Philosophische und theologische Schriften

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ACHTES KAPITEL
Von der Möglichkeit oder der Materie des Universums

Um nun, wenn auch nur in Kürze das vorzuführen, was unserer Unwissenheit zur Belehrung dienen kann, wollen wir die genannten drei Weisen des Seins etwas weiter erörtern und dabei mit der Möglichkeit beginnen.

Die Alten haben sich viel mit ihr beschäftigt; ihre übereinstimmende Lehre war: Aus Nichts wird Nichts, weshalb sie eine gewisse absolute Möglichkeit, alles zu sein, als ewig annehmen, in der sie sich alles der Möglichkeit nach enthalten dachten. Den Begriff dieser Materie oder Möglichkeit haben sie durch eine verkehrte Denkoperation, wie man sie sonst nur bei der Ermittlung der absoluten Notwendigkeit anwendet, gesucht: Auf dem Wege des Hinwegnehmens der Form der Körperlichkeit vom Körper meinten sie den Körper sich nichtkörperlich denken zu können. Bei dieser Unwissenheit konnten sie das Wesen der Materie nicht erfassen; denn wie läßt sich ein Körper ohne Form an einem Körper denken? Sie sagten dann weiter, die Möglichkeit gehe jedem Dinge der Natur nach vorher, so daß man nie in Wahrheit sagen konnte: Gott ist, ohne daß man nicht auch in Wahrheit sagen mußte: die absolute Möglichkeit ist. Doch nahmen sie dieselbe nicht gleichewig mit Gott, weil sie, die nicht etwas und nicht nichts, nicht eine und nicht mehrere, nicht dieses und nicht jenes ist, von Gott ist; sie faßten sie, als die Möglichkeit zu allem, die nichts von allem wirklich ist. Da sie aller Gestalt entbehrt, nannten die Platoniker sie den Mangel (carentiam). Weil sie Mangel hat, will sie (quia caret, appetit); sie ist daher die Willfährige (aptitudo), die der ihr gebietenden, d. i. sie zum wirklichen Sein führenden Notwendigkeit gehorcht, wie das Wachs dem Künstler, der etwas aus demselben machen will. Die Formlosigkeit (informitas) geht aus dem Mangel und der Willfährigkeit hervor und ist deren Verbindung, so daß die absolute Möglichkeit gleichsam eine dreifache, ohne Zusammensetzung, ist; denn Mangel, Willfährigkeit und Formlosigkeit können nicht ihre Teile sein, sonst würde der absoluten Möglichkeit etwas vorhergehen, was unmöglich ist. Es sind daher Modalitäten (modi), ohne welche die absolute Möglichkeit als solche nicht wäre. Der Mangel ist zufällig (contingenter) in der Möglichkeit: Weil sie die Form nicht hat, die sie haben kann, heißt sie Mangel. Die Formlosigkeit ist gleichsam die Form der Möglichkeit, die nach den Platonikern gleichsam die Materie der Formen ist. Denn indem sich die Weltseele mit der Möglichkeit verbindet, wird jene formlose Vegetation (vegetabilitas) in die wirklich vegetative Seele gebracht, infolge der Bewegung, die von der Weltseele ausgeht und der Bewegungsfähigkeit der Möglichkeit oder Vegetation. Sie lehrten daher auch, die Formlosigkeit sei die Materie der Formen, die dann durch Sinn, Verstand und Vernunft zur Wirklichkeit gestaltet wird. Daher nannte Hermes die ὕλȠ den Stoff für Körper (nutricem corporum), die Formlosigkeit aber den Stoff für die Seelen. Einer der Unsrigen sagte, das Chaos sei der Welt naturgemäß vorhergegangen, als Möglichkeit der Dinge, im Chaos sei der formlose Geist gewesen, in dem alle Seelen der Möglichkeit nach sind. Die Stoiker sagten daher, alle Formen seien in der Möglichkeit wirklich (actu), allein verborgen, es müsse nur die sie verdeckende Hülle hinweggenommen werden, damit sie hervortreten (et per44 sublationem tegumenti apparere), wie wenn ein Löffel aus Holz nur durch Hinwegnehmen (von Holzteilen) entstünde. Nach den Peripatetikern aber sind die Formen nur der Möglichkeit nach in der Materie, und werden durch eine bildende Kraft hervorgebracht (per efficientem educi dicebant). Offenbar ist es das Richtige, daß die Formen nicht aus der Möglichkeit entstehen, sondern aus einer bildenden Kraft. Denn wer vom Holze Teile hinwegnimmt, um aus dem Holze eine Statue zu machen, der gibt ihm Form (addit de forma); das ist klar. Denn wenn man aus Stein keinen Kasten machen kann, so liegt der Fehler in der Materie; kann aber ein anderer als der Künstler nicht aus Holz einen Kasten herstellen, so liegt der Fehler im Verfertiger. Es ist also Materie und eine wirkende Kraft erforderlich. In einem gewissen Sinne sind daher die Formen der Möglichkeit nach in der Materie, die, wie es dem Bildner konveniert, in Wirklichkeit gesetzt werden. So ist nun nach den Peripatetikern in der absoluten Möglichkeit die Gesamtheit der Dinge der Möglichkeit nach, die absolute Möglichkeit ist unbegrenzt und unendlich, wegen des Mangels an Form und der Gefügigkeit zu allem. Diese Unendlichkeit ist das Gegenteil der Unendlichkeit Gottes; jene entsteht aus Mangel, diese aus Überfluß, weil alles in ihm er selbst in Wirklichkeit ist. So ist die Unendlichkeit der Materie privativ, die Gottes negativ.

Das sind die Sätze derer, die über die absolute Möglichkeit sich ausgesprochen haben.

Wir finden durch unsere Wissenschaft des Nichtwissens, daß eine absolute Möglichkeit unmöglich ist. Denn da unter den möglichen Dingen nichts weniger sein kann als die absolute Möglichkeit, die auf das Allernächste an das Nichtsein grenzt, auch nach der Ansicht mehrerer Autoren, so käme man auf ein Kleinstes und somit auch auf ein Größtes in dem, was ein Mehr oder Weniger zuläßt, was unmöglich ist. Daher ist die absolute Möglichkeit nur in Gott und Gott selbst; außer ihm ist sie nicht möglich, denn es gibt nichts, das in absoluter Potenz wäre, da alles außer Gott notwendig beschränkt (contracta) ist. Wenn sich auch in der Welt verschiedene Dinge finden, von denen aus dem einen mehr entstehen kann als aus dem andern, so kommt man doch zu keinem absolut Größten oder Kleinsten, sondern gerade aus ihrem Vorhandensein folgt, daß es keine absolute Möglichkeit gebe. Jede Möglichkeit ist also beschränkt, ihre Beschränkung ist die Wirklichkeit. Es gibt folglich keine reine Möglichkeit, die ganz unbeschränkt wäre durch was immer für eine Wirklichkeit. Auch die Gefügigkeit (aptitudo) der Möglichkeit kann nicht unendlich und absolut sein, frei von jeder Beschränkung. Denn indem Gott die unendliche Wirklichkeit (actus) ist, ist er die Ursache dieser Wirklichkeit, die Möglichkeit des Seins ist zufällig (est contingenter). Ist nun die Möglichkeit absolut, zu was bildet sie dann das Zufällige (cui contingit)?45 Das Zufällige kommt aber der Möglichkeit schon deshalb zu, weil46 das Sein aus dem Ersten nicht die vollständig und schlechthin absolute Wirklichkeit sein kann. Die Wirklichkeit wird daher gleichfalls durch die Möglichkeit beschränkt, so daß sie nie absolut, sondern in Potenz, und die Potenz nie absolut, sondern durch die Wirklichkeit beschränkt ist. Es gibt übrigens Unterschiede und Stufen: Eines ist mehr Wirklichkeit, ein anderes mehr in Potenz, ohne daß man jedoch je auf ein schlechthin Größtes und Kleinstes kommt, weil die größte und kleinste Wirklichkeit mit der größten und kleinsten Potenz koinzidiert und das absolut Größte ist, wie im ersten Buche gezeigt ist. Ferner: Wäre die Möglichkeit der Dinge nicht beschränkt, so gäbe es keinen vernünftigen Grund der Dinge (non posset ratio rerum haberi), sondern alles wäre durch Zufall, wie Epikur fälschlich lehrte. Denn daß diese Welt nach vernünftigem Grunde (rationabiliter) aus der Möglichkeit hervorging, erfolgte notwendig deshalb, weil die Möglichkeit nur die Gefügigkeit hatte, gerade nur diese Welt zu sein. Die Gefügigkeit der Möglichkeit war also beschränkt, nicht absolut. Dies gilt von Erde, Sonne und den übrigen Geschöpfen. Wären sie nicht in einer gewissen beschränkten Möglichkeit in der Materie verborgen gewesen, so wäre kein größerer Grund für ihr Hervortreten in die Wirklichkeit, als für das Gegenteil vorhanden gewesen. Wenn daher gleich Gott unendlich ist und demgemäß eine unendliche Welt hätte erschaffen können, so konnte doch die Welt, weil die Möglichkeit notwendig beschränkt und nicht absolut, auch die Gefügigkeit der Materie keine unendliche war, hinsichtlich der Möglichkeit ihres Seins nicht in Wirklichkeit (actu) unendlich oder größer oder anders sein, als sie ist. Die Beschränkung der Möglichkeit ist die Wirklichkeit, diese aber stammt aus der absolut größten Wirklichkeit. Da demnach die Beschränkung der Möglichkeit aus Gott kommt und die Beschränkung der Wirklichkeit aus dem Zufall, so ist die mit Notwendigkeit beschränkte Welt durch Zufall endlich. (Quare cum contractio possibilitatis sit ex Deo, et contractio actus ex contingenti, hinc mundus necessario contractus ex contingenti finitus est.)

Aus dem Begriffe der Möglichkeit sehen wir also, daß das konkret Größte aus der notwendig beschränkten Möglichkeit entstanden ist, eine Beschränkung, die nicht zufällig ist, weil sie durch die Wirklichkeit erfolgt. So hat denn das Universum eine vernünftige und notwendige Ursache seiner Konkretheit, so daß die Welt, die nur ein beschränktes Sein hat, nicht zufällig aus Gott ist, dem absolut Größten. Das ist ganz besonders ins Auge zu fassen. Da also Gott die absolute Möglichkeit ist, so ist die Welt, wenn wir sie als in der absoluten Möglichkeit seiend betrachten, in Gott und die Ewigkeit selbst; betrachten wir sie als beschränkte Möglichkeit, so geht die Möglichkeit nur der Natur nach der Welt vorher, und diese beschränkte Möglichkeit ist nicht die Ewigkeit noch gleichewig mit Gott, sondern ein Abfall von ihr (cadens ab ipsa) und wie Endliches und Absolutes in unendlichem Abstande.

Auf diese Weise müssen die Ansichten über die Möglichkeit oder Materie nach den Prinzipien der Wissenschaft des Nichtwissens ihre Berichtigung erhalten.

Wie die Möglichkeit stufenweise zur Wirklichkeit vorschreite, wollen wir uns im Buche über die Mutmaßungen zu erörtern vorbehalten.

NEUNTES KAPITEL
Über die Seele oder das belebende Prinzip des Universums

Alle Philosophen stimmen darin überein, daß das Seinkönnen nur durch das wirkliche Sein zur Wirklichkeit gebracht werden kann, weil nichts sich selbst in Wirklichkeit setzen kann, weil es sonst die Ursache seiner selbst und somit da wäre, bevor es ist. Man sagte daher, was die Möglichkeit in Wirklichkeit setzt, handle nach Absicht (ex intentione), so daß die Möglichkeit aus vernünftiger Anordnung, nicht durch Zufall zur Wirklichkeit gelangt. Diese Wirkungsweise nannte man teils Geist (mentem), teils Vernunft (intelligentiam), teils Weltseele, teils Fatum der Substanz, teils, wie die Platoniker, das umschließende Band (necessitatem complexionis). Diese glaubten nämlich, die Möglichkeit werde mit Notwendigkeit durch sich selbst determiniert, so daß sie jetzt in Wirklichkeit ist, was sie vorher sein konnte. In jenem Geiste liegen nach den Platonikern die Formen der Dinge geistig ebenso wie in der Materie der Möglichkeit nach. Das alles umschließende Band, das in sich das Urbild der Formen hat, bewegt der natürlichen Ordnung gemäß den Himmel, so daß mittelst der Bewegung als des Werkzeugs die Möglichkeit zu einer dem geistigen Urbilde möglichst entsprechenden Wirklichkeit gelangt. Mittelst dieser Operation des Geistes werde durch die Bewegung die in die Materie gelegte Form ein, wenn auch nicht wahres, so doch der Wahrheit nahekommendes Abbild der idealen Form des Geistes. Demnach sind nach den Platonikern in der Weltseele die Ideen (veras formas) der Dinge, zwar nicht der Zeit, wohl aber der Natur nach vorher, als sie in den Dingen sind. Die Peripatetiker geben dies nicht zu, indem sie behaupten, die Ideen (formas) hätten kein anderes Sein außer in der Materie und durch Abstraktion, die den Dingen folgt, im Geiste. Die Platoniker nehmen eine Mehrheit solcher unter sich verschiedenen Ideen, die aus der einen unendlichen Vernunft stammen, an, in welcher sie alle eines seien. Doch ließen sie diese Ideen nicht aus der einen Vernunft geschaffen werden, sondern so herabsteigen, daß sie in der Weltseele die Entfaltung des göttlichen Geistes erblickten, und was in Gott eine Uridee ist, in der Weltseele mehrere und verschiedene Ideen sind. Sie fügten bei, Gott gehe naturgemäß dem umschließenden Bande der Notwendigkeit vorher wie die Weltseele der Bewegung und diese der zeitlichen Entfaltung der Dinge. Diese zeitliche Entwicklung folgt dem Naturgesetze, das in der Weltseele liegt, und heißt substantielles Fatum, die zeitliche Entfaltung desselben ist das gewöhnlich sogenannte Fatum. So ist, was wir die geistige Welt nennen, die Art und Weise des Seins in der Weltseele. Das Sein in der Wirklichkeit, wo die Möglichkeit, durch die Wirklichkeit determiniert, die Entwicklung hervorbringt, ist die Sinnenwelt. Die Ideen, wie sie im materiellen Sein liegen, sind nach ihnen von denen, die in der Weltseele sind, nur in der Seinsweise verschieden; in dieser wahr und an sich, in der Materie dem Wahren sich nähernd (verisimiliter), nicht in ihrer Reinheit, sondern verdunkelt. Die Wahrheit der Ideen erweise nur die Vernunft (intellectum); Verstand, Einbildung und Sinne erfassen nur die Abbilder oder die Vermischung der Ideen mit der Möglichkeit, weshalb sie auch nicht die Wahrheit, sondern nur ein Meinen erzielen (non vere attingitur quidquam, sed opinative). Von der Weltseele geht nach den Platonikern alle Bewegung aus, denn sie ist ganz im Ganzen und in jedem Teile der Welt, obwohl sie nicht dieselbe Tätigkeit in allen Teilen entfaltet, wie auch die Seele im Menschen in den Haaren und im Herzen nicht die gleiche Wirksamkeit zeigt, obgleich sie ganz im ganzen Menschen und in jedem Teile ist. In der Weltseele sind alle Seelen, in und außer den Körpern, enthalten, weil sie das ganze Universum durchdringt, nicht teilweise, da sie unteilbar und einfach ist. Sie ist ganz in der Erde, wo sie die Erde zusammenhält, ganz im Stein, wo sie das Feste der Teile bewirkt, ganz im Wasser, in den Bäumen etc. Sie ist die erste kreisförmige Entfaltung des göttlichen Geistes, der das Zentrum bildet, die natürliche Entfaltung der zeitlichen Ordnung der Dinge. Wegen der in ihr liegenden Unterscheidung und Ordnung nannten sie dieselbe auch die sich bewegende Zahl; sie bestehe, wie diese, aus Gleichem und Verschiedenem, und unterscheide sich auch nur durch die Zahl von der Seele des Menschen. Was die Seele für den Menschen, ist sie für das Universum. Alle Seelen kommen von ihr und lösen sich schließlich, wenn nicht Mißverdienste ein Hindernis bilden, in sie wieder auf.

 

Viele Christen haben sich dieser Ansicht der Platoniker angeschlossen, und zwar hauptsächlich aus dem Grunde: Da das Wesen des Steines ein anderes als das des Menschen ist und in Gott keine Verschiedenheit und kein Anderssein stattfindet, so hielten sie es für eine logische Notwendigkeit, daß die verschiedenen Ideen, nach welchen die Dinge verschieden sind, nach Gott und vor den Dingen seien (denn das Rationelle einer Sache geht ihr vorher). Diese Sonderung fanden sie befriedigt in dem Begriffe des die Welt regierenden Geistes (intelligentia rectrice orbium). Diese unterschiedenen Ideen sind die unzerstörbaren Begriffe der Dinge in der Weltseele, ja, diese selbst faßten sie als den Gesamtbegriff aller Begriffe; alle Begriffe haben in ihr ihr substantielles Sein, wiewohl das schwer zu verstehen ist. Sie führen selbst die Autorität der heiligen Schrift zur Begründung an. Wenn Gott sprach: Es werde Licht! und es ward Licht, wie hätte er sagen können: Es werde Licht! wenn die Wahrheit (Idee) des Lichtes nicht naturgemäß vorher dagewesen wäre? Und nachdem zeitlich das Licht in Wirklichkeit umgesetzt war, warum wurde es gerade Licht und nicht anders genannt, wenn die Idee des Lichts nicht vorher da war? Vieles Ähnliche wird zur Bestätigung angeführt.

Die Peripatetiker geben zwar zu, das Werk der Natur sei ein Werk der Intelligenz, leugnen jedoch das Dasein der Ideen. Wenn sie nicht unter der Intelligenz Gott verstehen, so sind sie sicher im Irrtume. Denn wenn kein Wissen der Dinge und der Intelligenz ist, wie kann sie denn, was doch Voraussetzung ist, die Dinge bewegen? Hat sie aber eine Kenntnis der zeitlich zu entwickelnden Dinge, was das Vernünftige in der Bewegung (ratio motus) ist, so kann diese von den Dingen, die ja zeitlich noch nicht existieren, nicht abstrahiert sein. Gibt es also ein Wissen ohne Abstraktion, so ist es sicher dasjenige, von dem die Platoniker reden, das nicht den Dingen entnommen ist, sondern nach dem die Dinge gebildet sind (res secundum eam). Daher waren nach den Platonikern die Ideen der Dinge nicht etwas Gesondertes, verschieden von der Intelligenz selbst, sondern sie bildeten, obwohl unter sich geschieden, eine einfache Intelligenz, die alles Vernünftige in sich begreift. So ist zwar die Idee des Menschen nicht die des Steins, gleichwohl hat die Menschheit, von der der Mensch der konkrete Ausdruck ist, kein anderes Sein als in der Intelligenz, in ihr geistig, in der Wirklichkeit reell. Es gibt nicht eine andere (ideale) Menschheit des Plato und eine andere in der Realität, sondern dieselbe Menschheit Platos ist in verschiedenen Seinsweisen, vorher in der Intelligenz, dann in der Wirklichkeit, was jedoch nicht als ein Vorher der Zeit zu denken ist, sondern so wie der rationelle Grund (ratio) einer Sache ihr naturgemäß vorhergeht. Sehr scharfsinnig und philosophisch sind hierin die Platoniker, und Aristoteles hat sie vielleicht nicht ganz philosophisch hierin getadelt, indem er mehr an der Schale der Worte hängen blieb als in den Kern der Sache eindrang.

Wo die Wahrheit liege, wollen wir nun durch die Wissenschaft des Nichtwissens ermitteln.

Es ist bewiesen, daß man auf kein einfach Größtes kommt, daß es daher keine absolute Möglichkeit und keine absolute Idee (formam) oder Wirklichkeit (actum) gebe, die nicht Gott ist, daß jedes Ding beschränkt ist und es nur eine Idee aller Ideen (forma formarum) und ein Urbild (veritas veritatum) gebe, und die absolute Idee des Kreises und Vierecks die gleiche ist. Die Ideen der Dinge sind daher nicht unterschieden, außer sofern sie konkret (contractae) erscheinen; in ihrer Absolutheit sind sie eine unterschiedene Idee – das Wort Gottes. Die Weltseele hat daher kein anderes Sein als ein mögliches, durch welches sie beschränkt wird, und der Geist ist nicht getrennt, nicht trennbar von den Dingen (mens non est separata a rebus aut separabilis). Denn betrachten wir den Geist in seiner gänzlichen Getrenntheit von der Möglichkeit, so ist dies der göttliche Geist, der allein ganz und gar Wirklichkeit ist. Es kann somit nicht mehrere gesonderte Ideen geben, denn jede wäre in Bezug auf ihre Abbilder das Größte und Wahrste. Nun kann es aber nicht mehrere Größte geben. Ein unendliches Urbild ist notwendig und hinreichend, in dem alles geordnet enthalten ist, das allen rationellen Grund auch für die verschiedensten Dinge auf das Adäquateste in sich begreift. Wenn wir die große Verschiedenheit der Dinge betrachten, so staunen wir darüber, wie eine einfachste Idee von allen auch der Grund der Differenz der Einzelndinge sein soll. Nach den Prinzipien unseres Systems muß dies so sein, weil sie alle Verschiedenheit als Identität in Gott nachweisen. Da wir erkennen, daß in Gott die Verschiedenheit der rationellen Gründe aller Dinge auf das Wahrste existiert, so erkennen wir eben darin, daß dies das Wahrste ist, den einen wahren rationellen Grund aller Dinge, und dies ist die höchste Wahrheit selbst. Sagt man, Gott habe nach einer anderen Idee (alia ratione) den Menschen, nach einer andern den Stein erschaffen, so ist dies wahr in Hinsicht auf die Geschöpfe; nicht auf den Schöpfer, wie wir an den Zahlen sehen. Der Ternar ist ein Einfachstes (ratio simplicissima), das weder ein Mehr noch ein Weniger zuläßt, in sich einig; ganz anders aber wird er in Bezug auf die Dinge. Anders ist der Ternar der Dreiecke, anders der von Materie, Form und Zusammensetzung in der Substanz, anders der von Vater, Mutter, Sohn, anders der von drei Menschen und drei Eseln. Das alles mit Notwendigkeit umschließende Band ist daher nicht, wie die Platoniker wollten, ein Geist, geringer als der ihn zeugende, sondern der dem Vater in der Gottheit gleiche Sohn; er heißt lógov oder Vernunft (ratio), weil er die Vernunft (der rationelle Grund) von allem ist. Es heißt daher auch nichts, was die Platoniker von den Bildern der Formen (Ideen – de imaginationibus formarum) gesagt haben; sondern es gibt nur eine unendliche Idee (forma formarum), von der alle Ideen Abbilder sind, wie wir oben gezeigt haben. Man muß dies genau ins Auge fassen. Die Weltseele ist zwar als eine Art universeller Form, die alle Formen in sich faßt, zu betrachten; allein sie existiert in Wirklichkeit nur beschränkt und ist in jedem Dinge die konkrete Form des Dinges (forma contracta rei), wie in der Lehre vom Universum gezeigt wurde. Gott ist also die hervorbringende, gestaltende und zum Ziel führende Ursache von allem, der in dem einen Worte alles noch so Verschiedene hervorbringt, und es gibt kein Geschöpf, das nicht durch Verendlichung weniger wäre (quae non sit ex contractione diminuta), in unendlichem Abfall von jenem göttlichen Wirken; denn nur Gott ist absolut, alles andere ist beschränkt (solus Deus absolutus, omnia alia contracta). Es gibt auch kein Mittelding zwischen dem Absoluten und Beschränkten, wie sich die einbildeten, die die Weltseele sich als einen Geist dachten, der nach Gott und vor der Verendlichung der Welt wäre. Nur Gott ist die Seele und der Geist der Welt, sofern man die Seele als etwas Absolutes denkt, in dem alle Formen der Dinge in Wirklichkeit sind.

Die Philosophen waren über das Wort Gottes und das absolut Größte nicht vollständig unterrichtet, daher faßten sie Geist, Seele und Notwendigkeit in einer gewissen Entwicklung dieser Notwendigkeit absolut, nicht beschränkt auf. Die Ideen im Worte sind in Wirklichkeit das Wort selbst, in allen Dingen sind sie beschränkt. Die Ideen, die in der erschaffenen geistigen Natur liegen, sind zwar gemäß der geistigen Natur gewissermaßen mehr absolut, jedoch nicht ohne Beschränkung, weil sie einem Geiste angehören, dessen Tätigkeit, wie Aristoteles sagt, ein Erkennen durch abstrahierte Ähnlichkeit ist (per similitudinem abstractivam). Hierüber einiges im Buche von den Mutmaßungen. Das über die Weltseele Gesagte mag genügen.