Der Fänger im Gras

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

20

te und erlegte Zorro ein gewaltiges Flipchart – und

meine aufwändig gemalten Diagramme sind natürlich

gründlich geschreddert. Erschöpft von seinen Helden-

taten kuschelte er sich auf meinen Schoß und schlief

ein. Es war mir unmöglich, ihn auszuschimpfen.

Er brauchte einige Tage, bis er merkte, dass er

nicht der alleinige Herrscher über sein neues Revier

ist. Es hat ihn zutiefst schockiert, als ich ihn davon ab-

hielt, mein Sofa zu zerkratzen und an den Vorhängen

hochzuklettern. Allerdings hat er es dafür geschafft,

mich von meinem Computer auszuloggen. Ich glau-

be, mein Kleiner ist ein angehender Computercrack.

Keyboard und Bildschirm findet er ziemlich aufre-

gend.

Jetzt fragt Ihr Euch vielleicht, wer der Boss in

diesem Haushalt ist. Eine erwachsene Frau von 1,68

Meter, eine gebildete, unabhängige Expertin und viel

beschäftigte Weltreisende? Oder ein 400 Gramm

schwerer Fellball? (Seufz. Was soll ich sagen – ich bin

hingerissen.)

Für ein so kleines Kerlchen ist Zorro ein echter

Draufgänger. Trotzdem ist er scheu. Das würde der

Dreikäsehoch selbstverständlich nie zugeben, denn

stolz ist er auch. Tagsüber jagt er kriegerisch unsicht-

bare Feinde. Nachts wickelt er sich als schnurrende

Pelzschärpe um meinen Hals. Das ist behaglich und

entspannend für uns beide.

21

Wie wild düst er im ganzen Haus herum, steckt

seine Nase in jeden Winkel und kriecht unter Sofas

und Stühle. Er lässt sich nichts anmerken und tut so,

als sei er nicht völlig überwältigt – aber dann, wenn

er denkt, dass ich ihn nicht beobachte, schleicht er

in eine Ecke und weint. Heimlich. Heulen ist näm-

lich etwas für Mädchen. Und ich habe etwas Neues

dazugelernt: Katzenbabys können nicht richtig mi-

auen! Dazu sind sie noch zu klein. Zorro fiept wie

eine Maus. Stellt Euch das vor – eine Katze, die wie

eine Maus klingt! Außerdem knurrt er wie ein kleiner

Hund, wenn er sehr aufgeregt ist, zum Beispiel wenn

wir Seilziehen miteinander spielen. (Ratet mal, wer

immer gewinnt!) Zorro ist ein richtiges Muskelpaket.

Ich lerne auch allmählich, dass Katzen sehr auf

ihr Revier bedacht sind. Wachsam paradiert Zorro

vor seinem Kistchen im Stechschritt über das Parkett.

Später, wenn er gerade nicht hinsieht, räume ich be-

flissen hinter ihm auf. Ja! Ich! Ich entsorge Katzen-

häufchen. Wer hätte das gedacht?! (Und nochmals:

Psst! Nicht weitersagen!) Ich bin selbst über mein Ver-

halten etwas verstört.

Zorro ist ein echt cooler Kater. Und jedes Mal,

wenn er mich in voller Größe sieht, zuckt er zusam-

men. Aber er erholt sich schnell wieder und liebt es,

mit mir zu kuscheln. Ich habe gelernt, dass Katzen-

babys viel Nähe und Zärtlichkeit brauchen. Für ein

22

Katzenbaby ist es tatsächlich körperlich und seelisch

ungesund, allein zu schlafen.

Ich muss noch so viel lernen!

Wenn er sich an mich schmiegt und sich um mei-

nen Hals drapiert, bin ich entzückt, aber bekomme

keine Luft. Morgens hat Zorro einen Schock, wenn er

realisiert, mit wem er die Nacht verbracht hat. Dann

rast er sofort unters Bett. Dort wartet er beleidigt, bis

ich ihn hervorhole. Heute stellte er den Weltrekord im

Sprint von seinem – äh, meinem Nachtlager – zum

Kistchen auf. Eine richtige Mini-Sportskanone.

Bitte wundert Euch nicht, wenn wir das nächs-

te Mal miteinander sprechen, und seid geduldig und

nachsichtig mit mir, denn ich habe mir bereits die

Sprache junger Mütter angeeignet – etwas, das mich

früher leicht befremdet hat. „Oh! Sieh mal! Er hat dick

gemacht!“ „Was für ein braver Junge!“ „Er ist schon

so weit für sein Alter!“ Dabei stoße ich kleine Entzü-

ckensschreie aus.

Zorro ist wirklich ein erstaunliches, kluges, mu-

tiges und einzigartiges kleines Geschöpf. Wenn Ihr

ihn endlich kennenlernt, werdet Ihr mir garantiert

zustimmen!

Habe ich mich bereits dem Stereotypen „Dame

mit Katze“ angenähert? Oh Graus! Im Anbetracht

der unglaublichen Freude, die das kleine Kerlchen

mir bereitet, ist mir das aber wurscht. Eines kann ich

23

Euch jedoch sagen: Ich werde kein Hütchen aufset-

zen und meinen Kater vom Tisch mit Kuchen füt-

tern. Niemals!

Viele Grüße

SAM

25

HIER KOMMT ZORRO!

Hallo Leute!

Nun bin ich schon seit drei Wochen in meinem neu-

en Zuhause, bei meiner neuen Mama. Obwohl ich

ein tapferer und furchterregender Katzenkrieger bin,

muss ich zugeben, dass ich ein klein wenig Angst ver-

spürte – genauer gesagt: Es hat mir die Gedärme vor

Schreck zusammengezogen. Entsetzen, Trauer, Ver-

lust und ein komplettes Gefühlschaos sind über mich

gekommen. Ich war am Boden zerstört, als ich von

meinen beiden Schwestern und meiner vierbeinigen

Mama getrennt wurde. Schließlich hätte das für alle

traumatisch enden können. Aber wie ein echter Kö-

nig des Dschungels etabliere ich mich langsam als

Herrscher über dieses seltsame, fremde Reich.

Natürlich war ich verwirrt und erstaunt, als ich

feststellte, dass ich plötzlich eine neue, zweibeinige

26

Mama habe. Na, das war faszinierend! Meine neue

Mama kümmert sich rührend um mich und es ist klar,

dass sie nur das Beste für mich will – obwohl sie von

einem wilden Raubtier wie mir keine Ahnung hat. Da

muss ich ihr noch ein paar Kardinalpunkte erklären.

Aber sie liebt mich offensichtlich abgöttisch.

Denn wehe mir träte jemand zu nahe oder behandel-

te mich nicht mit allem gebührenden Respekt, dann

bekäme es dieser jemand mit der Aurenberger Mafia

zu tun (die einzig und allein aus meiner Mama be-

steht). Dieses Schutzversprechen hat sie mir ins Ohr

geflüstert. Leute, das blähte mein Herz und gab mir

Trost und Hoffnung. Wenn die richtige Zeit gekom-

men ist, werde ich ihre Liebe erwidern. Im Augen-

blick muss ich erst einmal in aller Ruhe die Situati-

on einschätzen. Aber die Liebe, ja die Liebe ist eine

zentrale Sache für uns Katzen und körperliche Nähe

ist für uns unabdingbar, erst recht für Babys. Die kön-

nen noch nicht allein schlafen. Logischerweise bin ich

mit fast vier Monaten längst aus diesem Alter heraus.

Aber trotzdem ist es herrlich, mich an Mamas weiche

Haut zu kuscheln und in der Nacht auf ihrem duften-

den Haar zu entspannen. Vorher muss ich natürlich

auf ihren Bauch klettern und ein paar Minuten lang

mit meinen Pranken treteln. Das findet sie bestimmt

genauso schön wie ich. Wieso Mama sich genau dann

verkrampft und angestrengt die Luft anhält, ist mir

27

28

ein Rätsel. Ich verstehe auch nicht, warum sie mich

dann hochhebt und vorsichtig meine Krallen aus ih-

rem Seidenpyjama löst. Menschen sind schon seltsa-

me Geschöpfe.

Ich verstehe auch nicht, warum ich so lange

nicht nach draußen durfte. Mama spricht von einer

Gewöhnphase, damit ich mich nicht „verirre“. Ich?

Verirren? Pah!

Aber endlich war auch dieser Stubenarrest (pff !)

vorbei. Hurra! Endlich konnte ich durch den Garten

rennen, überall meine Nase hineinstecken und mein

neues Revier beschnüffeln. Dabei hörte ich per Zufall

einen Nachbarn am Telefon über Mama tuscheln:

„... Karriereweib ... Bankerin, stell dir vor ... bschbsch

... viel auf Reisen ... bschbsch ... was will die mit einer

Katze?“ „Was will die mit einer Katze?“ – Also wirklich.

So was Blödes, der hat ja keine Ahnung, wie wunder-

bar Katzen sind! Mama, sei unbesorgt! Ich beschütze

dich vor aufdringlichen Mäusen, zudringlichen Vö-

geln und tratschenden Nachbarn. Ich bin's, Zorro,

der Unerschrockene, tapfer wie ein Tiger, stark wie

ein Löwe, schnell wie ein Gepard – und dein persönli-

cher Beschützer.

Allerdings muss ich sagen, dass hier vieles noch

immer gewöhnungsbedürftig ist. Und Leute, was ist

ein „Karriereweib“? Kann man das essen? Das wäre

wirklich gut, denn Mama guckt mich immer ratlos

29

an, wenn ich mich nicht auf die Katzensalami stürze,

die sie mir als Leckerbissen hinlegt. Was soll ich mit

einer ganzen Stange? Stelzenlaufen oder was? Mama

hat noch nicht begriffen, dass man die zerstückeln

muss. Das muss ich ihr unbedingt beibringen. Dosen

kann sie schon öffnen – immerhin. Ich bin also guter

Dinge.

 

Kommt mich doch mal besuchen! Dann zeige

ich Euch mein neues Reich. Ihr dürft mich dann auch

streicheln. Aber erst, wenn Ihr mit mir gespielt habt.

!ZORRO!

31

BABYPFLICHTEN

Hallo Leute,

letzten Dienstag, es war ein sonniger Morgen, sagte

Mama fröhlich: „Wir gehen heute zum Veterinär!“

Ich hatte natürlich nicht die leiseste Ahnung, was ein

„Veterinär“ ist – aber ich ließ mir natürlich nichts an-

merken. Mamas Tonfall nach zu urteilen, musste diese

Veterinärgeschichte jedenfalls ein Riesenspaß sein. Also

kooperierte ich. Ich sprang anmutig auf ihren Schoß

– und wie wurde meine Mühe belohnt? Mama pack-

te mich und versuchte, mich in so eine blöde Kiste zu

stopfen! Dann versuchte sie, die Tür zu schließen, aber

mein Kopf und meine linke Vordertatze waren noch

draußen. Dann versuchte sie wieder, die Tür zu schlie-

ßen, aber meine rechte Hinterpfote lugte hervor. Dann

versuchte sie ein drittes Mal, die Tür zu schließen, aber

mein Popo war im Weg. Hihi. Es war wie im Zirkus.

32

Weiß sie denn nicht, dass man einen pelzigen Torna-

do nicht einsperren kann? Wenn man uns einschließen

will, erwachen unsere Katzeninstinkte sofort.

Irgendwann knallte sie entnervt die Box zu. Ich

hatte Glück: 100 % von mir befanden sich in der Kis-

te. Mama hatte kein Glück, denn 0,875 % von ihr

befanden sich auch in der Kiste. Ihr Zeigefinger er-

starrte genau vor meiner Nase. Wow! Mama kann

richtig laut werden. Ich hörte ein haarsträubendes

Geräusch, das ich noch nie zuvor vernommen hatte.

Es klang wie ein Chor schreiender Hyänen. Es war,

als hätte Mama eine Urschreitherapie begonnen.

Arme Mama! Manchmal müssen Menschen die Lek-

tion eben auf die harte Tour lernen. Katzen muss

man sanft in die Box setzen – wenn überhaupt!

Die Show ging weiter: Nach dem Urschrei kam

die Vier-Punkte-Reaktion: Erst sog sie tief Luft ein.

Als Zweites stieß sie einige ausgesprochen unan-

ständige Wörter hervor. Ich glaube, man nennt das

Schimpfwörter. (Aus Respekt vor der Justiz, und um

den Anstand zu wahren, gebe ich diese hier nicht

wieder.) Als Drittes würgte sie mit finsterer Miene

den Schmerz hinunter. Und als Viertes setzte sie den

„Nichts-Anmerken-Lassen“-Blick auf.

Und das alles, während ihr Zeigefinger die Farbe

wechselte und lila anlief. Klasse Spektakel, sage ich

Euch. Mama ist eben keine Memme, sondern hart

To koniec darmowego fragmentu. Czy chcesz czytać dalej?