Perry Rhodan - Die Chronik

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Die Auswertung des Preisausschreibens erfolgte ein halbes Jahr nach Erscheinen des Jahrbuchs, am 8. Dezember. »Der siebenjährige Stephen Voltz zog die Gewinnlose mit den Namen jener Leser, die die richtige Lösung eingeschickt hatten, aus dem Topf«, schrieb Voltz in einer Benachrichtung der zwanzig Gewinner. »Die Redaktion bittet die drei Hauptgewinner um eine Autobiographie (wie kamen sie zu PERRY RHODAN, wie haben sie die richtige Lösung gefunden, sind sie vom Gewinn überrascht etc.) und um ein Foto.«

Schon einen Tag zuvor hatte Voltz dem Verlag und allen Serienautoren mitgeteilt, welches Bild die Auswertung ergeben hatte. Aber zur juristischen Absicherung ließ sich der Verlag noch einmal sämtliche Unterlagen und Einsendungen zuschicken. Wie erwartet kam die Jury aus Kurt Bernhardt, Werner Müller-Reymann und Joachim Bulla zu dem gleichen Ergebnis, das sie den beteiligten Autoren am 17. Dezember 1975 ihrerseits mitteilte.

Lieber Herr Bernhardt,

nachdem ich alle Zuschriften, die mir vom Verlag zum Preisausschreiben im PERRY RHODAN-Jahrbuch 1976 übergeben wurden, ausgewertet habe, ergibt sich folgendes Bild:

Es gingen 341 gültige Zuschriften ein, 333 davon wurden ausgewertet (8 Einsender gaben die beste Geschichte ihrer Wahl nicht an. Für die Kurzgeschichten Pardon, Sir! und Standpunkte gingen von jeweils einer Person 40 bzw. 20 Wertungskarten ein. Es ist klar, dass davon nur je eine Karte zur Auswertung kam.

Und hier das Ergebnis:

1. Platz: Standpunkte von William Voltz – 74 Stimmen

2. Platz: Ultimatum von H. G. Franciskowski – 55 Stimmen

3. Platz: Mein Freund Dummy von Ernst Vlcek – 54 Stimmen

4. Platz: Das Erbe von Walter Ernsting – 46 Stimmen

5. Platz: Adam und Eva von Horst Gehrmann – 36 Stimmen

6. Platz: Pardon, Sir! von K. H. Scheer – 35 Stimmen

7. Platz: Flucht von Hans Kneifel – 24 Stimmen

8. Platz: Autonomy-Eins von Klaus Mahn – 9 Stimmen

Zwischen Platz 2 und 3, sowohl 5 und 6 nur eine Stimme Unterschied.

Es sind nur wenige Leser dabei, die alle Autoren richtig geraten haben, ungefähr 20–25. Unter diesen werden die Preise ausgelost.

Die Einsendung aus Brasilien kommt aus der größten Entfernung, das noch als Kuriosum.

Kopien dieses Schreibens gehen an alle PERRY RHODAN-Autoren und an G. M. Schelwokat.

Für die Korrektheit der Auswertung verbürgt sich mit freundlichen Grüßen

William Voltz

ATLAN feiert Jubiläum

Immer mehr etablierte sich ATLAN neben seinem großen Bruder PERRY RHODAN zu einer Serie mit eigenem Charakter. Die Umstellung auf wöchentliches Erscheinen hatte den Anfang gemacht. Der nächste Schritt war die Entscheidung gewesen, künftig nur noch Jugendabenteuer des Arkoniden zu veröffentlichen, die zehntausend Jahre vor der aktuellen Handlungszeit in PERRY RHODAN angesiedelt waren und eine Mischung aus Fantasy und Abenteuer pur waren.

Man marschierte jetzt auf den zweiten großen Jubiläumsband zu, den man nach alter Tradition gebührend feiern wollte. »Ich kann den Band 200 übernehmen und rechtzeitig liefern«, meldete sich H. G. Ewers bereits am 3. Januar 1975 zu Wort. Aber dieser Roman war Chefsache. William Voltz ließ es sich nicht nehmen, ihn selber zu schreiben. Es sollte sein erster Beitrag für ATLAN seit ziemlich genau zwei Jahren werden.

Auch im Verlag liefen die Vorarbeiten an. In einer Aktennotiz von Cheflektor Kurt Bernhardt, die am 29. Januar 1975 in den redaktionellen Verteiler ging, wurde die Ausstattung des Romans festgehalten. Außerdem hieß es darin: »Für diesen Jubiläumsband wird mit Anzeigen geworben, und zwar bereits in den beiden davor liegenden Bänden aller SF-Reihen. Ebenso muß unbedingt auf den Leser-Kontaktseiten und in den Vorschautexten aller SF-Reihen das Erscheinen von ATLAN-Exklusiv 200 angekündigt werden.«

Als Voltz einige Monate später die LKS zusammenstellte, setzte er an den Anfang die ehrlich empfundenen Worte: »Mit dem vorliegenden Jubiläumsband möchten wir uns für die Treue bedanken, die Sie der ATLAN-Serie nun schon seit ein paar Jahren entgegenbringen. Wir hoffen, daß wir Ihnen mit dem erweiterten Umfang, dem umlaufenden Titelbild, vier Kontaktseiten und einer Rißzeichnung Freude bereiten können.«

Außerdem konnte er mit einer neuen Information aufwarten: »Etwa zur gleichen Zeit, da Sie diesen Jubiläumsband in den Händen halten, erscheint bei Ace Books in den USA die erste Übersetzung eines ATLAN-Romans, also ein Erfolg in doppelter Hinsicht.«

Der Service für diesen Band entsprach den Standards, die man von PERRY RHODAN gewohnt war. Das Titelbild von Johnny Bruck war enorm ausdrucksstark, und auf den vier Leserseiten fanden sich auch Schreiben von Klaus Mahn alias Kurt Mahr und Clark Darlton sowie eine köstliche Karikatur von Horst Hoffmann. Die Risszeichnung – ein ungewohntes Extra bei ATLAN – zeigte einen Aufriss der Vollprothese von Major Sinclair M. Kennon, gezeichnet von Rudolf Zengerle, und an den auf achtzig Seiten erweiterten Romanumfang schloss ein Bestellschein mit kompletter ATLAN-Titelliste an.

Voltz nutzte die Gelegenheit, die Unterschiede der Serie gegenüber PERRY RHODAN zu betonen. »Viele Leser, die uns schreiben, sind von den ATLAN-Romanen begeistert«, führte er auf der LKS aus, »aber es gibt auch Zuschriften, in denen kritisch gefragt wird, warum wir ATLAN nicht nach dem Prinzip der PERRY RHODAN-Serie aufbauen. Dazu wäre zu sagen, daß ATLAN ja kein zweiter PERRY RHODAN, sondern eine eigenständige Serie mit einer eigenen Aussage und einem völlig unterschiedlichen Anspruch sein soll.« Und auch das Autorenteam spiele eine Rolle. Es setze sich ja »zum größten Teil aus Autoren zusammen, die nicht für die PERRY RHODAN-Serie schreiben. Mit ATLAN wollen wir unsere Leser in möglichst spannender und phantasievoller Form unterhalten, wir laden sie mit jedem Band zu einer neuen abenteuerlichen Reise in die phantastischen Bereiche der Science Fiction ein.«

Selten wurde so deutlich gemacht, wodurch sich die beiden wöchentlichen Heftserien eigentlich unterschieden. PERRY RHODAN und ATLAN waren wie Brüder – aber der eine führte die Menschheit ihrer Bestimmung im All entgegen, während der andere knallharte Abenteuer in einer Umgebung erlebte, die möglichst phantastisch gehalten war.

Präastronautik und Science Fiction

Niemand ahnte, als im März 1968 das erste Buch Erich von Dänikens, »Erinnerungen an die Zukunft«, erschien, dass eine der Inspirationsquellen des Präastronautikers die SF-Romane Clark Darltons waren. Nur Darlton selbst fiel auf, dass der Titel des Buches verdächtig einer Formulierung glich, die er 1962 in einem PERRY RHODAN-Roman verwendet hatte. Er griff zum Telefonhörer – und lernte einen charismatischen Schweizer kennen, der aus seiner Begeisterung für Science Fiction im Allgemeinen und das Werk von Clark Darlton im Besonderen keinen Hehl machte.

Schon 1970 lag die Bibel der Präastronautiker unter dem Titel »Chariots of the Gods: Unsolved Mysteries of the Past« auf Englisch vor und sorgte auch in den USA für Furore. Der amerikanische Rechtsanwalt Dr. Gene M. Phillips war so begeistert von den Thesen, dass er drei Jahre später eine Gesellschaft gründete, die sich zum Ziel setzte, einen anerkannten Beweis für ehemalige Besuche von Außerirdischen auf der Erde zu erbringen.

Die Ancient Astronauts Society war geboren, die noch heute, mehr als vierzig Jahre später, den gleichen Werten verpflichtet ist. Heute steht AAS allerdings für »Forschungsgesellschaft für Archäologie, Astronautik und SETI«, schließt den rechnergestützten Kontaktversuch mit außerirdischem Leben ein und hat ihren Sitz im schweizerischen Beatenberg.

Jazz, Dixie und wüster Boogie

Wenn er nicht gerade fleißig schrieb, amüsierte Darlton sich nach Kräften. Am 27. und 28. Februar traf er Däniken in Wien, wo der Besitzer des Szene-Lokals »Jazzland«, Axel Melhardt, einen Abend mit der Original Storyville Jazzband arrangiert hatte, in der Däniken mitspielte. Auch Peter Krassa war anwesend. Nach der Jam-Session hatten Däniken und Krassa Signierstunde, und als einige Jugendliche PERRY RHODAN-Hefte vorlegten und sie von Däniken signiert haben wollten, tat er ihnen grinsend den Gefallen.

Am 12. März fand in Wien ein Jazzball statt. Däniken war auch diesmal wieder dabei und spielte im Stil der Original Storyville Jazzband, also traditionell Jazz, Dixie und auf dem Klavier einen wüsten Boogie. Eine Zeitung bezeichnete ihn als SF-Autor. Der damalige Zeitgeist machte sichtlich keinen Unterschied zur Präastronautik.

Auch für Moewig-Verlagsleiter Winfried Blach und Cheflektor Kurt Bernhardt waren die »Götter aus dem All« wohl eher Science Fiction, aber von der lukrativen Art. Däniken hatte Briefe mit einer Einladung nach Zürich nicht nur an die Autoren von PERRY RHODAN geschickt, sondern auch an sie beide. Bernhardt lehnte die Teilnahme erst dankend ab, aber Blachs Geschäftssinn war geweckt, und so schickte er Bernhardt dennoch hin. Fast wäre eine Krankheit des Cheflektors dazwischengekommen, und auch William Voltz verspürte keine rechte Lust, aber schließlich flogen sie doch gemeinsam zu dem Kongress.

Darlton kam mit dem Auto aus dem heimischen Salzburg, zusammen mit Peter Krassa, der tags zuvor bei ihm eingetroffen war. Sie erreichten Zürich – wie Voltz und Bernhardt – am späten Nachmittag des 28. Mai, einen Tag vor dem offiziellen Beginn, weil am Abend ein gemütliches Abendessen und Treffen geplant war, eine Gelegenheit, in Ruhe zu reden, die sich sonst während der Tagung wohl nicht mehr ergeben würde. Die Veranstaltung selbst fand vom 29. bis 31. Mai im Mövenpick-Hotel Holiday Inn statt, direkt am Züricher Flugplatz – und wie erhofft begegnete Darlton dort vielen alten Bekannten aus Chicago.

 

Nach vollzogener Tagung, am 1. bis 4. Juni, folgte eine Exkursion mit fünf Autos nach Zürich und Umgebung, von Däniken organisiert, inklusive einer Übernachtung in einer Berghütte. Fünfzehn bis zwanzig Personen nahmen daran teil, lauter persönliche Freunde des Schweizers. Voltz war ausdrücklich eingeladen, konnte das Angebot aber aus Zeitgründen nicht wahrnehmen. Darlton ließ sich allerdings auch diesen Spaß nicht nehmen.

Das begeisterte Engagement Darltons für die AAS sollte noch lange anhalten. Sechs Jahre später kam es zu einem Kongress in Wien, an dem auch sein Freund Jürgen Grasmück alias Dan Shocker teilnahm, der in den Sechzigerjahren das Genre des Horrorheftromans begründet hatte, sowie dessen Frau Karin. Jürgen Grasmück erinnert sich im Juni 2004: »Ich war damals schon einige Jahre lang Mitglied in der AAS und hatte mich intensiv mit der Thematik beschäftigt. Aber ich engagierte mich nicht sonderlich. Das Interesse war eher aus Bekanntschaften und Freundschaften heraus entstanden. Wir hatten damals engen Kontakt mit Walter und seiner Frau Bibs, einer ganz, ganz süßen Frau, und genossen die wunderbaren Vorträge der international bekannten Autoren. Alles war richtig seriös, und schließlich gab es einen herrlichen Abschlussabend mit einem putzmunteren Walter.«

Das Thema Präastronautik war salonfähig geworden, auch und erst recht für den Moewig Verlag, der mittlerweile schon Bücher über diese Thematik herausgebracht hatte, vor allem »Die Manna-Maschine« von George Sassoon und Rodney Dale, einem Techniker und einem Linguisten, die 1979 am Beispiel der Kabbala aufzuzeigen versuchten, dass es auf der Erde Artefakte einer fremden Intelligenz gegeben haben muss.

Vorbei die Zeiten, als Dänikens Beitrag für das PERRY RHODAN JAHRBUCH 1976 an Cheflektor Bernhardt gescheitert war, auch wenn die Leser mit einem Artikel von Peter Krassa entschädigt wurden, in dem er über vermehrt auftretende UFO-Sichtungen spekulierte.

Kehraus bei PERRY RHODAN

Am 13. Juni 1975 fand erneut eine Autorenkonferenz statt. Cheflektor Kurt Bernhardt hatte dafür neben K. H. Scheer und Clark Darlton auch William Voltz, Kurt Mahr und Günter M. Schelwokat, den Lektor der SF-Reihen des Pabel Verlags, geladen.

Er bat die Genannten, schon am Vortag anzureisen und am Nachmittag oder spätestens um 20 Uhr in München einzutreffen. Zimmer im Hotel Eden-Wolff gegenüber dem Starnberger Bahnhof seien bereits reserviert. Am nächsten Morgen gebe es »eine PERRY RHODAN- und ATLAN-Besprechung. In dieser Sitzung wird die Weiterentwicklung der beiden Reihen festgelegt.« Am frühen Abend könne man dann wieder abreisen.

Das Besondere an dieser Konferenz war, dass zeitweise auch Leser anwesend waren. Deshalb bezeichnete Bernhardt sie als »Gruppendiskussion über die Reihen bzw. Serien PERRY RHODAN, ATLAN, TERRA ASTRA und PERRY RHODAN-Taschenbuch«. In dem Rundschreiben, das er am 2. Juni an die Autoren und den Lektor verschickte, heißt es: »Ich bitte Sie, sich entsprechend vorzubereiten, damit die Diskussion über die Weiterentwicklung der Serien schnell vonstatten geht. Ich empfehle daher jedem von Ihnen, ein entsprechendes Exposé auszuarbeiten. Wir haben bereits entsprechende Fragen für die Gruppendiskussion vorbereitet und schicken Ihnen hiervon die Texte zu. Bitte legen Sie dafür entsprechende weitere Fragen zu den einzelnen Serien und Reihen vor.«

Auch wenn einige Beteiligte nicht so recht wussten, was diese Gruppendiskussion eigentlich bezwecken sollte, tröstete man sich doch einstweilen damit, dass sie mit dem Wiedersehen von Freunden und geschätzten Kollegen einherging.

Auf den Tag vier Wochen später, am 2. Juli, verschickte Bernhardt die Auswertung der Autorenkonferenz. Er nannte sein Rundschreiben einen »Bericht über diejenigen Punkte der Gruppendiskussion PERRY RHODAN 1975, die unbedingt von den Autoren und Exposéschreibern beachtet werden müssen.« Dieser ging auch an die anderen Autoren der Serie, die nicht anwesend gewesen waren – Francis, Ewers, Kneifel und Vlcek.

In dem Rundschreiben wurde festgestellt, dass die Risszeichnungen an Beliebtheit verloren hätten, so dass sie vielleicht nicht mehr jeden Monat erscheinen sollten. Voltz antwortete zehn Tage später nach der Rückkehr aus einem Urlaub: »Es stimmt nicht, daß die Risszeichnungen nicht mehr so beliebt sind wie früher – lesen Sie bitte die Leserbriefe, was für eine Aufregung losbricht, wenn in der 2. Auflage einmal eine RZ ausgelassen wird. In dieser Hinsicht waren die Leser bei der Diskussion nicht repräsentativ.«

Voltz erklärte sich gern bereit, Leserbriefe auf der Kontaktseite künftig ausführlicher zu beantworten. Es war ihm aber anscheinend nicht möglich, in Zukunft gelungenere SF-Witze für die LKS auszuwählen – auf sie wurde ganz verzichtet.

Auch die Handlung von PERRY RHODAN wurde angesprochen. Hin und wieder, folgerte Bernhardt, solle wieder einmal ein Roman in Ich-Form erzählt werden, weil das bei den Lesern sehr beliebt sei. Auch Einzelabenteuer sollten wieder innerhalb der Serie erscheinen, »ganz besonders mit charakteristischen, gut ausgeführten Nebenfiguren«.

Dem Zeitgeist gemäß schlug er auch vor, dass Serienfiguren, die schon lange gemeinsame Abenteuer erlebten, sich nicht mehr mit »Sie« ansprechen dürften. Die Exposé-Redaktion möge diesbezüglich die Rangordnung überprüfen. Voltz entgegnete, dass K. H. Scheer im Daten-Exposé von Band 750 sicher gern regeln werde, »wer lebt, wer wie alt ist, wer sich siezt und wer sich duzt.« Aber dieses Thema war damit nicht vom Tisch. Es sollte in den nächsten fünf Jahren immer wieder aufkommen, bis Voltz anlässlich Band 1000 die Entscheidung traf, dass die Menschen der Zukunft sich alle nur noch duzten.

Das war eine Entscheidung, die einer politischen Aussage gleichkam. In seinem »Bericht« hatte Bernhardt noch erklärt, man solle von soziologischen Themen ablassen und sie nicht veröffentlichen, da sie ein heißes Eisen seien. Nicht nur die Leser hätten diese Meinung zum Ausdruck gebracht, auch die Redaktion vertrete diese Auffassung.

Im selben Bericht fand sich aber auch Bernhardts Forderung, die Frauenfiguren in der Serie »menschlicher und wärmer« zu gestalten. »Das vermissen die Leser bei sämtlichen Frauenfiguren, die bisher bei PERRY RHODAN agiert haben.«

Alle Jahre wieder

Am 27. Mai 1975 war das erste Jahrbuch erschienen, und stolz hatte der Herausgeber William Voltz im Vorwort verkündet: »Fortan soll alljährlich ein PERRY-RHODAN-Jahrbuch erscheinen, jedesmal mit einem anderen Zentralthema.« Er hatte auch schon mit den Vorarbeiten begonnen und wertvolle Mitarbeiter gewinnen können, und bereits zehn Tage nach Erscheinen leitete Cheflektor Kurt Bernhardt einen Leserbrief mit Vorschlägen für das nächste Jahrbuch an Voltz weiter, das als Reaktion auf die Veröffentlichung entstanden war. Voltz sollte vor allem den Vorschlag prüfen, für das Jahr 1976 – also im Zeitrahmen des nächsten Jahrbuchs – einen PERRY RHODAN-Wandkalender herauszubringen. Er könne beispielsweise die Porträts von Hauptpersonen der Serie enthalten, die auf der Blattrückseite beschrieben würden, hieß es. Aber auch andere Motive wurden in dem Leserbrief erwogen, etwa die Flaggschiffe des Großadministrators oder sonstige wichtige Schiffe der Handlung, ebenfalls umseitig beschreibbar. Wenn die Monatsangaben so angebracht wären, hieß es, dass man sie am Ende des Monats ohne Beschädigung des Bildes abschneiden könnte, würden die Bilder eine imposante Postersammlung ergeben.

Bernhardt musste dieser Vorschlag gefallen. Er hatte Voltz bereits in einem Schreiben vom 13. Januar ähnliche Ideen mit auf den Weg gegeben. »Wieweit Sie die Vorschläge für das Jahrbuch 76 verwenden können, überlasse ich natürlich Ihnen. In jedem Fall bitte ich Sie, sich baldigst Gedanken darüber zu machen, damit ein Kalender 1976/77 spätestens im November/Dezember für die Herstellung zusammengetragen wäre.«

Der Herausgeber trieb die Arbeit an dem zweiten Jahrbuch denn auch vehement voran, wie sich aus einem Schreiben am 1. Juli 1975 ergibt, das Thomas Schlück an ihn richtete. Darin erklärt der Literaturagent, beim nächsten Band »etwas stärker mitzumischen«. Er habe sich wegen des kommenden Jahrbuchs über PSI bereits mit jemandem in Verbindung gesetzt, der Voltz kein Unbekannter sei. Er kenne ihn aus dem SF-Fandom – es sei der Diplompsychologe Jürgen vom Scheidt. Schlück erwähnte nicht, dass sein Klient auch schon drei SF-Romane und mehrere Anthologien veröffentlicht hatte. Das wusste Voltz ohnehin. Er verwies auf seine Veröffentlichungen im psychologischen Bereich und versicherte, er sehe durchaus die Möglichkeit, dass vom Scheidt als Experte an dem Jahrbuch mitarbeiten werde. Sollte Interesse bestehen, wolle Schlück sich mit ihm in Verbindung setzen.

Voltz nahm persönlich mit ihm Kontakt auf, und vom Scheidt erklärte sich am 14. Juli 1975 gern bereit, für das nächste Jahrbuch einen Artikel über PSI zu schreiben. »Ich arbeite in einer – allerdings privaten – Arbeitsgruppe über Parapsychologie mit, die einige Wissenschaftler bei Messerschmidt-Bölkow-Blohm gegründet haben und bei der auch der geheimnisumwitterte Physiker Burkhard Heim am Rande mitmacht«, führte er aus. »Du bekommst das Manuskript Anfang September, jedenfalls termingerecht.«

Auch die Serienautoren sollten wieder Beiträge zu dem Zentralthema leisten und im Verlag sich erneut Werner Müller-Reymann um das Projekt kümmern – Krimimüller, wie er wegen seiner Lektoratstätigkeit für KOMMISSAR X oft genannt wurde. Aber als Monate vergingen, in denen unklar blieb, ob es ein zweites Jahrbuch denn wirklich geben würde, erkundigte sich Voltz am 20. September 1975 bei Bernhardt nach dem Stand der Dinge. Der Cheflektor antwortete postwendend: »Ich habe mit Herrn Blach darüber ein Gespräch gehabt, und er konnte bisher noch keine Entscheidung treffen. Wir müssen abwarten.«

Der Verlagsleiter konnte sich nicht entscheiden. Lohnte sich ein weiterer Band? Erst am 12. Dezember, fast ein Vierteljahr später, als der Einsendeschluss für das neue Jahrbuch schon verstrichen war, erklärte Bernhardt gegenüber Voltz: »Nach meiner Besprechung in Rastatt kann ich Ihnen mitteilen, daß wir vorerst kein PERRY RHODAN-Jahrbuch bzw. -Almanach herausbringen. Der Verkaufserfolg des letzten Jahrbuchs war sehr gering.«

Damit war das Projekt gestorben, und erst siebzehn Jahre später sollte sich die Fanszene an dieses Konzept erinnern und 1992 mit Unterstützung von Florian F. Marzin, dem damaligen Cheflektor von PERRY RHODAN, ein Jahrbuch herausbringen, das zehn Jahre lang in ständig verbesserter Austattung erschien. Es startete als Sonderpublikation des SF-Club »Universum« und erschien von 1998 bis 2002 in der PERRY RHODAN-Fanzentrale. 1998 trat auch Klaus Bollhöfener als Mitherausgeber an die Stelle von Hans-Dieter Schabacker. Der zweite Herausgeber aller Bände war Michael Thiesen. Als die Auflage drastisch zurückging und die Produktion für die PERRY RHODAN-Fanzentrale mit ihren beschränkten finanziellen Mitteln nicht mehr erschwinglich war, sprang erneut der SF-Club »Universum« ein und publiziert seit 2005 das PERRY RHODAN JAHRBUCH wieder regelmäßig, seitdem herausgegeben von Frank Zeiger und Andreas Schweitzer.

Das einzige offizielle Jahrbuch ist und bleibt allerdings die Ausgabe, die am 27. Mai 1975 mit Silbereinband, rotem Zackenkreis und PERRY RHODAN-Konterfei auf den Markt kam: das PERRY RHODAN-Jahrbuch 1976 – 160 Seiten für 6 DM. Wegen der schlechten Bindung zerfällt es heute in der Hand, so dass es nur noch wenige erhaltene Exemplare gibt. Heiß begehrt ist in Sammlerkreisen ein Fehldruck mit unbedrucktem Cover.

Auch von dem PERRY RHODAN-Kalender, den man unabhängig davon hätte herausbringen können, war lange keine Rede mehr. Erst 1982 brachte die Verlagsgruppe Pabel-Moewig einen solchen Kalender für 1983 heraus, den der PERRY RHODAN-Illustrator Johnny Bruck gestaltete. Die ersten zwölf Cover der Silberbände finden sich darin auf Hochglanzpapier in attraktiver Ausstattung.

Hausputz hinter den Kulissen

Cheflektor Kurt Bernhardt war ein Meister im Versenden von Briefen. Er legte stets viel Wert darauf, dass alle Autoren immer auf dem gleichen Kenntnisstand waren. Am 24. Juni 1975 verschickte er ein Rundschreiben, in dem es heißt: »Ich bitte Sie, unter allen Umständen die Computer-Texte zu lesen, sowie auch alle Exposés von PERRY RHODAN, die Herr Voltz schreibt – nicht nur die Exposés, nach denen Sie einen Auftrag zum Schreiben eines PERRY RHODAN-Romans bekommen haben.« Die von Kurt Mahr verfasste Rubrik PERRY RHODAN COMPUTER im Anhang der Romane war nicht nur bei den Lesern sehr beliebt. Bernhardt betrachtete sie aufgrund der zahlreichen handlungsbezogenen Spekulationen im Rahmen von Physik und Soziologie auch für alle Autoren als besonders wichtig.

 

Selbst die Leserbriefschreiber band er in seine Neugestaltung der Serie ein, allen voran einen Wiener namens Franz Dolenc, der sich durch umfangreiche und kenntnisreiche Kritiken hervorgetan hatte. Am 2. Juli 1975 schickte er Voltz dessen umfangreiches Exposé, das dieser auf jeden Fall beantworten solle, »denn hier liegt schon eine kleine Doktorarbeit vor«. Wegen seiner grundsätzlichen Überlegungen ging es auch an alle anderen Autoren.

Ebenso lag ihm die schriftstellerische Qualität der Romane am Herzen. Schon auf der Autorenkonferenz Mitte 1975 hatte er erklärt, die einzelnen Werke jeweils von den Teamkollegen gegenlesen und beurteilen lassen zu wollen. Am 18. August des Jahres verschickte Verlagsredakteur Müller-Reymann in einem Rundschreiben an alle Autoren und Günter M. Schelwokat erste Vordrucke, »Lektoratsbögen« genannt, mit denen die Exposés und Romane beurteilt werden konnten. Ernst Vlcek schlug drei Wochen später vor, die Kritiken der Autoren den Kollegen doch auf jeden Fall namentlich zuzustellen.

Auch die Exposéarbeit nahm Bernhardt nun eingehender unter die Lupe. Am 12. September führte er in einem Schreiben an Voltz eine Neuerung ein, die bis heute Bestand hat. Er erklärte, dass in den PERRY RHODAN-Romanen die Beschreibung der Personen zu kurz komme, ihre Kleidung und was sie – wenn es sich um Angehörige einer anderen Rasse handelt – von den Menschen unterscheidet. »Es ist das ABC eines jeden Schriftstellers, um lebendig und phantasievoll zu schreiben, daß diese Fakten jeweils in seinen Romanen herausgearbeitet werden.« Seine Arznei: »Ich bitte Sie daher, die Personenbeschreibung jeweils in Ihren Exposés extra, nicht in der Handlungsentwicklung, darzustellen.«

Erst am 27. Januar 1976 legten sich die Wogen des Großreinemachens wieder etwas. In einem Rundschreiben an alle Autoren und Lektor Schelwokat griff er ein Versprechen auf, dass der Verlag ebenfalls auf der letzten Autorenbesprechung gegeben hatte. Er verkündete, »daß die PERRY RHODAN-Autoren, die ein Thema von der Spannung und vom Inhalt her besonders gut gestalten, eine Prämie erhalten, wenn der Lektor, Herr Schelwokat, Romane in die Hand bekommt, die einer solchen Auszeichnung würdig sind.«

In jedem Zehnerblock sollte es zwei Preisträger geben. Die ersten mit dem Sonderhonorar ausgezeichneten Romane waren »Ein Freund der Posbis«, erschienen als Band 750, der erste Jubiläumsband von H. G. Francis, gefolgt von »Welt ohne Menschen«, den Voltz unter der Bandnummer 757 verfasste. Am 5. Februar wurden die nächsten beiden Preisträger gekürt, die Bände 766 und 768, »Der Herr der Welt« von Mahr und »Terra-Patrouille« von Voltz. Am 28. April erfüllten mit Band 778 und 779 von Voltz und Vlcek die Bände »Duell der Außerirdischen« und »Gucky und der Grauvater« die Anforderungen für die Verleihung der Prämie. Fast eineinhalb Jahre lang wurde dieses Sonderhonorar vergeben, das laut Bernhardt den Autoren ein Ansporn sein sollte, beim Schreiben ihr Bestes zu geben.

Der PERRY RHODAN-Autor, den es nie gab

Die Tätigkeit von William Voltz als Herausgeber des ersten und einzigen offiziellen Jahrbuchs hatte einen faszinierenden Nebeneffekt. Es kam zur Zusammenarbeit mit Klaus Fecher, einem altgedienten SF-Profi. Als ehemaliger Lektor des Pabel Verlags, da dieser noch die UTOPIA-Reihen herausbrachte und ein Konkurrenzunternehmen zu Moewig darstellte, hatte er schon Mitte der Fünfzigerjahre, teilweise unter dem Pseudonym F. Klaus, namhafte SF-Autoren wie Cyril M. Kornbluth, Henry Kuttner und Eric Frank Russell übersetzt, zu einer Zeit also, als auch die späteren PERRY RHODAN-Autoren Clark Darlton, Kurt Mahr und Conrad Shepherd ihre ersten literarischen Gehversuche machten.

Anscheinend bekundete Fecher jetzt Interesse an einer Mitarbeit als Serienautor.

Und das Erstaunliche war: Cheflektor Bernhardt gab grünes Licht für einen Versuch, woraufhin der Veteran Fecher einige Ideen einreichte. Der Exposéautor entwickelte daraus einen Handlungsentwurf, der möglichst eigenständigen Charakter besitzen sollte.

In der ersten Aprilwoche 1975 lieferte Fecher sein PERRY RHODAN-Manuskript ab, erst an William Voltz, dann an Günter M. Schelwokat, den ständigen Lektor des Perryversums. Es handelte sich um ein Planetenabenteuer mit den Multycyborgs, bei denen eine Hauptfigur aus einem Gefängnis ausbrach und als blinder Passagier an Bord eines Raumschiffs gelangte. Es war Fechers erster Roman überhaupt, ein Erstlingswerk, in dem er den Lesern Gelegenheit geben wollte, sich über die darin vorkommenden Figuren ausgiebig lustig zu machen, während die Ziele und Zusammenhänge mit der Hauptgeschichte durchaus ernsthaft behandelt wurden. Dabei gab es auch Anklänge schwarzen Humors.

Bernhard beschied per Brief vom 17. April, dass der Roman nicht erscheinen solle. Die Handlung sei zu hochgestochen, und der Leser könne sich durch den Humor im Roman veralbert fühlen. Immerhin bewilligte er ein Ausfallhonorar für die Ideenvorgaben und das Manuskript. Der Autor nahm es ihm nicht übel, scheint aber keinen weiteren Roman mehr geschrieben zu haben und wurde auch sonst nicht mehr für Pabel tätig. Bei Gefallen wäre sein Werk vermutlich um den Jubiläumsband 750 herum erschienen.

Klaus Fecher ist damit der »heimliche« PERRY RHODAN-Autor, ein früher Gastautor in der Geschichte der Serie, dessen Roman allerdings nicht zur Veröffentlichung gelangte.

ATLAN-Zeitabenteuer – die zweite!

Während der gesamten bisherigen Laufzeit war den Autoren der PLANETENROMANE nicht nur die Handlung, sondern auch die Zeit der Handlung freigestellt worden. Als Ergebnis der Gruppendiskussion sollte sich das nun ebenfalls ändern.

»Die PERRY RHODAN-Taschenbücher müssen unbedingt Themen bringen«, verkündete Bernhardt in seinem Schreiben vom 2. Juli, »die in der Serie besonders akut geworden sind und in ihrer Ausführung und Darstellung nicht den Platz eingeräumt erhielten, der für diese Themen wichtig wäre. Man soll diese Thematik in die PERRY RHODAN-Taschenbücher aufnehmen. Eine entsprechende Werbung muss dann vom Verlag erfolgen.«

Voltz stimmte am 12. Juli zu, dass die Taschenbücher besser eingegliedert werden müssten, fügte aber hinzu, dass man bisher weder Günter M. Schelwokat noch ihm die Möglichkeit geboten habe, die Koordination zu übernehmen. Unkommentiert ließ er Bernhardts Feststellung: »Die PERRY RHODAN-Taschenbücher mit den historischen ATLAN-Themen sind sehr beliebt, und man müßte diese Thematik besser pflegen als bisher.«

Am 16. Juli, zwei Wochen nach seinem Rundschreiben, nahm Bernhardt in einem Brief an Schelwokat noch einmal auf die Gruppendiskussion Bezug und wiederholte, dass die Taschenbücher nicht die erforderliche Resonanz fänden. »Weiter wurde festgestellt, daß die Zeitromane von Hans Kneifel sehr beliebt sind.«

Der Cheflektor wollte nun beide Fakten zusammenführen: »Herr Kneifel muß eine Thematik zusammenstellen, nach der er diese ›utopischen Geschichtsromane‹ schreiben wird. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, daß Herr Kneifel jeden zweiten oder dritten Monat einen ›Tunnel‹-Roman schreibt, und daß die anderen Romane die Themen behandeln, die in der PERRY RHODAN-Serie durch den Raummangel vernachlässigt werden. Herr Voltz sowie auch Sie müssen die Hinweise geben, welche Themen hierfür besonders aktuell sind. Eine Koordination zwischen Ihnen und Herrn Voltz muß in dieser Angelegenheit unbedingt erfolgen. Sie kann jeweils telefonisch durchgeführt werden.«