Za darmo

Sklavin, Kriegerin, Königin

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Ceres atmete schwer und versuchte zu verstehen was gerade passiert war.

Rexus legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Alles klar?“

Ceres’ Herz raste noch immer wie wild, doch schnell machte Stolz sich auf ihrem Gesicht breit. Sie hatte sich gut geschlagen.

Sie nickte und Rexus legte einen Arm um ihre Schultern und sie gingen weiter. Sein Gesicht war ein einziges Grinsen.

„Was?“ fragte Ceres.

„Als ich sah was passierte, wollte ich nichts lieber als mein Schwert in jedem einzelnen von ihnen zu versenken. Aber dann hab ich gesehen wie du dich verteidigt hast.“ Er schüttelte seinen Kopf und lachte. „Das hatten sie nicht erwartet.“

Sie merkte, dass sie rot wurde. Sie hätte gerne gesagt, dass sie keine Angst gehabt hatte, doch das stimmt nicht.

„Ich war angespannt“, gab sie zu.

„Ciri angespannt? Niemals.“ Er küsste ihren Kopf und sie drangen weiter in das Innere des Stadions vor.

Sie fanden einige Sitze in den unteren Rängen und nahmen Platz. Ceres war berauscht. Sie würde die Ereignisse des heutigen Tages hinter sich lassen und in die Aufregung der jubelnden Massen miteinstimmen.

„Siehst du die da?“

Ceres folgte Rexus’ Finger und blickte nach oben zu einer der Dutzend Boxen, in denen Jugendliche saßen und an silbernen Weinbechern nippten. Sie hatte noch nie in ihrem Leben solch prachtvolle Kleidung gesehen, noch nie Tische, die vor köstlichem Essen geradezu überquollen und auch die Fülle an glitzernden Juwelen war ihr fremd. Keiner von ihnen hatte eingefallene Wangen oder Hungerbäuche.

„Was machen die dort?“ fragte sie als sie beobachtete wie einer von ihnen Münzen in einem goldenen Becher einsammelte.

„Einem jeden von ihnen gehört ein Kampfherr“, sagte Rexus, „und sie wetten darauf welcher gewinnen wird.“

Ceres stöhnte. Sie verstand, dass es für diese Leute nichts als ein Spiel war. Es war klar, dass die verwöhnten Jugendlichen sich wenig um Kämpfer oder Kampfkunst scherten. Sie wollten einfach nur sehen, ob ihr Kampfherr würde gewinnen können. Für Ceres ging es bei dieser Veranstaltung jedoch um Ehre, Mut und Technik.

Die königlichen Banner waren gehisst, Trompeten ertönten und als die ehernen Tore an beiden Enden des Stadions aufsprangen, marschierte ein Kampfherr nach dem anderen aus den schwarzen Löchern der Anlage. Ihre Rüstungen fingen das Sonnenlicht und warfen Lichtstrahlen in die Menge.

Die Menge tobte als diese Kampfmaschinen in die Arena marschierten. Ceres ließ sich von den Beifall klatschenden Massen mitreißen und sprang auf. Die Kämpfer erreichten in einem mit dem Gesicht nach außen gekehrten Zirkel ihre Positionen. Ihre Äxte, Schwerter, Speere, Schilder, Dreizacke, Peitschen und anderen Waffen reckten sie in die Luft.

„Wohlergehen dem König Claudius“, schrien sie.

Wieder wurden Trompeten geblasen und der goldene Wagen von König Claudius und Königin Athena sauste durch einen der Eingänge in die Arena. Es folgten der Wagen mit Kronprinz Avilius und Prinzessin Floriana und schließlich die restliche königliche Entourage und Sippschaft. Jeder der Wägen wurde von zwei schneeweißen mit Gold und Juwelen geschmückten Schimmeln gezogen.

Ceres machte unter ihnen Prinz Thanos aus und sie war angewidert vom finsteren Blick des Neunzehnjährigen. Wenn sie Schwerter für ihren Vater auslieferte, hatte sie gelegentlich gesehen wie der Prinz mit den Kampfherren im Palast sprach. Ihm stand stets dieser Ausdruck von Verachtung und Hochmut ins Gesicht geschrieben. Sein Körperbau stand in nichts dem der Kämpfer nach – man hätte ihn leicht für einen halten können. Seine Arme waren muskelbepackt, seine Hüften straft und definiert und seine Beine glichen zwei harten Baumstämmen. Dennoch machte sein offenkundiger Mangel an Respekt und Leidenschaft für seine Position Ceres wütend.

Trompeten erschallten als die Angehörigen des Königshauses zu ihren Podiumsplätzen paradierten und damit den Beginn der Tötungen anzeigten.

Die Menge brüllte als alle Kampfherren bis auf zwei wieder hinter den Eisentoren verschwanden.

Ceres erkannte, dass es sich bei dem einen um Stefanus handelte. Den anderen jedoch, der nichts als einen beschirmten Helm und einen von einem Ledergürtel gehaltenen Lendenschutz trug, konnte sie nicht zuordnen. Vielleicht war er von weit her angereist um an den Kämpfen teilzunehmen. Seine gut eingeölte Haut glich der Farbe fruchtbaren Bodens und sein Haar war so schwarz wie die Nacht. Durch die Schlitze in seinem Helm konnte Ceres die Entschlossenheit in seinen Augen sehen und sie wusste sogleich, dass Stefanus’ letzte Stunde geschlagen hatte.

„Keine Sorge“, sagte Ceres und blickte zu Nesos hinüber. „Du kannst dein Schwert behalten.“

„Noch hat er nicht verloren“, antwortete Nesos mit einem Grinsen. „Stefanus würde nicht so weit oben auf der Favoritenliste stehen, wenn er nichts zu bieten hätte.“

Als Stefanus seinen Dreizack und sein Schwert in die Luft schwang wurde es still.

„Stefanus!“ rief mit erhobener und geballter Faust einer der wohlhabenden jungen Männer aus einer der Kabinen. „Stärke und Mut!“

Stefanus nickte in Richtung des jungen Mannes und die Menge bekundete brüllend ihre Zustimmung und dann stürzte er sich mit voller Kraft auf den Weithergereisten. Dieser wich geschickt aus, drehte sich und schlug mit seinem Schwert nach Stefanus, den er nur um wenige Zentimeter verfehlte.

Ceres zuckte zusammen. Bei solchen Reflexen würde Stefanus nicht lange durchhalten. Immer wieder auf Stefanus’ Schild einschlagend stieß der Fremde laute Kampfschreie aus während Stefanus weiter zurückwich. Aus einer Geste der Verzweiflung stieß Stefanus dem Fremden eine Ecke seines Schilds ins Gesicht. Blut schoss durch die Luft und sein Feind taumelte zu Boden.

Ceres gefiel dieser Schachzug. Vielleicht hatte sich Stefanus’ Technik verbessert seitdem sie ihn das letzte Mal trainieren gesehen hatte.

„Stefanus! Stefanus! Stefanus!“ skandierten die Zuschauer im Chor.

Stefanus richtete sich zu Füßen des verletzten Kriegers auf, doch in dem Moment als er ihm den Todesstoß mit seinem Dreizack verpassen wollte, hob der Fremde seine Beine und trat Stefanus mit voller Wucht, sodass er rückwärts stolperte und auf seinem Hinterteil landete. Beide sprangen katzengleich auf ihre Füße und standen sich erneut gegenüber.

Keiner ließ den anderen aus den Augen und sie begannen sich lauernd im Kreis zu bewegen. Die Luft war zum zerreißen angespannt.

Der Fremde fletschte die Zähne, schwang sein Schwert in die Luft und rannte auf Stefanus zu. Stefanus wich rasch zur Seite aus und erwischte ihn mit seinem Schwert am Oberschenkel. Im Gegenzug schwang der Fremde sein Schwert herum und verletzte Stefanus am Arm.

Beide Kämpfer brüllten vor Schmerz, doch schienen die Wunden sie nur noch mehr in Rage zu versetzen statt sie auszubremsen. Der Fremde riss sich seinen Helm vom Kopf und schmiss ihn auf den Boden. Von dem schwarzen Bart seines Kinns rann Blut, sein rechtes Auge war geschwollen, doch in seinem Gesichtsausdruck konnte Ceres erkennen, dass er es satt hatte Spielchen mit Stefanus zu spielen. Er wollte ihn jetzt einfach nur noch töten. Aber wie schnell würde es ihm gelingen ihn abzuschlachten?

Stefanus ging auf den Fremden los und Ceres schnappte nach Luft als Stefanus’ Dreizack mit dem Schwert seines Kontrahenten zusammenstieß. Auge in Auge versuchte ein jeder die Oberhand zu gewinnen. Sie stöhnten, keuchten und schoben, ihre Adern traten hervor und Muskeln spielten unter ihrer verschwitzten Haut.

Der Fremde duckte sich und wrang sich aus dem Griff ihrer Waffen frei. Zu Ceres’ Überraschung wirbelte er wie ein Tornado herum, ließ sein Schwert durch die Luft rauschen und enthauptete Stefanus.

Nach einigen Atemzügen hob der Fremde triumphierend seinen Arm in die Luft.

Die Menge verstummte für eine Sekunde. Auch Ceres. Sie blickte zu dem jungen Mann, dem Stefanus gehört hatte. Sei Mund stand sperrangelweit offen, seine Augenbrauen waren wütend zusammengezogen.

Der junge Mann schmetterte seinen Silberbecher in die Arena und stürmte aus seinem Rang. Der Tod macht die Menschen gleich, dachte Ceres und musste ein Lächeln unterdrücken.

„August!“ schrie ein Mann in der Menge. „August! August!“

Ein Zuschauer nach dem anderen stimmte mit ein, bis das gesamte Stadion den Namen des Siegers rief. Der Fremde verbeugte sich vor König Claudius. Dann kamen drei andere Kämpfer von den Eisentoren hergelaufen um ihn abzulösen.

Einem Kampf folgte der nächste und so verging der Tag. Ceres beobachtete aufmerksam jeden einzelnen. Sie war sich nicht sicher, ob sie die Tötungen hasste oder liebte. Auf der einen Seite faszinierten sie die Strategien, die Fähigkeiten und der Mut der Herausforderer; auf der anderen Seite widerte es sie an, wie die Kämpfer nichts als Spielsteine der Reichen waren.

Im letzten Kampf der ersten Runde kämpften Brennius und ein anderer Kämpfer gleich neben den Sitzplätzen von Rexus, Ceres und ihren Brüdern. Sie kamen immer näher, ihre Schwerter klirrten, Funken flogen. Es war berauschend.

Ceres sah wie Sartes sich über die Brüstung lehnte, seine Augen gebannt auf die Kämpfenden gerichtet.

„Lehn dich zurück!“ rief sie zu ihm hinüber.

Doch noch bevor er antworten konnte sprang plötzlich eine Omnikatze aus der Bodenklappe auf der anderen Seite des Stadions. Das gigantische Biest leckte sich die Pfoten und seine Klauen gruben sich in den roten Dreck als es sich auf den Weg zu den Kämpfern machte. Diese hatten das Tier noch nicht bemerkt und das Stadion hielt den Atem an.

„Brennius ist so gut wie tot“, murmelte Nesos.

„Sartes!“ rief Ceres erneut. „Ich habe dir doch gesagt –“

Sie konnte den Satz nicht zu Ende führen. Denn in diesem Augenblich zerbröckelte der Stein unter Sartes’ Händen und noch bevor irgendjemand reagieren konnte, stürzte er über die Brüstung in die Grube hinein. Er landete mit einem Bums auf dem Boden.

 

„Sartes!“ schrie Ceres vor Entsetzen und sprang auf die Füße.

Ceres blickte nach unten zu Sartes, er saß drei Meter unter ihr gegen die Wand gelehnt. Seine Unterlippe bebte, aber er vergoss keine Träne. Kein Wort. Er hielt seinen Arm und blickte nach oben, sein Gesicht war vor Schmerzen verzogen.

Ihn dort unten so zu sehen, war mehr als Ceres ertragen konnte. Ohne Nachzudenken zog sie Nesos’ Schwert und sprang über die Brüstung in die Grube. Sie landete genau vor ihrem jüngeren Bruder.

„Ceres!“ schrie Rexus.

Sie blickte nach oben und sah wie zwei Wächter Rexus und Nesos davonschleppten noch bevor sie ihr hätten folgen können.

Ceres stand in der Grube. Beim Gedanken hier unten mit den Kämpfern in der Arena zu sein beschlich sie ein seltsames Gefühl. Sie wollte Sartes hier rausholen, doch sie hatte keine Zeit. Also stellte sie sich vor ihm auf, fest entschlossen ihn vor der fauchenden Omnikatze zu beschützen. Diese machte einen Buckel und ihre bösen gelben Augen fixierten Ceres. Gefahr machte sich breit.

Sie zog Nesos’ Schwert und umklammerte es fest mit beiden Händen.

„Lauf Mädchen!“ schrie Brennius.

Aber es war zu spät. Die Omnikatze nahm bereits Anlauf und war nur noch wenige Meter entfernt. Ceres trat noch näher an Sartes heran. Doch kurz bevor das Tier angreifen konnte sprang Brennius von der Seite dazwischen und hieb dem Tier ein Ohr ab.

Die Omnikatze bäumte sich auf ihren hinteren Tatzen stehend auf und knurrte. Sie riss einen Brocken aus der Mauer hinter Ceres. Violettes Blut befleckte ihr Fell.

Die Menge tobte.

Der zweite Kampfherr kam nun auch näher, doch bevor er dem Biest noch irgendeinen Schaden zufügen konnte, schlitzte die Omnikatze ihm mit ihren Klauen die Kehle auf. Der Krieger ging zu Boden, seine Hände um den Hals geklammert, Blut sickerte durch seine Finger.

Die bluthungrige Menge jubelte.

Die Katze fauchte und traf Ceres mit solch einer Wucht, dass sie durch die Luft flog und auf den Boden prallte. Beim Aufprall glitt ihr das Schwert aus der Hand und landete einen Meter neben ihre.

Ceres’ Lungen waren wie zugeschnürt. Nach Luft japsend drehte sich ihr der Kopf und sie versuchte sich auf ihren Füßen und Händen fortzubewegen, doch schnell kippte sie wieder um.

Atemlos lag sie dort mit dem Gesicht gegen den rauen Sand gepresst. Sie sah wie die Omnikatze sich nun auf Sartes zubewegte. Ihren Bruder in solch einer hilflosen Position sehend entfachte das Feuer in ihr. Sie zwang ihr Lungen sich zu öffnen und erkannte in vollkommener Klarheit was sie zu tun hatte um ihren Bruder zu retten.

Energie schoss durch ihren Körper und gab ihr Kraft. Sie stand auf, nahm das Schwert und preschte so schnell nach vorne auf das Biest zu, dass sie glaubte zu fliegen.

Das Biest war jetzt noch drei Meter von ihr entfernt. Zweieinhalb, zwei, einen Meter.

Ceres biss die Zähne zusammen und schwang sich auf den Rücken des Biests. Sie grub entschlossen ihre Finger in das borstige Fell des Tieres und versuchte es von ihrem Bruder abzulenken.

Die Omnikatze stellte sich auf seinen Hinterpfoten und versuchte Ceres mit aller Kraft abzuwerfen. Aber Ceres’ eiserner Griff und ihr Entschlossenheit waren stärker als die Versuche des Tieres sie abzuschütteln.

Als das Tier wieder auf seine Viere fiel, nutze Ceres die Gelegenheit. Sie hob ihr Schwert in die Luft und stach dem Tier in den Nacken.

Das Tier kreischte und stellte sich erneut auf. Die Menge kochte.

Es schwang seine Tatze nach hinten und durchbohrte Ceres’ Rücken. Ceres schrie vor Schmerzen, denn die Klauen fühlten sich so an, als hätte jemand Dolche in ihren Rücken gestoßen. Die Omnikatze bekam sie zu fassen und schleuderte sie gegen die Mauer. Sie landete zwei Meter neben Sartes.

„Ceres!“ schrie Sartes.

Ihre Ohren rauschten und Ceres hatte Mühe aufrecht zu sitzen. Ihr Hinterkopf pochte und etwas Warmes rann ihren Nacken hinab. Doch sie hatte keine Zeit herauszufinden wie schlimm die Wunde war. Die Omnikatze setzte bereits zum nächsten Angriff auf sie an.

Schon war die Katze vor ihr und Ceres’ Optionen erschöpft. Ohne überhaupt nachzudenken, hob sie ihre Hand und hielt sie mit der Handinnenfläche nach außen gestreckt vor sich. Sie glaubte, dass es das letzte war was sie sehen würde.

Doch gerade als die Omnikatze sich auf sie stürzen wollte, spürte Ceres wie ein Feuerball in ihrer Brust entflammte und plötzlich fühlte sie einen Energieball aus ihrer Hand schießen.

Das Biest gefror im Flug.

Es krachte auf den Boden und kam rutschend auf seinen Beinen zum stehen. Ceres hielt den Atem an und erwartete, dass das Tier nun gleich wieder zu sich kommen und ihr den Rest geben würde. Doch es stand einfach nur dort und bewegte sich nicht.

Verblüfft starrte Ceres auf ihre Hand. Die Menge hatte nicht gesehen was da aus ihrer Hand gekommen war und so dachte sie, dass Ceres das Tier wahrscheinlich mit ihrem Schwert erstochen hatte. Aber sie wusste es besser. Eine geheimnisvolle Kraft war ihrer Hand entwichen und hatte das Biest augenblicklich getötet. Was war das für eine Kraft gewesen? Es war das erste Mal, dass ihr so etwas passiert war und sie war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte.

Wer war sie, dass sie solche Kräfte besaß?

Ängstlich ließ sie ihre Hand sinken.

Zögernd hob sie den Blick und sah, dass das Stadion verstummt war.

Und sie fragte sich nur, ob sie es auch gesehen hatten?

KAPITEL ZWEI

In der Sekunde, in der Ceres wie von Schmerz und Unglauben betäubt dort auf dem Boden der Arena saß, spürte sie für die Ewigkeit einer Sekunde alle Blicke auf sich gerichtet. Mehr als die Konsequenzen dieser Aktion fürchtete sie die übernatürlichen Kräfte, die in ihr zum Vorschein gekommen waren und die Omnikatze getötet hatten. Sie fürchtete nicht die Menschen, die sie umgaben, sondern ihr neues unheimliches selbst, das ihr völlig fremd war.

Plötzlich brach die vor Erstaunen erstarrte Menge in Gebrüll aus. Es dauerte einen Moment bis sie realisierte, dass sie für sie jubelten.

Eine Stimme drang an ihr Ohr.

„Ceres!“ rief Sartes neben ihr. „Bist du verletzt?“

Sie drehte sich zu ihrem Bruder, der ebenso noch auf dem Boden des Stadions lag und öffnete den Mund. Doch kein einziges Wort kam heraus. Sie hatte ihren Atem verbraucht und sie fühlte sich wie benommen. Hatte er gesehen was wirklich geschehen war? Bei den anderen konnte sie sich nicht sicher sein, aber so nah? Es wäre ein Wunder gewesen, wenn er es nicht gesehen hatte.

Ceres hörte Schritte näher kommen und plötzlich griffen zwei starke Hände nach ihr und brachten sie in eine stehende Position.

„Raus mit dir!“ brummte Brennius und schubste sie in Richtung des offenen Tores zu ihrer Linken.

Die tiefen Wunden auf ihrem Rücken schmerzten, doch sie zwang sich zurück in die Gegenwart zu kehren. Sie griff Sartes und half ihm auf die Beine. Den Jubelrufen der Menge entfliehend gingen sie zusammen zügig zum Ausgang.

Schon waren sie in dem dunklen und stickigen Tunnel und Ceres sah, wie dort Dutzende von Kampfherren auf ihren Einsatz in der Arena und ein paar Momente des Ruhms warteten. Einige saßen in tiefer Meditation auf Bänken, andere strafften ihre Muskeln, indem sie ihre Unterarme pumpend hoch- und niederfahren ließen, wieder andere bereiteten ihre Waffen für das bevorstehende Blutbad vor. Doch beim Anblick von Ceres blickten sie auf und starrten sie neugierig an, denn sie alle waren Zeugen des letzten Kampfes gewesen.

Ceres eilte weiter die unterirdischen Korridore entlang. An den Seiten hingen Fackeln, sie gaben den grauen Steinen einen warmen Schirmer. Außerdem lehnten alle möglichen Sorten Waffen an den Wänden. Sie versuchte den Schmerzen in ihrem Rücken keine Beachtung zu schenken, doch das war nicht ganz einfach, denn mit jedem Schritt den sie tat, scheuerte das raue Material ihres Kleides über die offenen Wunden. Die Klauen der Omnikatze hatten sich wie Dolche in ihren Rücken gebohrt. Jeder der Einschnitte klaffte nun pochend unter ihrer Kleidung und so waren die Schmerzen fast noch schlimmer als zuvor.

„Dein Rücken blutet“, sagte Sartes mit einem Zittern in der Stimme.

„Mir geht es gut. Wir müssen Nesos und Rexus finden. Wie geht es deinem Arm?“

„Er tut weh.“

Als sie den Ausgang erreicht hatten, schwang die Tür auf und gab den Blick auf zwei Reichssoldaten frei.

„Sartes!“

Noch bevor sie reagieren konnte, ergriff der eine Soldat ihren Bruder und der andere sie selbst. Es war zwecklos sich zu wehren. Der zweite Soldat warf sie wie einen Getreidesack über seine Schulter und trug sie fort. Sie fürchtete verhaftet worden zu sein und schlug auf seinen Rücken ein, doch es brachte nichts.

Nachdem sie aus dem Stadion getragen worden waren, warf er sie auf den Boden. Sartes landete gleich neben ihr. Ein paar Schaulustige stellten sich gaffend im Halbkreis um sie auf, so als würden sie begierig auf den Beginn eines Blutbades warten.

„Solltet ihr jemals wieder das Stadion betreten“, knurrte der Soldat, „werdet ihr gehängt werden.“

Die Soldaten machten zu Ceres’ Überraschung kehrt und verschwanden ohne ein weiteres Wort in der Menge.

„Ceres!“ rief eine tiefe Stimme über das Dröhnen der Menge hinweg.

Ceres blickte auf und sah voller Erleichterung Nesos und Rexus auf sie zukommen. Rexus’ feste Umarmung verschlug ihr für einen Moment den Atem. Er löste sich aus der Umarmung und blickte sie voller Sorge an.

„Mir geht es gut“, sagte sie schlicht.

Als die Menschenmassen aus dem Stadion drängten, mischten sich Ceres und die Anderen unter sie und eilten entschlossen weiteren Zwischenfällen aus dem Weg zu gehen zurück auf die Straße. Auf dem Weg zum Quellplatz spielte Ceres das Geschehene nochmals in ihrem Kopf durch. Sie konnte es noch immer nicht glauben. Sie bemerkte die Blicke ihrer Brüder auf dem Gehweg und fragte sich, was sie wohl gerade dachten. Hatten sie gesehen was sie gesehen hatte? Wahrscheinlich nicht. Die Omnikatze musste ihnen die Sicht versperrt haben. Doch hatte sie in ihren Blicken auch einen neu gewonnenen Respekt entdeckt. Sie wollte nichts sehnlicher, als ihnen zu erzählen, was passiert war. Doch sie wusste, dass das nicht möglich war. Sie selbst war sich nicht einmal sicher.

Es gab so viel Unausgesprochenes zwischen ihnen, doch hier inmitten der dichten Menge war wahrlich nicht der richtige Zeitpunkt diese Dinge anzusprechen. Sie mussten erst einmal sicher nach Hause gelangen.

Je weiter sie sich vom Stadion entfernten desto lichter wurde die Menge. Rexus, der neben ihr lief, nahm eine ihrer Hände und verschränkte ihre Finger.

„Ich bin stolz auf dich“, sagte er. „Du hast das Leben deines Bruders gerettet. Ich glaube, dass es nicht viele Schwestern gibt, die das tun würden.“

Er lächelte, in seinen Augen spiegelte sich Mitgefühl.

„Die Wunden scheinen wirklich tief zu sein“, bemerkte er auf ihren Rücken blickend.

„Das wird schon wieder“, murmelte sie.

Das war eine Lüge. Sie war sich keineswegs sicher, dass alles gut würde oder dass sie es überhaupt nach Hause schaffen würde. Sie hatte viel Blut verloren und fühlte sich schwindlig. Dass ihr Magen knurrte und ihr Rücken noch mehr litt, weil sie wie verrückt schwitzte, machte es nicht besser.

Schließlich erreichten sie den Quellplatz. Sobald sie an den Ständen vorbeikamen, bot ihnen ein Händler einen großen Korb voller Essen zum halben Preis an.

Sartes grinste von einem Ohr zum anderen und Ceres wunderte sich warum. Dann hielt er mit seinem gesunden Arm eine Kupfermünze in die Höhe.

„Ich glaube, ich schulde dir etwas zu essen“, sagte er.

Ceres schnappte nach Luft. „Woher hast du das?“

„Das reiche Mädchen in dem goldenen Wagen hat vorhin zwei Münzen unters Volk geworfen, nicht nur eine, aber alle waren so sehr durch den Kampf zwischen den Männern abgelenkt, dass sie es gar nicht bemerkt haben“, antwortete Sartes mit unverändert breitem Grinsen.

Ceres wurde wütend und wollte die Münze konfiszieren und wegwerfen. Schließlich was es immer noch Blutgeld. Sie brauchten das Geld der Reichen nicht.

Gerade als sie ihre Hand ausstreckte und nach der Münze greifen wollte, tauchte eine alte Frau auf und stellte sich zwischen sie.

„Du!“ sagte sie und deutete dabei auf Ceres. Ihre Stimme war so laut, dass Ceres das Gefühl hatte sie würde ihren Körper in Schwingungen versetzen.

Die Haut der Frau war weich und scheinbar durchsichtig. Ihre perfekt geformten Lippen waren grün gefärbt. Eicheln und Moos schmückten ihre langen, dicken, schwarzen Haare und das Braun ihrer Augen stimmte mit dem ihres Kleides überein. Sie ist schön anzusehen, dachte Ceres und war für einen Moment in ihren Bann gezogen.

 

Ceres blinzelte verdattert zurück, denn sie war sich sicher, dass sie diese Frau noch nie zuvor gesehen hatte.

„Woher kennst du meinen Namen?“

Sie hielt ihrem Blick stand als sie noch ein paar Schritte näher an sie herantrat. Ceres bemerkte, dass sie stark nach Myrre roch.

„Von der Art der Sterne“, sagte sie in ihrer schaurigen Stimme.

Als die Frau in einer graziösen Geste ihren Arm hob, erblickte Ceres eine Triqueta, die auf die Innenseite ihres Handgelenks eingebrannt worden war. Eine Hexe. So wie sie roch war sie aller Wahrscheinlichkeit nach eine Wahrsagerin.

Die Frau nahm ein Büschel von Ceres’ rosig goldenem Haar in die Hand und roch daran.

„Dir ist das Schwert nicht fremd“, sagte sie. „Dir ist der Thron nicht fremd. Das Schicksal hat dich auserwählt. Der Wandel wird groß und mächtig sein.“

Die Frau drehte sich plötzlich um und eilte davon. Sie verschwand hinter einem der Stände. Ceres stand wie versteinert da. Sie fühlte wie die Worte der Frau in ihre Seele drangen. Sie spürt, dass sie mehr gewesen waren als das Ergebnis bloßer Beobachtung; sie waren eine Prophezeiung gewesen. Mächtig. Wandel. Thron. Schicksal. Diese Worte waren ihr in Bezug auf sich selbst fremd.

Konnten sie wahr sein? Oder waren sie nichts als die Worte einer Verrückten?

Ceres blickte zu Sartes hinüber, der einen Essenskorb in den Armen hielt und sich seinen Mund bereits mit allerlei Brot vollgestopft hatte. Er hielt ihr den Korb entgegen. Sie sah die Backwaren, das Obst und Gemüse und sie wäre beinahe schwach geworden. Normalerweise hätte sie keine Sekunde gezögert.

Aber gerade hatte sie aus irgendwelchen Gründen ihren Appetit verloren.

Sie hatte eine Zukunft.

Ein Schicksal.

*

Der Weg nach Hause hatte fast eine Stunde länger als normal gedauert und alle hatten sie in Gedanken verloren unterwegs geschwiegen. Ceres konnte nur ahnen, was diejenigen die sie in dieser Welt am meisten liebte von ihr dachten. Sie wusste schließlich kaum, was sie selbst von sich halten sollte.

Sie blickte auf und sah ihr bescheidenes Zuhause. Sie war überrascht, dass sie es trotz der Kopf- und Rückenschmerzen bis hierher geschafft hatte.

Die Anderen waren bereits vorher abgebogen um für ihren Vater noch einige Besorgungen zu machen. So trat Ceres alleine über die krächzende Schwelle. Angespannt hoffe sie nicht ihrer Mutter über den Weg zu laufen.

Hitze schlug ihr entgegen. Sie lief durch den Raum und griff nach dem Fläschchen Alkohol, das ihre Mutter unter dem Bett aufbewahrte und entkorkte es. Sie achtete darauf nur soviel zu benutzen, dass es nicht auffiel. Sie hielt die Luft an als der bissige Geruch ihr in die Nase stieg, dann zog sie ihr Hemd hoch und goss den Alkohol über ihren Rücken.

Ceres schrie vor Schmerzen, die Klauen der Omnikatze brannten wie tausend Stiche und sie ballte ihre Hände zu Fäusten und lehnte ihre Stirn gegen die Wand. Es fühlte sich so an als würden die Wunden niemals heilen.

Die Tür wurde aufgerissen und Ceres zuckte zusammen. Erleichtert erkannte sie, dass es nur Sartes war.

„Vater will dich sehen Ceres“, sagte er.

Ceres sah, dass seine Augen leicht gerötet waren.

„Wie geht es deinem Arm?“ fragte sie, da sie annahm, dass er des verletzten Armes und der Schmerzen wegen geweint hatte.

„Er ist nicht gebrochen, nur verstaucht.“ Er trat näher und sein Gesicht wurde ernst. „Danke, dass du mich heute gerettet hast.“

Sie antwortete mit einem Lächeln. „Wie hätte ich das nicht tun können?“ sagte sie.

Er grinste.

„Geh jetzt zu Vater“, sagte er. „Ich werde dein Kleid und den anderen Stoff verbrennen.“

Sie hatte keine Ahnung wie sie ihrer Mutter erklären sollte, dass ihr Kleid plötzlich verschwunden war, aber das Erbstück musste definitiv verbrannt werden. Wenn ihre Mutter es so fände – durchlöchert und mit Blut besprenkelt – dann würde ihr eine kaum vorzustellende Strafe drohen.

Ceres verließ das Haus und wanderte über das niedergetretene Gras in Richtung der Hütte, die hinter dem Haus lag. Nur ein Baum war ihnen auf ihrem bescheidenen Grundstück geblieben. Die anderen waren in Feuerholz verwandelt und im Herd verbrannt worden um das Haus während der kalten Winternächte warm zu halten. Die Äste des Baumes schwebten wie eine schützende Hand über dem Haus. Jedes Mal wenn Ceres sie sah, musste sie an ihre im letzten Jahr verstorbene Großmutter denken. Es war ihre Großmutter gewesen, die diesen Baum gepflanzt hatte, als sie noch ein Kind gewesen war. Er war für sie und auch ihren wie ein Tempel gewesen. Wenn ihnen das Leben zu viel wurde, legten sie sich unter den Sternenhimmel und ihre Herzen würden zu Nana sprechen, als wäre sie noch immer am Leben.

Ceres betrat die Hütte und begrüßte ihren Vater mit einem Lächeln. Zu ihrer Überraschung war fast alles Werkzeug von dem Arbeitstisch verschwunden, kein Schwert wartete neben dem Herd darauf geschmiedet zu werden. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie den Boden das letzte Mal so sauber gesehen hatte oder die Wände und Zimmerdecke bedeckt von so wenigen Werkzeugen.

Die blauen Augen ihres Vaters leuchteten auf, so wie sie es immer taten, wenn er sie sah.

„Ceres“, sagte er und stand auf.

Im Laufe des letzten Jahres waren sein schwarzes Haar und sein Bart stark ergraut, die Tränensäcke unter seinen lieben Augen waren heute doppelt so groß. Früher hatte er eine starke Statur gehabt und war fast so muskelbepackt wie Nesos gewesen; doch in der letzten Zeit hatte Ceres bemerkt, dass er viel Gewicht verloren hatte und seine vormals kerzengerade Haltung war in sich zusammengesackt.

Er ging zu ihr hinüber und legte ihr seine von der schweren Arbeit verhornte Hand auf den Rücken.

„Komm ein Stück mit mir.“

Seine Brust fiel ein wenig zusammen. Er wollte reden und spazieren gehen, das bedeutete, dass er ihr etwas Wichtiges mitzuteilen hatte.

Seite an Seite bahnten sie sich hinter der Hütte ihren Weg zu einem kleinen Feld. Dunkle Wolken standen nicht fern von ihnen am Himmel. Angenehm warme Luft wehte aus ihrer Richtung. Sie hoffte, dass sie den dringend notwendigen Regen bringen würden um die scheinbar niemals endende Dürre zu beenden. Doch wahrscheinlich waren sie wie so oft zuvor nichts als leere Versprechen lebensnotwendiger Regengüsse.

Die Erde knirschte unter ihren Füßen. Der Boden war trocken, die Pflanzen gelb, braun und tot. Dieses Fleckchen Land hinter ihrem kleinen Anwesen gehörte König Claudius, doch es war schon seit Jahren nicht bestellt worden.

Sie erklommen einen Hügel, blieben stehen und blickten über das Feld. Ihr Vater war stumm geblieben. Er verschränkte die Hände hinter seinem Rücken und blickte in den Himmel. Das war ungewöhnlich für ihn und eine dunkle Vorahnung beschlich sie.

Dann begann er seine Worte mit Bedacht wählend zu sprechen.

„Manchmal ist es uns nicht vergönnt den Weg den wir gehen müssen zu wählen“, sagte er. „Wir müssen alles für diejenigen die wir lieben aufgeben. Uns selbst, wenn nötig, miteingeschlossen.“

Er seufzte und in der langen Stille, die nur vom Wind unterbrochen wurde, pochte Ceres’ Herz und fragte sich, was er damit meinte.

„Ich würde viel dafür geben, dir deine Kindheit nicht jetzt schon rauben zu müssen“, fügte er hinzu und blickte suchend in den Himmel, sein Gesicht war für einen Moment schmerzverzerrt.

„Was ist los?“ fragte Ceres und legte eine Hand auf seinen Arm.

„Ich muss euch für eine gewisse Zeit verlassen“, sagte er.

Ihr Hals fühlte sich wie zugeschnürt an und es fiel ihr schwer zu atmen.

„Verlassen?“

Er drehte sich zu ihr und schaute ihr in die Augen.

„Du weißt, dass der Winter und Frühling dieses Jahres besonders hart gewesen sind. Die letzten Jahre der Dürre waren schwer. Wir haben nicht genug Geld zur Seite legen können um über den Winter zu kommen und wenn ich jetzt nicht gehe, wird unsere Familie verhungern. Ich habe einen Auftrag von einem anderen König erhalten. Ich werde als sein Hauptklingenschmied angestellt werden und gutes Geld verdienen.“