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Max Havelaar oder Die Kaffee-Versteigerungen der NiederländischenHandels-Gesellschaft

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»Häupter von Lebak Wir alle stehen im Dienst des Königs von Nederlanden. Aber er, der rechtschaffen ist und will, daß wir unsere Pflicht thun, ist fern von hier. Dreißigmal tausend mal tausend Seelen, ja mehr als so viel, müssen seinen Befehlen gehorchen, aber er kann nicht bei allen sein, die von seinem Willen abhängen.

Der große Herr zu Buitenzorg ist rechtschaffen und will, daß jeder seine Pflicht thue. Aber auch er, so mächtig er auch ist und gebietend über alles, was Gewalt hat in den Städten, und über die Ältesten in den Dörfern, und gebietend über die Macht des Heeres und über die Schiffe, die auf der See sind, auch er kann nicht sehen, wo Unrecht geschieht, denn das Unrecht bleibt ferne von ihm.

Und der Resident zu Serang, der Herr ist über den Landstrich Bantam, den zweimalhunderttausend Menschen bewohnen, will, daß Recht geschehe in seinem Gebiet, und daß Rechtschaffenheit herrsche in den Landschaften, die ihm unterthan sind. Doch wo Unrecht ist, da ist er fern, und der Übelthäter verbirgt sich vor seinem Antlitz, weil er die Strafe fürchtet.

Und der Herr Adipati, der Regent ist von Süd-Bantam, will, daß jeder lebe, der nach dem Guten trachtet, und daß keine Schande sei über dem Landstrich, der seine Regentschaft ist.

Und ich, der gestern den allmächtigen Gott zum Zeugen nahm, daß ich rechtschaffen sein werde und langmütig, daß ich recht thun werde sonder Furcht und sonder Haß, daß ich ein ›guter Adsistent-Resident‹ sein werde  auch ich wünsche zu thun, was meine Pflicht ist.

Häupter von Lebak Das wünschen wir alle.

Aber wenn einige unter uns wären, die ihre Pflicht verwahrlosten für Gewinn, die das Recht verkauften für Geld, die den Büffel des Armen nähmen, und die Früchte, die dem Hungrigen gehören,  wer soll sie strafen?

Wenn einer von euch es wüßte, er würde es hindern, und der Regent würde es nicht dulden, daß so etwas geschehe in seiner Regentschaft, und auch ich werde dagegen hintreten, wo ich kann; aber wenn weder ihr noch der Adipati noch ich es wüßte …?

Häupter von Lebak wer soll dann Recht üben in Banten-Kidoel?

Hört auf mich, ich werde euch sagen, wie dann wird Recht gesprochen werden.

Es kommt eine Zeit, da unsere Frauen und Kinder weinen werden, indem sie unser Totengewand bereiten, und die Vorübergehenden sprechen werden: da ist ein Mensch gestorben. Dann wird, wer in den Dörfern ankommt, Nachricht bringen von dem Tode des Mannes, der gestorben ist, und wer ihn beherbergt, wird fragen: wer war der Mann, der gestorben ist?

Er war gut und rechtschaffen. Er sprach recht und verstieß den Klageführenden nicht von seiner Thür. Er hörte geduldig an, wer zu ihm kam, und gab zurück, was genommen war. Und wer den Pflug nicht treiben konnte durch den Erdboden, weil ihm der Büffel aus dem Stall geholt war, dem half er suchen nach dem Büffel. Und wo die Tochter war geraubt aus dem Hause der Mutter, da suchte er den Dieb und brachte die Tochter wieder. Und wo gearbeitet war, hielt er den Lohn nicht zurück, und er nahm die Früchte nicht denen, die den Baum gepflanzt hatten. Und er kleidete sich nicht mit dem Kleide, das andere decken sollte, und nährte sich nicht mit Speise, die dem Armen gehört.

Dann wird man sagen in den Dörfern: Allah ist groß, Allah hat ihn zu sich genommen, sein Wille geschehe; es ist ein guter Mensch gestorben.

Aber ein andermal wird der Vorübergehende stillstehen vor dem Hause und fragen: Was ist das, daß der Gamlang schweigt und der Gesang der Mädchen? Und wiederum wird man sagen: Es ist ein Mann gestorben.

Und wer herumreist in den Dörfern, wird des Abends bei seinem Gastfreunde sitzen, um ihn die Söhne und Töchter des Hauses und die Kinder derer, die das Dorf bewohnen, und er wird sprechen:

Da starb ein Mann, der gelobte rechtschaffen zu sein, und er verkaufte das Recht dem, der ihm Geld gab. Er düngte seinen Acker mit dem Schweiß des Arbeiters, den er von dem Acker der Arbeit abgerufen hatte. Er hielt dem Arbeiter seinen Lohn zurück und nährte sich mit der Speise des Armen. Er ist reich geworden von der Armut der anderen. Er hatte viel Gold und Silber und edle Steine in Menge, aber der Landbauer, der in der Nachbarschaft wohnte, wußte den Hunger seines Kindes nicht zu stillen. Er lächelte wie ein glücklicher Mensch; aber es war ein Geknirsch zwischen den Zähnen des Klägers, der Recht suchte. Es war Zufriedenheit auf seinem Gesicht; aber es war keine Nahrung in den Brüsten der Mütter, die säugten.

Dann werden die Bewohner der Dörfer sagen: Allah ist groß … wir fluchen niemand

Häupter von Lebak Einst sterben wir alle

Was wird gesagt werden in den Dörfern, wo wir Macht hatten, und was von den Vorübergehenden, die das Begräbnis anschauen?

Und was werden wir antworten, wenn nach unserem Tode eine Stimme spricht zu unserer Seele und sie fragt: Warum ist Weinen in den Feldern, und warum verbergen sich die Jünglinge? Wer nahm die Ernte aus den Scheuern und aus den Ställen den Büffel, der das Feld pflügen sollte? Was hast du gethan mit deinem Bruder, den ich dir gab zu bewachen? Warum ist der Arme traurig und flucht der Fruchtbarkeit seiner Frau?«

Hier hielt Havelaar wieder inne, und nach einigem Schweigen fuhr er fort, im einfachsten Tone der Welt, und als hätte durchaus nichts stattgefunden, was Eindruck machen müßte:

»Ich wünschte gern in guten Beziehungen zu euch zu leben, und ich bitte euch darum, mich als Freund zu betrachten. Wer gefehlt haben mag, kann ein mildes Urteil von meiner Seite erwarten, denn da ich selbst so manchmal fehle, werde ich nicht streng sein, wenigstens nicht in gewöhnlichen Dienstversehen oder Nachlässigkeiten. Höchstens wo die Nachlässigkeit zur Gewohnheit geworden ist, werde ich einschreiten. Von Übelständen größerer Art  von Erpressung und Unterdrückung, spreche ich nicht … so etwas wird nicht vorkommen; nicht wahr, Adipati?«

»O nein, Herr Adsistent-Resident, so etwas wird in Lebak nicht vorkommen.«

»Nun denn, meine Herren Häupter von Banten-Kidoel laßt uns erfreut sein, daß unser Bezirk so arm ist. Wir haben Schönes zu wirken. Wenn Allah uns am Leben erhält, werden wir sorgen, daß Wohlfahrt komme. Der Boden ist fruchtbar, das Volk willig. Wenn jeder im Genuß der Früchte seiner Anstrengung gelassen wird, leidet es keinen Zweifel, daß binnen wenig Zeit die Bevölkerung zunehmen wird, so an Seelenzahl wie in Besitzungen und Kultur; denn das geht überall Hand in Hand. Ich bitte euch nochmals, mich als einen Freund anzusehen, der euch helfen wird, wo er kann, besonders wo Unrecht abgestellt werden soll. Und hiermit empfehle ich mich sehr eurer Mitwirkung.

Ich werde die empfangenen Berichte über Landbau, Viehzählung, Polizei und Justiz euch mit meinen Weisungen zurückgehen lassen.

Häupter von Banten-Kidoel ich habe gesprochen. Ihr könnt zurückkehren, jeder nach seiner Wohnung. Ich grüße euch alle sehr.«

Er verbeugte sich, bot dem alten Regenten den Arm und geleitete ihn über das Grundstück nach seiner Wohnung, wo Tine ihn in der Vorgalerie erwartete.

* * *

»Kommen Sie, Verbrugge, gehen Sie noch nicht nach Hause Kommen Sie auf ein Glas Madeira Und, ja, das muß ich wissen, Raden Djaksa hören Sie«

Havelaar rief das, als alle Häupter sich nach vielen Verbeugungen bereit machten, in ihre Wohnungen zurückzukehren. Auch Verbrugge stand schon auf dem Punkte, das Gehöft zu verlassen, kehrte aber jetzt mit dem Djaksa um.

»Tine, ich will Madeira trinken, Verbrugge auch. Djaksa lassen Sie doch hören, was haben Sie zu dem Kliwon über Max gesagt?«

»Mintak ampong, Herr Adsistent-Resident, ich betrachtete sein Haupt, weil Sie gesprochen hatten.«

»Was hat denn sein Kopf damit zu thun? Ich weiß selbst nicht mehr, was ich gesagt habe.«

»Mijnheer, ich sagte zu dem Kliwon …«

Tine trat herzu; es wurde über den kleinen Max gesprochen.

»Ich sagte zu dem Kliwon, daß der Sinjo ein Königskind wäre.«

Das that Tine wohl, sie fand das auch

Und der Adipati betrachtete das Haupt des Kleinen, und wahrlich auch er sah den User-useran, der nach dem Aberglauben der Javanen eine Krone tragen soll.

Da die Etikette nicht erlaubte, dem Djaksa in Gegenwart des Regenten einen Platz anzuweisen, nahm er seinen Abschied, und man war einige Zeit zusammen, ohne etwas auf den »Dienst« Bezügliches zu berühren. Nur der Regent fragte plötzlich, ob die Gelder, die der Steuer-Kollekteur zu gut hatte, nicht ausgezahlt werden könnten?

»O nein«, sagte Verbrugge, »der Herr Adipati weiß, daß das nicht geschehen darf, bevor seine Verantwortung abgelaufen ist.«

Havelaar spielte mit Max, aber das hinderte ihn nicht, auf dem Antlitz des Regenten zu lesen, daß Verbrugges Antwort ihm nicht zusagte.

»Kommen Sie, Verbrugge, wir wollen nicht schwerfällig sein«, sagte er und ließ einen Schreiber aus dem Kontor rufen. »Wir werden das schon jetzt ausbezahlen, seine Rechnung wird schon genehmigt werden.«

Als der Adipati sich entfernt hatte, sagte Verbrugge, der von den amtlichen Vorschriften viel hielt:

»Aber Herr Havelaar, das darf nicht sein Die Abrechnung des Unterkollekteurs ist zu Serang zur Nachprüfung … wenn nun irgend etwas nicht stimmt?«

»Dann nehme ich es auf mich«, sagte Havelaar.

Verbrugge begriff indes nicht, woher die große Nachsicht gegen den Steuerkollekteur stammte.

Der Schreiber kam bald mit einigen Papieren zurück, Havelaar unterschrieb und sagte dann, man möge sich mit der Auszahlung beeilen.

»Verbrugge ich werde Ihnen sagen, warum ich das thue. Der Regent hat keinen Deut im Hause, sein Schreiber hat es mir gesagt. Er selbst hat das Geld nötig, und der Kollekteur will es ihm vorschießen. Ich übertrete lieber auf eigene Verantwortung eine Form, als daß ich einen Mann von seinen Jahren und seinem Rang in Verlegenheit lassen soll. Außerdem, Verbrugge, es wird in Lebak viel Mißbrauch der Gewalt getrieben, Sie müßten es wissen. Wissen Sie es?«

 

Verbrugge schwieg.

»Ich weiß es« fuhr Havelaar fort, »ich weiß es Ist nicht der Herr Slotering im November gestorben? Nun, am Tage nach seinem Tode hat der Regent Volk herbeiholen lassen, um seine Sawahs ohne Bezahlung zu bearbeiten. Sie hätten das wissen müssen, wissen Sie es?«

Verbrugge wußte es nicht.

»Sie hätten es wissen müssen. Ich weiß es«, ging Havelaar weiter. »Da liegen die Monatsberichte aus den Distrikten«– er zeigte auf das Paket Schriften, die er in der Versammlung erhalten hatte  »sehen Sie, ich habe nichts geöffnet; darin sind unter anderem auch die Ausstellungen über Arbeiter, die nach dem Hauptorte zum Herrendienst gestellt sind … nun, sind die Aufstellungen richtig?«

»Ich habe sie noch nicht gesehen …«

»Ich auch nicht; und doch frage ich Sie, ob sie richtig sind? Waren die Berichte über den Monat vorher richtig?«

Verbrugge schwieg.

»Auch die Aufstellungen, die ich heute erhielt, sind falsch«, fuhr Havelaar fort. »Der Regent ist arm: die Regenten von Bantam und Tjiandjoer sind Glieder des Geschlechts, dessen Haupt er ist. Er ist Adipati und der Regent von Tjiandjoer ist nur Tomonggong, und doch lassen seine Einkünfte, weil sich Lebak nicht so für den Kaffeebau eignet und ihm daher keine Emolumente abwirft, nicht zu, daß er an Glanz und Prunk wetteifere mit einem einfachen Demang im Preangerschen, der den Zaum halten müßte, wenn seine Neffen zu Pferde steigen. Ist das wahr?«

»Ja, das ist so.«

»Er hat nichts als sein Traktament, und darauf ruht noch ein Abzug zur Abbezahlung eines Vorschusses, den die Regierung ihm gegeben hat, als er … wissen Sie?«

»Ja, ich weiß es.«

»Als er eine neue Moschee bauen wollte, wozu er viel Geld brauchte. Dazu kommt, daß viele Glieder seiner Familie … wissen Sie?«

»Ja, das weiß ich.«

»Viele Glieder seiner Familie  die eigentlich nicht in Lebak zu Hause ist und darum auch beim Volke nicht angesehen ist  scharen sich um ihn wie eine Bummlerbande und pressen ihm Geld ab  ist's wahr?«

»Ja«, sagte Verbrugge.

»Und wenn seine Kasse leer ist, was oft vorkommt, nehmen sie in seinem Namen dem Volke ab, was ihnen gefällt … ist's so?«

»Ja, so ist es.«

»Ich bin also gut unterrichtet, doch davon später. Der Regent wird alt, er ist seit einigen Jahren von dem Triebe beherrscht, sich durch Geschenke an die Geistlichen verdienstlich zu machen. Er giebt viel Geld zu den Reisekosten der Mekkapilger, die ihm allerlei Lumpen von Reliquien, Talismanen und Djimats mitbringen. Ist es nicht so?«

»Ja, das ist wahr.«

»Durch dies alles ist er so arm. Der Demang von Parang-Koedjang ist sein Schwiegersohn. Wo der Regent selbst, aus Scham, seines Ranges wegen, nichts nehmen durfte, da ist es der Demang  aber er nicht allein  der dem Adipati den Hof macht, indem er der armen Bevölkerung Geld und Gut abpreßt, und die Leute von ihren eigenen Reisfeldern wegholt, um sie auf die Sawahs des Regenten zu treiben. Und dieser … ich will ja glauben, daß er gern anders möchte, aber die Not zwingt ihn, von solchen Mitteln Gebrauch zu machen. Ist das nicht alles wahr, Verbrugge?«

»Ja, es ist wahr«, sagte Verbrugge, der, je länger je mehr, einzusehen begann, daß Havelaars Blick scharf war.

»Ich wußte«, fuhr dieser fort, »daß er kein Geld im Hause hatte. Sie haben heute früh gehört, daß ich den Vorsatz habe, meine Pflicht zu thun. Unrecht dulde ich nicht, bei Gott, ich dulde es nicht«

Und er sprang auf, und es war in seinem Ton etwas ganz anderes als gestern bei dem offiziellen Eid.

»Aber«, fuhr er fort, »ich will meine Pflicht mit Milde thun. Ich will nicht zu genau wissen, was geschehen ist. Doch was von heute ab geschieht, gehört zu meiner Verantwortung; dafür will ich Sorge tragen. Ich hoffe lange hier zu bleiben. Wissen Sie wohl, Verbrugge, daß unser Beruf herrlich schön ist? Aber wissen Sie auch, daß ich alles, was ich Ihnen eben sagte, eigentlich von Ihnen hätte hören müssen? Ich kenne Sie ebenso gut, wie ich weiß, wer da Garem-glap (Seesalz) macht an der Südküste: Sie sind ein braver Mensch, das weiß ich; aber warum haben Sie mir nicht gesagt, daß hier so viel nicht in Ordnung ist? Sie sind zwei Monate lang stellvertretender Adsistent-Resident gewesen, und außerdem schon lange hier als Kontroleur, Sie mußten das also wissen.«

»Mijnheer Havelaar, ich habe nie unter jemand gedient, der gewesen wäre wie Sie. Sie haben etwas sehr Besonderes, nehmen Sie mir es nicht übel.«

»Durchaus nicht; ich weiß wohl, daß ich nicht bin wie alle Menschen … aber was thut das zur Sache?«

»Das thut's, daß Sie einem Begriffe und Ideen mitteilen, die früher nicht bestanden.«

»Nein die eingeschlummert waren durch den verfluchten offiziellen Schlendrian, der seinen Stil sucht in ›Ich habe die Ehre‹ und seinen Hochgenuß in der ›höchsten Zufriedenheit der Regierung‹. Nein, Verbrugge, verleumden Sie sich nicht selber Sie haben von mir nichts zu lernen … heute früh zum Beispiel in der Sebah, habe ich Ihnen da etwas Neues erzählt?«

»Nein, Neues nicht … aber Sie sprachen anders als die anderen.«

»Ja, das macht, weil meine Erziehung vernachlässigt ist. Ich spreche zu sehr gerade heraus. Aber Sie sollten mir sagen, warum Sie sich bei all dem Verkehrten in Lebak so beruhigt haben?«

»Ich habe nie so den Eindruck einer Initiative gehabt … und dann, das war ja alles immer so in diesen Gegenden.«

»Ja, ja, das weiß ich wohl … jeder kann nicht Prophet sein oder Apostel … das Holz würde zu teuer zum Kreuzigen. Aber Sie wollen mir doch helfen, alles zurecht zu bringen? Sie wollen doch wohl Ihre Pflicht thun?«

»Gewiß, vor allem bei Ihnen. Aber nicht jeder würde das so streng fordern oder abschätzen, und dann  man kommt so leicht in die Lage des Mannes, der gegen Windmühlen kämpft.«

»Nein, das sagen die, die das Unrecht lieben, weil sie davon leben, daß kein Unrecht wäre, um einen Vorwand zu haben, Euch als einen Don Quixote hinzustellen und zu gleicher Zeit ihre Windmühlen im Gange zu erhalten. Indessen, Verbrugge Sie hätten nicht auf mich zu warten brauchen, um Ihre Pflicht zu thun. Der Herr Slotering war ein geschickter und ehrlicher Mann; er wußte, was vorging, er mißbilligte es und trat dagegen auf. Sehen Sie hier«

Havelaar nahm aus einer Brieftasche zwei Blatt Papier, und indem er sie Verbrugge zeigte, fragte er:

»Wessen Hand ist das?«

»Das ist die Handschrift des Herrn Slotering …«

»Richtig. Das sind Notizen, augenscheinlich Dinge betreffend, die er mit dem Residenten besprechen wollte. Da steht, sehen Sie:

1. Über den Reisbau.

2. Über die Wohnungen der Dorfhäupter.

3. Über das Einziehen der Landrenten u.s.w.

Dahinter stehen zwei Ausrufungszeichen; was meinte Herr Slotering damit?«

»Das kann ich nicht wissen«, sagte Verbrugge.

»Aber ich. Das bedeutet, daß viel mehr Landrenten aufgebracht werden, als in die Landeskasse fließen. Aber ich werde Ihnen etwas zeigen, was wir beide verstehen, weil es in Buchstaben geschrieben ist und nicht in Zeichen. Sehen Sie:

12. Über den Mißbrauch, der durch den Regenten und niedere Häupter mit der Bevölkerung getrieben wird. (Über das Halten verschiedener Wohnungen zu Kosten der Bevölkerung u.s.w.)

Ist das deutlich? Sie sehen, daß der Herr Slotering wohl jemand war, der die Initiative ergreifen konnte, Sie hätten sich daher wohl an ihn anschließen können. Hören Sie:

15. Daß viele Personen von den Familien und dem Gefolge auf den Auszahlungslisten stehen, die in der That an der Kultur keinen Anteil haben; sodaß ihnen die Vorteile davon zufallen, zum Schaden der wirklichen Teilhaber. Auch werden sie in den unrechtmäßigen Besitz der Sawah-Felder gestellt, während diese allein denen zukommen, die an der Kultur Anteil haben.

… Hier habe ich noch eine Notiz, und zwar mit Bleistift. Sehen Sie, auch da steht etwas sehr Deutliches:

Die Verminderung des Volkes zu Parang-Koedjang ist allein dem weitgehenden Mißbrauch zuzuschreiben, der mit der Bevölkerung getrieben wird.

… Was sagen Sie dazu? Sehen Sie wohl, daß ich nicht so excentrisch bin, als es aussieht, wenn ich mit dem Recht Ernst mache, und daß das auch andere thaten.«

»Es ist wahr«, sagte Verbrugge, »der Herr Slotering hat mit dem Residenten oft über das alles gesprochen.«

»Und was folgte darauf?«

»Dann wurde der Regent gerufen … er wurde abouchiert.« …

»Schön Und dann?«

»Der Regent leugnete gewöhnlich alles. Dann mußten Zeugen kommen. Niemand wagte zu zeugen gegen den Regenten … Mijnheer Havelaar, diese Sachen sind so schwierig«

Der Leser wird, noch ehe er mein Buch ausgelesen hat, ebenso gut wie Verbrugge wissen, warum diese Sachen so besonders schwierig sind.

»Der Herr Slotering hatte viel Ärger damit«, fuhr der Kontroleur fort, »er schrieb scharfe Briefe an die Häupter …«

»Ich habe sie heute nacht gelesen«, sagte Havelaar.

»Und ich habe ihn oftmals sagen gehört, wenn es nicht anders würde und der Resident nicht durchgriffe, so würde er sich geradeswegs an den General-Gouverneur wenden. Dies hat er den Häuptern auch selbst gesagt auf der letzten Sebah, die er geleitet hat.«

»Da würde er sehr falsch gehandelt haben; denn der Resident war sein Chef, den er auf keinen Fall übergehen durfte, und warum sollte er auch? Es ist doch nicht anzunehmen, daß der Resident von Bantam Unrecht und Willkür gutheißen sollte?«

»Gutheißen, nein … aber man klagt nicht gern ein Haupt an.«

»Ich klage keinen gern an, wer es auch sei; aber wo es sein muß, ein Haupt so gut wie einen anderen. Indes, von Anklagen ist ja hier, gottlob, keine Rede. Morgen werde ich den Regenten besuchen. Ich will ihm die falsche und gesetzwidrige Ausnutzung der Macht vor Augen stellen, vor allem, wo es sich handelt um den Besitz armer Leute. Aber bis das alles zurecht kommt, will ich ihm in seinen mißlichen Umständen helfen, so viel ich kann. Sie begreifen nun, warum ich das Geld dem Kollekteur sofort habe auszahlen lassen. Auch beabsichtige ich die Regierung zu ersuchen, ihm seinen Vorschuß gänzlich zu schenken. Und Sie, Verbrugge, ersuche ich, streng Ihre Pflicht zu thun, so lange es geht, mit Milde, aber wenn es sein muß, ohne Furcht. Sagen Sie fortan frei heraus, wie es steht   komme, was kann: werfen Sie die Halbheit von sich … und jetzt, bleiben Sie bei uns zu Tisch; wir haben holländischen Blumenkohl, Konserve … aber alles ist sehr einfach; denn ich muß sehr sparsam sein … komm, Max«

Und mit Max rittlings auf der Schulter, traten sie in die Innengalerie, wo Tine sie am gedeckten Tisch erwartete, der, wie Havelaar gesagt hatte, wohl sehr einfach war. Duclari, der Verbrugge fragen kam, ob er denn nicht vor dem Mittagsessen zu Hause zu sein dächte, wurde mit zu Tisch geladen,  und wenn ihr gern etwas Abwechselung in meiner Erzählung haben wollt, müßt ihr das folgende Kapitel lesen, in dem ich euch mitteile, was so alles bei diesem Mahl gesprochen wurde.

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