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Die toten Seelen

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»Gottlob, ich kann mich nicht beklagen«, sagte Ssobakewitsch. Und er durfte sich auch tatsächlich nicht beklagen: viel eher könnte sich ein Stück Eisen erkälten und zu husten anfangen, als dieser so wunderbar konstruierte Gutsbesitzer.

»Ja, Sie waren immer als gesund und kräftig berühmt«, sagte der Vorsitzende. »Auch Ihr seliger Herr Vater war ein kräftiger Mann.«

»Ja, der pflegte allein gegen einen Bären loszugehen«, antwortete Ssobakewitsch.

»Mir scheint aber«, sagte der Vorsitzende, »daß auch Sie einen Bären umwerfen könnten, wenn Sie gegen einen losziehen würden.«

»Nein, ich könnte keinen umwerfen«, antwortete Ssobakewitsch. »Mein seliger Vater war doch kräftiger als ich.« Er seufzte und fuhr fort: »Nein, heute sind die Menschen ganz anders; selbst wenn man mein Leben betrachtet: was ist das für ein Leben? Es ist gar nicht so extra … «

»Warum ist denn Ihr Leben nicht gut?« fragte der Vorsitzende.

»Es ist gar nicht gut«, sagte Ssobakewitsch und schüttelte den Kopf. »Urteilen Sie selbst, Iwan Grigorjewitsch: ich habe schon meine Fünfzig auf dem Buckel und bin noch nie krank gewesen; wenn ich doch wenigstens einmal Halsschmerzen, ein Geschwür oder einen Furunkel gehabt hätte … Nein, das bedeutet nichts Gutes! Früher oder später werde ich das noch büßen müssen.« Hier versank Ssobakewitsch in Melancholie.

– Ist das ein Kerl! – dachten sich gleichzeitig Tschitschikow und der Vorsitzende. – Worüber der sich beklagt! – »Ich habe einen Brief an Sie«, sagte Tschitschikow, indem er Pljuschkins Brief aus der Tasche holte.

»Von wem denn?« fragte der Vorsitzende. Nachdem er den Brief entfaltet, rief er aus: »Ach so, von Pljuschkin! Der lebt noch immer auf der Welt. Ist das ein Schicksal! Was ist er doch für ein kluger und reicher Mensch gewesen! Und jetzt … «

»Ein Hund,« sagte Ssobakewitsch, »ein Gauner, hat alle seine Leute verhungern lassen.«

»Gerne, gerne«, sagte der Vorsitzende, nachdem er den Brief gelesen. »Ich will gerne die Vertretung übernehmen. Wann wollen Sie den Kaufvertrag abschließen, jetzt oder später?«

»Jetzt«, sagte Tschitschikow. »Ich möchte Sie sogar bitten, womöglich heute, weil ich morgen schon die Stadt verlasse. Ich habe die Verträge und das Gesuch mitgebracht.«

»Das ist alles sehr schön, aber wir werden Sie nicht so bald fortreisen lassen. Die Kaufverträge werden heute erledigt, doch Sie müssen noch einige Zeit bei uns verleben. Gleich gebe ich den Befehl.« Mit diesen Worten öffnete er die Türe der Kanzleistube, die voller Beamten war. Diese schwärmten wie fleißige Bienen um ihre Waben, wenn nur der Vergleich der Bienenwaben mit den Kanzleiakten angängig wäre. »Ist Iwan Antonowitsch hier?«

»Er ist hier!« antwortete eine Stimme aus dem Innern des Zimmers.

»Schickt ihn mal her!«

Der den Lesern schon bekannte Iwan Antonowitsch mit dem Kannenmaul erschien im Sitzungssaal und machte eine respektvolle Verbeugung.

»Hier, Iwan Antonowitsch, nehmen Sie mal alle Kaufverträge dieses Herrn … «

»Vergessen Sie nicht, Iwan Grigorjewitsch,« fiel ihm Ssobakewitsch ins Wort, »daß auch Zeugen notwendig sind, wenigstens zwei für jede Partei. Lassen Sie mal gleich den Staatsanwalt kommen: er ist ein müßiger Mensch und sitzt wohl zu Hause: alles besorgt für ihn sein Faktotum Solotucha, der größte Dieb in der Welt. Auch der Inspektor der Medizinalverwaltung ist ein müßiger Mensch und sitzt wohl zu Hause, wenn er nicht irgendwohin gefahren ist, um Karten zu spielen; es gibt auch viele Leute, die näher wohnen: Truchatschewskij, Bjeguschkin – die fallen nur der Erde zur Last.«

»Gewiß, gewiß!« sagte der Vorsitzende und schickte sofort einen Kanzleidiener, um alle die Zeugen herbeizuschaffen.

»Ich möchte Sie noch bitten,« sagte Tschitschikow, »den Bevollmächtigten einer Gutsbesitzerin kommen zu lassen, mit der ich gleichfalls ein Geschäft abgeschlossen habe: es ist der Sohn des Protopopen P. Kirill; er ist hier bei Ihnen angestellt.«

»Gewiß, wir wollen auch ihn holen lassen«, sagte der Vorsitzende. »Es soll alles geschehen, den Beamten bitte ich Sie aber nichts zu geben. Meine Freunde brauchen nichts zu zahlen.« Nach diesen Worten erteilte er Iwan Antonowitsch irgendeinen Befehl, der diesem offenbar sehr mißfiel. Die Verträge machten auf den Kammervorsitzenden anscheinendeinen guten Eindruck, um so mehr, als er sah, daß die Gesamtsumme beinahe hunderttausend Rubel ausmachte. Einige Minuten lang blickte er Tschitschikow mit dem Ausdrucke höchster Zufriedenheit in die Augen und sagte schließlich: »So, so! So geht es, Pawel Iwanowitsch! So haben Sie also einiges erworben!«

»Ja, ich habe mir einiges erworben«, antwortete Tschitschikow.

»Ein gutes Werk! Wirklich, ein gutes Werk!«

»Ja, ich sehe selbst, daß ich ein besseres Werk gar nicht habe unternehmen können. Wie dem auch sei, der Lebenszweck eines Menschen ist nur dann bestimmt, wenn er auf festem Grunde und nicht auf irgendeiner freigeistigen Schimäre der Jugend fußt.« Bei dieser Gelegenheit tadelte er, und mit Recht, alle jungen Leute für ihre liberale Gesinnung. Merkwürdigerweise klangen aber diese seine Worte etwas unsicher, wie wenn er sich dabei dächte: »Du lügst, mein Bester, und nicht zu knapp!« Er vermied sogar, Ssobakewitsch und Manilow anzublicken, da er in ihren Gesichtern etwas zu lesen fürchtete. Seine Furcht war aber unbegründet: Ssobakewitsch zuckte mit keiner Wimper, und Manilow schüttelte nur, von Tschitschikows Worten bezaubert, billigend den Kopf und nahm dabei den Ausdruck eines Musikliebhabers an, welcher hört, wie eine Sängerin die Geige übertönt und einen so hohen Ton von sich gibt, wie ihn selbst keine Vogelkehle hervorbringen kann.

»Warum wollen Sie dem Iwan Grigorjewitsch nicht sagen,« bemerkte Ssobakewitsch, »was Sie erworben haben? Und warum fragen Sie ihn nicht, Iwan Grigorjewitsch, worin seine Erwerbungen bestehen? Was das für Leute sind! Ich sage Ihnen, das reinste Gold! Ich habe ihm ja den Wagenbauer Michejew verkauft.«

»Tatsächlich, auch den Michejew?« sagte der Vorsitzende. »Ich kenne den Wagenbauer Michejew: er ist ein wunderbarer Meister; er hat mir einmal eine Droschke umgearbeitet. Aber gestatten Sie … Sie haben mir doch selbst gesagt, er sei gestorben … «

»Wer, Michejew gestorben?« sagte Ssobakewitsch, ohne die Fassung zu verlieren. »Sein Bruder ist gestorben, er aber ist munter und fidel. Dieser Tage hat er mir einen Wagen gebaut, wie man ihn nicht mal in Moskau herstellen kann. Im Grunde genommen, hätte er nur für den Kaiser arbeiten sollen.«

»Ja, Michejew ist ein wunderbarer Meister,« sagte der Vorsitzende, »und ich wundere mich sogar, daß Sie sich von ihm haben trennen können.«

»Als ob es Michejew allein wäre! Und der Zimmermann Stepan Probka, der Ofensetzer Miluschkin, der Schuster Maxim Teljatnikow – alle sind weg, alle habe ich verkauft!« Und als der Vorsitzende ihn fragte, warum er diese im Hauswesen so notwendigen Leute verkauft habe, winkte Ssobakewitsch mit der Hand und sagte: »Es war so eine dumme Laune von mir, ich will sie verkaufen, sagte ich mir, und verkaufte sie aus bloßer Dummheit!« Darauf ließ er seinen Kopf hängen, als ob er die Sache wirklich bereute, und fügte hinzu: »Da habe ich schon graues Haar, bin aber noch immer nicht gescheiter geworden.«

»Aber gestatten Sie, Pawel Iwanowitsch,« fragte der Vorsitzende, »wie kaufen Sie die Bauern ohne Land? Etwa zwecks Übersiedlung?«

»Ja, zwecks Übersiedlung.«

»Das ist freilich eine andere Sache. Und wo sollen sie hin?«

»Ins … Cherssoner Gouvernement.«

»Oh, dort ist ein vorzügliches Land!« sagte der Vorsitzende und äußerte sich sehr lobend über den dortigen Graswuchs.

»Und haben Sie auch genügend Land?«

»Genügend, geradesoviel, als ich für die gekauften Bauern brauche.«

»Ist dort ein Fluß oder ein Teich?«

»Ein Fluß. Es gibt übrigens auch einen Teich.« Nach diesen Worten blickte Tschitschikow zufällig Ssobakewitsch an; obwohl dessen Gesicht noch immer unbeweglich war, glaubte Tschitschikow darin zu lesen: – Gott, wie du lügst! Es gibt dort wohl weder einen Fluß, noch einen Teich, noch das Land selbst! –

Während dieser Gespräche erschienen ein Zeuge nach dem anderen: der dem Leser schon bekannte Staatsanwalt mit dem blinzelnden Auge, der Inspektor der Medizinalverwaltung, Truchatschewskij, Bjeguschkin und die sonstigen Leute, die nach Ssobakewitschs Worten bloß der Erde zur Last fielen. Viele von ihnen waren Tschitschikow gänzlich unbekannt; die noch fehlenden Zeugen wurden dem Personal der Zivilkammer entnommen. Man schaffte nicht nur den Sohn des Protopopen P. Kirill herbei, sondern auch den Protopopen selbst. Ein jeder von diesen Zeugen malte seine Unterschrift mit allen seinen Titeln und Auszeichnungen hin, der eine in steiler, der andere in schräger Schrift, ein dritter setzte die Buchstaben beinahe auf den Kopf und gebrauchte Buchstaben, die man im russischen Alphabet kaum je gesehen hat. Der bekannte Iwan Antonowitsch machte die Sache sehr schnell; die Verträge wurden verzeichnet, datiert, ins Buch und wo es sich noch gehört eingetragen; für die Anzeige im Amtsblatte wurde das halbe Prozent erhoben, und Tschitschikow hatte nur eine Kleinigkeit zu bezahlen. Der Präsident gab sogar Befehl, von ihm nur die Hälfte der vorgeschriebenen Gebühr zu erheben, während die andere Hälfte auf eine unerklärliche Weise von einem anderen Gesuchsteller getragen werden mußte.

»So!« sagte der Vorsitzende. »Jetzt bleibt uns nur noch übrig, den Kauf zu begießen.«

»Sehr gern«, sagte Tschitschikow. »Wollen Sie mir nur den Zeitpunkt angeben. Es wäre auch Sünde meinerseits, wenn ich einer so angenehmen Gesellschaft nicht ein paar Flaschen Schaumwein spendierte.«

»Nein, Sie haben mich mißverstanden: den Schaumwein wollen wir selbst spendieren«, sagte der Vorsitzende; »das ist unsere Pflicht und Schuldigkeit. Sie sind unser Gast: wir müssen Sie bewirten. Wissen Sie was, meine Herren? Wir wollen uns nicht lange den Kopf zerbrechen und sofort zum Polizeimeister gehen; er ist doch ein wahrer Wundertäter: er braucht nur mit dem Auge zu zwinkern, wenn er an den Fischläden oder den Weinhandlungen vorbeigeht, und wir haben sofort das schönste Frühstück! Bei dieser Gelegenheit wollen wir auch eine kleine Partie Whist spielen.«

 

Auf diesen Vorschlag konnte niemand nein sagen. Die Zeugen spürten schon bei der bloßen Erwähnung der Fischläden Appetit; alle griffen sofort nach ihren Mützen und Hüten, und die Amtshandlung war zu Ende. Als sie durch die Kanzlei gingen, sagte Iwan Antonowitsch mit dem Kannenmaul mit einer höflichen Verbeugung leise zu Tschitschikow: »Sie haben für hunderttausend Rubel Bauern gekauft und mir für meine Mühe nur einen Fünfundzwanziger gegeben.«

»Was sind das auch für Bauern?« antwortete ihm Tschitschikow ebenso leise. »Schlechtes, unbrauchbares Volk, sie sind nicht mal die Hälfte davon wert.« Iwan Antonowitsch begriff, daß der Besucher einen festen Charakter hatte und nichts mehr geben würde.

»Und was haben Sie dem Pljuschkin für die Seelen bezahlt?« flüsterte ihm Ssobakewitsch ins andere Ohr.

»Und warum haben Sie den Worobej mit eingetragen?« antwortete ihm darauf Tschitschikow.

»Was für einen Worobej?« fragte Ssobakewitsch.

»Nun, das Frauenzimmer Jelisaweta Worobej, aus der Sie einen Jelisawet gemacht haben.«

»Ich habe keinen Worobej eingetragen«, sagte Ssobakewitsch und gesellte sich zu den anderen Gästen.

Endlich erreichten die Gäste in einem großen Haufen das Haus des Polizeimeisters. Der Polizeimeister war in der Tat ein Wundertäter: sobald er von der Sache hörte, rief er sofort den Revieraufseher, einen flinken Burschen in Lackstiefeln herbei und flüsterte ihm höchstens zwei Worte ins Ohr, denen er nur noch hinzufügte: »Verstehst du?« Infolgedessen erschienen im nächsten Zimmer, während die Gäste ihren Whist spielten, auf dem Tische Weißlachs, Störe, Salm, Preßkaviar, Malossolkaviar, Heringe, geräucherte Fische, Käse aller Sorten, geräucherte Zungen und Störrücken –; dies alles hatte der Fischmarkt beigesteuert. Dann kamen noch die Spenden des Hausherrn und die Erzeugnisse seiner Küche: eine Pastete mit den Knorpeln und dem Kopf eines neun Pud schweren Störes, eine andere Pastete mit Schwämmen, ferner Butterbrezeln, Pastetchen und Quarkkuchen. Der Polizeimeister war gewissermaßen der Vater und Wohltäter der Stadt. Er bewegte sich unter den Bürgern wie in eigener Familie und besuchte ihre Läden und Geschäfte wie seine eigene Speisekammer. Überhaupt füllte er, wie man so sagt, seinen Platz durchaus aus und hatte sein Amt vollkommen erfaßt. Es war schwer zu sagen, ob er für sein Amt oder sein Amt für ihn geschaffen war. Er packte die Sache so geschickt an, daß er doppelt soviel Einnahmen als alle seine Vorgänger hatte, dabei aber die Liebe der ganzen Stadt genoß. Vor allem liebten ihn die Kaufleute, weil er so gar nicht stolz war; er hob ihre Kinder aus der Taufe, stand bei ihnen Gevatter, schröpfte sie zwar zuweilen erbarmungslos, machte das aber außerordentlich geschickt: er klopfte dabei einen freundlich auf die Schulter, lachte oder traktierte ihn mit Tee, versprach zuweilen, zu einer Partie Dame zu kommen und erkundigte sich nach allem, wie die Geschäfte gingen; wenn er hörte, daß ein Kind erkrankt sei, empfahl er eine Arznei; mit einem Worte, ein braver Kerl! Wenn er in seiner Droschke fuhr, um nach der Ordnung zu sehen, rief er dem einen oder dem anderen zu: »Nun, wie ist es, Michejitsch, wollen wir unsere Partie nicht einmal zu Ende spielen?« – »Ja, Alexej Iwanowitsch,« antwortete jener, die Mütze ziehend, »das sollten wir!« – »Nun, Bruder, Ilja Paramonytsch, besuch' mich doch mal und sieh dir meinen Traber an, spann auch den deinigen in den Rennwagen, wir wollen mal um die Wette fahren.« Der Kaufmann, der auf seinen Traber ganz versessen war, lächelte besonders aufgeräumt, strich sich den Bart und sagte: »Wir wollen es mal versuchen, Alexej Iwanowitsch!« Selbst alle Ladenangestellten, die so einem Gespräch mit entblößten Köpfen beiwohnten, blickten einander vergnügt an, als wollten sie sagen: »Alexej Iwanowitsch ist doch ein guter Mensch!« Mit einem Worte, er hatte die größte Popularität erworben, und die Kaufleute waren von ihm der Meinung: »Alexej Iwanowitsch schröpft zwar gehörig, verrät aber einen nicht.«

Als der Polizeimeister sah, daß der Tisch fertiggedeckt war, schlug er den Gästen vor, den Whist nach dem Frühstück zu Ende zu spielen, und alle begaben sich in das andere Zimmer, aus dem schon längst ein Geruch drang, der die Nasen der Gäste auf die angenehmste Weise kitzelte, und in das Ssobakewitsch schon längst durch die Türe hineingeschaut, wobei er einen auf einer großen Platte etwas abseits liegenden Stör ins Auge gefaßt hatte. Die Gäste tranken je ein Gläschen von einem dunklen, olivgelben Schnaps, von der Farbe, wie sie nur bei gewissen sibirischen Halbedelsteinen vorkommt, aus denen man in Rußland Petschaften zu machen pflegt, traten dann, mit Gabeln bewaffnet, von allen Seiten an den Tisch und begannen, wie man so sagt, ihre Charaktere und Neigungen zu zeigen, indem der eine sich auf den Kaviar, der andere auf den Salm und der dritte auf den Käse verlegte. Ssobakewitsch schenkte allen diesen Kleinigkeiten nicht die geringste Beachtung und machte sich gleich an den Stör heran; während die anderen sprachen, verzehrte er ihn in etwas mehr als einer Viertelstunde vollständig, so daß, als der Polizeimeister sich des Fisches erinnerte und mit den Worten: »Und was sagen Sie zu diesem Naturprodukt, meine Herren?« mit einer Gabel bewaffnet und von den anderen begleitet an die Fischplatte herantrat – von dem Naturprodukt nur noch der Schwanz übriggeblieben war; Ssobakewitsch tat aber so, als ob er mit der Sache nichts zu tun hätte, trat vor einen etwas abseits stehenden Teller und begann mit der Gabel in einem winzigen gedörrten Fischchen herumzustochern. Nachdem er mit dem Stör fertig geworden, setzte sich Ssobakewitsch in einen Sessel, aß und trank nichts mehr, sondern kniff nur die Augen zusammen. Der Polizeimeister schien mit den Weinen nicht zu geizen: die Toaste wollten gar kein Ende nehmen. Der erste Toast galt, wie die Leser vielleicht selbst erraten haben, dem neuen Cherssoner Gutsbesitzer; dann trank man auf das Wohlergehen seiner Bauern und auf deren erfolgreiche Übersiedlung; dann auf das Wohl seiner künftigen schönen Frau, was unserem Helden ein angenehmes Lächeln entlockte. Man trat an ihn von allen Seiten heran und suchte ihn zu überreden, wenigstens noch zwei Wochen in der Stadt zu bleiben: »Nein, Pawel Iwanowitsch, das geht wirklich nicht! Das hieße ja nur die Stube kalt machen: über die Schwelle herein und gleich wieder hinaus! Nein, Sie müssen noch einige Zeit mit uns verleben! Wir wollen Sie auch verheiraten. Nicht wahr, Iwan Grigorjewitsch, wir werden ihn verheiraten?«

»Gewiß werden wir ihn verheiraten!« stimmte der Kammervorsitzende zu. »Und wie sehr Sie sich auch mit Händen und Füßen dagegen wehren, wir verheiraten Sie doch! Nein, Väterchen, wenn Sie schon einmal hergeraten sind, so dürfen Sie nicht klagen. Wir verstehen keinen Spaß.«

»Warum sollte ich mich mit Händen und Füßen wehren?« sagte Tschitschikow lächelnd. »Die Heirat ist doch nicht eine solche Sache … Wenn nur eine Braut da wäre.«

»Es wird auch eine Braut da sein! Warum soll ich keine finden? Alles wird sich finden lassen, was Sie nur wünschen!«

»Nun, wenn sich eine finden läßt … «

»Bravo, er bleibt!« schrien alle: »Vivat, hurra, Pawel Iwanowitsch! Hurra!« Und alle traten mit ihren Gläsern auf ihn zu, um mit ihm anzustoßen. Tschitschikow stieß mit allen an. »Nein, nein, noch einmal!« riefen die Keckeren, und er stieß mit ihnen zum zweitenmal an; dann wollten sie noch zum drittenmal anstoßen, und er stieß auch zum drittenmal an. In ganz kurzer Zeit bemächtigte sich aller eine außerordentlich lustige Stimmung. Der Kammervorsitzende, der in heiterem Zustande ein wirklich netter Mann war, schloß Tschitschikow einigemal in die Arme und sagte mit herzlichem Gefühl: »Du mein Herz! Mein Mamachen!« Er knipste sogar mit den Fingern und tanzte um ihn herum, wobei er das bekannte Lied sang: »Ach, du Hundesohn, Komarinskij-Muschik!« – Nach dem Champagner entkorkte man einige Flaschen Ungarwein, der die Stimmung noch mehr hob und die Gesellschaft noch mehr erheiterte. Den Whist hatte man vollkommen vergessen; man stritt, schrie und redete über alles mögliche: über Politik, sogar über das Kriegswesen und äußerte dabei höchst freiheitliche Gedanken, für die man zu einer anderen Zeit seine eigenen Kinder durchgeprügelt hätte. Man löste eine Menge höchst schwieriger Fragen. Tschitschikow hatte sich noch nie so lustig gefühlt; er kam sich tatsächlich als ein Cherssoner Gutsbesitzer vor, sprach von allerlei Reformen, von der Dreifelderwirtschaft, vom Glück und der Seligkeit zweier Seelen und fing an, Ssobakewitsch eine Epistel Werthers an Charlotte in Versen zu deklamieren, wozu jener, in seinem Sessel sitzend, nur schwer die Lider bewegte, da er nach dem Stör recht schläfrig geworden war. Tschitschikow merkte auch selbst, daß er sich zu sehr gehen ließ, bat um eine Equipage und bekam die Droschke des Staatsanwaltes. Der Kutscher des letzteren war, wie es sich unterwegs zeigte, ein erfahrener Bursche: er lenkte das Pferd nur mit einer Hand, während er mit der anderen hinter seinem Rücken den Fahrgast festhielt. So erreichte er mit der Droschke des Staatsanwaltes seinen Gasthof, wo ihm noch lange allerlei Unsinn auf die Zunge kam: eine blonde Braut mit roten Backen und einem Grübchen auf der rechten, Cherssoner Besitztümer und Kapitalien. Sselifan bekam von ihm sogar den Auftrag, alle neuangesiedelten Bauern zu versammeln und namentlich aufzurufen. Sselifan hörte ihm sehr lange schweigend zu, verließ dann das Zimmer und sagte zu Petruschka: »Geh, kleide den Herrn aus!« Petruschka begann ihm die Stiefel auszuziehen und zog mit ihnen beinahe auch den Herrn selbst auf den Boden herunter. Die Stiefel waren schließlich ausgezogen, der Herr entkleidete sich ordentlich, drehte sich zuerst einigemal auf seinem Bette, das unter ihm unbarmherzig knarrte, hin und her und schlief bald als überzeugter Cherssoner Gutsbesitzer ein. Petruschka trug indessen die Hose und den Frack von preißelbeerfarbenem Tuch mit Glanz in den Korridor hinaus, breitete sie auf dem hölzernen Kleiderhalter aus und begann mit einem Klopfer und einem Besen draufzuhauen, so daß der ganze Korridor sich mit Staub füllte. Im Begriffe, die Kleider vom Halter herunterzunehmen, blickte er von der Galerie hinunter und sah Sselifan, der eben aus dem Stalle kam. Ihre Blicke trafen sich, und sie verstanden sich sofort ohne Worte: der Herr ist schlafen gegangen, also könnte man irgendwo hineinschauen. Petruschka brachte sofort den Frack und die Hose aufs Zimmer, kam zu Sselifan hinunter, und die beiden machten sich auf den Weg; unterwegs sprachen sie nicht vom Ziele ihrer Reise, sondern schwatzten von allerlei gleichgültigen Dingen. Der Spaziergang war recht kurz: sie gingen nur über die Straße, zu einem Hause, das dem Gasthof gegenüberstand, und traten durch eine niedere verrauchte Glastüre in einen Kellerraum, wo hinter einfachen Tischen bereits allerlei Leute saßen: mit Bart und ohne Bart, in Schafspelzen, in Hemden und auch in Friesmänteln. Was Sselifan und Petruschka hier trieben, weiß Gott allein; als sie aber nach einer Stunde wieder herauskamen, hielten sie sich untergefaßt, sprachen kein Wort und erwiesen einander an jeder Ecke besondere Aufmerksamkeit. Hand in Hand, ohne einander loszulassen, stiegen sie dann eine geschlagene Viertelstunde die Treppe hinauf und langten endlich oben an. Petruschka stand eine Minute lang vor seinem niederen Bett und überlegte sich, wie er sich wohl am besten hinlegen könnte; schließlich legte er sich quer über das Bett, so daß seine Füße gegen den Fußboden stießen. Auch Sselifan legte sich auf dasselbe Bett, den Kopf auf Petruschkas Bauch, und schien ganz vergessen zu haben, daß er gar nicht hier, sondern vielleicht in der Gesindestube oder gar im Stalle bei den Pferden hätte schlafen sollen. Beide schliefen augenblicklich ein und erhoben dabei ein sonores Geschnarche, das der Herr aus seinem Zimmer mit einem feinen Pfeifen durch die Nase begleitete. Bald wurde alles still, und der Gasthof versank in tiefen Schlaf; nur in einem kleinen Fenster brannte noch Licht; hier wohnte der Leutnant aus Rjasan, der offenbar großer Liebhaber von Stiefeln war, denn er hatte sich bereits vier Paare bestellt und probierte nun unermüdlich das fünfte. Einigemal trat er ans Bett, um die Stiefel auszuziehen und sich hinzulegen, brachte es aber nicht übers Herz: die Stiefel waren in der Tat wunderbar genäht, und lange hob er noch das Bein in die Höhe und betrachtete den herrlich gearbeiteten Absatz.