Za darmo

Infam cassirt

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Karl hörte dies natürlich mit großer Bestürzung an und wußte anfänglich gar nicht, was er dazu sagen sollte.

»Ich versichere Sie, lieber Neffe,« sagte Frau von Bremer, »daß Ihre Entrüstung nicht größer sein kann, als die meinige. Sie wissen, wie viel ich auf Sie halte und ich gebe Ihnen mein Wort, daß diese Verbindung ein Lieblingsgedanke von mir war. Ich habe meinem Gemahl die Albernheit seiner Handlungsweise vorgehalten, ich habe mich auf das Urtheil der Welt berufen, auf die Meinung der Gesellschaft, des Hofes; ich habe ihn verspottet, habe geschmollt, geweint, es half Alles nichts; man macht mich lächerlich in diesem Hause und die einzige Antwort, die ich erhalte, ist Palm, Palm und immer wieder Palm; er ist so gut, so brav, so verständig. So gieb ihm doch eine Stelle in deinem Bureau, aber wirf deine Tochter nicht an ihn weg, sagte ich; es half Alles nichts. Ach, lieber Neffe, ich bin nicht glücklich! Mein Gatte ist sonst ein guter Mensch, aber er hat so etwas Triviales, etwas Bürgerliches in seinen Neigungen und begeht fortwährend Ungeschicklichkeiten, die mir das Leben verbittern.«

»Beruhigen Sie sich, beste Tante,« versetzte der junge Baron, »vielleicht gelingt es mir doch noch, Karolinens Herz zu erobern und dann wird Herr von Bremer gewiß von seinem Wunsche dieser Ihnen verhaßten Verbindung abstehen.«

»Auch ich habe noch nicht alle Hoffnung verloren,« entgegnete Frau von Bremer, »denn ich kann nicht begreifen, wie man eine Neigung empfinden kann für einen Menschen, der gar nicht von Geburt ist. Versuchen Sie es, lieber Neffe, Sie kennen ja die Ueberlegenheit, die ein junger Mann von unserem Stande einem bürgerlichen Freier gegenüber hat, und ich sollte denken, mit Ihrer Erziehung, Ihrer Tournüre, Ihren Mitteln kann es Ihnen nicht schwer fallen, diesen anmaßenden Musikanten in Schatten zu stellen.«

Kaum hatte Frau von Bremer diese Worte gesprochen, als nach vorherigem Anklopfen die Thür geöffnet wurde und der Musiklehrer Palm wie der Wolf in der Fabel hereintrat.

Die stolze Dame erschrak etwas über dieses unvermuthete Zusammentreffen, aber sie verlor fast ihre ganze Haltung, als sie die Wirkung beobachtete, welche das Eintreten Palm's auf ihren Neffen ausübte.

Wie von einer giftigen Schlange gestochen, sprang der junge Baron von seinem Sitze auf und mit dem Rufe: »Huser!« blickte er erbleichend auf den Eintretenden.

Dieser blieb ganz kalt, und nachdem er Frau von Bremer stumm begrüßt hatte, sagte er in ruhigem, aber festem Tone: »Herr Baron von Wiesen, ich muß Sie augenblicklich sprechen, und bedaure, wenn ich hier störend eingetreten bin, da mein Anliegen keinen Aufschub leidet und ich Sie in Ihrer Wohnung leider nicht mehr fand.«

Frau von Bremer war empört über die Kühnheit des in ihren Augen gänzlich unverschämten Musikers. »Welche Impertinenz!« rief sie, während sie Palm mit wüthenden Blicken musterte, dann erhob sie sich und sagte äußerst spitz zu dem jungen Baron: »Kommen Sie, lieber Neffe, und lassen Sie sich mit diesem Menschen weiter nicht ein.«

Dabei sah sie Palm von oben bis unten verachtungsvoll an.

Der junge Baron schien jedoch anders über die Sache zu denken. »Gestatten Sie mir, liebe Tante,« sagte er, »daß die Unterredung hier stattfinden darf; ich folge Ihnen sofort,« und als er sah, daß sie zögerte, wiederholte er dringender: »Ich bitte, lassen Sie uns allein und erwarten Sie mich in kurzer Zeit.«

Frau von Bremer sah kopfschüttelnd von Einem zum Anderen und wußte nicht, was sie von dem jungen Baron denken solle. Endlich kam sie zu der Ueberzeugung, daß er der Anmaßung Palm's als Cavalier sofort mit Züchtigung entgegentreten werde, und ihre Anwesenheit bei dieser Scene dann allerdings nicht wünschenswerth sei. Sie verließ daher mit hochgehobenem Haupte das Zimmer und die beiden jungen Männer blieben allein.

Karl sah beschämt und verlegen vor sich nieder, während Palm in schmerzlicher Entrüstung ihn anblickte.

»Du hast mir gelobt,« sagte Palm, »mir nie wieder in den Weg zu kommen, und dennoch sehe ich dich hier; allerdings begegnest du mir ohne deine Absicht, denn du selbst hast nichts weniger vermuthet, als mich hier zu treffen; aber komm, hier ist nicht der Ort, um uns weiter zu besprechen; begleite mich in meine Wohnung, um, wie ich hoffe, nie wieder in dies Haus zurückzukehren.«

Karl von Bremer mußte das Haus seiner Tante selbst nicht für den geeigneten Ort halten, um die Sache zu erledigen, denn ungeachtet seiner Verabredung mit ihr, stimmte er Palm bei.

Sie verließen Beide das Haus des Finanzraths und begaben sich, ohne ein Wort zu reden, nach Palm's Wohnung.

Dort setzten sie sich nieder und Palm begann das Gespräch mit den Worten: »Ich weiß, weshalb du hierhergekommen bist; du hegst die Absicht, dich mit Karoline Bremer zu verloben und ihre Stiefmutter unterstützt deinen Wunsch. Vielleicht weißt auch du dagegen schon, daß ich Karoline liebe und daß sie mein Gefühl erwiedert. Niemand hier ahnt, weshalb ich auf ihren Besitz, der das Glück meines Lebens ausmachen würde, verzichten muß, du allein weißt es und gerade, weil du es weißt, verlange ich von dir, daß du selbst ebenfalls deine Absicht auf ihre Hand aufgiebst und dich von hier entfernst, ohne weiter an diese Verbindung zu denken.«

Der junge Baron hatte aufmerksam zugehört und entgegnete: »Ich kann mich von meinem Erstaunen noch gar nicht erholen, daß ich dich hier und als meinen Nebenbuhler wiederfinde. Ich muß gestehen, deine Dazwischenkunft ist mir allerdings höchst fatal, denn die Verlobung mit Karoline war für mich aus vielen Gründen ein sehnlicher Wunsch. Du sagst, daß Karoline deine Neigung theilt; unter welchem Vorwande glaubst du alsdann, dich von hier entfernen und sie freigeben zu können?«

»Ich habe Ausflüchte gesucht,« erwiederte Palm, »den Rang ihres Vaters und andere Verbindlichkeiten meinerseits vorgeschützt, aber laß uns davon gar nicht reden, was kümmert dich mein Schicksal; versprich mir vielmehr, deine Absicht aufzugeben und nicht länger an eine Verbindung mit ihr zu denken.«

Der Baron vermied es, hierauf eine bestimmte Antwort zu geben.

»Wenn ich dir sage,« fuhr Palm fort, »daß ich, das Mädchen liebe, so wirst du vielleicht begreifen, welch ein Opfer es mich kostet, von hier fortzugehen, und du weißt es, wem ich dies Opfer bringen muß, aber du wirst auch zugeben, daß gerade ich dich zu gut kenne, um dir Karoline anvertrauen zu können; unmöglich kann ich sie verlassen ohne die Gewißheit, daß du deine Absicht aufgegeben hast.«

Diese Worte schienen große Wirkung auf den Baron hervorzubringen. Gustav hatte dies vorausgesehen, denn er wußte, daß er von jeher die Ueberlegenheit eines älteren Bruders gegen Karl besaß. Karl's bodenloser Leichtsinn wich wieder einmal einer Anwandlung von Reue. »Verzeihe mir, Gustav,« sagte er, »du hast Recht und ich werde deinen Willen vollführen. Das Beste wird sein, ich verabschiede mich brieflich von meiner Tante, indem ich ihr mittheile, daß ich gesonnen sei, in Folge der Eröffnungen, die mir hinsichtlich Karolinens gemacht worden, von meiner Werbung abzustehen.«

Gustav blickte beruhigt bei diesen Worten auf und der Baron setzte noch hinzu: »Verlasse dich darauf, daß dies Alles so geschieht und vergieb mir nochmals Alles, was ich an dir verschuldet habe.«

Nachdem er dies gesagt hatte, reichte er Palm die Hand und dieser schlug beruhigt ein. »Ach!« seufzte Palm, »welch unseliges Geschick hat es gewollt, daß Alles, was uns Beiden zum Segen werden soll, sich in Fluch verkehrt! Leb wohl denn, auf Nimmerwiedersehen, ich verzeihe dir nochmals um Karolinens willen.«

Darauf verließ der Baron Palm's Wohnung und begab sich nach dem Hause seines Onkels, fest entschlossen, sein Versprechen sofort zu erfüllen.

Aber wie viele gute Vorsätze waren in seinem Leben schon durch die Umstände verhindert worden! Wie oft schon hatten die Folgen früherer Thorheiten eine Umkehr auf dem Wege des Leichtsinns unmöglich gemacht! So geschah es auch jetzt.

Mit dem festen Entschlusse, Hellhausen ohne Verzug zu verlassen, gab er Franz den Befehl, Alles zur Abreise vorzubereiten, aber dieser hatte sich kaum von seinem Erstaunen über diese unerwartete Aenderung in dem Lebensplane seines Herrn etwas erholt, als er ihm in eindringlicher Weise die Thorheit und gänzliche Unausführbarkeit seiner Absicht darstellte.

Was wäre das? Die Heirath sollte nicht zu Stande kommen? Der Baron wollte unverrichteter Sache abreisen? Und die Wechsel, die nur im Hinblick auf die bevorstehende Verlobung hinausgeschoben waren, wer sollte die bezahlen? Dachte denn der Baron nicht daran, daß er keinen Tag mehr seiner Freiheit sicher war, daß er nur durch die öffentliche Verlobungsanzeige die bereits längst ungeduldigen Gläubiger einigermaßen beruhigen konnte? Es war ganz unmöglich, daß er seinen Plan aufgeben konnte. Oder hatte er einen Nebenbuhler, der ihm im Wege stand? So mußte auf Mittel gedacht werden, ihn zu verdrängen, sei es durch List oder durch Gewalt. So schnell wenigstens durfte man sich nicht aus dem Felde schlagen lassen, da Alles, Leben, Ehre, Freiheit auf dem Spiele stand. Es war doch nicht das erste Mal, daß der Baron und sein schlauer Diener sich in schwierigen Lagen befanden! Galt es also, hier einen Gegner zu bekämpfen, so mußte dies mit allen Waffen der Intrigue und schlauen Berechnung geschehen. Wie dies möglich sei, darüber war der in allen Sätteln gerechte Franz zwar nicht sofort mit sich einig; ob man Händel mit ihm suchte, oder ihn durch Verleumdung unmöglich mache, sollte der Baron selbst entscheiden, aber von einem Aufgeben des Heirathsprojects, weil sich Hindernisse entgegenstellten, von einem feigen Zurücktreten, weil vielleicht ein Anderer das Herz des jungen Mädchens bethört hatte, durfte in keinem Falle die Rede sein!

So ungefähr lauteten die Argumente des durchtriebenen Bedienten und der Baron sah schließlich ein, daß Franz Recht habe und daß er ein Dummkopf gewesen sei, sich verblüffen zu lassen. So viel war klar, wenn es ihm gelang, den Nebenbuhler zu verdrängen und unschädlich zu machen, so war das Feld für seine eigenen Operationen offen, und, wie die Tante meinte, konnte es bei seiner Erziehung und seiner Tournüre nicht fehlen, daß Karoline ihm schließlich doch noch ihr Herz schenken mußte. Und lag die Wendung der Angelegenheit zu seinen Gunsten nicht vollständig in seiner Hand? Allerdings mußte er dabei einen Schurkenstreich begehen, aber wer konnte ihm dies beweisen? Die Sache war ganz ungefährlich, weil Niemand die Umstände kannte und kennen konnte. Daß er selbst sich sagen mußte, es sei von den vielen schlechten Streichen, die er begangen, der allerschlechteste, das machte ihn allerdings einen Augenblick bedenklich, aber was konnten alle Bedenklichkeiten helfen! Geschehen mußte etwas, und durch feige Rücksichten konnte man sich unmöglich aus der Verlegenheit helfen; es galt also einen raschen Entschluß und er faßte ihn.

 
* * *

Eine Stunde später befand sich der Baron im Zimmer des Finanzraths von Bremer und machte diesem eine eben so wichtige, wie überraschende und erschütternde Mittheilung.

Der Baron erzählte nämlich, daß der Mann, der unter dem Namen Palm als Musiklehrer hier in der Stadt lebe und die Liebe des Fräuleins von Bremer genommen habe, ihm von Jugend auf bekannt sei. Derselbe heiße nicht Palm, sondern Gustav von Huser und sei Officier gewesen. Er sei zwar ein Mann von großen Fähigkeiten und habe sich auch stets so betragen, daß er, als er noch Officier war, sich die Liebe und Achtung aller Cameraden erworben habe. Leider, so setzte der Baron hinzu, halte er es jedoch für seine Pflicht, dem Finanzrathe die Mittheilung zu machen, daß der gewesene Officier, der unter dem Namen Palm sich auch in Hellhausen die allgemeine Achtung erworben habe, vor mehreren Jahren infam cassirt worden sei.

Daß diese Mittheilung den Finanzrath im höchsten Grade verwirrte und außer sich brachte, ist selbstverständlich. Die Aussage des Barons, der dieselbe auf sein Ehrenwort machte, zu bezweifeln, war nicht gut möglich und der Finanzrath beeilte sich daher, seiner Tochter Karoline die furchtbare Nachricht mitzutheilen.

Karoline nahm die Nachricht zwar mit tiefem Schmerze, aber doch ruhiger auf, als ihr Vater erwartet hatte. Sie schien auf etwas Derartiges gefaßt zu sein. Daß sie den Ueberbringer derselben, den Baron von Wiesen, der ihr vorher gleichgültig gewesen war, von diesem Augenblicke an haßte und verabscheute, war eben so natürlich, wie es begreiflich war, daß sie den Glauben an Palm's Unschuld nicht aufgab.

Konnte nicht ein Mißverständniß den Geliebten in Verwicklungen gebracht haben, die ihn schuldiger erscheinen ließen, als er war? Und wenn er sich einen Fehltritt hatte zu Schulden kommen lassen, war es nicht eine harte Strafe für ihn, daß er sein Lebensglück dafür einbüßte? Wenn irgend Jemand ihn entschuldigen durfte, so war sie es, die er liebte, auf deren Besitz er freiwillig verzichtete, weil er sie nicht mit in sein Unglück ziehen wollte. Mit einem Male wurde ihr Alles klar. Sie erinnerte sich seiner Zurückhaltung, der Seelenkämpfe, die er ihretwillen bestanden hatte, und sie beschloß, ihm in diesem Punkte nichts nachzugeben. Selbst wenn sie auf das Glück des Lebens verzichten mußte, wollte sie ihm doch ihre Liebe bewahren und ihm treu bleiben bis zum Tode.

Mit diesem Entschlusse zog Karoline sich am Abend still trauernd zurück; sie fühlte, daß Niemand, selbst nicht ihr Vater, sie in ihren Gefühlen verstehen konnte und sie verschloß dieselben daher in ihrer Brust, ohne durch ein Wort oder eine Thräne zu verrathen, wie sehr sie litt.

Ein Entschluß aber stand in ihr fest: sie mußte Palm noch einmal sehen, von ihm Abschied nehmen und ihm Alles sagen, was sie über ihn und über die Meinung der Welt dachte.

Ohne irgend Jemand ein Wort davon zu sagen, führte sie am anderen Tage ihren Entschluß aus. Sie begab sich nach einer schlaflosen Nacht in Palm's Wohnung. Dort fand sie ihn beschäftigt, Briefe zu schreiben und sich zur Abreise vorzubereiten. Heftig überrascht sprang er auf und sagte: »Was führt Sie hierher, Karoline? Welch ein Grund kann Sie zu solchem Schritte veranlassen! Was ist vorgefallen? Wollen Sie mir den Schmerz der Trennung unerträglich machen?«

»Ich komme,« entgegnete Karoline, »um Ihnen zu sagen, daß Ihr Geheimniß verrathen ist, aber daß Sie für mich nicht ehrlos sind, wenn auch die Welt Sie dafür hält. Ich mußte Ihnen das sagen, lieber Palm, denn ich weiß, daß es ein Trost für Sie ist und Ihnen die Bürde erleichtert, die Sie durch das Leben zu tragen haben. Glauben Sie nicht, daß ich zu Ihnen gekommen bin, weil ich das, was der Baron von Wiesen meinem Vater mitgetheilt hat, nicht für wahr halte; im Gegentheil, Ihr Betragen gegen mich ließ mich vermuthen, daß irgend ein räthselhafter Umstand, ein düsteres Verhängniß in Ihrem Leben walte, und nun ist das Räthsel gelöst. Aber eben darum mußte ich Sie noch einmal sehen und von Ihnen Abschied nehmen und Ihnen sagen, daß ich an Sie glaube und das Urtheil der Welt nicht theile, und daß ich überzeugt bin, Sie würden nicht für ehrlos gelten, wenn es nach dem höheren Rechte ginge, obgleich Sie nach den Gesetzen der weltlichen Vorurtheile vielleicht Ihre Ehre eingebüßt haben.«

Palm war bleich geworden wie der Tod, und seine Augen starrten das junge Mädchen mit Entsetzen an.

»Also der Baron Wiesen hat Ihrem Vater gesagt,« stieß er knirschend hervor, »daß man mich infam cassirt hat und daß meine Ehre vor der Welt verloren ist?« Dann blickte er gerührt in Karolinens Auge und sagte: »Dank Ihnen, herrliches Mädchen, für Ihr Vertrauen, dessen ich nicht werth bin. Ja, Karoline, ich bin ausgestoßen aus der Gesellschaft der Menschen, bin gebrandmarkt und darf es nicht wagen, meine Augen bis zu Ihnen zu erheben, die so rein und so hoch vor mir steht, wie ein Engel des Himmels.«

»Wenn Sie wüßten, was ich gelitten habe,« seufzte Karoline, »diesen Kampf durchzukämpfen bis zu dem Punkte, auf dem ich jetzt stehe! Ich komme, um Abschied von Ihnen zu nehmen und Sie sollen es jetzt von mir hören, daß ich Sie lieb habe, so lieb, wie ich es in den Tagen des Glücks selbst nicht wußte. Als ich zuerst die furchtbare Wahrheit erfuhr, da überraschte sie mich wie ein Donnerschlag, aber ich bin in einer Nacht, die ich seitdem verlebt habe, fest in mir geworden, und Karoline, die gestern noch ein Kind war, steht jetzt ruhig vor Ihnen und hat abgeschlossen mit allen Lebenshoffnungen. Anfänglich hatte ich den Gedanken, zu Ihnen zu eilen und Ihnen zu folgen, wohin Sie gehen würden, denn eben so gut, wie ich Hunger, Elend und selbst den Tod mit Ihnen getheilt haben würde, hätte ich auch mein Theil an Schande auf mich genommen, ich weiß ja, daß Sie kein Verbrecher sein können und daß Sie nur in einen Zwiespalt mit den Einrichtungen der menschlichen Gesellschaft verwickelt sind. Ich würde stolz gewesen sein, auf diese Weise mit Ihnen die Ehrlosigkeit zu tragen, aber ich darf meinen Vater nicht vergessen, und darum will ich auf meine Liebe verzichten und Abschied von Ihnen nehmen.«

Palm hatte mit immer größerer Rührung den leidenschaftlichen Worten des geliebten Mädchens zugehört, er hatte sie in seine Arme gezogen und sagte jetzt: »Sie haben Recht, Karoline, Ihr Vater würde das Unglück nicht überleben, wenn Sie ihn um eines ehrlosen Menschen willen verlassen könnten. Die Kindesliebe ist die heiligste Pflicht, folgen Sie ihr und Gott wird Sie dafür segnen. Wie könnte unser Bund ein glücklicher sein, wenn der Fluch Ihres Vaters darauf lastete? Lassen Sie mich allein diesen Fluch tragen, denn mir wird Ihr Vater mit Recht fluchen, als dem Störer Ihres Friedens.«

»Nein, Palm,« erwiederte Karoline fest, »das soll er nicht, das darf er nicht; ich werde ihm sagen, wie edel Sie sind und er wird mir glauben. Aber zuvor beantworten Sie mir die Frage: Warum sind Sie, was die Welt ehrlos nennt? Haben Sie sich wirklich einen Vorwurf zu machen?«

Als Palm eine Weile schwieg, fuhr sie eindringlicher fort: »Begreifen Sie meine Frage recht. Ich will wissen, wie ich an Sie denken muß, wenn wir geschieden sind, um uns niemals wiederzusehen. Ob ich Sie als ein Opfer armseliger Vorurtheile betrachten oder mit Ihnen über einen längst gefühlten Fehltritt trauern soll. Sagen Sie mir daher, ob Sie schuldig oder unschuldig sind.«