Natascha

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Was hatte ich da nur wieder getan, war das alles richtig?

Ich spürte plötzlich eine Welle der Kraft in mir aufsteigen,

Necesse est. Es ist, wie es ist, unausweichlich.

Fast war mir, als hörte ich Ansgars Stimme in meinem Kopf, aber es war meine eigene, sie klang neu, voller Macht, Kraft und …Wissen.

Ich riss meine Augen weit auf, sollte Ansgars Blut in mir mich so verändert haben? War es nur das oder…?

Unruhig stand ich auf und ging in Joshs Badezimmer. Nur zögernd näherte ich mich dem Spiegel. Ich hatte ein bisschen Angst davor, was ich dort zu sehen bekam.

Dann erblickte ich mein Spiegelbild, sah mein schmales Gesicht, mit den hohen Wangenknochen, die langen schwarzen Haare, die meinen Kopf wie einen Mantel umhüllten. Meinen Mund, mit den vollen Lippen, die in meinem weißen Gesicht viel zu rot erschienen.

Erst dann hatte ich genug Mut gesammelt, um in meine Augen zu sehen. Ich schnappte nach Luft, mein Kiefer klappte nach unten, mein Mund blieb mir vor Erstaunen offen stehen.

Die desperatio, die Verzweiflung war aus meinen Augen gewichen, da hatte Ansgar recht.

Allerdings hatte er mir verschwiegen, dass sie sich dennoch verändert hatten.

Zuerst sah ich das kleine Feuer in den Pupillen lodern, es flackerte kurz. Die Farbe war dieselbe geblieben, nur dass sie sich jetzt bewegte, zähfließend im Kreis drehte, wie Lava, die träge dahin floss. Das Braun wurde begrenzt von einem schmalen, glutroten Ring, der leicht pulsierte.

Es war, als starrten mich Ansgars Augen aus dem Spiegel an. Aber sie sahen nicht genauso aus, irgendetwas war anders an meinen Augen. Ich überlegte, ich grübelte, aber ich kam nicht dahinter, während ich weiterhin in mein Spiegelbild starrte.

Deine Augen sind weicher, hörte ich Ansgars Stimme in meinem Kopf. Sie haben noch nicht so viel Leid gesehen, jede Menge Unschuldige getötet und noch nicht so viele Kriege angeführt.

Plötzlich stand er hinter mir, umarmte mich und legte sein Kinn auf meine Schulter. Und das ist auch gut so. Er blickte mich im Spiegel an und lächelte.

Das sind die Augen der necessitudo, er küsste mich auf den Hals. Der engen Verbundenheit.

Ich drehte mich um und schlang meine Arme um ihn.

»Sie gefallen mir, ich möchte gerne, dass es so bleibt«, flüsterte ich an seine Brust gelehnt.

»In perpetuum«, er nahm mein Gesicht in beide Hände und sah mich an. Der begrenzende Ring pulsierte ein paar Mal.

»Auf immer, auf ewig«, sagte er leise, dann umarmte er mich heftig, in meinem Kopf hörte ich ihn seufzen.

Wir saßen alle drei in Joshs Hinterhof und unterhielten uns über die bevorstehende Jagd auf Justin und Dennis.

Meine veränderten Augen hatte Josh mit einem Stirnrunzeln und einem grimmigen Blick auf Ansgar quittiert. Dann war das Thema vom Tisch.

»Wir müssen auf jeden Fall zusehen, dass sie dich nicht so weit von uns weg locken können.« Sagte Josh gerade, ich hörte kaum zu, konnte mich nicht richtig konzentrieren, ich hatte irrsinnigen Durst. Wollte aber keine Konserve, da ich befürchtete, sonst nicht hungrig genug auf meine Beute zu sein.

Erstmals, seit langem, meldete sich mein inneres Monster wieder, es kreischte und jaulte.

Bis hierhin hatte ich es gut in Schach gehalten, da ich es immer schneller mit Blut ruhig stellte, bevor es überhaupt schreien konnte.

»Zu nah darf es aber auch nicht sein, sonst haben sie euch entdeckt. Vergiss nicht, sie sind nicht dumm.« Ansgars Stimme drang kaum zu mir durch. Ich starrte vor mich auf den Tisch und lauschte dem Monster, wie es brüllte, schrie und nach Blut verlangte.

Josh stand auf und hob Ansgars leeres Glas an.

»Auch noch was?«, ich hörte keine Antwort, achtete aber auch kaum auf die Beiden.

Plötzlich war Ansgars Stimme wieder in meinem Kopf, er übertönte das Monster, das Knurren und Kreischen wurde schlagartig leiser.

Du bist, wer du bist, Ich werde immer bei dir sein, egal was geschieht, vergiss das niemals!

Sofort wurde das Monster wieder laut und erfüllte meinen ganzen Körper mit seinem Geschrei. Ich starre weiter vor mich hin, unfähig eine Antwort zu geben.

»Es ist bald soweit«, Josh kam mit neuen Gläsern wieder und setzte sich hin.

»Alles in Ordnung?« Die Frage war an mich gerichtet. Ich sah ihn flüchtig an. »Ja, ja alles klar.« Dann starrte ich weiter vor mich hin.

Plötzlich war er da, wie aus dem Nichts war er aufgetaucht, dieser Geruch, dieser herrliche Duft, der nur darauf wartete, sich mit mir zu vereinigen. Josh hatte Recht, diese Beute konnte ich einfach nicht ziehen lassen. Es würde mich innerlich zerreißen. Mein Monster würde mich auffressen, wenn ich darauf verzichten würde.

Mein Mund zog sich schmerzhaft zusammen, ich blickte auf und spürte, wie meine Zähne wuchsen

Wie mochten jetzt meine Augen aussehen?

Ansgar sah mich an, lächelte, für eine Sekunde wurden seine Augen zu roter Lava, der begrenzende Ring wuchs an, verdrängte das Feuer und drehte sich im Kreis, dann waren seine Augen wieder wie vorher.

Ich lächelte zurück, meine Frage war beantwortet.

Langsam stand ich auf und ging über die angrenzenden Hinterhöfe der Nachbarn in Richtung Straße.

Dem Duft hinterher.

Ich wurde wieder zu einem Raubtier, wenn auch meine Augen verändert waren, meine Instinkte waren nach wie vor die Gleichen. Ich wollte nur noch ihr Blut, mich mit dem Duft vereinen, ihn aufsaugen, mein Monster in mir ruhig stellen.

Langsam ging ich durch die dunklen, menschenleeren Straßen. Immer wieder hielt ich meine Nase kurz in den Wind, ich war noch auf der richtigen Spur. Weit konnte es nicht mehr sein.

Du bist, wer du bist, Ich werde immer bei dir sein, egal was geschieht, vergiss das niemals!

War das wirklich Ansgars Stimme in meinem Kopf, oder erinnerte ich mich nur daran, was er zu mir sagte?

Noch nicht mal mein Raubtierinstinkt war stärker als seine Stimme. Selbst wenn ich an nichts anderes mehr denken konnte, als an den Duft vor mir, hörte ich ihn immer noch in mir.

Wie war das noch? Die Augen der engen Verbundenheit?

Ja, das traf es. Ich werde immer bei dir sein, hatte er gesagt, egal, was geschieht. Egal, was geschieht, die Worte verdoppelten sich in meinem Kopf, wie ein Echo hörte ich sie immer wieder. Egal, was geschieht? Was soll denn schon geschehen…

Mittlerweile blieb ich stehen, damit ich besser nachdenken konnte. Dann ruckte mein Kopf hoch, was machte ich hier? Ich hatte eine Aufgabe, ich musste diesem verdammten Geruch hinterher, ich musste den Köder spielen, damit zwei Monstern Gerechtigkeit wiederfuhr.

Du bist, wer du bist, hatte er auch noch gesagt, und er hatte völlig recht damit, ich bin wer ich bin und ich bin ein Raubtier.

Ich zog die Nachtluft in meine Nase und ging weiter, ihrem Geruch hinterher.

Plötzlich war ich so dicht an ihr dran, dass ich sie auch sehen konnte. Sie war genau vor mir, was sollte das nur? Warum ging meine Beute nicht weiter, wollten sie mich hier überraschen? Ich sah mich um, ich war beinahe am Fluss angekommen. Nur noch durch eine schmale Gasse, dann konnte ich den Fluss sehen, wie er träge in der Dunkelheit dahin floss. Hier war nichts, was sich für einen Überraschungsangriff lohnte.

Die Kleine ging in die schmale Gasse hinein. Nochmals zog ich die Luft in meine Nase und suchte diesmal auch nach Vampirgeruch.

Ich bemerkte keinen, auch nicht den feinen Geruch von Justin, der noch in meiner Erinnerung haften geblieben war. Vielleicht roch er aber jetzt auch anders, die Zeit veränderte einen, wer wusste das besser als ich.

Ich folgte dem Mädchen in die Gasse, sie war am Ende angekommen und bog gerade nach links ab. Langsam und vorsichtig schlich ich hinterher.

Plötzlich schienen die Häuser, rechts und links neben mir, zu brennen, ich hörte ein Geräusch, ein Fauchen, ein Zischen, dann kamen die Flammen. Nur ein paar Meter vor mir prallte ein Strahl aus, wie mir schien, flüssigem Feuer auf dem Boden auf. Ich starrte in die Flammen. Dann kam der Geruch, ein Gemisch aus Diesel, Kerosin und Propan Gas Das ist ein Flammenwerfer, schoss es mir durch den Kopf. Dann sprang ich hoch, stützte mich mit den Füßen an der Hauswand ab und entging dem sich bewegenden Flammenstrahl nur um Haaresbreite. Ich wollte raus aus dieser engen Gasse, das war ein Hinterhalt, ich saß in der Falle, wie eine Maus.

Ich lief in die entgegengesetzte Richtung, aber schon zischte ein weiterer Feuerstrahl knapp vor mir auf den Boden, sie hatten mich in die Zange genommen. Der Strahl bewegte sich auf mich zu, abermals drehte ich mich um und sah den nächsten Feuerstoß. Das gibt es doch nicht, dachte ich, sie haben mich erwischt, sie wollen mich brennen sehen. Wie kam ich hier nur wieder raus? Ich spürte eine leichte Panik in mir hoch steigen, jetzt nur ganz ruhig bleiben, dachte ich. Ich machte die Augen zu und zog in meine Lungen die verbrannte Luft ein. Dann ducke ich mich schnell, nur knapp über mir schoss ein Feuerstrahl vorbei, der hätte mich erwischt.

Durch das zischende Geräusch, das die Flammenwerfer verursachten, hörte ich ein wütendes Knurren, das war Justin, ich hatte ihn erkannt.

»JUSTIN!«, brüllte ich zu den Dächern der Häuser, »zeig dich! Oder bist du zu feige, Auge in Auge gegen mich zu kämpfen?« Ich hängte noch ein hämisches Lachen hintendran und wunderte mich im Stillen über mich selber.

Ich bekam keine Antwort von ihm, jedenfalls keine mit Wörtern, seine Erwiderung bestand aus einem weiteren Feuerstrahl. Ich drehte mich noch weg, aber die Flammen trafen mich mitten auf den Rücken. Ein höllischer Schmerz durchzuckte mich, ich warf mich gegen die Hauswand um die Flammen zu ersticken, ich konnte mein verbranntes Fleisch riechen.

 

»Na, wie gefällt dir das Feuer?« Justins Stimme war beißend und von einem Knurren untermalt. Ich wusste genau, worauf er anspielte.

Erneut zwei Feuerstrahle, einer kam von rechts, einer von links, dazwischen stand ich. Sie kamen schnell und glühendheiß auf mich zu. Ich blickte mich nach einem Fluchtweg um, aber ich sah keinen. Der Strahl war jetzt breiter, nahm fast die gesamte Gasse ein, von Hauswand zu Hauswand.

Ich wusste nicht wo ich hin sollte.

Die Flammenwände kamen erbarmungslos auf mich zu, ich schloss die Augen, legte meinen Kopf in den Nacken, breitete die Arme aus, so gut es ging und atmete die heiße, rauchgeschwängerte Luft ein. Ich werde immer bei dir sein, egal was geschieht.

Ja, genau, egal was geschieht…

Ich lief los, auf die Flammenwand zu, kurz davor hob ich vom Boden ab und sprang kopfüber durch das Feuer. Ich fühlte, wie die Hitze mir die Haut verbrannte, spürte die Schmerzen, überall an meinem Körper. In meinen Ohren hörte ich das Rauschen und Fauchen des Feuers. Dann war ich durch. Ich machte einen Salto, stand wieder auf den Füßen und rannte los, lief wie eine Verrückte in Richtung Fluss. Die Flammen waren auf mir, ich spürte, wie sie versuchten durch mich durchzudringen, mein Fleisch verbrennen wollten.

Dann war nur noch Kühle um mich herum, ich hatte das rettende Wasser erreicht und mich in den Fluss gestürzt.

Das kalte Wasser hatte das Feuer auf mir gelöscht und kühlte meine Wunden. Ich ließ mich tiefer hinab gleiten.

Ich konnte nicht ertrinken, aber ich war zu schwach um an die Oberfläche zu gelangen. Das Feuer hatte mich stark geschwächt. Meine Füße trafen auf den Grund, ich ließ mich im Schneidersitz darauf nieder, die Hände lagen locker auf den Knien und dachte nach. Das war wirklich clever gemacht, mich in der Gasse zu überfallen.

Mit Flammenwerfer hatte ich niemals gerechnet, Josh wahrscheinlich auch nicht. In meinem Kopf hörte ich noch Justins enttäuschtes Knurren, als er mich nicht erwischte. Und wie seine Stimme klang, mit diesem grenzenlosen Hass darin. Feuer, wirklich clever von ihm.

Ich musste hier raus, raus aus dem Wasser, ich musste etwas trinken, wieder zu Kräften kommen. Langsam bewegte ich mich zurück an die Oberfläche, zwischendurch legte ich eine Pause ein, ließ mich einfach treiben.

Das Wasser trug keine Gerüche, ich roch die Welt außerhalb nicht, man konnte mich im Wasser aber auch nicht riechen. Das war mein Glück.

Als ich kurz vor der Wasseroberfläche war, bemerkte ich, dass am Ufer jemand aufgeregt auf und ab rannte. Ich hielt mich an der Kaimauer fest und bewegte mich nicht mehr. Ich lauschte, die Geräusche drangen durch das Wasser zu mir durch, es hörte sich nur so an, als hatte ich mir die Ohren voller Watte gestopft. Aber ich konnte hören, dass es Justin und Dennis waren, sie suchten nach mir.

»Ich habe genau gesehen, dass sie hier rein gesprungen ist«, hörte ich gerade Justins knurrende Stimme.

»Ich auch«, antwortete ihm Dennis, »wo kann sie nur sein, ich kann sie nicht riechen.«

»Das du sie aber auch nicht erwischt hast«, regte sich Justin auf, »sie war genau vor dir, wie konntest du sie nur verfehlen?«

Ein ungeheures Knurren von Dennis. »Du warst auch nicht besser, also halt deine Klappe.«

Das Heulen eines Hundes in einiger Entfernung war zu hören.

»Verdammt«, zischte Dennis, »wir müssen weg hier.«

»TASCHA!« Justins laute Stimme hallte über den dunklen Fluss, »ich werde dich erwischen und dann töte ich dich!«

Ich schloss unter Wasser meine Augen, ja, das glaube ich dir unbesehen, du wirst mich töten, wenn ich dir nicht zuvorkomme. Ich fühlte mich nicht stark genug, sonst wäre ich aus dem Wasser gesprungen und hätte mich dem Kampf gestellt.

Ich hörte sie weg rennen. Kurz darauf erneut das Geräusch von schnellen Füßen, ich blieb lieber unter der Oberfläche, wer weiß, vielleicht waren das ihre Gefolgsleute.

Unerwartet schoss eine Hand ins Wasser, genau vor meinem Gesicht. Sie packte mich und zog mich, mit einer ungeheuren Kraft, aus dem Wasser.

Das Erste was ich sah, waren rote, glühende Augen aus Lava. Das Nächste war Ansgars Gesicht und wie er mich angrinste. Er hielt mich am ausgestreckten Arm fest.

»Du siehst aus, wie ein nasses Kätzchen«, dann zog er mich an seine Brust und umarmte mich. Augenblicklich fühlte ich mich wohler, sicherer.

Ich bin immer bei dir, egal, was geschieht, schoss mir durch den Kopf.

Das war mein ernst, hörte ich ihn in meinen Gedanken brummen.

»Komm, ich bringe dich erst mal nach Hause, ich meine zu Josh.« Er trug mich wie ein kleines Kind auf seinen Armen. Ich versuchte mich zu konzentrieren, damit meine Wunden schneller heilten. Aber die Verletzungen waren schwer, es würde seine Zeit brauchen. Ohne frisches Menschenblut noch länger.

Willst du was trinken? Hörte ich ihn abermals.

Ja, schickte ich ihm zurück, dringend.

Er stellte mich erneut auf die Füße und drückte mich leicht gegen die Hausmauer. Wir waren nicht weit entfernt von der Gasse, in der eben noch Justin und Dennis feuerschwingend über mich herfielen.

Ansgar legte seinen Finger über den Mund und sagte in meinem Kopf: Sei leise!

Ich nickte.

Dann hörte ich die Schritte, leicht und zögernd waren sie, genau neben uns kam sie heraus.

Sie wollte sich wohl verdrücken, nachdem alle anderen weg waren.

Ansgar stürzte mit solch einer Schnelligkeit auf sie, dass sie erst einen Schrei ausstieß, als er sie bereits von hinten packte. Seinen Arm um ihre Mitte und über ihren Mund gelegt, kam aber nur noch ein »Hmpf«, heraus.

Er blickte sich kurz um und kam näher zu mir.

Er bog der Kleinen den Kopf nach hinten und legte somit ihren Hals vor mir frei.

Schaffst du es alleine? Seine Stimme klang wirklich besorgt. Ich beugte mich etwas nach vorne und zog den Geruch ein, den das Mädchen verströmte. Sofort war mein Monster wach und schrie mich an. Mein Mund zog sich schmerzlich zusammen und meine Zähne waren plötzlich lang und spitz. Ich sah Ansgar an und musste grinsen, ich denke schon, schickte ich ihm in Gedanken. Dann sah ich, wie sich seine Augen veränderten, wie der Ring anwuchs und das Feuer erstickte, träge im Kreis floss, wie glühende Lava. Er grinste zurück.

Ich schlug meine Zähne in den Hals des Mädchens, sie zuckte nur kurz, zu mehr war sie gar nicht fähig, in Ansgars stahlharter Umklammerung. Ich saugte das köstliche Blut in mich ein, Wärme breitete sich in meinem Körper aus und ich spürte, wie meine Selbstheilungskräfte sofort anfingen, meine Wunden zu verschließen.

Dann hörte ich auf und blickte zu Ansgar. Willst du auch? Fragte ich ihn in Gedanken. Er sah mich ein bisschen erstaunt an, lächelte flüchtig und verbiss sich in ihren Hals.

Mittlerweile war die Kleine ohnmächtig, aber nicht tot, ich hörte noch ihr Blut rauschen.

Ich beobachtete Ansgar, wie er das Mädchen aussaugte. Ich wagte kaum daran zu denken, aber das war das erste Mal das ich eine Beute mit jemandem teilte, überhaupt bereit war zu teilen. Ich war ein wenig erstaunt über mich selbst. Ansgar ließ von ihr ab, legte mit geschlossenen Augen seinen Kopf in den Nacken.

»Ah-h«, hörte ich aus seinem weit aufgerissenen Mund. Ihr Blut lief noch an seinen Zähnen herunter. Ich stürzte mich noch einmal auf den Hals des Mädchens und saugte den Rest aus ihr heraus. Erst als sie leer war, ließ ich von ihr ab. Mit geschlossenen Augen stand ich da und lehnte mich gegen sie und Ansgar. Er packte sanft meinen Nacken und küsste mich auf den Mund, ich schlang die Arme um seinen Hals. Die Tote war noch zwischen uns, er ließ sie einfach fallen und zog mich näher zu sich heran. Ich konnte ihr Blut noch in seinem Mund schmecken und zusammen mit seinem köstlichen Geruch ergab das Ganze ein Zusammenspiel, das mir fast die Sinne und meinen Verstand raubte. Als sich unsere Lippen voneinander lösten, lehnte ich mich schwer atmend an seine Schulter.

»Wow, das sollten wir öfter machen«, keuchte ich, »das war …einzigartig.«

»Mehr als das«, er lächelte mich an, »das war teuflisch. Einer Wiederholung bin auch ich nicht abgeneigt. Aber jetzt bringe ich dich erst mal zu Bett.«

Seinen Arm schützend um meine Schulter gelegt führte er mich schweigend zu Joshs Buchladen.

In dem Gästebett berührte mein Kopf kaum das weiche Kissen, da trug mich die rote Wolke auch schon davon. Vollkommen hilflos ergab ich mich ihr und ließ mich wegtragen, einhüllen und in den Strudel hinab ziehen, tiefer, als ich es je für möglich hielt, tiefer als es je nötig gewesen war.

Ab und an bemerkte ich einen kurzen Schmerz, wenn die Selbstheilungskräfte erneut eine Wunde verschlossen.

Nach Stunden, wie es mir schien, hörte ich Vogelgezwitscher. Durch die roten Nebelschwaden drangen Geräusche zu mir durch. Stimmengemurmel, das immer deutlicher wurde. Ich hörte genauer hin.

Joshs Stimme, sie klang besorgt.

»Wie geht es ihr?«

»Es wird schon wieder, es dauert seine Zeit.« Ansgars Stimme war sanft. Dann sein Flüstern: »Habt ihr sie erwischt?«

»Nein«, ich konnte förmlich hören, wie er zerknirscht zu Boden blickte, »sie sind uns in letzter Sekunde entwischt. Aber, keine Sorge, beim nächsten Mal werden wir sie erwischen, dafür garantiere ich.«

Ansgars Stimme, zu einem heiseren Flüstern herab gesenkt, wurde schärfer.

»Es wird kein nächstes Mal geben. Nie wieder lasse ich die Beiden so nahe an sie heran. Das war ein Fehler, das überhaupt zuzulassen.«

Seine Stimme klang wütend, »und ich mache für gewöhnlich keine Fehler.«

»Niemals?«, fragte Josh eindringlich.

Ansgar stockte kurz.

»Das hier ist was anderes.«

»Amicitiam sequi, …Ansgar«, auch Josh hörte sich wütend an.

»Ich habe mich an den Freundschaftsbund gehalten, verdammt, sie war nicht deine concubina, auch wenn du es dir noch so sehr gewünscht hast.«

Der ganze Raum war plötzlich erfüllt mit drohendem Knurren.

Erschrocken riss ich meine Augen auf, beide standen sich gegenüber, den Oberkörper leicht nach vorne gebeugt. Ihre Zähne blitzten, Joshs Augen waren zu Raubtieraugen geworden und starrten Ansgar böse an. Bei ihm floss die rote Lava und zog träge ihre Kreise, nur unterbrochen von kurzen, wütenden Feuerstößen.

Ich verspürte ein bisschen Angst, aber auch Freude darüber, dass ich zwei so gute Freunde hatte.

»Werden noch Wetten angenommen?«, meine Stimme klang amüsiert, ich fand das Ganze mittlerweile ziemlich komisch.

Verständnislose Blicke erntete ich, Josh schüttelte mit dem Kopf, Ansgar lag schon neben mir, strich mir die Haare aus der Stirn und flüsterte: »Wie geht es dir, meine süße mellila? Ich habe mir Sorgen gemacht.«

In meinem Kopf hörte ich ihn auch, nahezu gleichzeitig, ich musste mich sehr konzentrieren um beide zu verstehen.

Schreckliche Sorgen.

»Du warst halb tot«

Selbst das Blut schien dich nicht zu heilen.

»Ich hatte Angst…«

Angst, dass ich dich in dem Wasser nicht finde,

»…dass ich zu spät komme.«

Ich legte ihm rasch die Finger über den Mund, beide Stimmen waren still.

»Bitte, nicht alle beide gleichzeitig, das halte ich noch nicht aus.« Ansgar lächelte mich an. »In Ordnung, ich hol dir noch etwas zu trinken.«

»Okay«, ich ließ mich wieder auf das Kissen sinken. Josh stand noch in dem kleinen Zimmer, seine Augen und Zähne waren wieder normal, er sah mich erleichtert an.

»Geht’s wieder?« Ein kleines Lächeln erschien in seinem Gesicht.

»Ja, Josh. Danke … für alles.«

Er hob die Hand. »Schon gut. Aber sag mal, was genau ist denn jetzt eigentlich in der Gasse geschehen?«

»Justin und Dennis haben mich mit Flammenwerfern angegriffen, die Gasse war einfach zu eng, ich konnte nirgends hin, nur durch das Feuer hindurch. Ich bin wie eine Fackel zum Fluss gerannt und habe mich im Wasser versteckt. Dann seid ihr gekommen, schätze ich, denn erst haben die beiden mich am Flussufer gesucht, dann sind sie weg gerannt.«

Ich sah Josh an. »Habt ihr sie noch weit verfolgt?«

 

»Noch stundenlang«, er lachte kurz, »meine Süße, wir haben schon Vormittag, du hast dich lange ausgeruht.«

Er legte flüchtig die Stirn in Falten, »aber Ansgar hat recht, das war das letzte Mal, es ist einfach zu gefährlich.«

»Ansgar«, murmelte ich, »wo bleibt er eigentlich?«

»Ich muss mich noch bei dir entschuldigen, Natascha«,

Ich sah ihn fragend an.

»Ich habe dir vorgeworfen, du hättest dich Ansgar an den Hals geworfen, aber, ich schätze, das mit euch ist doch was … Ernstes?«

Ich blickte nach vorne und überlegte, was Ernstes? Auf Dauer? Für Immer? Für die Ewigkeit? Ich richtete meine Augen erneut auf Josh, er zuckte kurz zurück und zog die Luft ein. Ich kümmerte mich nicht darum.

»In perpetuum, Josh. Daran glaube ich, darauf hoffe ich, das ist meine Hoffnung.«

Spem habere in amoris, Ansgars Stimme war wieder da, ich hatte ihn schon vermisst. Er kam gerade zur Tür rein und balanciert drei Gläser mit Blut in seinen Händen.

Als er mich ansah, stockte er kurz, lächelte und veränderte blitzschnell seine Augen zu diesen feurig roten Lava-Augen, in denen das Feuer immer nur kurz aufloderte.

Erst runzelte ich meine Stirn, ich verstand nicht, wieso er das gemacht hatte, dann fiel mir Josh ein und wie er eben zurück schreckte.

Meine neuen Augen hatte ich wohl noch nicht unter Kontrolle.

Ich nahm Ansgar ein Glas ab und dachte an den lateinischen Spruch von ihm: Spem habere in amoris. Ja, ich setze meine Hoffnung auf die Liebe. Du hast wie immer vollkommen recht, mein Geliebter.

Ansgar sah mich über den Rand seines Glases hinweg an, sein Blick war hungrig. Immer wieder ließ er die rote Lava in seinen Augen aufblitzen.

Inzwischen waren Monate ins Land gegangen, die Zeit verging schneller, wenn man liebt.

Ansgar und ich hatten uns eine Wohnung gemietet, damit Josh seinen Laden endlich wieder für sich allein hatte.

Es machte Spaß, mit Ansgar zusammen durch die Geschäfte zu ziehen und eine neue Einrichtung für die Wohnung zu kaufen. Wie zwei frisch Verliebte, alberten wir herum, kicherten ständig. Die Verkäufer verdrehten verärgert die Augen, blieben trotzdem noch freundlich. Nachts holten Ansgar und ich sie uns, natürlich nur die, mit dem besten Geruch.

Überhaupt, war die Jagd mit Ansgar eine völlig andere. Es faszinierte mich immer wieder aufs Neue und nur zu gerne überließ ich ihm die Führung.

Wenn ich mich schon als Raubtier betrachtete, dann war Ansgar bei der Jagd ein Hurrikan. Er überrollte seine Opfer, zielstrebig und zerstörerisch, er war so schnell, sie hörten und sahen nichts, bis er sie packte. Wir teilten uns oft die Beute, manchmal fing sich jeder selbst seine Mahlzeit, vor allem kurz vor den Wochenenden, da wir dann die meiste Zeit im Desmodus und in unserem neuen Bett verbrachten.

Unser Zusammensein endete fast immer im gegenseitigen Blutrausch. Mittlerweile hatte ich Ansgars Blut so oft getrunken, dass es mir schien, als kannte ich meinen Geliebten durch und durch.

Nur wenn wir auf die Vernichter zu sprechen kamen, umwölkte sich seine Stirn, sein Blick wurde hart und unnahbar.

In diesen Momenten hörte ich nicht mehr seine Stimme in meinem Kopf, dann war er still. Er sprach nicht mehr mit mir, als wenn seine Stimme seine Gefühle verraten konnten, als wenn er mich davor beschützen wollte, was er wirklich dachte

Josh und die Bewahrer der Nacht hatten die Jagd auf die Vernichter eröffnet, unerbittlich spürten sie einen nach dem anderen auf und töteten sie. Nur der Kopf der Bande, Justin, Dennis und ein paar wirklich hartgesottene Gefolgsleute, schlüpften immer wieder durch das engmaschige Netz der Bewahrer.

In meiner roten Wolke der Erinnerungen sah ich nur noch ganz selten Justin und seine sich verändernden Augen vor mir. Ich hatte ihn verdrängt, andere, wichtigere, schönere Dinge hatten ihn ausgeblendet. Ich konnte mich kaum noch an seine Stimme oder an seinen Geruch erinnern. Allerdings noch an jedes seiner Worte, vor allem an seine letzten zu mir. Dann sah ich ihn vor mir, wie seine Schuhspitze sich in die Erde bohrte und er mir den Staub ins Gesicht schleuderte, während ich mit gebrochenem Genick auf dem Boden lag. Dann hörte ich seine Worte: »Ich hasse dich«, voller Überzeugung und Inbrunst gesprochen, sodass ich es ihm einfach glauben musste.

Und ich hörte seine Worte, die er am Ufer des Flusses gebrüllt hatte: »Ich werde dich erwischen und dann töte ich dich!«

In diesen Momenten spürte ich, wie alles an ihm vor Hass nur so sprühte.

Am Anfang hatte ich bei jeder Jagd Angst, dass ich wieder in eine Falle tappte, sie mich doch noch erwischten.

Mit der Zeit verlor sich die Angst, man wurde unvernünftig und leichtsinnig.

Es war Ende November, der Schneefall hatte soeben aufgehört. Die ganze Stadt war wie überzuckert, es sah wunderschön aus. Ansgar und ich wollten Weihnachtseinkäufe machen, ganz wie ein richtiges menschliches Pärchen. Er wollte noch etwas erledigen und ich sollte mich um sechs Uhr abends mit ihm bei Josh treffen.

Unsere Wohnung war etwas außerhalb der Stadt, darum musste ich mit dem Auto fahren. Mittlerweile hatte ich auch meinen Mustang wieder. Ansgars Auftreten in der Werkstatt und ein Bündel Geldscheine beschleunigten die Reparatur. Wie neugeboren sah er aus, mein kleiner roter Flitzer. Aber dieses Wetter mochte ich ihm nicht zumuten, darum nahm ich den Bentley von Ansgar, außerdem war ich so seinem Geruch nahe. Immer wieder atmete ich tief den Duft ein, den der Wagen verströmte und sah Ansgars Augen vor mir. Wie der begrenzende rote Ring pulsierte, sich nicht entscheiden konnte, ob er das Feuer verdrängen sollte oder lieber doch nicht. Ob er über mich herfallen sollte, oder lieber doch nicht. Ich lächelte in mich hinein.

Vor Joshs Hexenladen war ein Parkplatz frei, ich steuerte den Bentley darauf zu, stellte das schnurrende Kätzchen ab und stieg aus. Es war kalt, vereinzelte Schneeflocken fielen noch auf die Erde. Ich stieß die Tür zu Joshs Laden auf.

Das Glöckchen über mir bimmelte in zarten Tönen, aber ich hörte es nicht, hielt nur die Tür offen, hielt mich an ihr fest.

Der Geruch traf mich wie ein Geschoss, drang in mein Innerstes und zerfetzte dort alles. Langsam ließ ich die Eingangstür los, erneut ertönte das Glöckchen, als sie ins Schloss fiel.

Es herrschte Stille in dem Raum, vollkommene Stille. Josh stand nicht hinter seinem Tresen, wie ich das gewohnt war. Er war nirgends zu sehen, oder zu riechen.

Dafür traf mich ein anderer Geruch, einen, den ich schon verdrängt hatte und am liebsten auch nie wieder gerochen hätte.

Justin war hier, und er war nicht alleine. Der pergamentartige Geruch, von vielen Vampiren hing noch in der Luft.

Was wollte er hier? Fragte ich mich, wo sind Josh und Ansgar?

Schnell durchsuchte ich den Laden und den angrenzenden Keller. Nirgends eine Spur. Als ich hinter der Theke stand und gerade überlege, was ich als nächstes tun sollte, fiel mein Blick auf einen Gegenstand, der in Joshs Laden nichts zu suchen hatte und hier auch nicht reinpasste.

Auf der Glasplatte der Theke lag eine CD.

Ich nahm sie und hielt sie mir unter die Nase. Eindeutig, Justin hatte sie in der Hand.

Rasch ging ich in den Keller und in Joshs Büro, dort stand sein Computer. Ich öffnete das CD Fach und legte die Scheibe ein. Als ich das Fach wieder schloss, merkte ich, dass meine Hände leicht zitterten. Ich ignorierte es.

Ich starrte auf den Bildschirm, wartete ungeduldig, hämmerte mit der Computermaus auf den Tisch. Dann schloss ich die Augen, um mich zu beruhigen. Das Programm ging auf, die CD startete, ich verfolgte entsetzt den Film, der über den Bildschirm flackerte.

Zuerst sah ich gar nichts, nur Dunkelheit, dann bewegte sich die Kamera, ein Licht flackerte auf, wie von einer Kerze.

Es war ein dunkler, dreckiger Raum zu sehen, die Wände waren nackt und starrten vor Dreck. Langsam fuhr die Kamera weiter nach rechts, ein schmutziges Fenster, es war noch hell, dahinter. Die Decke, der Putz bröckelte teilweise ab, die Kamera hielt kurz an, und fuhr dann langsam runter, bis sie den Boden filmte.

»Nein«, meine Stimme war nur ein Hauch, ich hob die Hand und strich mit den Fingern über den Bildschirm.