Juristische Methodenlehre

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II. Konkurrenzregeln

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Zur Auflösung von Konkurrenzen zwischen Vorschriften, die sich auf derselben[71] Stufe der Normenpyramide befinden, existieren die beiden nachfolgenden Regeln, die als allgemeine Rechtsgrundsätze jeweils auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung (so aber z.B. § 8 Abs. 1 Hs. 2 PolG NRW[72] bzw. Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG) gelten.[73] Soweit eine dieser zwei[74] Regeln eingreift, liegt ein Fall der „verdrängenden“ bzw. „konsumtiven Normenkonkurrenz“ vor.[75]

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Beispiel[84]

Wird Z im „Cocktailbar-Fall“ (Rn. 2) wegen Raubes nach § 249 Abs. 1 StGB angeklagt und befindet das Gericht ihn hiernach für schuldig, so ist er daneben nicht auch noch wegen Diebstahls nach § 242 Abs. 1 StGB zu verurteilen. Denn weil § 249 Abs. 1 StGB unter Einschluss sämtlicher Tatbestandsmerkmale des § 242 Abs. 1 StGB („Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen“) noch weitere Voraussetzungen beinhaltet („mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“), handelt es sich bei § 249 Abs. 1 StGB (Bestrafung „mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr“) im Verhältnis zu § 242 Abs. 1 StGB (Bestrafung „mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe“) um die speziellere Vorschrift. Folglich wird die allgemeine Vorschrift des § 242 Abs. 1 StGB nach dem lex specialis-Grundsatz durch die spezielle Vorschrift des § 249 Abs. 1 StGB verdrängt. Entsprechendes gilt ebenfalls im Hinblick auf den Nötigungstatbestand des § 240 Abs. 1 StGB.

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Im Ergebnis ebenso zu entscheiden sein kann das Konkurrenzverhältnis auch dann, wenn sich die Tatbestände der im konkreten Fall in Betracht kommenden Rechtssätze „zueinander wie zwei sich überschneidende Kreise verhalten.“[85] Schließlich kann die Auslegung auch dazu führen, dass eine Vorschrift eine andere selbst dann im Wege der Spezialität verdrängt, wenn beide Tatbestände an unterschiedliche Merkmale anknüpfen, sog. „inhaltliche Spezialität“ (so z.B. die Sachmängelgewährleistungsrechte aus § 437 BGB im Verhältnis zum Anfechtungsrecht nach § 119 Abs. 2 BGB).[86]

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Soweit danach in Bezug auf zwei Rechtssätze ein Spezialitätsverhältnis zu bejahen ist, hat dies zur Folge, dass die spezielle Vorschrift die Anwendbarkeit der allgemeinen im konkreten Fall ausschließt, sog. Anwendungsvorrang der speziellen vor der allgemeinen Rechtsnorm.[87]

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JURIQ-Klausurtipp

„Aufhänger“ für die Prüfung des lex specialis-Grundsatzes in der Fallbearbeitung ist die Frage, ob die allgemeine Vorschrift anwendbar ist. Dies ist u.a. dann nicht der Fall, wenn sie durch eine spezielle Regelung verdrängt wird, welche mithin zuerst zu prüfen ist.[88]

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72

Nach welcher Regel zu verfahren ist, wenn im konkreten Fall die Voraussetzungen von mehr als einem der drei vorgenannten derogat-Grundsätze erfüllt sind, ist der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen; aus dieser ergibt sich u.a. der Vorrang des lex superior-Grundsatzes sowohl gegenüber dem lex posterior- als auch gegenüber dem lex specialis-Grundsatz.[96]

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Hinweis

 

Der Begriff „Anwendungsvorrang“ wird in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet:[97]


Zum einen kennzeichnet er die Rechtsfolgen, die eintreten, wenn eine Vorschrift des nationalen Rechts in Widerspruch zum EU-Recht steht. In einer solchen Konstellation ist die innerstaatliche Vorschrift auf den konkreten Fall nicht anwendbar, sog. Anwendungsvorrang des EU-Rechts gegenüber diesem widersprechenden nationalen Recht (Rn. 57);
zum anderen bezeichnet er die Sperrwirkung, die das mit dem höherrangigen Recht vereinbare niederrangige Recht diesem gegenüber in Bezug auf die konkrete Rechtsanwendung entfaltet, sog. Anwendungsvorrang der rangniederen vor der ranghöheren Rechtsnorm (Rn. 61 f.);
darüber hinaus wird er dazu verwendet, um den Anwendungsvorrang der speziellen vor der allgemeinen Vorschrift zu beschreiben (lex specialis derogat legi generali; Rn. 64 ff.).

Anmerkungen

[1]

Beaucamp/Beaucamp, Methoden, Rn. 276; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 87; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 277; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 90, 113 m.w.N. („Anspruchskonkurrenz“ bzw. „‚Gesetz‘ als ‚Gefüge von Rechtsnormen‘“); Schwacke, Methodik, S. 17 ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 30.

[2]

Zippelius, Methodenlehre, S. 30. Zur „verdrängenden“ bzw. „konsumtiven Normenkonkurrenz“ siehe Rn. 63.

[3]

So Wank, Auslegung, S. 105 zu § 52 Abs. 1 StGB: „Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt“, sog. Tateinheit. Bei Tatmehrheit (§ 53 StGB): „Realkonkurrenz“ als neben der Idealkonkurrenz weiterem Unterfall der „echten“ Gesetzeskonkurrenz, siehe Barczak, JuS 2015, S. 969 (972).

[4]

Mann, Einführung, Rn. 287.

[5]

Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 87; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 90 f. m.w.N. u.a. auf Kipp, in: FS v. Maritz, 1911, S. 211 ff. betreffend die sog. „Doppelwirkung im Recht“; Zippelius, Methodenlehre, S. 30 f.

[6]

Nach Wank, Auslegung, S. 99. Siehe auch Rn. 86. Auf die auch insoweit uneinheitliche Terminologie (ferner: „freie Anspruchskonkurrenz“, „Anspruchsgrundlagenkonkurrenz“) weist Barczak, JuS 2015, S. 969 (972) hin.

[7]

Mann, Einführung, Rn. 287; Schwacke, Methodik, S. 18; Zippelius, Methodenlehre, S. 31. Siehe auch Rn. 66.

[8]

Engisch, Einheit der Rechtsordnung, 1935. Siehe auch Rn. 165.

[9]

Vgl. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 145 ff., 276 ff.; Schwacke, Methodik, S. 41; Vogel, Methodik, S. 58, 61 m.w.N.

[10]

Barczak, JuS 2015, S. 969 (974) m.w.N. Dort (S. 1261) und bei Barczak, JuS 2015, S. 969 (976) auch zur „rechtfertigenden Pflichtenkollision“ im Strafrecht.

[11]

Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 87.

[12]

„Welche der einen Widerspruch begründenden Regelungen zu weichen hat, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Rang [lex superior-Grundsatz; Rn. 50 ff.], der Zeitenfolge [lex posterior-Grundsatz; Rn. 71 ff.] und der Spezialität [lex specialis-Grundsatz; Rn. 64 ff.] der Regelungen“, siehe BVerfGE 98, 106 (119).

[13]

Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 271. Zu Kollisionslücken siehe Fn. 146 zu Rn. 263.

[14]

Schmalz, Methodenlehre, Rn. 66; Zippelius, Methodenlehre, S. 30.

[15]

Schmalz, Methodenlehre, Rn. 68, 87 f.; Wank, Auslegung, S. 11, 60, 65, 100 unter Hinweis auch auf die a.A.

[16]

Zur hiervon zu unterscheidenden Unanwendbarkeit einer Norm mangels Erfüllung ihres persönlichen, sachlichen, räumlichen oder zeitlichen Anwendungsbereichs siehe Muthorst, Grundlagen, § 5 Rn. 47 ff. und Rn. 29: „Der Tatbestand ist der Anwendungsbereich der Norm“. Vgl. ferner Schmalz, Methodenlehre, Rn. 77, 86 (fehlende Abgrenzungsmöglichkeit zwischen Anwendbarkeitsregelungen und Voraussetzungen einer Norm); Vogel, Methodik, S. 74.

[17]

Schwacke, Methodik, S. 61. Vgl. auch im Skript „Allgemeines Verwaltungsrecht“ Rn. 129 ff., 135 ff. Zu Ausnahmen von diesem Grundsatz im Delikts- und Strafrecht siehe Barczak, JuS 2015, S. 969 (971); zu den Grundrechten vgl. Wienbracke, Einführung in die Grundrechte, 2013, Rn. 92 ff., 220, jeweils m.w.N.

[18]

Schmalz, Methodenlehre, Rn. 185.

[19]

Schwacke, Methodik, S. 17 f.; Vogel, Methodik, S. 59. Näher zur Normenhierarchie sogleich (Rn. 36 ff.).

[20]

Zippelius, Methodenlehre, S. 30 (Hervorhebung d.d. Verf.).

[21]

Schmalz, Methodenlehre, Rn. 72; Schwacke, Methodik, S. 14. Einheitlich verwendet wird diese Terminologie freilich nicht, siehe Barczak, JuS 2015, S. 969 (970 f.).

[22]

Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 307 unter Hinweis auf Merkl, Gesammelte Schriften, Band I/1, 1993, S. 227 und Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 228 ff. Letzterem zufolge gilt die Verfassung aufgrund einer ungeschriebenen Grundnorm „Unsere Verfassung gilt“, siehe Adomeit/Hähnchen, Rechtstheorie, Rn. 63. Dazu auch Börner, Jura 2014, S. 1258 (1260).

[23]

Zum Ganzen siehe Schwacke, Methodik, S. 14 f.; Zippelius, Methodenlehre, S. 3, 30. Zusätzlich zu diesem Geltungs- und Inhaltszusammenhang regelt die Verfassung auch noch das Gesetzgebungsverfahren (auf Bundesebene: Art. 76 ff. GG), sog. Erzeugungszusammenhang, siehe Vogel, Methodik, S. 50.

[24]

Hierzu sowie zum gesamten Folgenden siehe Beaucamp/Beaucamp, Methoden, Rn. 421, 438 ff. m.w.N.; Lepsius, JuS 2018, S. 950 (951); Muthorst, Grundlagen, § 13 Rn. 6 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 272 f.; Schwacke, Methodik, S. 11 f., 14 ff.; Vogel, Methodik, S. 50 ff.

[25]

Näher hierzu siehe Wienbracke, Staatsorganisationsrecht, 2017, S. 4 m.w.N.

[26]

Kurzüberblick zum Meinungsstreit bei Hofmann, Jura 2013, S. 326 (328) m.w.N.

[27]

Vgl. BVerfGE 111, 307 (318).

[28]

Im Gegensatz zu verfassungsändernden Gesetzen i.S.v. Art. 79 GG (Rn. 37), vgl. Schwacke, Methodik, S. 11.

[29]

BVerfG, NJW 2007, S. 499 (501) m.w.N. Gleichwohl zieht BVerfGE 128, 326 (367 f.) speziell die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) als „Auslegungshilfe“ auch „für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes“ heran; vgl. auch BVerwG, NVwZ 2000, S. 810 (811 f.). Näher hierzu siehe Rn. 170 (mit Fn. 303) und Wienbracke, Einführung in die Grundrechte, 2013, Rn. 7 f. m.w.N. Zum treaty override (Hinwegsetzen einer jüngeren innerstaatlichen [Steuer-]Vorschrift über eine frühere völkervertragliche Vereinbarung) siehe BVerfGE 149, 1 m.Anm. Wienbracke, EWiR 2016, S. 205 f. .

[30]

BVerfGE 111, 307 (318) als Bekenntnis zum dualistischen – im Gegensatz zum monistischen – Verhältnis des Völkerrechts zum deutschem Recht (Rn. 16).

[31]

Pieroth, Jura 2013, S. 248 (251); Schmalz, Methodenlehre, Rn. 43.

[32]

Siehe im Skript „Allgemeines Verwaltungsrecht“, Rn. 12 m.w.N. Falschbezeichnungen („Ordnung“ statt „Rechtsverordnung“) kämen Meßerschmidt, Jura 2016, S. 747 (748) zufolge kaum vor.

[33]

BVerfGE 33, 125 (156) m.w.N. (Hervorhebung d. d. Verf.). Ferner siehe Beaucamp/Beaucamp, Methoden, Rn. 414.

[34]

Lepsius, JuS 2018, S. 950 (952).

[35]

Abl. EU 2007, Nr. C 306, S. 346 m.w.N.

[36]

Ob EU-Sekundärrecht am Maßstab des nationalen (Verfassungs-)Rechts gemessen werden darf, ist namentlich zwischen dem EuGH und dem BVerfG umstritten. Dazu siehe Wienbracke, Grundwissen Europarecht, 2018, S. 60 ff. m.w.N. und jüngst BVerfG, NJW 2020, S. 1647. Dagegen EuGH, Pressemitteilung Nr. 58/20 vom 8.5.2020.

[37]

Siehe die Nachweise bei Wienbracke, Grundwissen Europarecht, 2018, S. 57.

 

[38]

Siehe die Nachweise bei Wienbracke, Grundwissen Europarecht, 2018, S. 57.

[39]

Zum gesamten Folgenden siehe auch Wienbracke, Grundwissen Europarecht, 2018, S. 33 ff. m.w.N.

[40]

BVerfGE 123, 267 (349).

[41]

Teile des nachfolgenden Schaubilds sind dem Skript „Allgemeines Verwaltungsrecht“, Rn. 129 m.w.N. entnommen. Nach Muthorst, Grundlagen, § 13 Rn. 48 bestehe Modifikationsbedarf an einem derartigen Modell.

[42]

Lepsius, JuS 2018, S. 950 (950 f.) m.w.N.; Rüthers, JuS 2011, S. 865 (867).

[43]

Vgl. Rüthers, JuS 2011, S. 865 (867).

[44]

Wank, Auslegung, S. 59.

[45]

„Für die Einordnung einer Norm in den Stufenbau ist nicht ihr Inhalt, sondern ihr Geltungsgrund ausschlaggebend“, Lepsius, JuS 2018, S. 950 (952). Siehe auch Rn. 36.

[46]

Beaucamp/Beaucamp, Methoden, Rn. 277, 279, 445 m.w.N.; Schwacke, Methodik, S. 13 ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 3, 32. Zur a.A. (bloße Vernichtbarkeit) siehe Vogel, Methodik, S. 53 f. m.w.N. Vgl. auch Muthorst, Grundlagen, § 5 Rn. 55.

[47]

Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 585. Siehe auch Rn. 44. Barczak, JuS 2015, S. 969 (970) spricht insoweit von Gewohnheitsrecht (Rn. 18).

[48]

Vgl. Schwacke, Methodik, S. 15 ff., 19.

[49]

Vgl. Barczak, JuS 2015, S. 969 (976); Schmalz, Methodenlehre, Rn. 69; Schwacke, Methodik, S. 15.

[50]

BVerfGE 65, 325 (358). Näher zu § 44 VwVfG siehe im Skript „Allgemeines Verwaltungsrecht“, Rn. 270 ff.

[51]

Schwacke, Methodik, S. 15. Dazu siehe im Skript „Allgemeines Verwaltungsrecht“, Rn. 251.

[52]

Mitunter beschränkt sich das BVerfG allerdings darauf, verfassungswidrige Gesetze lediglich für unvereinbar mit dem Grundgesetz zu erklären, vgl. § 31 Abs. 2 S. 2, 3, § 79 Abs. 1 BVerfGG. Dazu siehe Wienbracke, Einführung in die Grundrechte, 2013, Rn. 669 m.w.N.

[53]

BVerfGE 52, 1 (16); 70, 126 (129), jeweils m.w.N.

[54]

BVerfGE 97, 117 (122) m.w.N.; Wank, Auslegung, S. 61.

[55]

Vgl. BVerfGE 1, 184 (201); BVerfG, NVwZ 2002, S. 1496 (1497) m.w.N.

[56]

Zum Ganzen siehe Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 11. Aufl. 2019, § 25 Rn. 15 und im Skript „Verwaltungsprozessrecht“ Rn. 404.

[57]

Voßkuhle/Wischmeyer, JuS 2015, S. 311 (313).

[58]

Wernsmann, in: Ehlers/Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2009, § 16 Rn. 22.

[59]

Nach Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 4 Rn. 63.

[60]

Schmalz, Methodenlehre, Rn. 67.

[61]

Entsprechendes gilt, wenn die betreffende EU-Norm später wieder aufgehoben wird, siehe Schwacke, Methodik, S. 17. Zum gesamten Vorstehenden siehe Wienbracke Grundwissen Europarecht, 2018, S. 57 ff. m.w.N. Dort (S. 162 f., 172 ff.) auch zu den aus deutscher Sicht bestehenden Grenzen dieses Vorrangs und speziell zur außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 49 Abs. 1 AEUV – also namentlich bezüglich Gesellschaften aus Drittstaaten – weiterhin vertretenen Sitztheorie bzw. zur von den europäischen Grundfreiheiten nicht erfassten Inländerdiskriminierung.

[62]

BVerfGE 123, 267 (398).

[63]

Nach EuGH, NJW 1978, 1741; NVwZ 2001, 182; BVerfG, DVBl. 2006, S. 244; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 11. Aufl. 2018, Rn. 201, 757. Siehe auch das weitere Beispiel (Reinheitsgebot für deutsches Bier) bei Wienbracke, Grundwissen Europarecht, 2018, S. 174 f. m.w.N.

[64]

Hierzu siehe Wienbracke, Einführung in die Grundrechte, 2013, Rn. 536 m.w.N.

[65]

Vgl. Schmalz, Methodenlehre, Rn. 85; Schwacke, Methodik, S. 118; Wank, Auslegung, S. 59 f., 65, 100.

[66]

Vogel, Methodik, S. 54 f.

[67]

Vgl. BVerwGE 106, 228 (235 f.).

[68]

Vgl. Muthorst, Grundlagen, § 13 Rn. 44; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 83; Schwacke, Methodik, S. 164.

[69]

Siehe im Skript „Allgemeines Verwaltungsrecht“, Rn. 136 m.w.N.

[70]

Nach Wank, Auslegung, S. 61, 100. Von der Anwendbarkeit des deutschen Sachrechts ist auszugehen.

[71]

A.A. Barczak, JuS 2015, S. 969 (975); Schmalz, Methodenlehre, Rn. 83, denen zufolge der lex specialis-Grundsatz „rangneutral“ sei und daher nicht nur zwischen ranggleichen Rechtsnormen zum Tragen komme, sondern auch rangübergreifend. Dagegen wiederum vgl. Rn. 71 und Wienbracke, Grundwissen Europarecht, S. 150 m.w.N.

[72]

§ 8 Abs. 1 PolG NRW lautet: „Die Polizei kann die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende, konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren, soweit nicht die §§ 9 bis 46 die Befugnisse der Polizei besonders regeln“ (Hervorhebungen d.d. Verf.).

[73]

Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 585. Barczak, JuS 2015, S. 969 (970) spricht insoweit von Gewohnheitsrecht (Rn. 18). Dort (S. 972 f. mit Fn. 34 ff.) auch zahlreiche weitere Nachweise für ausdrücklich positivierte Regeln zur Lösung von Konkurrenzkonflikten.

[74]

Als weitere derartige – z.T. rechtsgebietsspezifische – Regel benennt Barczak, JuS 2015, S. 969 (973 f.) die „materielle Subsidiarität“ (lex primaria derogat legi subsidiariae) und die Konsumtion (lex consumens derogat legi consumptae) als Unterfälle der „Gesetzeskonkurrenz“ (Puppe, JuS 2016, S. 961 [962]). Im Fall der Subsidiarität wird eine Norm (z.B. Art. 2 Abs. 1 GG) nur dann (hilfsweise) als sog. Auffangtatbestand angewandt, wenn eine spezielle Vorschrift (z.B. Art. 12 Abs. 1 GG) nicht eingreift, siehe Wienbracke, Einführung in die Grundrechte, 2013, Rn. 516 f. m.w.N. Bei der im Strafrecht relevanten Konsumtion geht es darum, ob eine Norm (z.B. Sachbeschädigung, § 303 Abs. 1 StGB), die bei der Verwirklichung einer anderen Norm (z.B. Wohnungseinbruchdiebstahl, § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB) „typischerweise“ als sog. Begleittat ebenfalls verwirklicht wird, im konkreten Fall zur Anwendung gelangt, siehe Barczak, JuS 2015, S. 969 (974). Dort ferner auch zur mitbestraften Vor-/Nachtat.

[75]

Butzer/Epping, Arbeitstechnik, S. 18; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 771. Zur „kumulativen Normenkonkurrenz“ siehe Rn. 31. Zur auch insoweit vorrangigen „widerspruchsvermeidendenAuslegung siehe Rn 173 ff. und Mann, Einführung, Rn. 88, 93.

[76]

Siehe die Nachweise bei Beaucamp/Beaucamp, Methoden, Rn. 277. Das Spezialitätsprinzip „gilt ohne Ausnahme“, siehe Schmalz, Methodenlehre, Rn. 78. Puppe, JuS 2016, S. 961 (963) zufolge stünden nicht abstrakte Tatbestände in Konkurrenz zueinander, sondern deren Verwirklichung im Einzelfall.

[77]

Muthorst, Grundlagen, § 5 Rn. 50.

[78]

Kudlich/Christensen, JA 2004, S. 74 (76); Vogel, Methodik, S. 63 f.

[79]

Mann, Einführung, Rn. 92 m.w.N.; Schwacke, Methodik, S. 19.

[80]

Wank, Auslegung, S. 102. Dort und bei Zippelius, Methodenlehre, S. 31 auch zum nachfolgenden Schaubild. Mitunter wird Spezialität bereits dann bejaht, wenn allein diese Voraussetzungen vorliegen, siehe etwa Beaucamp/Beaucamp, Methoden, Rn. 278.

[81]

Vgl. BGHSt 2, 258; 13, 162 (165) und siehe Meier/Jocham, JuS 2015, S. 490 (492). Ferner vgl. Barczak, JuS 2015, S. 969 (973).

[82]

Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 88. Vgl. auch Muthorst, Grundlagen, § 5 Rn. 50; Zippelius, Methodenlehre, S. 31 f. Ein solcher Widerspruch kann auch darin bestehen, dass „eine Norm für bestimmte Fälle eine Rechtsfolge nicht vorsieht (negative Normierung)“, siehe Schmalz, Methodenlehre, Rn. 82 (Hervorhebungen d.d. Verf.) und Rn. 184, 226, 252.

[83]

Vgl. Butzer/Epping, Arbeitstechnik, S. 20 f. m.w.N.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 88; Vogel, Methodik, S. 63.

[84]

Nach BGHSt 20, 235; BGH, NStZ-RR 2000, S. 106; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 80 a.E.; Schwacke, Methodik, S. 19 a.E.; Vogel, Methodik, S. 63; Wank, Auslegung, S. 101 f.

[85]

Zippelius, Methodenlehre, S. 32 (Hervorhebungen d.d. Verf.).

[86]

Vogel, Methodik, S. 65 f.; Wank, Auslegung, S. 102 f. Nach Puppe, JuS 2016, S. 961 (963) werde eine Tatbestandsverwirklichung durch eine andere zudem auch dann wegen Spezialität verdrängt, „wenn sie aus empirischen Gründen in ihr enthalten ist“.

[87]

Muthorst, Grundlagen, § 5 Rn. 50.

[88]

Zum Ganzen siehe Butzer/Epping, Arbeitstechnik, S. 21; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 85 f., 188. Speziell zum Öffentlichen Recht vgl. die von Mann, Einführung, Rn. 288 vorgeschlagene Prüfungsreihenfolge: „a) spezialgesetzliche Ermächtigung? b) spezielle polizeigesetzliche Ermächtigungsgrundlage (polizeiliche Standardmaßnahme)? c) ordnungsbehördliche Verordnung resp. Polizeiverordnung? d) Generalklausel?“.

[89]

Nach h.M. besteht die Verdrängungswirkung darin, dass das jüngere Recht ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens das ihm widersprechende ältere Recht aufhebt, d.h. unwirksam macht (Geltungsvorrang), siehe Mann, Einführung, Rn. 94; Muthorst, Grundlagen, § 5 Rn. 55; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 73 f.; Schwacke, Methodik, S. 16; Vogel, Methodik, S. 62; Zippelius, Methodenlehre, S. 33 und vgl. BVerwGE 85, 289 (292); Butzer/Epping, Arbeitstechnik, S. 19. Nach a.A. (Wank, Auslegung, S. 101) sei das ältere Gesetz in Anbetracht des neuen Gesetzes lediglich nicht mehr anwendbar. Auch Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG statuiert nur einen Anwendungsvorrang, siehe BT-Drucks. 16/813, S. 11.

[90]

Siehe die Nachweise bei Beaucamp/Beaucamp, Methoden, Rn. 277. Zur Auflösung der Konkurrenzsituation im Fall des zeitgleichen Inkrafttretens der sich widersprechenden ranggleichen Normen siehe Schwacke, Methodik, S. 16 f.

[91]

Vgl. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 772; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 73; Schwacke, Methodik, S. 16 mit dem weiteren Hinweis, dass durch Auslegung zu ermitteln ist, ob das jüngere Recht dem älteren wirklich widerspricht.

[92]

BVerwGE 85, 289 (292).

[93]

Butzer/Epping, Arbeitstechnik, S. 19; Vogel, Methodik, S. 62.

[94]

Vgl. auch Mann, Einführung, Rn. 94.

[95]

Vgl. Mann, Einführung, Rn. 95.

[96]

Zur nachstehenden Tabelle vgl. Barczak, JuS 2015, 969 (975); Mann, Einführung, Rn. 96 m.w.N.: „lex posterior generalis non derogat legi priori speciali“ (sofern es sich beim jüngeren Gesetz nicht um eine umfassend angelegte Kodifikation handelt; näher Zippelius, Methodenlehre, S. 33); Muthorst, Grundlagen, § 5 Rn. 55 a.E.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 773; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 74 a.E.; Schmidt, JuS 2003, S. 649 (650); Schwerdtfeger/Schwerdtfeger, Öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, 15. Aufl. 2018, Rn. 713d a.E. (mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass etwa das höherrangige EU-Recht auch nicht durch eine spätere – niederrangige – nationale Regelung verdrängt wird); Vogel, Methodik, S. 62.

[97]

Zu den Rechtsfolgen des lex posterior-Grundsatzes siehe Rn. 71 mit Fn. 176.