Das Sprachverständnis des Paulus im Rahmen des antiken Sprachdiskurses

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3.3 Übersetzung von De confusione linguarum § 9–15

(9) ὁ δ’ ἐγγυτέρω τἀληθοῦς προσάγων τὸν λόγον τὰ ἄλογα τῶν λογικῶν διέζευξεν, ὡς ἀνθρώποις μόνοις μαρτυρῆσαι τὸ ὁμόφωνον. ἔστι δέ, ὥς γέ φασι, καὶ τοῦτο μυθῶδες. καὶ μὴν τήν γε φωνῆς εἰς μυρίας διαλέκτων ἰδέας τομήν, ἣν καλεῖ γλώττης σύγχυσιν, ἐπὶ θεραπείᾳ λέγουσιν ἁμαρτημάτων συμβῆναι, ὡς μηκέτ’ ἀλλήλων ἀκροώμενοι κοινῇ συναδικῶσιν, ἀλλὰ τρόπον τινὰ [ἄλλοι] ἀλλήλοις κεκωφωμένοι *** κατὰ συμπράξεις ἐγχειρῶσι τοῖς αὐτοῖς.

(10) τὸ δὲ οὐκ ἐπ’ ὠφελείᾳ φαίνεται συμβῆναι· καὶ γὰρ αὖθις οὐδὲν ἧττον κατὰ ἔθνη διῳκισμένων καὶ μὴ μιᾷ διαλέκτῳ χρωμένων γῆ καὶ θάλαττα πολλάκις ἀμυθήτων κακῶν ἐπληρώθη. οὐ γὰρ αἱ φωναί, ἀλλὰ αἱ ὁμότροποι τῆς ψυχῆς πρὸς τὸ ἁμαρτάνειν ζηλώσεις τοῦ συναδικεῖν αἴτιαι·

(11) καὶ γὰρ οἱ ἐκτετμημένοι γλῶτταν νεύμασι καὶ βλέμμασι καὶ ταῖς ἄλλαις τοῦ σώματος σχέσεσι καὶ κινήσεσιν οὐχ ἧττον τῆς διὰ λόγων προφορᾶς ἃ ἂν θελήσωσιν ὑποσημαίνουσι· χωρὶς τοῦ καὶ ἔθνος ἓν πολλάκις οὐχ ὁμόφωνον μόνον ἀλλὰ καὶ ὁμόνομον καὶ ὁμοδίαιτον τοσοῦτον ἐπιβῆναι κακίας, ὥστε τοῖς ἀνθρώπων ἁπάντων ἁμαρτήμασιν ἰσοστάσια δύνασθαι πλημμελεῖν·

(12) ἀπειρίᾳ τε διαλέκτων μυρίοι πρὸς τῶν ἐπιτιθεμένων οὐ προϊδόμενοι τὸ μέλλον προκατελήφθησαν, ὡς ἔμπαλιν ἐπιστήμῃ τοὺς ἐπικρεμασθέντας ἴσχυσαν φόβους τε καὶ κινδύνους ἀπώσασθαι· ὥστε λυσιτελὲς μᾶλλον ἢ βλαβερὸν εἶναι τὴν ἐν διαλέκτοις κοινωνίαν, ἐπεὶ καὶ μέχρι νῦν οἱ καθ’ ἑκάστην χώραν, καὶ μάλιστα τῶν αὐτοχθόνων, δι’ οὐδὲν οὕτως ὡς διὰ τὸ ὁμόγλωσσον ἀπαθεῖς κακῶν διατελοῦσι.

(13) κἂν εἰ μέντοι τις ἀνὴρ πλείους ἀναμάθοι διαλέκτους, εὐδόκιμος εὐθὺς παρὰ τοῖς ἐπισταμένοις ἐστὶν ὡς ἤδη φίλιος ὤν, οὐ βραχὺ γνώρισμα κοινωνίας ἐπιφερόμενος τὴν ἐν τοῖς ὀνόμασι | συνήθειαν, ἀφ’ ἧς τὸ ἀδεὲς εἰς τὸ μηδὲν ἀνήκεστον παθεῖν ἔοικε πεπορίσθαι. τί οὖν ὡς κακῶν αἴτιον τὸ ὁμόγλωττον ἐξ ἀνθρώπων ἠφάνιζε, δέον ὡς ὠφελιμώτατον ἱδρῦσθαι;

(14) τοὺς δὴ ταῦτα συντιθέντας καὶ κακοτεχνοῦντας ἰδίᾳ μὲν διελέγξουσιν οἱ τὰς προχείρους ἀποδόσεις τῶν ἀεὶ ζητουμένων ἐκ τῆς φανερᾶς τῶν νόμων γραφῆς ἀφιλονείκως <ταμιευόμενοι>, οὐκ ἀντισοφιζόμενοί ποθεν, ἀλλ' ἑπόμενοι τῷ τῆς ἀκολουθίας εἱρμῷ προσπταίειν οὐκ ἐῶντι, ἀλλὰ κἄν, εἴ τινα ἐμποδὼν εἴη, ῥᾳδίως ἀναστέλλοντι, ὅπως αἱ τῶν λόγων διέξοδοι γίνωνται ἄπταιστοι.

(15) φαμὲν τοίνυν ἐκ τοῦ “τὴν γῆν εἶναι πᾶσαν χεῖλος ἓν καὶ φωνὴν μίαν” κακῶν ἀμυθήτων καὶ μεγάλων συμφωνίαν δηλοῦσθαι, ὅσα τε πόλεις πόλεσι καὶ ἔθνεσιν ἔθνη καὶ χώραις χῶραι ἀντεπιφέρουσι, καὶ ὅσα μὴ μόνον εἰς ἑαυτοὺς ἀλλὰ καὶ εἰς τὸ θεῖον ἀσεβοῦσιν ἄνθρωποι· καίτοι ταῦτα πληθῶν ἐστιν ἀδικήματα. σκεπτόμεθα δ' ἡμεῖς καὶ ἐφ' ἑνὸς ἀνδρὸς τὸ ἀδιεξήγητον τῶν κακῶν πλῆθος, καὶ μάλισθ' ὅταν τὴν ἀνάρμοστον καὶ ἐκμελῆ καὶ ἄμουσον ἴσχῃ συμφωνίαν.

(9) Er [Der Gesetzgeber] aber brachte die Rede näher an die Wahrheit und unterschied die sprachlosen/vernunftlosen Wesen von den sprachbegabten/vernunftbegabten Wesen, so dass er allein den Menschen die Gleichsprachigkeit zuschrieb.

Es ist aber, wie sie [die Kritiker] es jedenfalls sagen, auch diese Annahme sagenhaft/märchenhaft.

Und gewiss sagt man/heißt es [allgemeine Auffassung], dass die Auflösung der Sprache in unzählige Arten von Mundarten/Dialekten, die man Verwirrung der Sprache nennt, zur Heilung/Abschaffung der Missetaten einen Beitrag leistet, damit sie [die Menschen] nicht mehr genau aufeinander hören und dann gemeinsam Unrecht tun, sondern dass sie gewissermaßen taub füreinander sind und daher nicht mehr durch gemeinsames Handeln die gleichen Dinge in Angriff nehmen.

(10) Das aber scheint nicht zum Nutzen geschehen zu sein.

Denn obwohl (die Menschen) nun nach Volksstämmen getrennt siedelten und nicht eine einzige Sprache benutzen, wurden Erde und Meer wiederum oft mit unsäglichen Übeln angefüllt.

Denn nicht die Sprachen, sondern die gleichartigen Neigungen der Seele zu sündigem Tun sind die Ursachen für das gemeinsame Unrechttun.

(11) Denn auch die, denen man die Zunge herausgeschnitten hat, deuten durch Nicken, Blicke und andere Haltungen und Bewegungen des Körpers an, was sie wollen, genauso wie andere durch den Ausdruck der Sprache. Abgesehen davon begehe oft sogar ein einziges Volk, das nicht nur eine (gemeinsame) Sprache hat, sondern auch gleiches Recht und gleiche Lebensweise hat, ein so großes Maß an Übeln, dass es Fehler begehen kann, die den Fehlern aller (anderen) Menschen gleichwertig sind.

(12) Unzählige Menschen wurden durch die Unkenntnis der Sprachen vernichtet, weil sie das Zukünftige/den Plan ihrer Angreifer nicht vorhersehen konnten, während sie umgekehrt durch die Kenntnis (der Sprachen) die drohenden Schrecken und Gefahren abwehren konnten.

Deshalb sei die Gemeinschaft der Sprachen eher nützlich als schädlich, da ja auch bis jetzt die Bewohner des Landes, besonders unter den Einheimischen, durch nichts so sehr wie durch die gemeinsame Sprache unversehrt bleiben von Übeln.

(13) Und wenn freilich irgendein Mann mehrere Sprachen erlernen würde, ist er alsbald bei denen, die diese Sprache beherrschen, akzeptiert, als wäre er schon ein Freund, und als ein nicht geringes Kennzeichen der Gemeinschaft bringt er Vertrautheit mit den Begriffen/der Ausdrucksweise mit, durch die er sich Sicherheit davor verschafft zu haben scheint, dass er eine schlimme Erfahrung macht.

Warum also ließ er [Gott] die Gleichsprachigkeit unter den Menschen als Ursache der Übel verschwinden, obwohl es nötig gewesen wäre, sie als etwas sehr Nützliches zu stärken?

(14) Diejenigen also, die diese Kritikpunkte aufschreiben und auf schlechte Weise vertreten, werden von denjenigen auf ihre besondere Weise widerlegt werden, die die naheliegenden Erklärungen der jeweils aufgeworfenen Fragen aus dem offenkundigen Wortlaut der Schrift ohne Streit in schlichter Weise <zu geben pflegen>; dabei argumentieren sie nicht auf künstliche Weise mit irgendeinem Einfall dagegen, sondern lassen sich von der folgerichtigen Verknüpfung (der Erzählung) leiten, die keinen Anstoß erlaubt, sondern auch, wenn etwas schwierig sein sollte, es leicht wieder richtigstellen könnte, damit die Worte durchgängig so lauten, dass sie keinen Anstoß erregen können.

(15) Wir behaupten nun also, dass mit den Worten „die ganze Erde sei ein Mund und eine Sprache“ das Zusammenspiel/Zusammenklingen sowohl aller unsäglichen, großen Übeltaten gemeint ist, die Staaten gegen Staaten, Völker gegen Völker und Länder gegen Länder begehen, als auch all der Sünden, die die Menschen nicht nur sich selbst antun, sondern auch gegen das Göttliche richten. Dies sind nun indessen die Unrechtstaten der Massen. Wir untersuchen aber auch bei einem Einzelnen die unnennbare Fülle der Übel, besonders wenn er von dem unharmonischen, misstönenden und unmusischen ‚Zusammenklingen‘ befallen ist.

3.4 Nachzeichnung der Argumentation von De confusione linguarum § 9–15

Im Folgenden wird die Argumentation Philons, in der er sich mit der Kritik der jüdischen Apostaten auseinandersetzt, dargestellt:


§ 9Philon stellt heraus, dass der Gesetzgeber zwischen sprach-/vernunftbegabten und sprach-/vernunftlosen Wesen unterschieden hat.Folglich: Eine gemeinsame Sprache können nur die Wesen haben, die sprach- und vernunftbegabt sind; das sind nach All II § 14 f allein die Menschen.Die Gegner Philons lehnen diese Ansicht ab und bezeichnen es als μυθῶδες, dass es eine Gleichsprachigkeit der Menschen gegeben hat. Sie rechnen den Text des Turmbaus zu Babel zu den mythischen, unwahren Texten.Darstellung der allgemeinen Auffassung bezüglich des Genesistextes:Die Kritiker sagen: Über den Text „Turmbau zu Babel“ sagt man doch, dass die Auflösung der gemeinsamen Sprache in Einzelsprachen dazu beitragen sollte, schlechte Taten zu verhindern, weil Sprache so nicht mehr als Medium, sich über Schlechtes auszutauschen, fungieren kann.
§ 10Referat Philons über die Ansichten der Gegner. Sie sind folgender Ansicht:Der Text kann ja keine Wahrheit enthalten, weil der Plan, mit der Sprachverwirrung die menschlichen Übel zu beseitigen, gescheitert ist, weil es diese auch nach der Sprachverwirrung noch gibt.Grund hierfür ist die Tatsache, dass die Ursache der schlechten menschlichen Taten nicht die Sprache ist, sondern die gleichen seelischen Neigungen zum Bösen.
§ 11Fortführung der Begründung, dass nicht die Sprache Ursache der Übel ist, weil neben der Sprache auch durch Gestik und Mimik Schlechtes zum Ausdruck gebracht werden kann.Ein weiterer Grund ist, dass ein Volk nicht nur durch eine gemeinsame Sprache, sondern ebenso durch Konventionen in Recht- und Lebensanschauungen gekennzeichnet ist und dass auch dadurch Übel entstehen können.
§ 12Aufzeigen des Nutzens von Sprache: Gemeinsame Verständigung ermöglicht Schutz vor Gefahren, z.B. bei Angriffen von Eindringlingen.Feststellung, dass die gemeinsame Sprache nach Ansicht der Kritiker mehr nützliche Aspekte hatte als schädliche.
§ 13Erneute Darstellung positiver Funktionen von Sprache: Sprache schafft Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit; wer die gleiche Sprache spricht, wird als Freund angesehen; Sprache vermittelt ein Gefühl der Sicherheit.Zusammenfassender Vorwurf der Gegner: Warum hat Gott die Sprachgemeinschaft aufgelöst, wenn sie doch all diese positiven Funktionen zu verzeichnen hatte?
§ 14 fPhilons Ansicht nach ist die wörtliche Lesart, die Unstimmigkeiten aus dem Weg geht, die einfache Lösung. Sie kann von der Lesart, die diesen Schwierigkeiten nicht aus dem Weg geht, leicht widerlegt werden. Eine solche Argumentation sieht Philon in der allegorischen Interpretation gegeben. Mit dieser beginnt er in § 15.

In Conf § 10–13 beschäftigt Philon sich mit der Ansicht seiner Gegner. Er macht zwar deutlich, dass es ihm bei seiner Auslegung des Textes nicht vorrangig um Sprache geht, stellt aber dennoch sehr ausführlich die Argumente der jüdischen Kritiker dar. Die Paragraphen zeigen Philons große argumentative Fähigkeit: Es gelingt ihm, seinen Lesern essentielle Funktionen von Sprache ‚nebenbei‘ mitzuteilen. Er stellt sie nicht in den Vordergrund seiner Analyse des Genesistextes, wiederholt aber mehrfach die Ansicht der Gegner, dass eine gemeinsame Sprache aller Menschen mehr nützliche als schädliche Aspekte hat. Philon widerspricht dem nicht. Vielmehr macht er seinem Publikum deutlich: ‚Natürlich hat Sprache all diese positiven Funktionen. Das bestreitet niemand. Es ist aber nicht notwendig, das alles anzuführen, um zu zeigen, dass es sich bei dem Text um einen märchenhaften Text handelt. Es geht nämlich in diesem Text überhaupt nicht um Sprache, sondern…‘ Philon kritisiert die Ansicht seiner Gegner, die Erzählung vom Turmbau zu Babel als märchenhaften und unwahren Texten zu verstehen, nicht aber ihre Argumente bezüglich der Funktionen von Sprache. Das wird sich v.a. dadurch zeigen, dass Philon die zentralen Aspekte von Sprache, die er hier in der Argumentation der Gegner erstmals und zusammenfassend benennt, in Conf und in anderen Traktaten immer wieder aufgreift und so bestätigt. Deshalb sind in die Untersuchung im weiteren Verlauf zahlreiche weitere Paragraphen als Belegstellen herangezogen.

 

4. Entstehung, Voraussetzungen, Funktionen und Aufgaben der Sprache bei Philon

Philon nennt zu Beginn seines Traktats wichtige Funktionen von Sprache. Dies gibt Anlass genug, zu untersuchen, welche positiven Eigenschaften von Sprache Philon an dieser Stelle explizit wiedergibt und seinem Publikum mitteilt. Dabei kann zwischen Funktionen und den sich daraus ergebenden Aufgaben und Zielen der Sprache nicht klar unterschieden werden, weil die einzelnen Elemente einander bedingen. So resultieren aus den Funktionen der Sprache Aufgaben für die Menschen.

4.1 Entstehung und Ursache der Sprache

Es finden sich in Conf nur wenige Aussagen über die Entstehung der Sprache. Philons Interpretation stützt sich auf Gen 11,8f. Die Zerstreuung der Sprachgemeinschaft durch Gott beinhaltet keine explizite Aussage darüber, dass Gott die Sprache per se auch erschaffen hat. Erst in Conf § 123 und Conf § 126 f gibt Philon Auskunft über die Ursache der Gedanken und der Sinnlichkeit und kommt in diesem Zusammenhang auch auf die Sprache und das Sprachorgan zu sprechen:

τῶν δ’ ἀνοσίων ἕκαστος διάνοιαν μὲν ἡγεῖται χαρίζεσθαι ἑαυτῷ τάς τε καταλήψεις καὶ διανοήσεις, ὀφθαλμοὺς δὲ τὸ βλέπειν καὶ ἀκούειν ὦτα καὶ μυκτῆρας ὀσφραίνεσθαι, καὶ τὰς ἄλλας αἰσθήσεις τὰ οἰκεῖα ἑαυταῖς, ἔτι μέντοι καὶ τὰ φωνῆς ὄργανα τὸ λέγειν. (…) τούτων δὲ τί | ἂν γένοιτο ἐπιληπτότερον ἢ μᾶλλον ὑπὸ τῆς ἀληθείας ἐλεγχόμενον; (…) καὶ μὴν σφαλλομένων γε τῶν καθ’ ἡμᾶς αὐτοὺς περί τε νοῦν καὶ αἴσθησιν κριτηρίων ἀνάγκη τἀκόλουθον ὁμολογεῖν, ὅτι ὁ θεὸς τῷ μὲν τὰς ἐννοίας, τῇ δὲ τὰς ἀντιλήψεις ἐπομβρεῖ, καὶ ἔστιν οὐ τῶν καθ’ ἡμᾶς μερῶν χάρις τὰ γινόμενα, ἀλλὰ τοῦ δι’ ὃν καὶ ἡμεῖς γεγόναμεν δωρεαὶ πᾶσαι. (Conf § 123.126.127)

Ein jeder Gottlose glaubt nämlich, daß sein eigener Geist ihm die Vorstellungen und Gedanken gewähre; die Augen aber das Sehen, die Ohren das Hören, die Nasenlöcher das Riechen, sowie die anderen Sinneswerkzeuge, was ihnen zukommt, sodann das Sprachorgan, das Sprechen; (…) Gibt es aber etwas, was größeren Tadel verdient oder von der Wahrheit stärker widerlegt wird? (…) Und da eben die Erkenntnismittel des Geistes wie der Sinnlichkeit, soweit es auf uns selbst ankommt, versagen, muß man folgerichtig zugeben, daß Gott jenem die Gedanken und dieser die Vorstellungen zuströmen läßt, und daß das Gewordene kein Geschenk unserer Organe, sondern daß alles eine Gabe dessen sei, durch den auch wir erschaffen sind. (Conf § 123.126.127)

Auch in Conf § 40 und Conf § 137 verweist Philon auf die Schöpferkraft Gottes, indem er von Gott als demjenigen spricht, dem allein das Wort unterliegt und die Kraft Gottes als solche bezeichnet, durch die alles gegründet und geordnet wurde.

Nach den wenigen Aussagen in Conf ist anzunehmen, dass die Sprache und das Sprachorgan auf Gott zurückzuführen sind. Auch Som I § 103 bestätigt diese Ansicht, indem die Sprache (λόγος) als die schönste Gabe (δώρημα κάλλιστον), die Gott dem Menschen gegeben hat, bezeichnet wird. Zieht man weitere philonische Traktate heran, ergibt sich ein differenzierteres Bild, so dass in den philonischen Schriften zwei unterschiedliche Aspekte über den Ursprung der Sprache ausgemacht werden können: (1) Das Sprachvermögen als ein Geschenk Gottes, das dem Menschen anvertraut wurde und (2) Sprache als Schöpfung des Menschen.

(1) Neben den Paragraphen in Conf und Som I wird Gott in Sacr § 97, Her § 106 f und Her § 302 als Geber der Sprache dargestellt:1

μὴ δόντος γὰρ οὐχ ἕξεις, ἐπεὶ πάντα αὐτοῦ κτήματα, καὶ τὰ ἐκτὸς καὶ τὸ σῶμα καὶ ἡ αἴσθησις καὶ ὁ λόγος καὶ ὁ νοῦς καὶ αἱ πάντων ἐνέργειαι καὶ οὐ σὺ μόνος ἀλλὰ καὶ ὅδε ὁ κόσμος· (…). (Sacr § 97)

Wenn er nämlich nicht gab, so wirst du nicht besitzen, da alles sein Eigentum ist, sowohl das Aeußere als auch der Körper und die Sinnlichkeit und die Sprache und der Geist und deren aller Kräfte, und nicht nur du allein, sondern auch diese Welt. (Sacr § 97–98)

Anders formuliert liefert Philon in Her die gleiche Auffassung:

παρακατέθετο δέ σοι αὐτῷ ψυχήν, λόγον, αἴσθησιν ὁ ζῳοπλάστης (…). (Her § 106)

Anvertraut hat dir der Bildner alles Lebenden die Seele, die Sprache, die Sinne (…). (Her § 106)

Weil Gott dem Menschen die Sprache von Geburt an gab,2 ist und bleibt sie Gottes Eigentum. Auch wo die φύσις als Ursprung der Sprache genannt wird, ist hinter ihr Gott zu denken.3 Diese Ansicht bringt nach Kweta eine Abhängigkeit des Menschen von Gott mit sich.4 Gott kann die Sprachfähigkeit einschränken, indem er die Zunge eines Menschen lähmt, seine Gedanken oder die gemeinsame Sprache der Menschen verwirrt.5

Eine mythische Entstehung der Sprache beschreibt Philon in Plant. Sie stellt Gott nach einem Gespräch mit einem Propheten ebenfalls als Schöpfer der Sprache heraus, dem ewiges Lob zukommen soll:

τὸν σύμπαντα κόσμον ὁ ποιητὴς ἐτελεσφόρησεν, ἑνὸς τῶν ὑποφητῶν ἐπύθετο, εἴ τι ποθεῖ μὴ γενόμενον τῶν ὅσα κατὰ γῆς καὶ καθ’ ὕδατος ἢ ὅσα κατὰ τὴν μετάρσιον ἀέρος ἢ τὴν ἐσχάτην τοῦ παντὸς φύσιν οὐρανοῦ γέγονεν. ὁ δὲ ἀπεκρίνατο τέλεια μὲν καὶ πλήρη πὰντα διὰ πάντων εἶναι, ἓν δὲ μόνον ζητεῖν, τὸν ἐπαινέτην αὐτῶν λόγον, (…). ἀκούσαντα δὲ τὸν πατέρα τοῦ παντὸς τὸ λεχθὲν ἐπαινέσαι, καὶ οὐκ εἰς μακρὰν τὸ πάμμουσον καὶ ὑμνῳδὸν ἀναφανῆναι γένος (…). τὸ εὐχάριστον, τοῦτο ἀεὶ καὶ πανταχοῦ μελετῶμεν διὰ φωνῆς καὶ διὰ γραμμάτων ἀστείων καὶ μηδὲποτε ἐπιλείπωμεν μήτε λόγους ἐγκωμιαστικοὺς μήτε ποιήματα συντιθέντες, ἵνα καὶ ἐμμελῶς καὶ χωρὶς μέλους καὶ καθ’ ἑκατέραν φωνῆς ἰδέαν, ᾗ τὸ λέγειν καὶ τὸ ᾄδειν ἀποκεκλήρωται, ὅ τε κοσμοποιὸς καὶ ὁ κόσμος γεραίρηται, ‚ὁ μέν’, ὡς ἔφη τις | ‚ἄριστος τῶν αἰτίων, ὁ δὲ τελειότατος τῶν γεγονότων’. (Plant § 127–129.131)

Als der Schöpfer den ganzen Kosmos zur Vollendung gebracht hatte, da fragte er einen seiner Propheten, ob er etwas vermisse, das nicht entstanden sei – unter allen Wesen auf der Erde, im Wasser, in Lufthöhen oder im ganzen Himmelsraum am äußersten Rande der Schöpfung. Und dieser antwortete: alles sei vollkommen lückenlos; nur eins vermisse er: das Wort, das das Loblied aller verkünde (…) Als der Allvater dieses hörte, habe er den Ausspruch gelobt, und nach kurzer Zeit sei das kund- und sangesfreudige Geschlecht erschienen. (…) So wollen wir uns ihr [der Dankbarkeit] immer und überall widmen, durch das gesprochene Wort und durch gute Schriften, und auch nie versäumen, Lobreden und Loblieder zu verfassen, auf daß mit und ohne Sangesweise und durch die beiden Betätigungen der Stimme, der das Reden und das Singen gewährt ist, der Weltschöpfer und die Welt geehrt werde, jener, wie man gesagt hat, der beste der Urheber, diese das vollkommenste der gewordenen Wesen. (Plant § 127–129.131; i.O. z.T. gesperrt)

Auch in der griechisch-römischen Literatur findet sich ein Mythos zur Entstehung der Sprache. Er steht bei Hesiod im Zusammenhang mit dem Pandoramythos: Nach dem Willen von Zeus soll Pandora wie ein menschliches Wesen erscheinen. Es müssen ihr zwei wesentliche Attribute beigegeben werden, damit dies möglich erscheint: Die menschliche Stimme und Stärke.6 Die Stimme wird hier – wie der λὸγος – als wesentliches Kennzeichen der Menschen bestimmt.

(2) Die zweite Möglichkeit für die Entstehung der Sprache, die sich aus den philonischen Schriften ergibt, ist, die Sprache als Schöpfung des Menschen zu sehen. Für Philon ist dies unabdingbar, da die Sprache vom Menschen gebraucht wird. Er stellt in seinen Traktaten drei verschiedene Theorien über den Ursprung der Sprache durch den Menschen dar. Sie werden nicht zueinander in Bezug gesetzt und problematisiert, sondern stehen weitgehend unreflektiert nebeneinander.7

Die erste ‚Theorie’ spricht die Schöpfung der Sprache und der Namen Adam zu, dem ersten und weisesten Menschen:

ἐκεῖνος δ’ ὁ πρῶτος ἄνθρωπος ὁ γηγενής, ὁ παντὸς τοῦ γένους ἡμῶν ἀρχηγέτης, ἑκάτερον ἄριστος ψυχήν τε καὶ σῶμα γεγενῆσθαί μοι δοκεῖ καὶ μακρῷ τινι τοὺς ἔπειτα διενεγκεῖν κατὰ τὰς ἐν ἀμφοτέροις ὑπερβολάς. (Op § 136)

Jener erste Mensch aber, der erdgeborene, der Stammvater unseres ganzen Geschlechts, war, wie mir scheint, der vorzüglichste Mensch, sowohl hinsichtlich der Seele als des Körpers, und übertraf die Nachkommen in hohem Grade durch ausserordentliche (sic!) Vorzüge beider Teile seines Wesens. (Op § 136)

Seine Sprache ist mit der Wirklichkeit der Dinge konform, d.h. Ding und Name entsprechen einander. So ist auch die Einheitlichkeit und Wahrheit der adamitischen Sprache garantiert, weil die Natur in ihm noch ihre volle Kraft besaß und Adam sich noch in sehr großer Nähe zum Ursprung (ἀρχή) und damit der Wahrheit befand.8 Mit der Ansicht, dass der λόγος der ersten Menschen völlig rein und ungetrübt war, steht Philon in stoischer Tradition. In der Nähe des göttlichen Ursprungs waren die Menschen deshalb zu reiner Erkenntnis und damit zu kompetenter Namensgebung befähigt.9 Auch nach Winston sieht Philon Adam „as the source of all lingustic expression for the entire human race“10. Während Winston und Kweta es bei diesen allgemeinen Feststellungen, die Adam als weisen und ersten Menschen charakterisieren, belassen, entfaltet Otte eine sehr ausführliche Adamstheorie, auf die im Kapitel zur Sprache als Namensgebung näher eingegangen wird.11

Die zweite ‚Theorie’ hat die Schöpfung der Sprache durch weise Männer zum Gegenstand. Sie wird nur an wenigen Stellen thematisiert12 und steht in keinem Widerspruch zur Schöpfung der Sprache durch Adam, weil Philon hier sekundäre Sprachschöpfungen beschreibt.13 Neben Adam gelten auch Abraham und Mose als weise Männer, die der Sprachschöpfung mächtig sind.14 Isaak beispielsweise erkennt die Leistung seines Vaters an, ist aber selbst nicht an der Schöpfung der Sprache beteiligt.15

Die dritte ‚Theorie’ schließlich geht von einer natürlichen, spontanen Sprachentstehung aus. Philon kommt in Mut § 261 im Rahmen der Geburt Isaaks (‚Lachen’) auf die Idee, dass Sprache in dynamischen Vorgängen durch Sinneswahrnehmungen und Gemütsempfindungen entsteht, an denen alle teilhaben:16

(…) καὶ καλέσεις τὸ ὄνομα τοῦ υἱοῦ τὸ πάθος, ὅπερ ἂν ἐπ’ αὐτῷ πάθῃς, πείσῃ δὲ πάντως χαράν· ὥστε καὶ τὸ σύμβολον αὐτῆς ὄνομα θήσεις, γέλωτα. καθάπερ λύπη καὶ φόβος ἰδίας ἀναφθέγξεις ἔχουσιν, ἃς ἂν τὸ βιασάμενον καὶ κρατῆσαν ὀνοματοποιήσῃ πάθος, οὕτως εὐβουλίαι καὶ εὐφροσύναι φυσικαῖς ἐκφωνήσεσιν ἀναγκάζουσι χρῆσθαι, ὧν οὐκ ἂν εὕροι τις κυριωτέρας καὶ εὐθυβολωτέρας κλήσεις, κἂν τυγχάνῃ περὶ τὰς κλήσεις σοφός. (Mut § 261 f)

(…) und du wirst den Sohn nach der Empfindung nennen, die du über ihn hast; du wirst aber in jeder Weise Freude empfinden, sodaß du auch ihr Sinnbild als Name festsetzen wirst, Lachen. Denn wie Seelenschmerz und Furcht eigene Ausrufe haben, die der zwingende und herrschende Affekt schallnachahmend formt, so nötigen Wohlberatenheit und Glückstimmung zu natürlichen Schallausbrüchen, im Vergleich zu welchen niemand eigentlichere und treffendere Namen finden kann, und wäre er auch ein Weiser hinsichtlich der Namengebung. (Mut § 261 f)

 

Sprache muss also in diesem Fall nicht auf bestimmte Personen zurückgeführt werden. Mit Hilfe dieser Theorie, die Philon nicht mit der adamitischen Theorie der Sprachentstehung konfrontiert, können nur begrenzte Aussagen über die Wirklichkeit getroffen werden. Die Sprache hat in diesen Kontexten stärker einen spontanen und emotionalen Charakter.17

Im Zusammenhang mit der Entstehung der Sprache stellt sich auch die Frage, ob Philon von einer bestimmten Ursprache, als welche in der Regel das Hebräische angenommen wird, ausgeht und ob bei ihm ein Bewusstsein für unterschiedliche Sprachen vorliegt. Der Enkel Jesus Sirachs als Übersetzer beispielsweise beweist im Prolog des gleichnamigen Buches ein klares Bewusstsein für die Unterscheidung der hebräischen und griechischen Sprache:18

Παρακέκλησθε οὖν μετ’ εὐνοίας καὶ προσοχῆς τὴν ἀνάγνωσιν ποιεῖσθαι καὶ συγγνώμην ἔχειν ἐφ’ οἷς ἂν δοκῶμεν τῶν κατὰ τὴν ἑρμηνείαν πεφιλοπονημένων τισὶν τῶν λέξεων ἀδυναμεῖν∙ οὐ γὰρ ἰσοδυναμεῖ αὐτὰ ἐν ἑαυτοῖς Ἑβραїστὶ λεγόμενα καὶ ὅταν μεταχθῇ εἰς ἑτέραν γλῶσσαν. (SirProl 15–22)19

Lasst euch also ermahnen, mit Wohlwollen und Aufmerksamkeit die Lektüre zu betreiben und Nachsicht zu haben in den (Fällen), bei denen wir versagt zu haben scheinen, obwohl wir uns gemäß der Übersetzungskunst um (bestimmte) Redewendungen für einige (Leser) emsig bemüht haben. Denn dasselbe ist in sich nicht gleichbedeutend20, wenn es in Hebräisch gesagt ist und wenn es in eine andere Sprache übertragen wird. (SirProl 15–22)21

Im Aristeasbrief, der dem Thema der Übersetzung der Tora ins Griechische gewidmet ist, tritt das Profil der hebräischen Sprache dagegen nicht so deutlich hervor. Hier finden sich für die Thematisierung der hebräischen Sprache Wendungen wie „γεγράφθαι (…) ἐν (…) ἑβραїκοῖς γράμμασιν“22 (in hebräischen Buchstaben aufgeschrieben) oder eine Aussage über Männer, „οἵτινες οὐ μόνον τὴν τῶν Ἰουδαїκῶν γραμμάτων ἕξιν περιεποίησαν αὐτοῖς, αλλὰ καὶ τῆς τῶν Ἑλληνικῶν ἐφρόντισαν οὐ παρέργως κατασκευῆς“23 (die nicht nur die jüdische Sprache beherrschten, sondern auch eifrig die griechische studiert hatten). Der Verfasser des Aristeasbriefes kann nicht klar zwischen Sprache und Schrift unterscheiden. Ebenso verwendet er keine kohärente Terminologie für das Hebräische. Deutlich wird dies auch, als Demetrios die Notwendigkeit der Übersetzung der jüdischen Schriften erläutert:24

ἑρμηνείας προσδεῖται· χαρακτῆρσι γὰρ ἰδίοις κατὰ τὴν Ἰουδαίαν χρῶνται, καθάπερ Αἰγύπτιοι τῇ τῶν γραμμάτων θέσει, καθὸ καὶ φωνὴν ἰδίαν ἔχουσιν. ὑπολαμβάνονται Συριακῇ χρῆσθαι· τὸ δ’ οὐκ ἔστιν, ἀλλ’ ἕτερος τρόπος. (Arist § 11)

Sie bedürfen einer Übersetzung. Eigene Buchstaben nämlich gebrauchen die Leute in Judäa, wie die Ägypter in der Anordnung [von rechts nach links], und dementsprechend haben sie auch eine eigene Sprache. Gewöhnlich nimmt man an, dass sie die syrische Sprache benutzen; das ist aber nicht so, sondern es ist eine andere Art. (Arist § 11)

Diese Feststellung findet sich zu einem späteren Zeitpunkt erneut:

τοῦ νόμου τῶν Ἰουδαίων βιβλία (…) ἀπολείπει· τυγχάνει γὰρ Ἑβραїκοῖς γράμμασι καὶ φωνῇ λεγόμενα (…). (Arist § 30)

Die Bücher des Gesetzes der Juden fehlen (…); sie sind nämlich in hebräischen Buchstaben und hebräischer Sprache verfasst (…). (Arist § 30)

Der Verfasser als griechischsprachiger Alexandriner weist kein Bewusstsein und keine ausgereifte Vorstellung für die hebräische Sprache auf und dürfte selbst kein Hebräisch verstanden haben.25 Wie verhält sich Philon zur hebräischen Sprache? Den Terminus Εβραїστί, wie ihn der Sirachenkel gebraucht, verwendet Philon nicht.26 Am häufigsten findet sich Ἑβραῖος27 bei ihm in Kombination mit Formen von καλέω28, seltener mit λέγω29, προσαγορεύω30 oder ὀνομάζω31. Aus diesen resultieren die Übersetzungen im Verständnis von ‚die Hebräer nennen etwas …’, oder ‚wie die Hebräer sagen’. Neben den Verbindungen mit Verben, findet sich auch die Wendung „ὃς Ἑβραίων γλώττῃ καλεῖται“32 (was in der Sprache der Hebräer … heißt). In Decal § 159 ergänzt Philon die Sprache der Hebräer attributiv durch das Adjektiv πάτριος.33 Das Hebräische erhält den Charakter der alten, ersten Sprache, wenn es als väterliche Sprache bezeichnet wird. Auffällig ist, dass Philon diese Wendung häufig als Gegensatz zur griechischen Bezeichnung einer Sache gestaltet:34

ὃς Ἑβραίων μὲν γλώττῃ Σεναάρ, Ἑλλήων δὲ ἐκτιναγμὸς καλεῖται. (Conf § 68)

Der [Ort, an dem die Tugend nicht mehr wohnt,] heißt in der Sprache der Hebräer Senaar, der Hellenen aber Erschütterung. (Conf § 68)

Bei Philon zeigt sich also durchaus ein Bewusstsein für die Unterscheidung zwischen hebräischer und griechischer Sprache. Die hebräische Sprache wird als väterliche Sprache der Hebräer bestimmt. Das Hebräische wird nicht konkret als Ursprache tituliert; es ist aber anzunehmen, dass Philon es also solche versteht, da er sich durchweg bemüht, hebräische Etymologien in seine Argumentationen einzubauen und so auf das Hebräische zu verweisen:

ἡ δὲ θεοῦ πόλις ὑπὸ Ἑβραίων Ἱερουσαλὴμ καλεῖται, ἧς μεταληφθὲν τοὔνομα ὅρασίς ἐστιν εἰρήνης. (Som II § 250)

Die Stadt Gottes aber wird von den Hebräern Jerusalem genannt, ein Name, der übersetzt ‚Gesicht des Friedens’ heißt. (Som II § 250)

Philon versteht ירושׁלם‏‎ (Jerusalem) als Zusammensetzung von יראה‏‎ (er wird sehen) und שׁלום‏‎ (Friede). Er stellt damit eine falsche Etymologie vor. Dies geschieht auch in In Sobr § 45, wo Philon Kanaan von נוע‏‎ (schwanken) ableitet, welches aber keinesfalls ‚Bewegung’ heißen kann. Selbiges gilt für Abr § 57:

προσονομάζεται γὰρ Ἑβραίων γλώττῃ τὸ ἔθνος Ἰσραήλ, ὅπερ ἑρμηνευθέν ἐστιν ‚ὁρῶν θεόν’. (Abr § 57)

Denn in der Sprache der Hebräer wird das Volk ‚Israel’ genannt, was ‚Gott sehend’ bedeutet. (Abr § 57)

Auch hier findet sich eine „sonderbar[e] Etymologie“35. Philon erklärt ישׁראל‏‎ (Israel) durch אל‏‎ (Gott), ראה‏‎ (sehen) und אישׁ‎ (Mensch).

Bei Philon finden sich also Verweise sowohl auf die griechische als auch auf die hebräische Sprache. Letztere wird häufig thematisiert, wenn Philon zeigen will, wie ein bestimmtes Wort in der hebräischen Sprache lautet. Dazu verwendet er eine Reihe von Etymologien, von denen eine große Anzahl fehlerhaft ist.36 Es kann also bezweifelt werden, dass Philon des Hebräischen mächtig war.37 Dafür spricht einmal, dass Philon inhaltliche oder textkritische Unstimmigkeiten im griechischen Text wahrnimmt, diese jedoch niemals anhand des hebräischen Textes zu lösen vermag,38 weiterhin, dass Philon häufig nicht zwischen Hebräisch und Chaldäisch unterscheidet. In VitMos II § 25–44 gibt Philon einen Bericht von der Übersetzung der jüdischen Schriften ins Griechische, der inhaltlich mit dem Aristeasbrief einhergeht. Philon spricht jedoch durchweg davon, das Chaldäische sei in die griechische Sprache übertragen worden.39 Vom Griechischen hat Philon dagegen eine klare Vorstellung. Er verfasst seine Schriften in dieser Sprache und kennt das dazugehörige Sprachsystem.40 Für das Hebräische gilt dies nicht und so muss angenommen werden, dass Philon keine klare sprachwissenschaftliche Vorstellung vom Hebräischen hatte.41. Er versucht aber auf die hebräische Sprache zurückzugreifen, um seine Auslegungen zu untermauern. Das Verhältnis von hebräischer und griechischer Sprache wird nicht eigens thematisiert.

Wie sind die unterschiedlichen Aussagen zur Entstehung der Sprache zu werten? Philon selbst stellt keine Beziehung der drei unterschiedlichen Sprachschöpfungstheorien durch den Menschen her. Will man den Widerspruch zwischen der Schöpfung der Sprache durch Adam und den weisen Männern auflösen, muss man davon ausgehen, dass Philon „an einen grundlegenden Akt der Sprachschöpfung gedacht hat, bei welchem jedoch durchaus der Weg zu einer weiteren Ausgestaltung der Sprache offenbleibt“42. Demnach handelt es sich bei der adamitischen Sprachschöpfung um den primären Schöpfungsakt, bei den weisen Männern um einen sekundären, der auf den Prinzipien des ersteren aufbaut.43