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Nick aus der Flasche - Snippet

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Sie nickte erneut.

»Dann gehöre ich jetzt Euch, Herrin.«

Herrin?!

Vorsichtig tippte sie den Jungen an der Schulter an. Fühlte sich echt an. Warm und lebendig. »Wer bist du? Was bist du?«

»Ein Flaschengeist.«

»Ja, genau!« Julie lachte schrill und sprang auf. »Hier will mich bestimmt jemand verarschen!« Wo war die versteckte Kamera?

Ruhelos wanderte sie im Zimmer umher, während sich der junge Mann nicht von der Stelle rührte, lediglich den Kopf drehte.

»Dann zeig mir doch mal, was du kannst«, sagte sie. »Verwandle dich in einen Frosch.«

Er rieb sich über die Stirn, als hätte er Kopfweh, und erwiderte: »Ich glaube, ich kann nicht zaubern, falls Ihr das meint.«

»Bitte sag Du und nenn mich nicht Herrin!« Das alles war zu kurios.

»Wie du wünschst.«

»Du glaubst also, nicht zaubern zu können?« Ihre Stimme wurde immer lauter. »Natürlich nicht, das wären dann zu viele Spezialeffekte, was?«

»Ich kann aber jedem neuen Besitzer drei besondere Wünsche erfüllen. Und du kannst mir Befehle geben«, erklärte er zerknirscht, als ob er das nicht sagen wollte, jedoch dazu gezwungen war.

»Das träum ich jetzt, oder?«

Der junge Mann schüttelte den Kopf.

Sie konnte ihm also Befehle erteilen? »Zurück in die Flasche mit dir!«

Gequält schaute er sie von unten herauf an und flüsterte: »Bitte nicht«, als er sich schon auflöste und die blaue Rauchsäule denselben Weg zurücknahm, wie sie herausgekommen war.

Als der letzte Rest in der Flasche verschwunden war, drückte Julie sofort den Stöpsel in die Öffnung und atmete tief durch.

Wow, es hatte funktioniert! »Ihr seid gut. Richtig gut! Und jetzt könnt ihr rauskommen, die Show ist vorüber!« Sie starrte auf die Tür, doch nichts passierte. Kein Filmteam stürmte ihr Zimmer, alles blieb ruhig.

Ihre Knie waren butterweich, woraufhin sie sich aufs Bett plumpsen ließ. Hart klopfte ihr Herz bis in den Hals und ihre Hände zitterten.

Was, wenn das wirklich kein Traum war und sich ein junger Mann in dieser Flasche befand? Einer, der ihr tatsächlich Wünsche erfüllen konnte? Vielleicht hatte das Universum von ihrem Liebeskummer genug und hatte ihr deshalb diesen Flaschengeist geschickt?

Josh und sie … zusammen.

Langsam streckte sie einen bebenden Arm aus und öffnete die Flasche ein zweites Mal.

Kapitel 2 – Ein echter Flaschengeist

Er spürte, wie er sich den schmalen Hals hinaufwand. Die Monotonie schwand, sein Bewusstsein kehrte zurück. Wenn er sich in der Flasche befand, besaß er keine Gefühle, machte sich keine Gedanken, alles war ihm egal, doch wenn er seine körperliche Gestalt zurückerlangte, wollte er nie wieder dieses Stadium der Gleichgültigkeit annehmen, nie wieder zurück in dieses verdammte Gefängnis.

Sein Herz begann zu schlagen, die Lungen füllten sich, seine Sinne funktionierten. Er fühlte, hörte, roch … und schließlich sah er das Mädchen. Sie hatte ihn erneut befreit, dem Himmel sei Dank!

»Du bist also wirklich ein Flaschengeist«, sagte sie leise, während sie auf dem Bett saß und ihn mit ihren großen braunen Augen anstarrte.

Er nickte und überlegte fieberhaft was er machen konnte, damit sie ihn nicht wieder zurück befahl.

Möglichst unauffällig sah er sich um. Er war auf jeden Fall nicht mehr im Haus seines ehemaligen Herrn, wie er zuvor schon festgestellt hatte. Dazu war es hier zu sauber. Das Zimmer gefiel ihm: bunte Poster, ein wenig chaotisch und definitiv zu viel weiblicher Flair, aber gemütlich. Es gab einen großen Schrank, einen Schreibtisch, ein Bett … und es stank nicht.

Das Mädchen schien auch anders zu sein als Meister Solomon. Hoffentlich. Ein Schauder überlief ihn, gemischt mit Angst und Hass, wenn er an seinen alten Besitzer dachte, daher blieb er lieber am Boden hocken. Seine Knie würden vielleicht vor Aufregung nachgeben.

Jetzt nur nichts falsch machen! Er hatte keine Lust auf Schläge oder Demütigungen.

»Wie heißt du?«, fragte die junge Frau.

Diener hatte Meister Solomon ihn genannt, weshalb er seinen Namen fast vergessen hatte, daher überraschte es ihn, als er ihn wie selbstverständlich über die Lippen brachte. »Nick.«

Nicolas Tate … So hieß er doch? Er war sich nicht sicher, denn er konnte sich kaum an sein menschliches Dasein erinnern. »Und du?«

»Julie Reynolds.«

Julie … Er besah sich seine neue Herrin genauer. Sie schien in seinem Alter zu sein und hatte langes braunes Haar, das ihr offen über die Schultern fiel. Ihre Rehaugen und diese wunderschön geschwungenen Lippen machten ihn irgendwie nervös.

Er senkte den Kopf, was es nicht besser machte. Unter dem dunklen Rock spitzten ihre Knie hervor, gefolgt von schlanken Waden. Hübsche Beine …

Hastig richtete er den Blick wieder höher und blieb an den Ansätzen ihrer Brüste hängen. Verdammt, war ihr T-Shirt tief ausgeschnitten!

Er schluckte. Julie war eine ziemlich flotte Biene. Ein Engel … War sie gekommen, um ihn zu erlösen?

Kurz schloss er die Lider, als ein Bild von einem blonden Mädchen vor seinem inneren Auge aufflackerte. Es sah Julie ein wenig ähnlich. Wenn er die blonden Locken erblickte, die sich an das herzförmige Gesicht der Unbekannten schmiegten, spürte er ein seltsames Ziehen hinter dem Brustbein. Er kannte das Mädchen aus seinen Gedanken, doch ihr Name fiel ihm nicht ein.

»Wie alt bist du?«, wollte Julie wissen. »Viele hundert Jahre?«

Nick kratzte sich am Kopf. »Ich weiß nicht genau … Aber ich glaube nicht, dass ich so alt bin.« Weitere Bilder formten sich: wie er eine Straße entlangging und Autos hinterhersah. Er hatte sich, sobald er genügend Geld in der Tasche hatte, einen Shelby Mustang kaufen wollen … Die Erinnerung verblasste, war plötzlich nicht mehr greifbar, denn seine neue Herrin bombardierte ihn mit Fragen.

»Wie kamst du in Mr. Solomons Besitz?«

»Das weiß ich nicht mehr.« Aber das Wissen lag tief in ihm vergraben, da war er sich sicher. Meister Solomon hatte ihn verhext, damit er seine Vergangenheit vergaß. Jetzt, wo er tot war, müsste auch der Zauber an Wirkung verlieren.

Hoffentlich …

Langsam stand er auf, um das Mädchen nicht zu erschrecken. Im Moment machte sie keine Anstalten, ihn zurück in die Flasche zu wünschen, und daran sollte sich nichts ändern. »Du bist anders als mein alter Meister. Dein Haus ist ganz anders. Du bist keine Hexe, oder?«

Sie schüttelte den Kopf, woraufhin er vor Erleichterung am liebsten in die Luft gesprungen wäre.

Nur nichts anmerken lassen, dachte er. Noch wusste er zu wenig über Julie.

»A-aber das ist nicht mein Haus. Es gehört meinen Eltern. Und mein Bruder lebt auch hier«, setzte sie hinzu, als ob sie ihn damit einschüchtern wollte.

Hier lebte also eine ganz normale Familie. Nick konnte sein Glück kaum fassen.

Das Mädchen schaute zu ihm auf, erst in sein Gesicht, dann auf seine Brust, die sie nun direkt vor Augen hatte, da sie immer noch saß.

Obwohl er eine Hose trug, fühlte er sich plötzlich nackt und verschränkte die Arme.

Julie räusperte sich und blickte ihm hastig in die Augen. »Mr. Solomon soll ein Hexer gewesen sein?«

»Ja.« Was für seltsame Sachen sie besaß. Ein schwarzes Fenster hing an der Wand vor ihrem Bett, das wie ein Fernseher aussah, doch dazu war er zu flach. Ihre Musikanlage war winzig, und überhaupt gab es hier Dinge, die Nick noch nie gesehen hatte.

Plötzlich blinkte auf ihrem Schreibtisch ein kleines Rechteck auf, das eine wilde Melodie spielte. Erschrocken zuckte er zusammen. »Was ist das?« Das Gesicht eines rothaarigen Jungen leuchtete ihm entgegen. »Martin Baker ruft an« stand darunter. War das ein Telefon?

»Das ist ein Junge aus meiner Klasse. Ein bisschen nervig, aber ansonsten okay.« Julie sprang auf, nahm das singende Gerät in die Hand und brachte es mit einem Fingerstrich zum Schweigen. Die Oberfläche war nun schwarz.

Entgeistert starrte Nick es an.

»Hast du noch nie ein Smartphone gesehen?«, fragte sie, als sie das Ding weglegte.

Er schüttelte den Kopf. »Ist das ein Telefon?«

Sie nickte. »Fast ein kleiner Computer. Du kannst damit sogar Musik hören und im Internet surfen.«

»Internet …« Das kam ihm bekannt vor. Meister Solomon hatte auch einen Computer gehabt, aber das war ein großer grauer Kasten mit einem dicken Monitor gewesen, der stets gebrummt hatte.

»Wow, du kommst wirklich aus einer anderen Zeit.« Julie ging um ihn herum und musterte ihn von oben bis unten. »Er konnte also richtig zaubern?«, fragte sie.

»Wer?«

»Na, Mr. Solomon.«

»Hm.« Ihr Rumgelaufe machte ihn ganz nervös, weil ihm dann ständig ihr lieblicher Duft in die Nase wehte. Und erst ihre Blicke! Sie brannten förmlich auf seiner Haut.

»Und du gehörst jetzt mir?«

»Ja«, erwiderte er und räusperte sich, weil seine Stimme belegt war.

Sie klang verwirrt, als könne sie das alles nicht begreifen. »Warum bist du eigentlich so schmutzig?«

»Ich musste manchmal Meister Solomons Dreck wegräumen.«

»Was für einen Dreck?«

Ein Stich durchfuhr seinen Kopf. Nick kniff die Augen zusammen und rieb sich über die Schläfen. Ja, was hatte er weggeräumt? Er wusste es nicht mehr. Meister Solomon hatte ihn viel vergessen lassen. Schwach konnte er sich an Feuer erinnern und an einen Zauber: Memoriam fugo … Nick wollte gar nicht wissen, was er getan hatte. Darüber nachzudenken, verursachte ein unangenehmes Gefühl in seinem Magen. »Ich glaube … ich musste seine Wohnung sauber halten, doch er hat mich nur selten für längere Zeit aus der Flasche gelassen.«

 

Hinter ihm blieb Julie stehen. »Hat er dich geschlagen?« Sie klang aufgebracht.

Als er plötzlich ihre Finger spürte, die zärtlich über seinen Rücken glitten, kribbelte seine Haut. »Ich …« Nick schluckte. Wenn sie das noch länger machte, könnte das peinlich werden. Das Gefühl schoss direkt in tiefere Regionen. Schnell drehte er sich zu ihr um. »Er hatte oft schlechte Laune und die hat er manchmal an mir ausgelassen.«

»Was für ein Schwein!« Schwungvoll setzte sie sich vor dem Schreibtisch auf den Drehstuhl, sodass er ein Stück wegrollte. »Wenn er nicht schon tot wäre, würde ich ihn anzeigen!« Sie verschränkte die Arme vor der Brust und starrte ins Leere, als würde sie nachdenken.

Nick war wirklich erleichtert, dass sie kein bisschen nach seinem alten Meister kam. Ich glaube, mit Julie kann ich es aushalten, dachte er und trat ans Fenster. »Wo bin ich hier eigentlich?«

»Ramona Avenue fünfzehn«, murmelte sie. »Mr. Solomon hat auch in der Straße gewohnt.«

Ja, er kannte den Straßennamen. Nick war selbst zu Meister Solomon gegangen. Vage erinnerte er sich an einen heißen Sommertag, als er eine längere Strecke mit dem Bus gefahren war. Bis hierher. Doch wieso?

Summer of Love … spukte ihm durch den Kopf. »Welches Jahr haben wir?«

»2013.«

Nick hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Er wusste nur, dass Mr. Solomon sein erster Meister gewesen war. Hatte er ihn in die Flasche gebannt?

Unzählige Fragen stürzten auf ihn ein. Ob das an dem schwindenden Vergessenszauber lag?

Da sprang Julie erneut auf. »Du kannst unmöglich bei mir bleiben! Wenn meine Eltern dich sehen. Oder Connor!«

Wer war Connor? Wahrscheinlich der Bruder, den sie zuvor erwähnt hatte.

Unruhig wanderte sie im Zimmer auf und ab und gestikulierte wild mit den Händen, während sie mehr zu sich sprach als zu ihm. »Vielleicht hab ich ja noch Chancen bei Josh.«

Wen meinte sie denn jetzt?

»Was, wenn er vorbeikommt? Was wird er wohl denken, wenn ich einen Jungen bei mir habe?« Abrupt blieb sie stehen und fragte mit ernster Stimme: »Kann ich dich eigentlich weiterschenken?«

»Was?« Sein Herz begann zu rasen. Er wollte nicht von hier weg! Was, wenn er wieder zu solch einem Tyrannen kam?

Lächelnd schüttelte sie den Kopf. »Jetzt schau doch nicht so geschockt. War nur rein theoretisch gemeint.«

Nicks Kehle war ganz trocken. »Klar kannst du mich herschenken«, krächzte er. »Du bist meine Besitzerin. Du kannst alles mit mir machen.« Er hasste es, ihr das sagen zu müssen, aber als Flaschengeist war er automatisch dazu gezwungen, sie über alles aufzuklären, was mit dem Besitz seiner Flasche zusammenhing.

Ihre Brauen hoben sich. »Alles?« Als sie scheinbar das Ausmaß dieses Wortes begriff, röteten sich ihre Wangen und sie schaute schnell weg.

»Alles«, wiederholte er in einem möglichst beiläufigen Tonfall, doch dann änderte er seine Taktik. Offensichtlich gefiel ihr, was sie sah, denn sie schielte auf seinen nackten Oberkörper. Wenn er bei ihr seinen Charme spielen ließ, hätte er gute Karten. Nick versuchte, ein verschmitztes Lächeln aufzusetzen, machte eine sanfte Verbeugung und raunte: »Ich bin dein ergebener Diener.«

»Hör auf, mich so anzusehen!« Kichernd gab sie ihm einen Klaps auf den Arm. »Ich schicke dich nicht weg, wo ich doch drei Wünsche übrig habe. Meinst du, die schenke ich so einfach her?«

»Ach, und ich dachte, du magst mich vielleicht ein wenig«, sagte er gespielt beleidigt.

»Abwarten, ich muss dich schließlich erst kennenlernen.«

Dazu hatten sie viel Zeit. Julie war jung. Nick würde Jahrzehnte bei ihr bleiben können, er musste nur aufpassen, dass ihr nichts zustieß. Allein deshalb durfte sie ihn nie wieder zurück in die Flasche befehlen.

Julie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Wir haben noch ein wenig Zeit, bevor es Essen gibt. Setz dich.« Sie ließ sich auf ihr Bett nieder und klopfte neben sich auf die Matratze.

Seufzend schaute er an sich herunter. »Meine Hose ist schmutzig.«

»Hast du in deiner Flasche was zum Wechseln?«

Nick hob eine Braue. »Leider nein, und da gibt es auch keine kleine gemütliche rosa Couch wie in Jeannies Flasche.«

Ihr Gesicht hellte sich auf. »Du kennst die Serie Bezaubernde Jeannie

Er stutzte und erwiderte verwundert: »Ja.« Doch woher? Es war ihm einfach in den Sinn gekommen.

Lächelnd schüttelte sie den Kopf, wobei ihr Haar um ihren Nacken schwang. »Du bist ein seltsamer Flaschengeist.«

»Möglich«, sagte er schulterzuckend. »Ich hab leider keine Vergleichsmöglichkeit.«

»Außer Jeannie.« Julie grinste so frech, dass sein Herzschlag für eine Sekunde aus dem Takt geriet. An wen erinnerte sie ihn nur?

»Außer Jeannie«, wiederholte er, »aber die war ja nicht echt.«

Julie deutete auf ihren Drehstuhl und bat Nick darauf Platz zu nehmen. Zögerlich setzte er sich. Solomon war nie so höflich gewesen.

»Was würdest du dir wünschen, wenn du an meiner Stelle wärst?« Erwartungsvoll schaute sie ihn an.

Diese Frage hatte ihm noch nie jemand gestellt, doch die Antwort fiel ihm nicht schwer. »Wieder ein richtiger Mensch zu sein.«

»Dann wünsche ich mir das für dich«, sagte sie hastig.

»Damit du mich los hast?« Er lächelte unsicher und kratzte sich am Kopf. »Das geht leider nicht, und es gibt ein paar weitere Ausnahmen, was das Wünschen betrifft.«

»Lass mich raten.« Belehrend hob sie den Zeigefinger. »Du kannst niemanden töten oder von den Toten auferstehen lassen, niemanden dazu bringen, sich in mich zu verlieben, und das Wünschen weiterer Wünsche ist nicht wünschenswert.«

Für einen Moment verschlug es ihm die Sprache. Kannte sie sich doch mit Flaschengeistern aus? »Woher weißt du das?«

»Ich habe Aladdin gesehen.«

»Wen?« Er hatte keine Ahnung, wovon sie sprach.

Julie lachte. »Vergiss es.«

»Nein, das will ich jetzt wissen!«

»Es ist ein Zitat aus einem Film.«

»Ich liebe Filme!« Er war gern ins Kino gegangen.

»Ein Flaschengeist, der Filme mag und Barbara Eden kennt. Ich glaube, ich behalte dich, dann können wir uns durch meine ganze DVD-Sammlung gucken.« Sie schaute zu der dunklen Scheibe an der gegenüberliegenden Wand.

Hatte er doch gewusst, wozu die gut war!

»Was wäre dein zweitgrößter Wunsch?«, wollte sie wissen.

»Hmm.« Er tippte sich ans Kinn und bemerkte, wie lang seine Barthaare waren. Das Gestrüpp musste furchtbar aussehen! Er schämte sich vor Julie.

Intensiv starrte sie ihn an und wartete auf eine Antwort.

»Wieder in die Schule gehen zu dürfen, am Leben teilzunehmen«, sagte er hastig. Ihre Blicke gingen ihm durch und durch.

»Ist nicht dein Ernst! Ich kann es kaum erwarten, dass das Jahr endlich zu Ende ist.«

»Ich würde sofort mit dir tauschen.«

»Du meinst das wirklich.« Sie klang tatsächlich erstaunt.

Was war denn so schlimm daran, lernen zu wollen? »Wissen ist Macht«, erwiderte Nick grinsend. Er interessierte sich für Naturwissenschaften und Mathematik. Wenn er sich in Julies Zimmer umsah, erkannte er, wie sich die Dinge verändert hatten. Technische Errungenschaften, wie dieses flache Telefon, konnten jetzt so viel mehr als zu seiner Zeit. Dunkel erinnerte er sich an große Telefonapparate mit Wählscheibe, Fernseher mit dicken Röhren oder klobige Radios, und heute war das alles in einem Gerät vereint!

Julie erhob sich und holte ein Buch aus ihrem Rucksack, das sie in der Mitte aufschlug. »Überleg dir das gut.« Nun grinste sie, als sie ihm die Seite unter die Nase hielt. Mathematische Formeln befanden sich darauf und ließen Nicks Herz schneller schlagen. Die kamen ihm nicht alle bekannt vor! Zu gerne wollte er wissen, wozu sie gut waren.

»Meine Güte!« Lachend schlug sie das Buch zu und stopfte es zurück in die Tasche. »Du bist ja total wild darauf. Mein Flaschengeist ist ein Streber!«

»Meister Solomon hat mir verboten zu lesen. Ich durfte nur seine Aufträge erledigen und dann hat er mich wieder in die Flasche gesperrt.« Sein Magen zog sich zusammen und er setzte leise hinzu: »Ich möchte endlich wieder leben, auch wenn ich kein Mensch mehr bin.«

Das freche Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht. Nick erschrak. Er wollte sie nicht traurig sehen. Er war ihr Diener, er musste dafür sorgen, dass es ihr gut ging, sie sich wohlfühlte, es ihr an nichts fehlte. Als er sich für sein erbärmliches Benehmen entschuldigen wollte, sagte sie ernst: »Ich wünsche mir, dass du das Leben eines jungen Mannes führen kannst, soweit das als Flaschengeist möglich ist. Du sollst in die Schule gehen und lernen dürfen.« Sie nickte andächtig. »Ja, das wünsche ich mir für dich.«

Plötzlich rumpelte es und Julie zuckte zusammen. »Was war das?«

Er deutete auf einen dunkelblauen Rucksack, der auf einmal neben dem von Julie aufgetaucht war.

Vorsichtig näherte sie sich der Tasche und öffnete den Reißverschluss. Nick blieb dicht an ihrer Seite stehen. »Sei vorsichtig.«

»Da sind Schulsachen drin!« Sie zog dasselbe Mathematikbuch heraus, das sie ihm zuvor gezeigt hatte. Es folgten weitere Bücher, Mappen, Schreibsachen, Blöcke … »Du bist in denselben Kursen wie ich!« Erstaunt sah sie ihn an. »Wie hast du das gemacht?«

Er zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Der Meister spricht den Wunsch und dann erfüllt er sich einfach.« Nick wusste wirklich nicht, wie das genau funktionierte mit dem Wünschen. Solomon hatte ihm das nie erklärt, doch Nick vermutete, dass der Flaschengeist eine Art Katalysator dafür war. Er spürte auf jeden Fall keine Veränderung.