103
Zu den öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten i.S.v. § 40 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 VwGO gehören grundsätzlich auch solche verfassungsrechtlicher Art. Da über diese nach dem Willen des Gesetzgebers jedoch nicht die allgemeinen VGe, sondern vielmehr die entsprechend qualifizierten Verfassungsgerichte des Bundes bzw. der Länder entscheiden sollen, wird diese Art von Streitigkeiten aus der Rechtswegzuweisung des § 40 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 VwGO explizit wieder ausgeklammert.[62]
104
Allerdings ist das zu diesem Zweck in § 40 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 VwGO eingefügte Negativmerkmal „nichtverfassungsrechtlicher Art“ nach h.M.[63] nicht etwa in dem (formalen) Sinn zu verstehen, dass hierunter die – z.B. nach § 13 BVerfGG – den Verfassungsgerichten vorbehaltenen Streitigkeiten fielen. Denn für Rechtsstreitigkeiten, die den Verfassungsgerichten zugewiesen sind, wäre der Verwaltungsrechtsweg gem. § 40 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 VwGO ohnehin schon nicht gegeben. Eine Auslegung aber, die das in den Wortlaut des § 40 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 VwGO eigens aufgenommene Merkmal „nichtverfassungsrechtlicher Art“ letztlich überflüssig machen würde, ist mit der gesetzgeberischen Intention nicht vereinbar. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird untermauert durch einen Umkehrschluss aus § 47 Abs. 3 VwGO, in dessen Rahmen es – im Gegensatz zu § 40 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 VwGO – gerade ausdrücklich auf die gesetzlich vorgesehene Nachprüfbarkeit ausschließlich durch das jeweilige Landesverfassungsgericht ankommt.
105
Auch ist eine Streitigkeit nicht etwa schon dann verfassungsrechtlicher Art, wenn zu ihrer Beantwortung Vorschriften des Verfassungsrechts herangezogen werden müssen, d.h. wenn um deren Anwendung gestritten wird (z.B. wenn der Hauseigentümer die ihm gegenüber ergangene Abrissverfügung unter Hinweis auf sein Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG anficht). Vielmehr ist im Gegenteil Verwaltungsrecht der Sache nach oftmals nichts anderes als einfachgesetzlich konkretisiertes Verfassungsrecht, bei dessen Auslegung und Anwendung die VGe insbesondere die Grundrechte und das Rechtsstaatsprinzip zu beachten haben, siehe Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG. Zudem wird aus § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG bzw. dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde abgeleitet, dass nicht sämtliche Streitigkeiten über Bundes-/Landesverfassungsrecht zugleich auch solche „verfassungsrechtlicher Art“ i.S.v. § 40 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 VwGO sind. Vielmehr gilt Folgendes:
106
Nach der überwiegend vertretenen Theorie der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit liegt eine Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art dann vor, wenn
• | die Streitigkeit – auf beiden Seiten – unmittelbar am Verfassungsleben beteiligte Rechtsträger betrifft und |
• | sich inhaltlich im Kern auf unmittelbar in der Verfassung geregelte Rechte und Pflichten bezieht,[64] |
wobei unter „Verfassungsrecht“ nur das i.S.d. Grundgesetzes und der Landesverfassungen, d.h. das Staatsverfassungsrecht (im Gegensatz zu dem in der jeweiligen GemO/KrO geregelten Kommunal„verfassungsrecht“), zu verstehen ist.[65]
107
Die vorgenannten Voraussetzungen sind beispielsweise in Bezug auf Organstreitigkeiten i.S.v. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG sowie hinsichtlich Bund-Länder-Streitigkeiten nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG erfüllt. Nicht als Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art zu qualifizieren sind dagegen namentlich Grundrechtsstreitigkeiten zwischen Staat und Bürger sowie Kommunal„verfassungs“streitigkeiten, siehe den Übungsfall Nr. 6.
108
Wird in einem Rechtsstreit verfassungsrechtlicher Art gleichwohl Klage vor dem VG erhoben, so ist diese durch (Prozess-)Urteil als unzulässig abzuweisen. Eine Verweisung nach § 17a Abs. 2 S. 1 GVG (i.V.m. § 173 S. 1 VwGO; Rn. 35, 65) kommt aus systematischen Gründen sowie angesichts des besonderen Statuts der Verfassungsgerichte nicht in Betracht.
109
Sind die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 VwGO im konkreten Fall erfüllt, d.h. liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vor, so ist der Verwaltungsrechtsweg gleichwohl dann nicht eröffnet, wenn der betreffende Rechtsstreit durch Gesetz (abdrängende Sonderzuweisung) einem anderen Gericht zugewiesen wird.[66]
110
Gem. § 40 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 VwGO können öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art durch (formelles, auch vorkonstitutionelles) Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen werden. Als Beispiel hierfür findet sich auf verfassungsrechtlicher Ebene Art. 14 Abs. 3 S. 4 GG, wonach wegen der Höhe der Entschädigung für eine Enteignung (nicht dagegen: deren Rechtmäßigkeit) im Streitfall der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offensteht (Rn. 62). Einfachgesetzliche Zuweisungen an die Zweige der besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit finden sich etwa in § 33 Abs. 1 FGO betreffend die Finanz- (dazu siehe Übungsfall Nr. 3) und in § 51 SGG hinsichtlich der Sozialgerichte. Ein Beispiel für eine bundesrechtliche Sonderzuweisung an die ordentlichen Gerichte auf einfachgesetzlicher Ebene ist § 49 Abs. 6 S. 3 VwVfG. Dieser eröffnet für Streitigkeiten über die Entschädigung in bestimmten Fällen des Widerrufs eines begünstigenden rechtmäßigen Verwaltungsakts den ordentlichen Rechtsweg. Bei einem Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid entscheidet gem. § 68 Abs. 1 S. 1 OWiG das Amtsgericht.
111
Zu den klassischen Problemfeldern im Bereich der abdrängenden Sonderzuweisungen gehört der Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Polizei. Mit Blick auf § 23 Abs. 1 EGGVG, dem – im Gegensatz zu § 35 S. 1 VwVfG – nicht nur (Justiz-)Verwaltungsakte, sondern auch (Justiz-)Realakte unterfallen, ist wie folgt zu differenzieren: Ergibt sich entweder aus dem für den Betroffenen unschwer zu erkennenden, da mitgeteilten, Grund des polizeilichen Einschreitens, oder aber daraus, wie sich der konkrete Lebenssachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt (v.a. aufgrund des erklärten oder erkennbaren Willens des eingreifenden Sachwalters), dass die Polizei im konkreten Fall ihr Ermessen dahingehend ausgeübt hat, dass sie
112
• | präventiv, d.h. zur Gefahrenabwehr (i.d.R. nach dem jeweiligen PolG, aber auch etwa gem. § 81b Alt. 2 StPO), tätig geworden ist, so ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 VwGO eröffnet (Rn. 79); |
113
• | in ihrer Eigenschaft als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft zum Zweck der Strafverfolgung, d.h. repressiv, tätig geworden ist (vgl. § 152 Abs. 1 GVG, § 163 StPO; z.B. nach § 81b Alt. 1 StPO), so liegt ein Fall des § 23 Abs. 1 EGGVG vor. Danach entscheiden die ordentlichen Gerichte. Dem liegt ein nicht rein institutionelles, sondern vielmehr ein funktionelles Verständnis des Begriffs „Justizbehörden“ i.S.d. Vorschrift zugrunde. |
114
• | Umstritten ist die Rechtslage dagegen bei doppelfunktionalen Maßnahmen der Polizei, d.h. bei solchen (z.B. Beschlagnahme), die sowohl repressiv der Strafverfolgung (z.B. gem. §§ 94 ff. StPO) als auch präventiv der Gefahrenabwehr (z.B. gem. § 33 BWPolG) dienen bzw. bei denen sich eine eindeutige Zuordnung zu einem der beiden vorgenannten Bereiche nicht ohne weiteres bewerkstelligen lässt. Während die h.M.[67] insoweit auf den objektiven Schwerpunkt der Maßnahme abstellt (z.B. dienen Geschwindigkeitskontrollen schwerpunktmäßig der Verhütung und vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten, nicht dagegen deren Sanktion[68]), seien nach der Gegenmeinung[69] in Wahrheit zwei Akte gegeben. Sofern innerhalb dieser Gegenauffassung die Anwendbarkeit von § 17 Abs. 2 S. 1 GVG verneint wird (Rn. 58 ff.; andernfalls: Wahlrecht des Betroffenen zwischen Verwaltungsrechtsweg und demjenigen nach § 23 Abs. 1 EGGVG), muss der Betroffene zur Erlangung umfassenden Rechtsschutzes sowohl den Verwaltungs- als auch den Rechtsweg nach § 23 Abs. 1 EGGVG beschreiten.[70] Letztere Vorgehensweise ist unstreitig immer dann geboten, wenn sich ein Geschehensablauf aus verschiedenen Handlungen zusammensetzt (Maßnahmenbündel), von denen die eine der Gefahrenabwehr (z.B. Räumung eines besetzen Hauses) und die andere der Strafverfolgung (z.B. Feststellung der Identität der Hausbesetzer) dient. |
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Soweit die ordentlichen Gerichte allerdings bereits auf Grund anderer Vorschriften als derjenigen des § 23 Abs. 1 EGGVG angerufen werden können (z.B. gem. §§ 766, 793 ZPO sowie § 98 Abs. 2 S. 2 und § 304 StPO), behält es hierbei gem. § 23 Abs. 3 EGGVG sein Bewenden. Der Antrag nach § 23 Abs. 1 EGGVG, über den gem. § 25 Abs. 1 EGGVG das OLG entscheidet, ist mithin subsidiär.
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Gem. § 40 Abs. 1 S. 2 VwGO können öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden (so z.B. § 43 Abs. 1 OBG NRW im Hinblick auf die nach dieser Vorschrift vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machenden Entschädigungsansprüche, z.B. wegen rechtmäßiger Inanspruchnahme als Nichtstörer).
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Nach § 40 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 VwGO ist der ordentliche Rechtsweg gegeben für
• | vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl (Var. 1). Soweit Aufopferungsansprüche gesetzlich nicht ausdrücklich positiviert sind (so aber z.B. in § 51 BPolG, § 60 IfSG, §§ 1 ff. StrEG; insoweit existieren häufig auch spezialgesetzliche Rechtswegbestimmungen), sind sie zumindest gewohnheitsrechtlich anerkannt und gewähren in Anlehnung an die §§ 74, 75 EinlPrALR jedenfalls immer dann eine Entschädigung, wenn durch einen Hoheitsakt in die durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützten, nicht-vermögenswerten Rechte auf Leben, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit eingegriffen und dadurch dem Betroffenen ein besonderes, für ihn mit einem Vermögensschaden verbundenes Opfer zu Gunsten der Allgemeinheit auferlegt wird. In der Rechtsprechung[71] werden zudem auch Ansprüche aus enteignendem und enteignungsgleichem Eingriff unter den Begriff des Aufopferungsanspruchs i.S.v. § 40 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Var. 1 VwGO subsumiert (str.). Eindeutig nicht gegeben ist der ordentliche Rechtsweg nach der expliziten Anordnung in § 40 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 VwGO allerdings für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, d.h. über Ansprüche aus ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums; |
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• | vermögensrechtliche Ansprüche aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung (Var. 2). Eine solche liegt vor, wenn die Verwaltung eine Sache in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe in Obhut nimmt (z.B. Beschlagnahme oder Sicherstellung von Gegenständen im Rahmen der Strafverfolgung oder auf Grundlage des Polizei- und Ordnungsrechts bzw. im Wege der Pfändung nach dem Verwaltungsvollstreckungsrecht). Ob sich die Verwaltung hierbei der Hilfe eines Privaten (z.B. Abschleppunternehmer) bedient ist ebenso unerheblich wie die Frage nach der Rechtmäßigkeit der konkreten Verwahrung, welche nicht nur auf einem Verwaltungsakt i.S.v. § 35 S. 1 VwVfG, sondern auch auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag i.S.v. § 54 VwVfG beruhen kann. Nach h.M.[72] erfasst § 40 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Var. 2 VwGO neben Geldleistungsansprüchen auf Schadens- und Aufwendungsersatz auch sonstige Ansprüche aus dem öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis, wie namentlich denjenigen auf Rückgabe der verwahrten Sache (siehe aber Rn. 120); |
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• | Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag i.S.v. § 54 VwVfG beruhen (Var. 3). Mit dieser Regelung erfüllt der Gesetzgeber das aus Art. 34 S. 3 GG folgende Verfassungsgebot (Rn. 62), wonach namentlich für den Anspruch auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB) der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden darf. Darüber hinaus erfasst § 40 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Var. 3 VwGO auch sonstige Ansprüche aus nicht-vertraglichen verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen (kraft Gesetzes, Verwaltungsakts oder rein tatsächlicher Inanspruchnahme), die auf einer analogen Anwendung der BGB-Vorschriften über die Nicht- oder Schlechterfüllung beruhen (z.B. aus öffentlich-rechtlicher positiver Forderungsverletzung, Geschäftsführung ohne Auftrag oder einem entsprechenden Benutzungsverhältnis; str.). Die in dieser Vorschrift enthaltene Rückausnahme betreffend Schadensersatzansprüche aus der Verletzung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags wird von der Rechtsprechung[73] dahingehend verstanden, dass Ansprüche aus der Verletzung von Pflichten im Zuge der Anbahnung eines öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnisses (§ 62 S. 2 VwVfG i.V.m. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB; früher: culpa in contrahendo, c.i.c.) dann auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen sind, wenn sie in engem Zusammenhang mit Ansprüchen aus Amtshaftung stehen. Die hiervon abweichende Meinung in der Literatur[74] argumentiert dagegen mit dem gesetzgeberischen Telos der Rechtswegbündelung sowie dem öffentlich-rechtlichen Sachzusammenhang, die insoweit beide stets für die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs sprächen. |
120
Als Ausnahmevorschrift zu § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO ist § 40 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 VwGO nach allgemeiner juristischer Methodik[75] eng auszulegen und erfasst in Anbetracht seiner Entstehungsgeschichte sowie wegen des systematischen Zusammenhangs mit Amtshaftungsansprüchen ebenso wie diese nur Ansprüche des Bürgers gegen den Staat, die auf Geldzahlung (oder auf Leistung anderer vertretbarer Sachen, nicht aber auf Folgenbeseitigung, Naturalrestitution etc.) gerichtet sind.
121
§ 40 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 VwGO[76] stellt zwecks Auflösung der Normkonkurrenz zwischen aufdrängender (§ 126 Abs. 1 BBG, § 54 Abs. 1 BeamtStG; Rn. 66) und abdrängender (§ 40 Abs. 2 S. 1 VwGO) Sonderzuweisung klar, dass Erstere von Letzterer grundsätzlich unberührt bleibt (Ausnahme: Art. 34 S. 3 GG).
JURIQ–Klausurtipp
Ist der Verwaltungsrechtsweg im konkreten Fall unproblematisch gegeben, so dürfte i.d.R. eine Formulierung wie die folgende ausreichend sein: „Mangels Einschlägigkeit einer aufdrängenden Sonderzuweisung bemisst sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs vorliegend nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO. Der danach zunächst vorausgesetzte öffentlich-rechtliche Charakter der Streitigkeit resultiert hier daraus, dass es sich bei der streitentscheidenden Vorschrift des §… um eine dem öffentlichen Recht zuzuordnende Rechtsnorm handelt. Auch ist die hiesige Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art. Schließlich ist ebenfalls keine abdrängende Sonderzuweisung einschlägig. Also ist der Verwaltungsrechtsweg gem. § 40 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 VwGO eröffnet.“
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Online-Wissens-Check
Philantroph P stellt bei der nach dem einschlägigen L-StiftG zuständigen Behörde B einen Antrag auf Anerkennung der Rechtsfähigkeit „seiner“ Stiftung nach § 80 Abs. 2 BGB. Welcher Rechtsweg steht P offen, wenn B diese Anerkennung verweigert?
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2. Teil Verwaltungsgerichtliche Klage › B. Zulässigkeit › III. Statthafte Klageart
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Ist der Verwaltungsrechtsweg für die betreffende Streitigkeit eröffnet (Rn. 53 ff.), so bestimmt sich die statthafte Klageart – und einhergehend mit dieser die ggf. zu wahrenden rechtsschutzformabhängigen (besonderen) Zulässigkeitsvoraussetzungen (z.B. §§ 68 Abs. 1 S. 1, 74 Abs. 1 S. 1 VwGO) – nach dem ggf. auszulegenden/umzudeutenden klägerischen Begehren (Rn. 36 ff.), § 88 VwGO. Abhängig von diesem hält die VwGO im Wesentlichen die folgenden Klagearten bereit:[77]
124
Begehr (§ 88 VwGO) | statthafte Klageart | |
---|---|---|
Abwehr… | … eines (belastenden) VA | Anfechtungsklage (Rn. 126 ff.) |
… eines Realakts | allgemeine Leistungsklage (Rn. 190 ff.) | |
Leistung… | … eines (begünstigenden) VA | Verpflichtungsklage (Rn. 142 ff.) |
… eines Realakts | allgemeine Leistungsklage (Rn. 190 ff.) | |
Feststellung… | … der Rechtswidrigkeit eines erledigten VA | Fortsetzungsfeststellungsklage (Rn. 162 ff.) |
… der Nichtigkeit eines VA | Nichtigkeitsfeststellungsklage (Rn. 202 ff.) | |
… des (Nicht-)Bestehens eines Rechtsverhältnisses | allgemeine Feststellungsklage (Rn. 202 ff.) | |
… der Gültigkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm | verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle (§ 47 VwGO) |
125
Wie die vorstehende Übersicht verdeutlicht, ist der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz keinesfalls auf denjenigen gegen Verwaltungsakte (§ 35 S. 1 VwVfG) beschränkt. Vielmehr wirkt die Einordnung einer behördlichen Maßnahme als Verwaltungsakt unter der Generalklausel des § 40 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 VwGO nicht rechtsschutzeröffnend („Ob“), sondern lediglich klageartbestimmend („Wie“). Konsequenz dieser verfassungsrechtlich (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG; Rn. 9 ff., 69) gebotenen Absage an das Enumerationsprinzip früherer Zeiten ist, dass in denjenigen Fällen, in denen die in der VwGO geregelten Klagearten keinen ausreichenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz gewährleisten, notfalls atypische Klagearten (sui generis) anzuerkennen sind.[78] „Für jede hoheitliche Handlung, die in die Rechte eines Bürgers eingreift, muss eine statthafte Klageart zur Verfügung stehen“; Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG und § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO verhindern einen numerus clausus der Klagearten im Verwaltungsprozess, deren Kreis mithin nicht abgeschlossen ist.[79] Eines näheren Eingehens auf die umstrittene Frage nach der Anerkennung weiterer, von der VwGO nicht ausdrücklich geregelter Klagearten bedarf es bei extensiver Handhabung der vorhandenen verwaltungsprozessualen Klagearten i.d.R. allerdings nicht, vgl. Übungsfall Nr. 6.
Hinweis
Allein aus der etwaigen Unstatthaftigkeit der gewählten Klageart darf keinesfalls auf die Unzulässigkeit der verwaltungsgerichtlichen Klage insgesamt geschlossen werden. Dies wäre nach zutreffender Sichtweise ein schwerer Fehler. Vielmehr ist in einem solchen Fall an eine Auslegung bzw. Umdeutung des Klageantrags in den Grenzen des § 88 VwGO zu denken, wobei in der Praxis das Gericht auf die Stellung eines Antrags i.S.d. statthaften Klageart hinwirkt, § 86 Abs. 3 VwGO (Rn. 36 ff.).[80]