniger, daß sie ihm in den Mund sahen, wenn er aß.

Nachdem Tschitschikow die Suppe ausgelöffelt und ein Glas von einem wunderbaren Getränk getrunken hatte, das an Ungarwein erinnerte, wandte er sich an den Hausherrn mit folgenden Worten: »Gestatten Sie mir, Verehrtester, zum Gegenstand unseres unterbrochenen Gesprächs zurückzukehren. Ich fragte Sie, was man anstellen muß, wie man es anfangen soll… « . . .

»Ein Gut, für das ich auch vierzigtausend Rubel bezahlen würde, wenn er soviel verlangte.«

»Hm!« Tschitschikow wurde nachdenklich. »Warum kaufen Sie es dann nicht selbst?« fragte er etwas schüchtern.

»Alles hat schließlich seine Grenzen. Ich habe mit meinen Gütern auch ohnehin genug zu tun. Außerdem schreien unsere Edelleute, daß ich ihre verzweifelte Lage und ihren Ruin ausnütze und ihre Güter für ein Spottgeld aufkaufe. Das habe ich endlich satt.«

»Was doch alle Menschen für eine Neigung haben, einander zu verleumden!« sagte Tschitschikow.

»Und erst in unserem Gouvernement, das können Sie sich gar nicht vorstellen! Sie nennen mich auch nicht anders als einen Filz und einen Geizhals. Sich selbst rechtfertigen sie natürlich in allen Dingen. ›Ich bin wohl an den Bettelstab gekommen,‹ sagt so einer, ›aber nur, weil ich mit höheren Bedürfnissen lebte, weil ich die Industriellen (d. h. die Gauner, welche . . . unterstützte; man kann ja auch wie ein Schwein leben, wie dieser Kostanschoglo.‹«

»Ich möchte gern selbst solch ein Schwein sein!« sagte Tschitschikow.

»Lauter Unsinn! Was sind das für höhere Bedürfnisse? Wen glauben sie zu betrügen? So einer schafft sich zwar Bücher an, liest sie aber nie. Die Sache endet mit Kartenspiel und . . . Und alles kommt daher, weil ich ihnen keine Diners gebe und kein Geld pumpe. Diners gebe ich nicht, weil dies mir lästig wäre: ich bin es nicht gewohnt. Wenn du aber zu mir kommst, um das zu essen, was ich selbst esse, so bist du mir willkommen. Daß ich kein Geld herleihe, ist Unsinn. Wenn du zu mir wirklich in Notlage kommst und mir ausführlich erzählst, was du mit dem von mir hergeliehenen Geld anfangen willst; wenn ich aus deinen Worten ersehe, daß du es vernünftig verwenden willst und daß mein Geld dir wirklich einen Nutzen abwirft, so schlage ich es dir nicht ab und verzichte sogar auf die Zinsen.«

– Das muß man sich merken! – dachte sich Tschitschikow.

»Niemals würde ich es in einem solchen Falle abschlagen«, fuhr Kostanschoglo fort. »Aber das Geld zum Fenster hinauswerfen – das tue ich nicht. Da muß man mich schon entschuldigen! Hol's der Teufel! Er veranstaltet irgendein Diner für seine Geliebte, oder stattet sein Haus mit wahnsinnig teuren Möbeln aus, oder will mit einer Dirne einen Maskenball besuchen, oder feiert ein Jubiläum zum Andenken daran, daß er solange unnütz auf der Welt gelebt hat, und ich soll ihm das Geld dazu leihen! … «

Hier spuckte Kostanschoglo aus und hätte beinahe in Gegenwart seiner Gattin einige unanständige Schimpfworte gebraucht. Ein Ausdruck finsterer Hypochondrie verdüsterte sein Gesicht. An seiner Stirne bildeten sich Längs- und Querfalten, Anzeichen einer zornigen Regung der Galle.

»Gestatten Sie mir, mein Hochverehrter, wieder auf den Gegenstand des unterbrochenen Gesprächs zurückzukommen«, sagte Tschitschikow, indem er noch ein Gläschen Himbeerlikör trank, der wirklich ganz ausgezeichnet war. »Wenn ich, sagen wir, in der Tat das Gut gekauft habe, von dem Sie eben sprachen, wieviel Zeit brauche ich dann, um so reich zu werden, daß … «

»Wenn Sie schnell reich werden wollen,« fiel ihm Kostanschoglo rasch ins Wort, »so werden Sie niemals reich werden; wenn Sie dagegen reich werden wollen, ohne nach der Zeit zu fragen, so werden Sie schnell reich werden.«

»So verhält es sich also!« sagte Tschitschikow.

»Ja,« entgegnete Kostanschoglo kurz, als zürnte er Tschitschikow, »man muß die Arbeit lieben: ohne diese Liebe läßt sich nichts anfangen. Man muß die Wirtschaft liebgewinnen, ja! Glauben Sie mir, das ist gar nicht langweilig. Die Leute sagen, auf dem Lande ist es langweilig … ich aber würde vor Langweile sterben, wenn ich einen Tag in der Stadt so verbringenmüßte, wie sie die Zeit in ihren dummen Klubs, Wirtshäusern und Theatern verbringen. Narren, Dummköpfe, ein närrisches Geschlecht! Der Landwirt darf sich nicht langweilen, er hat keine Zeit dazu. In seinem Leben gibt es auch keinen Zoll leeren Raumes – alles ist angefüllt. Schon diese Abwechslung in der Tätigkeit, und was für einer Tätigkeit! – es sind Beschäftigungen, die wahrhaft den Geist erheben. Man mag sagen, was man will, der Mensch geht hier Hand in Hand mit der Natur, mit den Jahreszeiten, er ist gleichsam Mitarbeiter und Mitberater an allem, was in der Schöpfung geschieht. Betrachten Sie mal den Jahreszyklus seiner Arbeiten: wie schon vor Frühlingsbeginn alles auf der Lauer liegt und den Frühling erwartet; die Saat wird vorbereitet, das Getreide in den Scheunen wird durchgelesen, nachgemessen und getrocknet; die Arbeitsleistungen der Bauern werden neu festgesetzt. Alles wird im voraus nachgesehen und berechnet. Und wenn das Eis bricht und die Flüsse wieder frei dahinfließen, wenn alles trocken wird und die Erde sich lockern läßt – da arbeitet in den Gemüsepflanzungen und Gärten der Spaten, und im Felde der Pflug und die Egge; es wird gepflanzt, gesetzt und gesät. Verstehen Sie das? Eine Kleinigkeit: die künftige Ernte wird ausgesät! Die Nahrung von Millionen! Nun ist der Sommer angebrochen … Es wird gemäht und gemäht … Und schon ist man mitten in der Ernte; erst Roggen, dann wieder Roggen, dann Weizen, Gerste und Hafer … Alles kocht; man darf keine Minute versäumen: und wenn man auch zwanzig Augen hat, so haben alle zwanzig genug zu tun. Und wenn man mit diesen Arbeiten fertig ist, heißt es, die Ernte in die Tennen zusammenfahren und zu Schobern aufschichten, die Äcker für die Wintersaat bestellen, die Scheunen, Schuppen und Viehställe für den Winter instand setzen; zugleich kommen alle die Weiberarbeiten; und wenn man hinterher das Fazit zieht und sieht, was man geschafft hat, so ist es ja … Und der Winter! Auf allen Tennen wird gedroschen, und das gedroschene Getreide aus den Darren in die Speicher gebracht. Man geht in die Mühle, man geht auch in die Fabriken, man schaut in den Arbeitshof hinein, man schaut auch beim Bauern nach, was er für sich selbst arbeitet. Wenn ein Zimmermann richtig mit der Axt umgeht, so bin ich imstande, ihm zwei Stunden lang zuzusehen: solche Freude macht mir seine Arbeit. Und wenn man dabei sieht, wie zweckmäßig alles gemacht wird, wie alles sich mehrt und Frucht und Gewinn bringt, so kann ich Ihnen gar nicht sagen, wie dabei einem zumute ist. Und nicht weil sich das Geld vermehrt – Geld hin, Geld her –, sondern weil alles das Werk deiner Hände ist; weil du siehst, daß du die Ursache und der Schöpfer dieser Dinge bist und daß du wie ein Magier den Überfluß und Wohlstand ausstreust. Ja, wo finden Sie einen höheren Genuß?« sagte Kostanschoglo. Er hob sein Gesicht, und plötzlich waren die Falten verschwunden. Wie ein Zar am Tage seiner festlichen Krönung, so leuchtete er ganz, und sein Gesicht sandte Strahlen aus. »In der ganzen Welt werden Sie keinen ähnlichen Genuß finden! Hierin ahmt der Mensch den Schöpfer nach: Gott hat das Werk der Schöpfung als den höchsten Genuß auserkoren und verlangt auch vom Menschen, daß er gleich ihm der Schöpfer eines glückseligen Zustandes in seiner Umgebung sei. Und das nennt man eine langweilige Tätigkeit!«

 

Tschitschikow lauschte den süßtönenden Reden des Hausherrn wie dem Gesange eines Paradiesvogels. Das Wasser lief ihm im Munde zusammen. Seine Augen leuchteten ölig und süß, und er wollte noch immer mehr hören.

»Konstantin, es ist Zeit, die Tafel aufzuheben!« sagte die Hausfrau und stand auf. Alle erhoben sich. Tschitschikow reichte der Hausfrau den Arm und führte sie zurück; aber seinen Bewegungen fehlte diesmal die gewohnte Eleganz, da seine Gedanken mit höchst gewichtigen Dingen beschäftigt waren.

»Du magst erzählen, was du willst, es ist aber doch so langweilig«, sagte Platonow, hinter ihnen hergehend.

– Der Gast ist wohl gar kein dummer Mensch, – dachte sich der Hausherr; – er ist aufmerksam, spricht gesetzt und ist kein Federfuchser. – Nachdem er sich dies gedacht hatte, wurde er noch lustiger: als hätte er bei dem Gespräch Feuer gefangen und als freue er sich, daß er einen Menschen gefunden habe, der es verstehe, so klugen Ratschlägen zuzuhören.

Als sie später in dem kleinen, gemütlichen, von Kerzen erleuchteten Zimmer, dem Balkon und der auf den Garten hinausgehenden Glastüre gegenüber Platz genommen hatten und zu ihnen die über den Wipfeln des schlafenden Gartens leuchtenden Sterne hereinblickten – da fühlte sich Tschitschikow so wohlig und gemütlich, wie schon lange nicht: als hätte ihn nach langen Fahrten sein heimatliches Dach aufgenommen, als hätte er seinen Wanderstab mit dem Worte: »Genug!« weggeworfen. In diese angenehme Stimmung hatte ihn das kluge Gespräch des gastfreien Hausherrn versetzt. Für jeden Menschen gibt es Worte, die ihm näher und vertrauter sind als alle anderen. Und oft begegnet man unerwartet in einem entlegenen, gottverlassenen Nest, in einer menschenleeren Einöde einem Menschen, dessen erwärmende Unterhaltung die unwegsamen Wege, die unbehaglichen Nachtquartiere, die Sinnlosigkeit des heutigen Lärms und die Verlogenheit des Trugs vergessen macht, mit dem die Menschen angeführt werden. Ein auf diese Weise verbrachter Abend prägt sich lebendig und für alle Ewigkeit der Erinnerung ein, und das treue Gedächtnis bewahrt alles: wer noch dabei war, wo ein jeder saß und was er in den Händen hielt – die Wände, die Ecken und jede Bagatelle.

So merkte sich auch Tschitschikow an diesem Abend alles: dieses kleine, nette, bescheiden ausgestattete Zimmer, den gutmütigen Gesichtsausdruck des klugen Hausherrn, sogar das Tapetenmuster … auch die Pfeife mit dem Bernsteinmundstück, die man Platonow reichte, den Rauch, den er Jarb in die dicke Schnauze blies, Jarbs Schnauben, das Lachen der hübschen Hausfrau, das sie mit den Worten: »Laß es, quäl' ihn nicht!« unterbrach, die lustig flackernden Kerzen, das Heimchen in der Ecke, die Glastüre und die Frühlingsnacht, die, auf die von den Sternen überschütteten Baumwipfel gelehnt, zu ihnen hereinblickte, von lautem Gesang erfüllt, den die Nachtigallen aus der Tiefe des grünen Dickichts schmetterten.

»Süß sind mir Ihre Worte, verehrter Konstantin Fjodorowitsch!« versetzte Tschitschikow. »Ich kann wohl sagen, daß ich in ganz Rußland noch keinen Menschen getroffen habe, der Ihnen an Klugheit gleichkäme.«

Der Hausherr lächelte. Er fühlte selbst, daß diese Worte nicht unberechtigt waren. »Nein, wenn Sie einen wirklich klugen Menschen kennenlernen wollen, so haben wir hier einen, von dem man wirklich sagen kann: das ist ein kluger Mensch; ich bin aber auch seines kleinen Fingers nicht wert.«

»Wer mag das wohl sein?« fragte Tschitschikow erstaunt.

»Es ist unser Branntweinpächter Murasow.«

»Diesen Namen höre ich schon zum zweitenmal!« rief Tschitschikow aus.

«Das ist ein Mann, der nicht bloß ein Gut, sondern auch einen ganzen Staat verwalten könnte. Hätte ich ein Kaiserreich, ich würde ihn sofort zu meinem Finanzminister machen.«

»Man sagt, es sei ein Mann, der jedes Maß der Wahrscheinlichkeit übersteigt: es heißt, er hätte sich zehn Millionen erworben.«

»Ach was, zehn! Mehr als vierzig! Bald wird ihm halb Rußland gehören.«

»Was Sie nicht sagen!« rief Tschitschikow aus, die Augen und den Mund aufreißend.

»Ganz bestimmt. Das ist ja klar. Langsam reich wird nur der, der Hunderttausende besitzt; aber einer, der Millionen hat, hat auch einen großen Wirkungsradius; was er auch errafft, so ist es gleich zwei- und dreimal soviel, als was er schon hat: der Wirkungsbereich ist allzu groß. Er hat auch keine Konkurrenten. Niemand kann mit ihm streiten. Was für einen Preis er auch nennt, bei dem bleibt es: es ist niemand da, der ihn überbieten könnte.«

»Du lieber Gott!« sagte Tschitschikow und bekreuzigte sich. Tschitschikow blickte Kostanschoglo in die Augen, und ihm stockte der Atem. »Es ist ja einfach unfaßbar! Das Denken steht vor Entsetzen still! Man bewundert die Weisheit der göttlichen Vorsehung, die sich im kleinsten Insekt kundgibt; mir aber erscheint es weit erstaunlicher, daß so große Summen durch die Hände eines Sterblichen gehen können. Gestatten Sie eine Frage: sagen Sie, sein Grundkapital hat er wohl auf eine nicht ganz einwandfreie Weise erworben?«

»Auf dem rechtmäßigsten Wege und mit den ehrlichsten Mitteln.«

»Das kann ich nicht glauben! Es ist ganz unwahrscheinlich! Wenn es noch Tausende wären, aber Millionen … «

»Im Gegenteil, Tausende kann man nicht so leicht auf einwandfreie Weise verdienen wie Millionen. Ein Millionär braucht keine krummen Wege zu gehen: er geht den geraden Weg und nimmt alles, was vor ihm liegt. Ein anderer kann es gar nicht haben, es geht über seine Kraft; er aber hat keine Konkurrenten. Sein Wirkungsradius ist eben groß; ich sage ja: was er auch errafft, so ist es gleich zwei- und dreimal soviel als … Was hat man aber von einem Tausend? – Zehn bis zwanzig Prozent.«

»Das Unfaßbarste ist, daß das Ganze mit einer Kopeke angefangen hat!«

»Anders kann es ja auch gar nicht sein. Das ist der natürlichste Lauf der Dinge,« sagte Kostanschoglo. »Wer mit Tausenden zur Welt gekommen ist, mit Tausenden aufgewachsen ist, der kann nichts mehr erwerben: der hat schon seine Bedürfnisse und weiß Gott was noch alles! Man muß vom Anfang und nicht von der Mitte beginnen – mit der Kopeke und nicht mit dem Rubel, von unten und nicht von oben: nur dann lernt man die Menschen und die Verhältnisse kennen, unter denen man sich später abplagen muß. Wenn man so manches an der eigenen Haut gespürt, wenn man erfahren hat, daß jede Kopeke, wie es im Sprichwort heißt, mit einem Dreikopekennagel befestigt ist, und wenn man alle Prüfungen durchgemacht hat – so ist man so klug und gewitzigt, daß man sich bei keinem Unternehmen verrechnet und niemals abstürzt. Glauben Sie mir, es ist so. Man muß vom Anfang beginnen und nicht von der Mitte. Wenn mir einer sagt: ›Geben Sie mir hunderttausend Rubel, ich werde gleich reich werden,‹ so traue ich ihm nicht: er spekuliert aufs Geratewohl und geht nicht sicher. Man muß mit der Kopeke anfangen.«

»In diesem Falle werde ich reich werden,« sagte Tschitschikow, dem unwillkürlich die toten Seelen in den Sinn kamen, »denn ich fange tatsächlich mit nichts an.«

»Konstantin, es ist für Pawel Iwanowitsch Zeit, zur Ruhe zu gehen,« sagte die Hausfrau, »du redest aber immer weiter.«

»Sie werden ganz bestimmt reich werden«, sagte Kostanschoglo, ohne auf die Hausfrau zu hören. »Ihnen wird das Gold in Strömen zufließen, in Strömen! Sie werden gar nicht wissen, was mit Ihren Einkünften anzufangen.«

Pawel Iwanowitsch saß wie verzaubert im goldenen Reiche der immer üppiger wuchernden Träume und Phantasien. Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Seine Einbildungskraft kam in Schwung und stickte auf dem goldenen Teppich der künftigen Gewinne goldene Blumen, und in seinen Ohren klangen die Worte wider: »Ihnen wird das Gold in Strömen zufließen … «

»Wirklich, Konstantin, für Pawel Iwanowitsch ist es Zeit, schlafen zu gehen … «

»Was geht's dich an? Geh selbst, wenn du schlafen willst«, sagte der Hausherr; da hielt er aber inne, weil durchs ganze Zimmer das Schnarchen Platonows tönte; gleich darauf hörte man auch Jarb noch lauter schnarchen. Der Hausherr sah ein, daß es wirklich Schlafenszeit war; er rüttelte Platonow auf, sagte ihm: »Laß das Schnarchen!« und wünschte Tschitschikow eine gute Nacht. Alle zogen sich in ihre Zimmer zurück und schliefen bald ein.

Tschitschikow allein fand keinen Schlaf. Seine Gedanken waren wach. Er überlegte sich, wie er der Besitzer eines wirklichen und keines phantastischen Gutes werden könnte. Nach dem Gespräch mit dem Hausherrn war ihm alles klar! Die Möglichkeit, reich zu werden, schien ihm so offensichtlich! Das schwierige Unternehmen der Landwirtschaft kam ihm jetzt so leicht und so verständlich vor, und obendrein wie geschaffen für seine Natur! Es gilt nur, alle die Toten zu verpfänden, um sich ein wirkliches Gut anzuschaffen! Er sah sich schon so handeln und wirtschaften, wie Kostanschoglo gelehrt hatte: umsichtig, gewandt, ohne Neues einzuführen, ehe er das Alte durch und durch erfaßt hätte, ehe er alles mit eigenen Augen gesehen, alle Bauern kennengelernt, auf jeden Luxus verzichtet und sich ausschließlich der Arbeit und der Landwirtschaft gewidmet haben würde. Schon im voraus durchkostete er das Vergnügen, das er empfinden würde, wenn in allen Dingen eine planmäßige Ordnung herrschen und alle Räder der Wirtschaftsmaschine in Bewegung kommen und ineinandergreifen würden. Die Arbeit wird munter vorwärtsgehen, und ebenso wie in einer Mühle das Korn zu Mehl zermahlen wird, so wird bei ihm auch aus jedem Abfall und Dreck Bargeld entstehen. Der wunderbare Landwirt stand unablässig vor seinen Augen. Er war der erste Mann in Rußland, für den er eine persönliche Hochachtung empfand. Bisher hatte er die Menschen nur wegen ihrer hohen Titel oder großen Vermögen geschätzt; des Verstandes wegen hatte er aber eigentlich noch keinen Menschen geachtet. Kostanschoglo war der erste. Er fühlte, daß er sich mit ihm auf keinerlei Kunststücke einlassen dürfte. Ihn beschäftigte ein anderes Projekt: das Gut Chlobujews zu kaufen. Zehntausend Rubel besaß er; fünfzehntausend wollte er sich von Kostanschoglo zu borgen versuchen, da ihm dieser doch selbst erklärt hatte, daß er bereit sei, einem jeden zu helfen, der die Absicht habe, reich zu werden; den Rest würde er von der Leihkasse für die toten Seelen bekommen; schließlich konnte er ihn auch schuldig bleiben. Das wäre ja auch ein Ausweg: soll jener nur prozessieren, wenn er Lust hat! Lange noch dachte er darüber nach. Endlich nahm der Schlaf, der das ganze Haus schon seit vier Stunden, wie man zu sagen pflegt, umfangen hielt, auch Tschitschikow in seine Arme auf. Er schlief fest ein.