Indonesien - Abenteuer Kinderhilfe

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Reisebericht 2009

„Hebt man den Kopf,

so sieht man keine Grenzen.“

(Japanisches Sprichwort)

Bis zum eigentlichen Start der Reise vergeht noch einige Zeit, die mitunter nervenaufreibend ist, gilt es doch, einiges zu planen. Es stehen in Indonesien wieder neue Projekte an und Besprechungen müssen vorbereitet werden.

Meine Reise wird auch dazu dienen, den Aufbau einer Trinkwasseranlage zu planen und abzustimmen. Die Trinkwasseranlage soll in Binangun (Region von Banyumas) errichtet werden, um sowohl die Schule, die auch seit Jahren von uns betreut wird, als auch die Bewohner, dazu gehören auch aktuell acht unserer Patenkinder, mit Trinkwasser zu versorgen. In dieser Vorbereitungsphase gilt es Antworten auf eine Menge Fragen zu finden. Dank Internet muss man nicht unzählige Bücher wälzen, doch ich bin immer wieder erstaunt und erschrocken, wie viel Zeit man dabei am Computer lässt. Das A und O ist es, gezielt die eigenen Fragen zu beantworten. Doch ich will ganz ehrlich sein, ich ertappe mich auch immer wieder, wie ich von einer Seite auf die nächste Seite, von einem Link zum nächsten Link gelange und schließlich mich einer neuen Frage gegenübergestellt sehe: `Was wollte ich eigentlich suchen?`.

Irgendwann kommt dann mal der Punkt, wo auch ein Wort auftaucht, das schon manchen vom Weg der Reise abgebracht und Träume zerstört hat: `Angst`. Das kann Angst sein, in Form von: Was mache ich, wenn ich unterwegs krank werde? Was, wenn ich meinen Anschlussflug verpasse? Welchen Gefahren bin ich ausgesetzt? Bei mir persönlich war es bisher immer so, dass ich bei meinen Reisen nach Indonesien allein unterwegs war. Das kann gut sein, aber es gibt auch negative Seiten. So zum Beispiel, was wäre, wenn ich richtig krank werde oder bei meinen Individualtouren an die falschen Leute gerate? Die Angst kann jede Idee, jede Reise zunichte machen und man sollte sie auch nicht unterschätzen. Wichtig ist, dieses Angstgefühl wahr zu nehmen, sich aber nicht davon abhängig machen. Eine gesunde Angst kann, und das ist bewiesen, uns in mancher Situation ein treuer und hilfreicher Begleiter und Beschützer sein. Doch zu jeder Reise, jeder Unternehmung gehört auch ein gewisses Maß an Vertrauen, Zuversicht und Pioniergeist. Eine Reise zeigt einem auch seine Grenzen auf, bringt Lebenserfahrung und gibt einem auch neuen und frischen Elan für das Leben.

Nun sitze ich hier bei einer Tasse heißem Jasmintee aus Zentraljava und auf einem noch jungfräulichen Blatt Papier versuche ich nun, meinen Reiseplan aufzustellen. Derweil regnet es draußen in Strömen, was mich noch mehr bestärkt, mich an meinen Schreibtisch zu binden. Schon dieser erste, aber immens wichtige, Schritt der Reisevorbereitung kostet viel Zeit und Energie. Nervennahrung...ein Stück Schokolade...muss her.

Doch man kann auch nicht alles planen. Ein wenig Ungewissheit wird immer bleiben und macht auch, und das ist meine persönliche Einschätzung, etwas Besonderes aus und bringt Überraschung. Wenn ich zu viel von einem Land kenne, durch Literatur, Reisereportagen im TV oder Internet, dann fühle ich mich überflutet und spüre nicht mehr so den Drang, dieses Land unbedingt zu bereisen. Aber diese Sehnsucht nach der Ferne möchte ich mir immer und unbedingt erhalten.

Die Grobgliederung meiner Reise ist gemacht. Nun kann der Feinschliff beginnen. Wobei `Feinschliff`...dieses Wort lässt ein müdes Lächeln über mein Gesicht ziehen...so genau und perfekt, wie man auch immer planen mag, zu viele Dinge und auch Unwegsamkeiten und Unvorhergesehenes können geschehen. Man muss halt auch ein gewisses Maß an Spontaneität mitbringen und Courage und natürlich Elan sowie Freude. So können z.B. Flüge oder andere Reiseverbindungen mit Zug und Bus ausfallen, man kann krank werden, an manchem Ort vielleicht länger verweilen wollen etc. Ich habe all dies schon mitgemacht...

Dann geht es endlich los.

Von Mitte Oktober bis Anfang November weile ich wieder in Banyumas auf Zentral Java. Mit der Anreise klappt es dieses Mal wunderbar und kein Flieger hat Verspätung. Gegen 14:00 Uhr Ortszeit lande ich in der Hauptstadt Jakarta.

Wieder empfängt mich ein besonderes Gefühl, ein schönes Gefühl, das ich seit meiner ersten Reise nach Indonesien kenne. Ist es die schwüle Luft, sind es die Menschen, liegt es an dem Duft der hiesigen Pflanzenwelt oder an den Gerüchen der aus den Garküchen strömenden Gewürze?

Ich glaube, es ist eine Mischung aus allem.

Vom Flughafen aus geht es nun mit dem Bus auf direktem Weg zum circa eine Stunde entfernten Bahnhof. Die Straßen sind mit Autos, Lastwagen und Mopeds stark belastet und so kommt es täglich zum Stau. Das wiederum erschwert nicht nur die Fortbewegung sondern führt ebenso zu einer erhöhten Luftverschmutzung. Weitere Probleme schließen sich an. So kann zum Beispiel der Müll, der an sich schon ein Riesenproblem darstellt, nicht regelmäßig und effizient entsorgt werden, da die Müllfahrzeuge vielfach selbst im Stau stehen.

Der Zug fährt um 17:30 Uhr pünktlich los, hat aber unterwegs wieder eine Stunde Zeit verloren. Schließlich erreiche ich kurz nach 23:00 Uhr Purwokerto. Unser indonesischer Mitarbeiter, Kus Hardiyanto (Hardy), holt mich vom Bahnhof ab und zu Fuß geht es zu seinem Elternhaus, in dem ich die ersten Nächte verbringen werde. Es ist immer wieder schön nach Indonesien zu kommen, Freunde zu treffen und gut aufgenommen zu werden. Ich werde dort auch schon mit „Welcome home“ begrüßt.

Die erste Nacht ist ziemlich kurz, denn wir haben uns ja auch einiges zu erzählen. Doch irgendwann fallen dann die Augen von allein zu, da die Anreise recht lang und anstrengend war. Den nächsten Tag nutzen wir, um einen Plan für die nächste Woche zu machen. So müssen Termine mit den Behören abgestimmt werden und die Schule in Binangun wird verständigt. Denn wir möchten unsere Patenkinder besuchen. Ein eher ruhiger Tag, der aber auch Gelegenheit bietet, weitere Freunde und Bekannte zu besuchen, die unsere Arbeit unterstützen. Es ist wichtig diese Kontakte zu haben und zu pflegen.

Natürlich steht am ersten Tag auch auf dem Plan, dass wir zur Polizeistation gehen, um meinen Aufenthalt in Banyumas zu dokumentieren. Das ist sehr wichtig, da ansonsten die Gastfamilie ziemliche Probleme in Form von Geldstrafen bekommen kann. Fragen Sie mich nicht, warum und weshalb das so ist, ich habe keine Antwort darauf. Es muss eben so sein, seit ein paar Jahren.

Tags darauf stürzen wir, Hardy und ich, uns in die eigentliche `Arbeit`, wobei ich gleich hier einfügen muss: `Arbeit` in dem Sinne ist es eigentlich nicht, da wir sehr viel Freude und Spaß an unserer Tätigkeit haben.

Jedenfalls fahren wir mit Hardys Vespa-Roller (ein ziemlich altes Modell, das uns aber auch in den kommenden Tagen eine ganz große Hilfe sein wird) zu Mr. Edy, dem Chef des Hospitals, mit dem wir schon seit vielen Jahren zusammen arbeiten.

Er ist eine wichtige Persönlichkeit und wir sind sehr froh, in ihm einen Mitstreiter gefunden zu haben. Bei diesem ersten Gespräch geht es um einen kurzen Abriss meines Besuches in Indonesien und um unser Anliegen zur noch besseren Unterstützung der Kinder und Kranken. Mr. Edy findet unsere Idee und unser Konzept zur Errichtung einer Trinkwasseranlage sehr gut und er wird uns dabei auch unterstützen. Auch diese Zusicherung ist uns sehr wertvoll.

Die Leute müssen immer Kenntnis von unseren Aktivitäten haben. Zum einen, weil es mitunter ungemein nützlich ist, eine Person zu kennen, die etwas zu sagen hat und zum anderen, weil wir die Menschen vor Ort mit in unsere Projekte einbinden wollen, damit diese wiederum Verantwortung übernehmen können und unsere Arbeit nachhaltig wirkt.

Wir sind aber auch noch aus einem anderen Grund hier. Heute morgen erreichte mich ein Anruf von der Zollbehörde aus Jakarta. Etwa drei Wochen vor meinem Abflug hatte ich Sachspenden-Pakete von Deutschland aus nach Indonesien geschickt, damit sie dann bei meiner Anwesenheit da sind, und wir sie gemeinsam an die Kinder und Schulen verteilen können. Doch der Anruf war alles andere als schön. Die Zollbehörden teilten mir mit, dass sie die Pakete nur unter Zahlung von Geld frei geben werden. In mir machte sich ein Gefühl breit, so als hätte mir jemand ein Kantholz über den Schädel gezogen, bei dem noch die Nägel herausschauten. Korruption! Mr. Edy schaltete sich nun ein und machte den Behörden deutlich, dass wir zur Not die Presse einschalten werden und nach zähen Verhandlungen hatten wir die Spendenpakete frei bekommen und mussten `nur` ein kleines Entgelt für die Lagerzeit der Pakete zahlen. Was für ein Krimi. Insgesamt handelte es sich um sechs Pakete mit Spielsachen, Stofftieren, Schul- und Bastelbedarf, Lehrmittel und Sanitätsmaterial.

Wir waren letztendlich glücklich, dass die mehr als 100 Kilogramm Spenden nicht verloren gingen und wir sie in den nächsten Tagen verteilen können.

Gemeinsam besuchen wir schließlich auch noch den Leiter der Bildungsbehörde, um auch ihm unsere Vorhaben und Ziele zu erläutern. Da wir uns schon seit ein paar Jahren kennen, ist auch dieses Treffen herzlich und aufschlussreich.

Das waren die ersten wichtigen Behördentermine, weitere kommen in den folgenden Tagen hinzu. Es ist manchmal für einen Deutschen schwer zu verstehen, weshalb manche Dinge so langwierig besprochen werden müssen. Es ist nun mal eine andere, fremde Kultur und wir müssen uns darauf einstellen. Doch schlussendlich ist wichtig, dass es Ergebnisse gibt, die im Interesse aller liegen und dass wir unsere Tätigkeit und unsere Ideen voll einbringen können. Und das können wir hier.

Die Bevölkerung von Indonesien hat eine andere Kultur, andere Religionen, andere Traditionen, doch wenn es um Hilfe und Unterstützung für Kinder geht, so erreichen wir die Menschen und diese haben immer ein offenes Ohr und bieten Ihre Hilfe an.

 

Es gibt naturgemäß natürlich auch einzelne Menschen, die Fremden, Ausländern, gegenüber verschlossen erscheinen. Aber auch das hat seinen Grund, wenn man bedenkt, dass Indonesien schon viele Anschläge und Attentate über sich ergehen lassen musste. Die Bombenanschläge auf Bali sind vielen noch im Gedächtnis. Hier heißt es zunächst Vertrauen aufzubauen und aufzuzeigen, dass wir helfen wollen. Und bisher hatten wir damit auch sehr guten Erfolg.

Ich bin nun schon mehrere Male in Indonesien gewesen und kann sagen, dass ich noch niemals schlecht behandelt wurde oder in irgendeiner Art und Weise belästigt wurde. Die Menschen sind sehr nett und freundlich. Sie laden mich in Ihre Häuser ein. Selbst bei den ärmsten Familien, die wirklich kaum mit ihrem Geld hinkommen, wird mir ein Tee angeboten und ein Lächeln geschenkt. Es sind immer glückliche Momente, die ich vor Ort verbringen darf.

Aber zurück zu unserer Arbeit. Ich bin schon wieder zu weit abgewichen und wollte doch eigentlich schreiben, was ich dort so alles gemacht habe.

So, nachdem Hardy und ich pausenlos Termine mit den Behörden hatten, sind wir zurück in Hardys Elternhaus. Von dort, nur ein paar Schritte entfernt, befindet sich der Kindergarten. Auch hier sind wir `Stammgäste`. Die Tür ist noch nicht einmal ganz auf, da ertönt schon ein lautes „Hello“ und die Kinderaugen leuchten mir entgegen. Immer wieder ein schönes Erlebnis.

Ein kurzes Gespräch mit den Erzieherinnen folgt und wir begleichen einige offene Rechnungen unserer Patenkinder, die die Familien bisher nicht bezahlen konnten. Es ist sehr wichtig, dass diese Rechnungen bezahlt werden, da auch der Kindergarten das Geld benötigt, um zum Beispiel Reparaturen durchführen zu können oder auch, um Spielsachen zu kaufen.

Danach kann es endlich losgehen zu den einzelnen Patenkindern. In den kommenden Tagen besuchen wir alle unsere Patenkinder und deren Familien zu Hause. Es ist schon sehr unterschiedlich, wie die einzelnen Familien wohnen und leben. Manche haben bereits ein Haus aus Stein und auch einen gefliesten Boden und andere haben lediglich eine Hütte aus Bambus, Strohmatten und Blechdach.

Gerade in den letztgenannten gibt es meist keinen Wasseranschluss und zum Teil nicht einmal Strom. Hier wird zwar nach und nach einiges gemacht, doch es braucht seine Zeit. Der Zustand ist oftmals der, dass es in den Bambushütten eine offene Feuerstelle gibt, wo das Essen zubereitet wird. Das ist natürlich auch gefährlich, aufgrund des Feuers und des Qualms. Doch momentan gibt es dafür noch keine Alternative.

Aber auch hier, bei diesen Menschen, die nur eine einfache Unterkunft haben, wo die ganze Familie in einem Bett schläft, wo das Wasser noch mit Eimern vom nächsten Flusslauf geholt werden muss, selbst oder gerade hier sind wir herzlich willkommen, man begrüßt uns freundlich und bietet uns Tee und Gebäck (selbst hergestellte Reiskekse) an.

Die Familien bedanken sich für unser Kommen und für unsere Hilfe und Unterstützung. Und es ist Ihre Unterstützung, liebe Paten und Spender, die den Kindern zugute kommt, die ihnen ermöglicht, zur Schule zu gehen, Schulmaterial und Schuluniformen zu kaufen, die Ernährung regelmäßig vitaminreicher mit Obst und Gemüse zu gestalten und erforderliche medizinische Versorgung in Anspruch nehmen zu können. Dafür möchten wir als Verein diesen Dank der Familien an Sie weitergeben.

Ein weiteres wichtiges Anliegen meiner Reise nach Indonesien ist die Thematik `Trinkwasser`. Hierzu gab es Mitte diesen Jahres bereits Gespräche mit einer deutschen Stiftung. Das kam daher, dass diese Stiftung auf unseren Verein auf einer Internetplattform, auf der gemeinnützige Vereine gelistet sind, aufmerksam wurde. Es kam die Anfrage hinsichtlich unserer Projektarbeit und wir sollten dazu ein konkretes Konzept erarbeiten und Fotos liefern. Unser Konzept und damit auch unsere Arbeit für die Kinder wurde als gut befunden und weitere Informationen wurde ausgetauscht.

Nach einigen Wochen, ich hatte schon gar nicht mehr mit einer Antwort gerechnet, erhielt ich eine E-Mail. Darin stand, dass unser Verein ausgewählt wurde. Die Freude war riesig. Unser Verein, ein eher kleiner Verein, ist jetzt einer von insgesamt nur fünf Organisationen, die deutschlandweit ausgewählt wurden. Jeder dieser fünf Vereine ist auf einem anderen Kontinent tätig. Wir wurden somit für Asien, sprich in unserem Fall für Indonesien ausgewählt. Vielleicht `hören` Sie aus diesen Zeilen etwas Stolz...ganz ehrlich, das bin ich auch.

Unser Konzept beinhaltet die Errichtung einer Trinkwasseranlage in dem Dorf Binangun. Damit soll der Zugang zum lebenswichtigen Rohstoff Wasser gewährleistet werden. Die Grundschule des Dorfes wird ebenfalls einen Zugang zur Wasserversorgung erhalten.

In diesem Dorf ist die Situation so, dass es in den Häusern keine Wasseranschlüsse gibt und die Erwachsenen, aber auch die Kinder, mit Eimern losziehen müssen, um das Wasser zu holen. Dabei gehen Sie manchmal ziemlich weite Wege und über Böschungen, die gerade auch in der Regenzeit Gefahren bergen.

Auch ich erlebe einen solch heftigen Regenguss, als ich mit Hardy, Mr. Joko (dem Schuldirektor unserer Schule) und zwei weiteren Bewohnern von Binangun durch das Dorf laufe. Wir legen dabei einige Kilometer zurück, auch über Hänge, die nass und glitschig sind, entlang an kleinen Feldern und suchen nach geeigneten Stellen für einen Brunnenbau. Auf dem Weg besuchen wir auch unsere Patenkinder. An einem Tag sind wir bis spät am Abend unterwegs. Der Direktor der Schule hat längst Feierabend, doch auch er läuft die ganze Strecke mit uns ab. Und zum Schluss können wir uns nur noch mit Taschenlampen in der dunklen Nacht orientieren (es wird bereits gegen 18:00 Uhr dunkel). Geschafft, aber doch glücklich, in total durchnässter Kleidung und die Gummistiefel voller Wasser, erreichen wir dann wieder die Schule, wo wir uns ein wenig trocknen können, ehe es dann wieder mit der Vespa zurück zu Hardys Elternhaus geht.

Am nächsten Tag kommen wir noch einmal heftig in einen Regenschauer und suchen Unterschlupf unter dem Vordach eines Hauses. So stehen wir eine kurze Zeit in unseren nassen Sachen, als auf einmal eine Tür aufgeht. Ein recht dunkelhäutiger Indonesier mittleren Alters lächelt uns an und gibt uns zu verstehen einzutreten. Ich bedanke mich bei der Familie für ihre Gastfreundschaft und während wir, nachdem der Regen nachgelassen hat, wieder zurück zu unseren Motorrollern laufen, geht mir die Frage durch den Kopf, wie viele Deutsche wohl einem Fremden, der anklopft und sich vor dem Regen schützen möchte, so offen und vorbehaltlos ihre Tür geöffnet und ihn eingelassen hätten?

Nach vielen erlebnisreichen Tagen auf Java starte ich schließlich, um noch eine weitere indonesische Insel zu besuchen, die im Gegensatz zu Java eine Touristenhochburg ist: Bali.

Die Welt der Balinesen ist noch immer die der Götter, Geister und Dämonen. Glaube und Aberglaube liegen nah beieinander. Die Berge und Vulkane werden als das Reich der Götter angesehen, die dort oben ihren Sitz haben und über alles wachen. Opfergaben, kleine Geschenke für die Götter, eine kleine Schale, zumeist aus Palmen- und Bananenblättern, darin einige Körner Reis, Banane, Süßes, aber auch Schweinefleisch kann es sein. Selbst die Ärmsten teilen ihre Speisen, beten, bitten und achten die Gottheiten. Es ist ein Leben in Harmonie mit den Göttern und den Seelen ihrer Ahnen. Die Opfergabe soll den Beschenkten gütig stimmen. Entscheidend ist der Sinn, der hinter der Gabe steckt und nicht die Größe oder das Aussehen bzw. die Vergänglichkeit.

Ich unterhalte mich recht lange, mit einem Balinesen, ein älterer Mann, den das Leben gezeichnet hat, dessen Lebenslust jedoch wie eine Sonne in seinen Augen glänzt. Er erklärt mir, was ich auch von meiner Zeit auf Java bereits kannte, dass die Kinder einen enormen Stellenwert im Leben der indonesischen Bevölkerung haben. Und, dass ältere Menschen große Achtung und Respekt genießen.

Er spricht weise und ruhig: „Ein Baby ist soeben noch im Paradies gewesen; ein alter Mensch ist auf dem Weg dorthin“. Und er fügt an: „Das Unerklärbare ist so magisch und wundervoll und so soll es auch bleiben...voller Wunder“.

Wow...das war schon ein faszinierendes Gespräch, eine kleine Einführung in die Geheimnisse seiner Kultur.

Auch am nächsten Tag auf Bali kann ich von der Kultur nicht genug bekommen. Die Tanzkunst wird überall auf der Welt gepriesen und das will ich mir unbedingt anschauen. Unweit meiner Unterkunft erreiche ich ein Restaurant, in dem mehrmals wöchentlich Auftritte stattfinden. Den nach außen offenen Tanzbereich säumen bereits viele Interessierte. Ich reihe mich ein. Der Tanz folgt den Bewegungen, wie sie die Skulpturen und Abbildungen alter Tempel darstellen und zum Leben erwecken. Zusammen mit der traditionellen Musik wird eine Einheit aus Religion und Schönheit, aus Überlieferung und Kultur geschaffen. Jede Handbewegung, jede Fußbewegung, jede Bewegung der Augen gibt unterschiedliche Aspekte während des Tanzes wieder. Jahrelange Übung auf höchstem Niveau sind erforderlich, um tänzerisch ausdrücken zu können, was von den Vorfahren übernommen wurde und, was ich als wunderbar empfinde, dass es weiterhin als Kulturgut gepflegt wird.

Es sind zwei Tänzerinnen, die in farbenfrohen Gewändern einen ästhetischen Einblick in die Tanzkunst vermitteln. Ich bin geneigt zu sagen, dass diese Frauen so schön sind, wie das Leuchten in den Augen der umstehenden, begeisterten Menschen, in denen sie sich spiegeln.

Ich entdecke zu meinem großen Erstaunen, dass es hier, im Gegensatz zu meiner Zeit auf Java, an jeder Ecke auch Bier gibt. Womit für mich gleichzeitig eine der entscheidenden Fragen, ob es neben Hawaii auch auf Indonesien kein Bier gibt, beantwortet wäre.

An meinem letzten Tag auf dieser Insel möchte ich noch ein paar Reisemitbringsel, na ja, nennen wir es `Andenken`, kaufen. Mir gefallen sehr die typischen Sarongs. Ein Sarong ist eine Art Wickelrock, der aus einer langen Stoffbahn besteht. Dieses Kleidungsstück ist weit verbreitet in Indonesien. Es wird um die Hüfte gewickelt und dort verknotet. Der Sarong wird von Frauen und von Männern getragen und reicht bis an die Füße. Die Farben und Muster sind vielfältig. Auch Batik-Varianten gibt es. Sarongs sind für die Bevölkerung preiswerte Kleidungsstücke und werden deshalb insbesondere von ärmeren Leuten getragen. Was man nur nicht machen sollte: am erstbesten Stand und dazu nahe des Strandes und der Hauptstraße, also im Touristengebiet, zu kaufen. Hier kann man auch mal schnell an ein Schlitzohr geraten, das ein Geschäft riecht. Als der Verkäufer mir einen viel zu überteuerten Preis nennt, gebe ich ihm zu verstehen, dass er sich ruhig Zeit lassen solle, um die Unverhältnismäßigkeit seiner Geldforderung in aller Ruhe noch einmal zu überdenken. Es ist nicht so, dass ich knauserig bin, ich gönne ihm sehr wohl seinen Umsatz, doch sollten sowohl Verkäufer, als auch Käufer stets auf dem Boden bleiben und faire Preise, mit denen beide Seiten leben können, ausmachen.

Nun, schließlich passte es und der Verkäufer hat mich danach sogar noch angelächelt...upps...ist dann doch ein Zeichen, dass ich noch immer zu viel bezahlt habe. Aber gut, dieser Sarong wird mich immer an meine Reise erinnern und hat dadurch sowieso einen immens hohen ideellen Wert.

Mein Rückflug ist zunächst ein Inlandsflug von Denpasar, der Hauptstadt Balis, nach Jakarta, auf die Nachbarinsel. In Jakarta habe ich einen Tag Zeit und meine indonesischen Freunde, das Ehepaar Yanti und Sangkam, holen mich vom Flughafen ab und wir fahren zu Ihrem Haus, das etwa eine Dreiviertelstunde entfernt liegt. In den letzten Tagen hatte es starke Regengüsse gegeben, so dass wir die letzten Meter zu Fuß gehen müssen. Um zum Haus zu gelangen, balancieren wir über wackelige Stege, es können aber auch meine wackeligen Beine sein, die mir diesen Eindruck des Schwankens vermitteln. Es ist ein Suchen des Gleichgewichtes auf diesen schmalen Brettern und wenn man es nicht finden würde, dann setzt man einen Fuß daneben und landet augenblicklich im Nass. Doch das wirkt hier nicht erfrischend, sondern eher gesundheitsschädlich, eine fahle, stinkende Brühe von Wasser, Müll und sicher voller Keime und Bakterien. Die Einheimischen bewegen sich geübter. Durch Umweltzerstörung und Klimawandel versinkt ein Teil der Stadt regelmäßig in den Fluten. Von den Folgen der Überschwemmungen sind die Ärmsten mal wieder die Hauptleidtragenden. Brunnen werden überflutet. Trinkwasser muss nun teuer erkauft werden. Wem das Geld selbst dazu fehlt, trinkt das verseuchte Wasser und wird krank. Ein trauriges Schicksal.

 

Die Zeit mit meinen Freunden ist schön, doch wie immer viel zu kurz. Irgendwann muss ich es wirklich mal einrichten, ein paar Tage länger hier in Jakarta zu bleiben. Auf jeden Fall war es schön, sie alle wieder zu sehen. Yanti und Sangkam bringen mich zum Flughafen und für mich heißt es Abschied nehmen und den Flieger gen Westen zu besteigen. Eine wunderschöne Zeit, die ich in Indonesien verbringen konnte, geht zu Ende. Mit vielen neuen Gedanken im Kopf, neuen Ideen für unsere Kinderhilfe, mit Begeisterung im Herzen und Glücksgefühlen, meine Freunde wieder getroffen zu haben, erreiche ich schließlich meinen Wohnort.


Übergabe von Sanitätsbedarf an den Chef des Hospitals, Mr. Edy


Bei den Kindern der Grundschule Banyumas


Streifzüge durch das Dorf Binangun, um geeignete Stellen für den Brunnenbau zu finden




Stofftiere und Spielzeug für die Kinder des Kindergartens Purwokerto



Bali