SchattenHaut & SchattenWolf

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

„Nimm du das Wohnzimmer, ich fange im Arbeitszimmer an“, schlug Peter vor.

„Du, da habe ich eine andere Idee. Wir haben offiziell die Erlaubnis von Heide Brüderl, dass wir uns hier umschauen und den Laptop mitnehmen dürfen. Lass uns die Kollegen von der KTU anrufen. Wenn es irgendwelche Dinge gibt, die in diese Richtung weisen, werden es die Kollegen finden. Wir fahren zu Pfarrer Martin und klopfen einfach mal so auf den Busch. Ich habe da so ein Gefühl.“

„Du immer mit deiner weiblichen Intuition!“, lachte Peter. „An dir ist eine wunderbare Frau verloren gegangen. Du kochst gerne, bist häuslich, hast dein Leben im Griff. Also, ich würde dich glatt heiraten.“ Peter musste lachen, weil Hetzer so vollkommen doof aus der Wäsche guckte, dass er den anderen damit ansteckte. Sie hielten sich am Sofa fest vor Lachen. Die Kekse in Peter hüpften förmlich.

Die Täuschung

Sabine Schreiber, Leiterin der Bückeburger Außenstelle in der Schwenstraße, wollte soeben die Tür des Schaumburger Jugendamtes abschließen. Es war bereits weit nach 18 Uhr und schon dunkel. Als sie die Treppen hinabging, kam wie aus dem Nichts ein Mann auf sie zugelaufen. Er trug einen Trenchcoat und einen Hut und war sichtlich aufgeregt.

„Bitte kommen Sie schnell, Sie müssen mir helfen. Das Mädchen wird sonst totgeschlagen.“

Sabine geriet in Panik.

„Was sagen Sie da? Wo ist das? Wie alt ist das Kind?“

„Schnell, wir müssen nach Obernkirchen fahren, in den Weheweg. Es handelt sich um meine Nachbarn. Sie schlagen ihr Kind. Ich kann diese schrecklichen Schreie nicht mehr ertragen.“

Sabine Schreiber eilte mit dem Mann zu seinem Auto. Er hatte den Wagen vor dem Nachbarhaus geparkt.

„Ich rufe jetzt parallel die Polizei an. Wo ist das genau im Weheweg? Ich kenne mich nicht so genau in Obernkirchen aus.“

„Weheweg 47 bei Schröder. Mein Name ist Hildebrandt. Ich wohne in 49. Das Mädchen ist höchstens acht Jahre alt. Ich hatte neulich schon den Eindruck, dass da etwas nicht stimmt. Aber jetzt diese Schreie aus dem Keller.“

Sabine Schreiber zögerte keine Sekunde. Sie rief 110 an und schilderte den Fall. Gab die Adresse durch. Dass sie vor Ort warten sollten, war ihr sowieso klar gewesen. Sie hätte nicht im Traum daran gedacht, ohne Polizei in das Haus zu gehen.

Sie bat Herrn Hildebrandt, nach Obernkirchen in den Weheweg zu fahren und dort in einigem Abstand mit ihr zusammen auf die Beamten zu warten.

Hildebrandt fuhr sofort los.

Im Keller

Es tropfte. Susi stand im Heizungskeller. Gleich würde er kommen.

Die Heizung sprang an und ging wieder aus. Estropfte. Und es stank entsetzlich nach Öl. Die Tanks hinter der Mauer waren schon Jahre alt.

Susi wartete. Auf ihn. Sie kannte das. Er schickte sie immer hier herunter, wenn sie Mist gemacht hatte. Angst. Die Angst lähmte sie. Nicht einmal im Traum wäre sie auf die Idee gekommen, davonzulaufen. Die Tür war nicht verschlossen. Oder aus dem Fenster nach Hilfe zu rufen. Sie hätte es einfach öffnen können. Aber sie war hier, weil er es gesagt hatte. Dagegen gab es keinen Widerspruch. Das hätte alles noch schlimmer gemacht.

Es tropfte, wieder sprang die Heizung an. Susi zählte die Sekunden, bis sie wieder ausging. 22 und dann wieder 148, bis sie erneut in Betrieb ging. An und aus und an und aus. Sie malte mit der Schuhspitze Muster auf den Boden, die man nicht sah. Er würde sie vielleicht auch nicht so schnell sehen, wenn er kam. Sie stand ganz hinten in der Ecke. Noch hinter der Heizung im Dunklen. Da fühlte sie sich sicherer.

Früher war er immer lieb gewesen. Oft hatte er mit ihr Indianer gespielt oder sie waren angeln gegangen. Am Mittellandkanal oder am Steinhuder Meer. Einmal hatten sie der Großmutter einen Aal ins Bett gelegt. Das war vorbei. Sie war kein Kind mehr. Erwachsen auch nicht. Aber auch er war anders geworden.

Die Heizung sprang wieder an. Es tropfte monoton. Sie wusste nicht, wie lange sie hier schon stand. Vielleicht hatte er sie vergessen. Der Hoffnungsschimmer war klein, denn er hatte sie noch nie vergessen. Es dauerte immer eine Ewigkeit, bis er endlich kam.

Dann war sie fast erleichtert, wenn sie ihre Strafe bekam. Hinterher konnte wieder alles gut werden. Wenigstens mit Vater. Mutter würde bestimmt wieder eine Woche nicht mit ihr sprechen. Das kam, weil sie faul gewesen war. In der Schule. Und weil sie die schlechte Note auch noch verheimlicht hatte. Ein paar Tage länger Ruhe vor dem Sturm, ein paar Tage länger mit Mutter sprechen. Ihr eisiges Schweigen war nicht zu ertragen. Für jemanden, der zwölf war und der so viel im Kopf hatte, der so viel denken musste. Doch das verstand keiner. Einmal hatte sich Mutter sogar eingeschlossen. Damit Susi nicht zu ihr ins Wohnzimmer konnte.

Das war der Tag gewesen, an dem sie überlegt hatte, ob eine Nagelschere lang genug war, um das Herz zu treffen. Sie hatte es nicht versucht. Das Leben war irgendwie weitergegangen.

Mittlerweile hatte es zu dämmern begonnen. Bloß kein Licht machen. Auch wenn ihr das Tropfen jetzt lauter vorkam und die Heizung bereits zum vierundfünfzigsten Mal ansprang.

Plötzlich hörte sie sie. Die Schritte auf der Kellertreppe. Er kam. Sie drückte sich noch tiefer in die Ecke. Wusste, dass er nun die Weidenrute von der Wand nahm. Die Tür ging auf.

„Susi, komm her. Du weißt, dass du faul warst und gelogen hast. Jetzt musst du auch die Folgen ertragen. Mutter möchte, dass dir das eine Lehre ist.“

Mit diesen Worten zog er sie aus der Ecke. Sie sträubte sich nicht. Wusste, dass es sowieso keinen Sinn hatte. Er schob ihr den Nickipullover hoch. Sie duckte sich, als der erste Hieb ihren Rücken traf.

Der Schmerz, vor dem sie solche Angst gehabt hatte, war nun da. Das Warten hatte endlich ein Ende. Wie eine Erlösung war das. Tapfer hielt sie aus. Kein Ton kam aus ihrem Mund. Irgendwann ließ er von ihr ab und ging wortlos aus dem Heizungskeller.

Da stand sie. Zog den Pulli wieder herunter und schlich aus der Tür. Damit niemand sie sah. Vorsichtig die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Erst dort kamen die Tränen. Als sie auf ihrem Bett lag. Die Eltern hatten ja recht. Das wusste sie.

Sabines Verhängnis

Im Weheweg hielt Hildebrandt an. Die Beamten waren noch nicht da. Er bückte sich in den Fußraum hinunter und noch ehe Sabine Schreiber überhaupt begriff, was los war, raubte ihr das Chloroform ihre Willenskraft.

Sofort gab der Unbekannte Gas und verließ über den Jägerweg den Bereich, in dem gleich die Polizei auftauchen würde.

Er fuhr direkt mit ihr zur Kellertür an die Rückseite seines Hauses. Zum Glück war sie nicht so schwer wie Benno. Und noch bevor sie wieder erwachte, legte er ihr eine Infusion und versetzte sie in Narkose. Jetzt musste es schnell gehen. Er legte ihr noch die Platte des Elektrokauters unter das Gesäß und setzte zum Bauchschnitt an. Vorsichtig präparierte er sich durch die einzelnen Hautschichten und das Bauchfell, an Muskeln und Gefäßen vorbei, bis zur Gebärmutter und den Eierstöcken. Wiederholt musste er Blutungen mit dem Elektrokauter stoppen und die Gefäße mit Hitze verschweißen. Das stank, wie neulich, als er Bennos Haare vom Körper gebrannt hatte. Bei Sabine hatte er sich kurzerhand zum Rasieren entschlossen. Erst mal das Nötigste. Nach mehreren Nähten im Bauchraum gab es keine Blutungen mehr. Er konnte Sabine wieder zumachen. Es wurde auch Zeit, denn ihr Blutdruck fiel etwas ab.

Da lagen sie nun vor ihm. Sabines Organe, ihr Frausein in einer Nierenschale.

Ursprünglich wollte er ihr noch die Brüste entfernen. Das musste später passieren, wenn sie wieder stabiler war. Kurz bevor sie aufwachte, rasierte er sie noch gründlich – auch unter den Armen – und deckte sie zu.

Mit einem Hustenanfall wachte Sabine Schreiber auf und schaute verwundert in die OP-Lampe.

„Sie hatten einen Unfall“, sagte der Arzt leise mit verstellter Stimme. Sie konnte ihn kaum erkennen, da er Mundschutz und Haube trug.

„Um Himmels willen, was ist passiert?“, rief Sabine erschrocken. Sie konnte sich an nichts erinnern.

„Keine Angst, Sie werden es überleben. Wir haben Sie mit einer Notoperation gerettet. Und nun schlafen Sie erst mal ein bisschen.“

Über den venösen Zugang spritzte er ihr Fortral und Sabine schlief wieder ein.

Pfarrer Martins Vermutung

Kruse und Hetzer mussten warten, bis Pfarrer Martin endlich Zeit für sie hatte. Sie hätten auch nicht gewollt, dass er seine Bibellesestunde unterbrach. Nach und nach verabschiedeten sich die Frauen von ihm und wünschten ihm einen schönen Abend.

„Bitte kommen Sie in mein Büro, meine Herren“, sagte er und bot ihnen einen Platz in der Sitzecke an.

„Wir kommen heute mit einer etwas delikaten Frage zu Ihnen.“

„Nur raus damit, mir ist nichts Menschliches fremd, glauben Sie mir. Ich denke, es gibt fast nichts, was ich noch nicht gehört habe, beziehungsweise nichts, mit dem ich mich noch nicht auseinandersetzen musste, ob ich wollte oder nicht.“

„Dann wird das, was wir fragen wollen, vermutlich demnächst dazugehören. Was wissen Sie über das private Leben von Josef Fraas? Vor allem in Hinblick auf die Beziehungen zu den Menschen, von denen er umgeben war.“

„Darüber weiß ich wenig. Da ist mir wenig bekannt. Vermuten Sie, dass der Täter ein Bekannter von Josef war?“

 

„Nicht unbedingt. Uns interessieren viel mehr eventuelle Beziehungen, gefühlsmäßig oder sexuell.“

„Ah, daher weht der Wind. Da brauchen Sie sich doch für Ihre Fragen nicht zu schämen. Es ist doch klar, dass – besonders in diesem Fall – eine solche Frage kommen muss, wenn jemand im Zölibat lebt. Aber ich kann Sie beruhigen. Es ist niemals auch nur der Verdacht aufgekommen, dass Pfarrer Fraas ein Verhältnis hat. Nicht einmal mit seiner Haushälterin. Oder er muss es besonders geschickt angestellt haben. Aber das wäre auch kein Grund, ihn zu ermorden, oder?“

„Haben Sie jemals davon gehört, dass er eventuell auch Männern zugeneigt gewesen sein könnte?“

„Niemals“, antwortete der Geistliche. Hetzer hatte den Eindruck, als ob er auf der Hut war.

„Hat es jemals – auch nur als Verdacht – Übergriffe auf Jugendliche oder Kinder gegeben? Ich meine, die Möglichkeiten sind hier ja groß.“

„Nein, nie. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich muss zur Chorprobe.“

Mit diesen Worten öffnete er die Tür und verabschiedete sich.

„Das war jetzt aber plötzlich, Wolf.“

„Da haben wir wohl doch eine empfindliche Stelle berührt. Was meinst du? Ich bin gespannt, ob die KTU was findet.“

„Ich nicht“, Hetzer sah Peter verständnislos an, „ich habe jetzt Feierabend. Mich interessiert das erst morgen wieder. Hast du mal auf die Uhr gesehen?“

„Oh je, schon so spät. Ich glaube, ich muss Moni jetzt mal zum Essen einladen. Wenn ich sie nicht hätte.“

„Tja, dann müsstest du etwas strukturierter leben. Würde dir auch nicht schaden.“

Peter brummelte vor sich hin und sagte kein Wort mehr, bis sie sich auf dem Hof der Wache am Hasphurtweg verabschiedeten.

Ja, die Tage sind zu lang, dachte Hetzer. Aber eins ergibt sich aus dem anderen. Es werden auch wieder ruhigere Zeiten kommen.

Moni

Als Hetzer an diesem Abend nach Hause kam, lag ein Zettel auf dem Tisch.

Darauf stand: Alle sind gefüttert, Emil ist schon im Stall, die Katerbrüder gestreichelt und mit Gaga bin ich eine Stunde im Wald gewesen. Arbeite nicht so viel. Gönn dir auch mal eine ruhige Stunde. Der Eintopf steht im Kühlschrank. Liebe Grüße, Moni

Ja, sie war wirklich ein Schatz. Er hatte nämlich heute wirklich überhaupt keine Lust, zu gar nix mehr. Kein wirkliches Wochenende, lange Abende – das forderte seinen Tribut. Nicht einmal ein Feuer wollte er noch anzünden. Einfach noch essen und dann ab ins Bett. Mehr oder weniger vorsichtig näherte er sich dem Topf im Kühlschrank. Als er das letzte Mal einen Deckel hochgehoben hatte, war ihm der Appetit vergangen. Jetzt duftete ihm ein Kohleintopf entgegen. Auf einem Teller neben dem Topf lagen vier Kohlwürstchen. Er holte sich einen Suppenteller, legte zwei von den Würstchen hinein und schöpfte den Eintopf darüber, der völlig fleischlos war. Ein Glück. Nach drei Minuten in der Mikrowelle stand der dampfende Teller vor ihm. Der Rest würde für morgen reichen. Mit dem Sattsein kam die Müdigkeit. Doch er wollte noch schnell Moni anrufen und sich bei ihr bedanken.

„Kahlert, guten Abend.“

„Hallo Moni, ich bin’s, Wolf. Ich wollte mich ganz herzlich bei dir bedanken, dass du dich so um uns alle kümmerst. Dein Eintopf war wirklich superlecker.“

„Dann bin ich ja beruhigt, du Rumtreiber. Habt ihr viel zu tun? Ich habe das mit den Morden in der Zeitung gelesen. Da dachte ich mir, du könntest ein bisschen Unterstützung gebrauchen.“

„In der Tat. Im Augenblick ist es ein bisschen viel. Aber es kommen auch wieder andere Zeiten. Ich würde dich gerne am Samstag zum Essen einladen.“

„Nun hals dir mal nicht noch zusätzliche Arbeit auf. Das ist schon alles in Ordnung so. Ich liebe doch Tiere und kochen muss ich sowieso. Du weißt doch, dass sich ein Eintopf nicht für eine Person lohnt.“ Sie lachte.

„Nein, im Ernst, Moni, ich würde mich wirklich freuen. Wir haben doch sonst kaum Zeit, uns mal in Ruhe zu unterhalten. Ich werde sonst ein Dienstkrüppel. Mir fehlt der zwischenmenschliche Austausch mit ganz normalen Leuten.“

„Also gut. Aber dann hätte ich eine Bitte.“

„Und die wäre?“

„Könntest du bitte etwas ohne Fleisch kochen? Ich bin überzeugte Vegetarierin. Ich esse sonst wirklich alles, auch Fisch, nur bitte kein Fleisch von Zwei- oder Vierbeinern.“

„Zweibeiner? Du bist lustig. Ein Kannibale bin ich sowieso nicht.“

„Nimmst du mich auf den Arm? Ich meine Geflügel.“ Moni klang etwas beleidigt.

„Nein, natürlich nicht. Ich wollte nur einen Witz machen. Ok, der war blöd. Siehst du, ich sage doch, ich werde ein Krüppel. Meine Gedanken sind schon ganz versehrt. Ich kann kaum noch normal denken. Nur Ermittlungen um mich herum.“

„Armer Wolf, übertreibst du jetzt nicht ein bisschen?“

„Vielleicht, ich will ja nur, dass du mir nicht mehr böse bist.“

„War ich doch gar nicht. Ich möchte nur ernst genommen werden. Viele Menschen haben kein Verständnis für Vegetarier. Sie betrachten uns mit einem abschätzigen Lächeln.“

„Das würde ich nie tun. Ich habe großes Verständnis dafür. Jetzt weiß ich auch, warum du mir die Würstchen auf den Teller daneben gelegt hast. Vor einiger Zeit habe ich selbst schon darüber nachgedacht, aber ich esse einfach zu gerne Fleisch. Nicht jeden Tag. Aber ab und zu. Wenn ich das aufgäbe, würde mich das in meinen Möglichkeiten einschränken. Ich koche doch so gerne mediterran.“

„Hm, glaub mir, das ist alles nur eine Frage der Gewohnheit. Du würdest dich umstellen und dir würde sich ein neues Spektrum von Möglichkeiten auftun. Man muss sich nur damit beschäftigen. Ich will hier aber kein Apostel sein. Jeder muss so leben können wie er möchte. Dazu gehört auch das Verständnis für den anderen.“

Wolf Hetzer schmunzelte. „Das hast du ja mit den Würstchen bewiesen. Vielen Dank. Ich werde mir etwas Tolles für dich einfallen lassen. Sei gespannt, Moni! Wir werden uns einen schönen Abend machen. So, und jetzt muss ich ins Bett. Mir fallen schon die Augen zu.“

„Na, dann gute Nacht, Wolf. Schlaf schön. Und mach dir keine Sorgen um deine Liebsten. Ich kümmere mich schon um sie. Mir macht das Spaß.“

„Danke, Moni. Wenn ich dich nicht hätte. Gute Nacht.“

Erleichtert legte er auf. Da hatte er gerade noch die Kurve gekriegt. Moni war so ziemlich der letzte Mensch, mit dem er es sich verscherzen wollte. Und er hatte es wirklich nicht so gemeint. Manchmal schossen diese dummen Sprüche einfach so aus ihm heraus. Er musste besonnener werden. Müde spülte er die Zahnpasta aus dem Mund, löschte das Licht und kroch unter seine Decke. Puh, es war kalt geworden. Als sich die Bettwärme ausbreitete, schlief Hetzer ein.

Sabines Erwachen

Als Sabine das nächste Mal die Augen aufschlug, war alles dunkel um sie herum und still bis auf das rhythmische Tropfen. Man hatte doch wohl nicht gedacht, dass sie tot war und sie im Krankenhaus in den Keller geschoben? In Panik wollte sie aufspringen, doch die Lederfesseln hielten sie fest.

„Hilfe!“ schrie sie. „Hilfe! So helft mir doch. Ich lebe noch.“

Schritte auf der Treppe. Ein Glück, es kam jemand.

„Na, na, na, mein Bienchen“, flüsterte eine Stimme. „Du sollst doch nicht so schreien. Hier hört dich niemand. Summ lieber ein Liedchen für mich.“

„Wer sind Sie und wo bin ich und was machen Sie mit mir?“

„So viele Fragen. Weißt du denn nicht mehr, dass du operiert worden bist? Ich musste alles entfernen. Deine Gebärmutter, deine Eierstöcke. Und gleich sind auch noch deine Brüste dran.“

Sabine gruselte es. Diese Stimme, die Worte, das Hallen in diesem Raum. Sie hatte Angst. Erst langsam kam die Erinnerung zurück.

„Hatte ich einen Unfall?“

„So ungefähr, aber das ist schon viele Jahre her. Ich beseitige jetzt nur die Spätfolgen.“

Sabine war verwirrt. Sie verstand gar nichts. Plötzlich sah sie auch nichts mehr. Noch weniger als im Dunkeln, da waren wenigstens Schemen zu erahnen gewesen. Die große OP-Lampe war wieder angegangen. Es dauerte einen Moment, bis sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten.

Das Letzte, was sie sah, bevor sie einschlief, war eine Spritze mit weißlichem Inhalt in der Hand des Arztes. Sie wollte noch „Halt“ rufen, denn sie konnte sich an keinen Unfall erinnern. Da musste eine Verwechslung vorliegen. Aber es kam nur noch das „Ha“ über ihre Lippen und der Arzt schmunzelte unter dem Mundschutz, weil es so wirkte, als lache sie über sich selbst. Und das gefiel ihm.

Da Sabine große Brüste hatte, musste er neben dem Drüsengewebe auch reichlich Haut entfernen. Darüber hätte sie glücklich sein können, denn die Schwerkraft hatte die Brust hängen lassen. Jetzt würde sie platt sein wie eine Wand. Mit ihren 58 Jahren war sie ansonsten noch ganz gut in Schuss. Im Zuge der Brustplastik setzte er auch die Brustwarzen wieder ein. In ihnen würde sie aber kein Gefühl mehr haben. So viel Zeit blieb ihr nicht. Zu guter Letzt durchtrennte er noch ihre Stimmbänder. Das war besser. Verhinderte ungewollte Schreie. Sie hatte sowieso nichts mehr zu sagen, jetzt, wo sie in seiner Hand war.

Als Sabine eine halbe Stunde nach der zweiten Operation mit Schmerzen wieder zu sich kam, war es dämmerig im Raum. Irgendwo hing eine schwache Glühbirne. Das machte nichts besser. Ohne Brille sah sie nicht viel im Halbdunkel. Diesmal war dafür die Erinnerung schnell zurückgekehrt. Sie war operiert worden, am Unterleib. Da tat es weh. Aber auch am Brustkorb. Sie bekam kaum Luft, weil sie so eng eingeschnürt war. Und weil es im Hals irgendwie eng und schmerzhaft war.

Sie tastete um sich herum und fühlte ein Metallgitter. Jetzt sah sie auch, dass sie in einem Käfig lag. Ach, wenn der Hals doch nicht so weh täte beim Atmen. Sie wusste nicht, was schlimmer war. Ihre Angst, weil sie gefangen war oder die, dass sie plötzlich keine Luft mehr bekam. Vorsichtig befühlte sie ihren Oberkörper. Ihre Brüste. Wo waren ihre Brüste? Da war nichts mehr, nur zwei Flaschen hingen an ihr. Sie würgte, denn die waren mit Blut gefüllt. Mit ihrem eigenen Blut. Sie kannte solche Flaschen. Man bekam sie nach schweren Operationen, damit sich kein Blut in der Wunde sammelte. Eine Drainage. Es lief dann in die Flaschen. Hatte sie schon gerufen? Sie wusste es nicht mehr. Sie konnte es ja noch mal probieren. Doch so sehr sie sich auch anstrengte, es kam nichts, und das Atmen wurde schlechter. Als ob etwas ihre Kehle zuschnürte. Sie legte sich auf das Fell, das den Käfigboden bedeckte und weinte. Aber auch das Weinen führte nur dazu, dass sich die Panik beim Luftholen noch steigerte.

Endlich hörte sie Schritte.

Mit aller Kraft, die ihr zur Verfügung stand, schlug sie mit den Händen gegen das Käfiggitter und musste bald wieder aufgeben, denn die Schmerzen in ihrer Brust waren unglaublich groß.

Sie war wund. Fühlte sich, als ob sie von oben bis unten nur aus rohem Fleisch bestand. Und die Schritte näherten sich.

„Na, Bienchen, bist du flügellahm? Das macht nichts. Steigst sowieso bald auf ins Himmelreich. Da bekommst du neue Flügel.“

Sabine wollte schreien. Vor Angst, vor Panik, vor Entsetzen. Und sie wollte endlich richtig Luft holen. Atemnot. Schmerz. Todesangst. In ihren Augen begannen die Äderchen zu platzen.

„Nun mal sachte, Bienchen. Du nimmst mir noch die Arbeit weg, wenn du so weitermachst. Ersticken ist kein schöner Tod.“

Sabine japste nach Luft. Verdrehte die Augen und wurde bewusstlos.

Vorsichtig öffnete er die Käfigtür. Der Zugang zu Sabines Vene lag noch. Ihr Atem ging flach. Er spritzte ihr Kortison und ein Beruhigungsmittel. Dann schloss er die Käfigtür wieder ab und ging nach oben. Er musste sich umziehen.

To koniec darmowego fragmentu. Czy chcesz czytać dalej?