30 Minuten Gewaltfreie Kommunikation

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30 Minuten Gewaltfreie Kommunikation
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Nayoma Viktoria de Haen

Torsten Hardieß

30 Minuten

Gewaltfreie Kommunikation

© 2015 SAT.1 www.sat1.de Lizenz durch ProSiebenSat.1 Licensing GmbH, www.prosiebensat1licensing.com

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlaggestaltung: die imprimatur, Hainburg

Umschlagkonzept: Martin Zech Design, Bremen

Lektorat: Dr. Sandra Krebs, GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Autorenfoto Nayoma de Haen: Helen Nicolai, HelenNicolai-BusinessPortraits.de

© 2015 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2015 erschienenen Buchtitel »30 Minuten Gewaltfreie Kommunikation« von Nayoma Viktoria de Haen und Torsten Hardieß, ©2015 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Hinweis:

Das Buch ist sorgfältig erarbeitet worden. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder die Autoren noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gemachten Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-673-9

ISBN epub: 978-3-95623-261-9

In 30 Minuten wissen Sie mehr!

Dieses Buch ist so konzipiert, dass Sie in kurzer Zeit prägnante und fundierte Informationen aufnehmen können. Mithilfe eines Leitsystems werden Sie durch das Buch geführt. Es erlaubt Ihnen, innerhalb Ihres persönlichen Zeitkontingents (von 10 bis 30 Minuten) das Wesentliche zu erfassen.

Kurze Lesezeit

In 30 Minuten können Sie das ganze Buch lesen. Wenn Sie weniger Zeit haben, lesen Sie gezielt nur die Stellen, die für Sie wichtige Informationen beinhalten.

• Alle wichtigen Informationen sind blau gedruckt.

• Zahlreiche Zusammenfassungen innerhalb der Kapitel erlauben das schnelle Querlesen.

• Ein Fast Reader am Ende des Buches fasst alle wichtigen Aspekte zusammen.

Inhalt

Vorwort

„Jetzt hören Sie doch mal zu!“

„Nein, jetzt hören Sie mir mal zu!“

„Das tue ich doch die ganze Zeit!“

„Aber offenbar haben Sie es noch immer nicht verstanden?“

„Was gibt es denn daran zu verstehen!“

„Ich sag‘s ja, Sie hören nicht zu!“

Wie schwer ist es doch oft, uns verständlich zu machen und zu verstehen, worum es dem anderen geht! Sogar uns selbst verstehen wir ja nicht immer.

Das Gelingen von Kommunikation bestimmt ganz wesentlich unser Wohlbefinden und den Erfolg unseres Handelns. Trotzdem greifen wir immer wieder auf Kommunikationsmuster zurück, durch die wir uns selbst und unseren Mitmenschen das Leben schwer machen, uns Leid zufügen oder gar Gewalt antun. Manchmal passiert es unbewusst, doch häufig wissen wir uns einfach nicht anders zu helfen.

Wie können wir auch in emotional angespannten Situationen Konflikte so austragen, dass sie nicht verschärft werden, sondern für alle Beteiligten tragfähige Lösungen entstehen? Wie können wir offen und kraftvoll sagen, wie uns zumute ist und was wir wollen, und dabei den anderen als Mensch respektieren? Wie können wir auch unter Druck Verständnis für andere entwickeln und dabei gut für uns selbst sorgen?

Die Antwort der Gewaltfreien Kommunikation lautet:durch eine Haltung aufrichtiger, wohlwollender Empathie und den konsequenten Fokus auf das, was uns als Menschen verbindet – auf die jeweils relevanten Bedürfnisse. Dadurch entstehen Verständnis und Verbindung, ohne dass die Ehrlichkeit auf der Strecke bleibt. Auf dieser Vertrauensbasis können unterschiedliche Überzeugungen, Einschätzungen und Strategien dann wohlwollender verhandelt werden.

Erscheint es Ihnen in Ihrem Lebenskontext als Herausforderung, offen zu Ihrer Menschlichkeit zu stehen oder diese in anderen anzusprechen? In diesem Fall können Sie damit beginnen, die Gewaltfreie Kommunikation erst einmal für sich selbst zur Klärung und als Übersetzungshilfe anzuwenden. Allein das kann schon zu spürbar mehr Ausdruckskraft, Konfliktkompetenz und innerem Frieden führen.

Die Methode ist einfach, sie wird sich Ihnen auf den nächsten Seiten leicht erschließen. Die Anwendung ist Übungssache, denn letztlich geht es um die Veränderung tief eingeprägter Denk-, Reaktions- und Sprachmuster. Doch es lohnt sich, denn selbst die Umsetzung einzelner Elemente führt schon zu spürbaren Ergebnissen. „Alles, was es wert ist, getan zu werden, ist es auch wert, unvollkommen getan zu werden“, sagt Marshall B. Rosenberg, der Begründer der Gewaltfreien Kommunikation (Rosenberg, 2004, S. 209). Lassen Sie sich inspirieren und fangen Sie einfach an!

Nayoma Viktoria de Haen und Torsten Hardieß

1. Gewaltfreie Kommunikation – aufrichtig und wertschätzend

„Warum kannst du nicht tun, was ich dir sage?“ „Mit dem kann man nicht reden.“ „Die will mich ja nur provozieren!“ Kennen Sie derartige Gedanken oder Sätze? Wie wäre es, stattdessen zu hören: „Ich habe es eilig. Würdest du es bitte machen, auch wenn du gerade nicht verstehst, warum, und ich erkläre es dir später?“ „Ich schaffe es nicht, mich ihm verständlich zu machen.“ „Ich verstehe nicht, warum sie sich so verhält, möchte mich davon aber nicht aus der Ruhe bringen lassen.“

Klingt das ungewohnt? Die wenigsten von uns haben gelernt, sich auf eine Weise mitzuteilen, die Aufrichtigkeit mit Verständnis und Wertschätzung vereint. Wir sind in einem Denken und mit einer Sprache aufgewachsen, in der moralisiert, verurteilt und manipuliert wird. Gewaltfrei zu kommunizieren bedeutet, sich im Bewusstsein der subtilen Anfänge von Gewalt immer wieder für eine Art des Denkens und Sprechens zu entscheiden, die Lebendigkeit fördert und schützt.

1.1 Kommunikation – Information und Beziehung

Kommunikation findet immer auf der Sach- und auf der Beziehungsebene statt, wobei die Beziehungsebene wesentlich bestimmt, wie die Sachebene aufgenommen und verarbeitet wird. Selbst in einem „rein sachlichen“ Gespräch wird über Körpersprache, Mimik und Tonfall die Beziehung abgetastet und verhandelt. Kommunizieren bedeutet also immer auch, mit dem Gegenüber in Verbindung zu treten. Gleichzeitig besagen Studien, dass wir in unserer Kommunikation im Durchschnitt nur zu 25 Prozent wirklich zuhören, den Rest denken wir uns dazu.

Eine Vernachlässigung der Beziehungsebene und unvollständiges Zuhören können sich besonders in Konflikten zum Schaden aller Beteiligten auswirken. Für einen friedvollen Umgang miteinander stellt sich also die Frage: Wie können wir auch unter Druck eine Balance halten zwischen ehrlichem Ausdruck und mitfühlendem Zuhören? Was gilt es mitzuteilen, um unseren Standpunkt möglichst klar und verständlich zu vertreten und dabei den Beziehungsaspekt zu berücksichtigen? Und worauf können wir beim anderen achten, um Verbindung und Verständnis zu fördern?

Der amerikanische Psychologe Marshall B. Rosenberg ist diesen Fragen seit den 1960er-Jahren nachgegangen und hat daraus den Ansatz der Gewaltfreien Kommunikation entwickelt. Ihm zufolge können wir uns in der Kommunikation auf die ehrliche und empathische Beantwortung von zwei Fragen konzentrieren:

• Was ist gerade wirklich los – in mir und dir?

• Was würde jetzt meine (und deine) Lebensqualität verbessern?

Inhaltlich liegt der Fokus dabei auf dem, worum es im Kern geht: auf den Bedürfnissen. Da das Bedürfnis nach Qualitäten wie Struktur, Klarheit, Freiheit oder Austausch zum Erfahrungsschatz eines jeden Menschen gehört, bringt der empathische Fokus darauf die gemeinsame Menschlichkeit ins Bewusstsein. Das stabilisiert die Beziehungsebene und es entsteht eine tragfähige Verständigungsgrundlage. Dann können unterschiedliche Meinungen auf der Sachebene ehrlich und wertschätzend verhandelt werden.

Der Sach- und der Beziehungsaspekt der Kommunikation werden durch den empathischen Fokus auf die aktuelle menschliche Erfahrung in Balance gehalten.

1.2 Gewaltfrei – Was heißt das?

Warum reagieren manche Menschen unter Druck aggressiv und gewaltvoll, andere dagegen mitfühlend und verständnisvoll? Was befähigt diese Menschen, in Konflikten verständnisvoll und mitfühlend zu bleiben? Diese Fragen beschäftigten Marshall B. Rosenberg, seit er in seiner Jugend als Jude im schwarzen Ghetto von Detroit sowohl Hass und mörderische Gewalt als auch große Güte und Nächstenliebe erlebte. Er erkannte, dass es eine innere Haltung und bestimmte Sprachmuster gibt, die Verständnis und Mitgefühl fördern und zu einem anderen Umgang mit Macht führen. Die Gewaltfreie Kommunikation dient dazu, diese Haltung und Sprachmuster zu entwickeln und zu stärken.

„Gewaltfrei? Ich schlage doch niemanden!“

Der Begriff der „Gewaltfreien Kommunikation“ lässt manche Menschen an klassische Gewaltprävention denken. Hinter diesem Namen steckt jedoch ein umfassenderes Verständnis von Gewalt und ihren Wurzeln: Gewalt beginnt im Denken. Sie beginnt mit dem Gedanken, etwas, jemand oder ich muss anders sein oder sollte meinen Vorstellungen entsprechen, und sie setzt sich fort in der Wahl der Mittel, um diese Idee durchzusetzen. In diesem Sinne können wir alles als Gewalt bezeichnen, was mit Druck, Zwang, Manipulation oder Festschreibungen arbeitet – von Lob und Tadel bis zu Drohungen, Bestrafungen und Zwangsmaßnahmen. Auch hinter verallgemeinernden Urteilen und Bewertungen steckt letztlich der Versuch, Menschen durch moralischen Druck den eigenen Vorstellungen entsprechend zu beeinflussen. Da es noch nicht lange her ist, dass sogar der Einsatz von körperlicher Gewalt als akzeptable Erziehungsmaßnahme galt, sind die meisten Menschen mit einem Denken aufgewachsen, welches solche subtilen Formen von Gewalt für normal hält.

 

Die Ausrichtung der Aufmerksamkeit

Die Gewaltfreie Kommunikation hilft, den Wurzeln der Gewalt mit dem Aikido-Prinzip entgegenzuwirken: Die Schlagkraft eines gewaltvollen Gedankens oder Satzes wird mit Präsenz und Mitgefühl aufgefangen und durch die bewusste Ausrichtung der Aufmerksamkeit so umgewandelt, dass sie nicht nur keinen Schaden anrichtet, sondern allen Beteiligten weiterhilft. Wenn wir wach und präsent wahrnehmen, was gerade passiert, können wir uns entscheiden, nicht in automatisierte Abwehrreaktionen zu verfallen, sondern mit Herz und Verstand nach einem Weg zu suchen, der für alle Beteiligten funktionieren kann. Wenn wir uns einander wohlwollend zuwenden und uns empathisch für uns selbst und die anderen öffnen, entsteht eine Beziehung, die von Aufrichtigkeit und Mitgefühl geprägt ist.

Prozessorientiert sprechen

Um diese innere Ausrichtung sprachlich umzusetzen, ist es hilfreich, auf statische Sprache zu verzichten und uns bewusst zu machen, dass sich alles verändert und es immer mehrere Perspektiven gibt. Statisches Denken und statische Sprache fördern Gewalt, indem sie Menschen und Dinge mit Kategorien wie richtig/falsch, normal/anormal, dumm/klug bewerten und festschreiben. Wer so denkt, maßt sich Objektivität an und presst die Vielschichtigkeit eines Menschen in eine enge Schablone. Das löst beim Gegenüber eher Widerstand aus.

In der Gewaltfreien Kommunikation bevorzugen wir daher eine situationsbezogene, prozessorientierte Sprache (z. B. statt: „Er ist dumm.“ → „Es ist ihm nach drei Tagen Schulung nicht gelungen, das Programm zu starten.“). Sie berücksichtigt, dass sich Situationen und Menschen ständig verändern und verschiedene Perspektiven möglich sind. (Wenn sich z. B. der „dumme“ Mitarbeiter damit stressige Aufgaben erspart, kann das auf Kollegen durchaus „schlau“ wirken.)

Jeder Mensch ist potenziell machtvoll

Auch das eigene Verständnis von Macht trägt über Tonfall, Körpersprache und Wortwahl erheblich dazu bei, ob Kommunikation eher aggressiv oder vertrauensbildend wirkt. Macht bedeutet ursprünglich Fähigkeit, Können, Vermögen, bezeichnet also Potenzialität. Aus Sicht der Gewaltfreien Kommunikation können wir Macht definieren als die Fähigkeit, äußere und innere Ressourcen zu mobilisieren, um Bedürfnisse zu erfüllen (Kashtan, 2013, S. 173). Zu äußeren Ressourcen gehören u. a. Geld, Position und Einfluss; innere Ressourcen sind Qualitäten wie Wissen und Empathiefähigkeit. In diesem Sinne ist klar, dass jeder Mensch potenziell machtvoll ist, wenn auch in verschiedenen Lebensbereichen in unterschiedlicher Art und Intensität. Jeder kann sich fragen: Übernehme ich Verantwortung für meine (potenzielle) Macht? Und wie setze ich meine Macht ein? Nutze ich meine Macht für ein einvernehmliches Miteinander, indem ich die Bedürfnisse aller Beteiligten miteinbeziehe?

Gewalt beginnt im Denken. Umdenken erfordert Bewusstheit. Eine Haltung wohlwollender, empathischer Präsenz und eine prozessorientierte Ausdrucksweise unterstützen einen Umgang mit Macht, der Verständnis und Mitgefühl stärkt.