Al Capone und die Prohibition

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Al Capone und die Prohibition
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Michael Franzen

Al Capone und die Prohibition

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

König Alkohol

Gegen die Trunksucht

Scarface

Chicago

Der Aufstieg Capones

Auf dem Höhepunkt der Macht

Massaker am Valentinstag

Erste Verurteilung

Der Prozess

Letzte Jahre

Nachwort

Bibliografie

Bereits erschienen

Impressum neobooks

Vorwort

Der Alkohol war seit Anbeginn schon immer ein treuer Begleiter der Menschheit gewesen. Als älteste Droge der Welt hielt er sowohl in den reichen als auch den armen Bevölkerungsschichten gleichermaßen seinen Einzug und galt damals wie heute als gesellschaftlich anerkanntes Rauschmittel, dass sowohl in geselliger, fröhlicher Runde genossen, aber auch von dem einsamen Trinker verkonsumiert wird, um sich so den Frust des Lebens von der Seele zu trinken.

Im 19. Jahrhundert gab es in den Vereinigten Staaten die ersten Bestrebungen, den Konsum von Alkohol zu brandmarken bzw. ihn gleich ganz verbieten zu wollen, was sowohl die Herstellung als auch seinen Genuss betraf. Zunächst jedoch nur mit mäßigem Erfolg, denn die Anti-Alkohol-Liga befand sich noch in ihren Kinderschuhen und da die Politiker in Washington oftmals selber dem Alkohol zugetan gewesen waren, stand die Antialkoholbewegung zunächst auf verlorenem Posten. Zwar gab es Einzelerfolge, wie in Maine oder Kansas, wo Gesetze gegen den Alkohol verabschiedet wurden, doch im Großen und Ganzen ließen sich die Amerikaner den alltäglichen Genuss ihres Whiskeys, Weines oder kühlen Bieres nicht so ohne Weiteres verbieten.

Diese Situation sollte sich tatsächlich erst mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges ändern. Das Trinken von Alkohol galt nun als unmoralisch, wenig heroisch und schwächte zudem die Kampfmoral der amerikanischen Soldaten in den Schützengräben von Europa und an der Heimatfront. Die Bemühungen der Anti-Alkohol-Liga bekamen nun endlich den nötigen und erhofften politischen Rückenwind, was im Jahre 1920 schließlich zur Prohibition führte, dem bundesweiten Verbot der Herstellung, sowie dem Transport und Verkauf alkoholischer Getränke.

Das Ziel dieses Gesetzes, die Menschen vor den Folgen ihrer Trunksucht zu schützen, um damit am Ende auch Schaden von der Wirtschaft abzuwenden, wurde dabei jedoch zu keiner Zeit erreicht. Ganz im Gegenteil sogar. Durch die Prohibition blühte der Alkoholschmuggel und die Kriminalität, mit den damit verbundenen wirtschaftlichen Schäden, zu einer nie gekannten Größe auf. Das war die Zeit der großen Gangsterbosse wie Johnny Torrio, „Lucky” Luciano, „Big Jim” Colosimo und am Ende natürlich auch Al Capone, die Städte wie New York City oder Chicago als ihr ureigenes Spielfeld betrachteten und die in ihren teuren Maßanzügen und durch ihren luxuriösen Lebensstiel Generationen von späteren Kriminellen dazu inspirierten, es ihnen gleichtun zu wollen. Es war die Zeit, wo man ein Vermögen an Dollarnoten verdienen konnte, wo Bandenkriege an der Tagesordnung waren und wo man den Luxus, den man besaß, öffentlich zur Schau stellte. Ihnen allen voran stand dabei Al Capone, der dem Begriff der organisierten Kriminalität bis in die heutige Zeit hinein eine ganz neue Bedeutung geben sollte.

Dieses Buch befasst sich nachfolgend mit dieser Zeit und lässt die Geschichte jener Männer wiederauferstehen, die den Menschen (ihrer Meinung nach) nur das gaben, was sie verlangten - die Prostitution, das Glücksspiel und natürlich den Alkohol.

Neumünster, im April 2019,

- der Autor -

König Alkohol

Der Begriff Alkohol stammt mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem arabischen Raum und leitet sich von dem Wort „al khol” ab, was übersetzt soviel wie „Etwas Feines” bedeutet. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist damit zumeist der berauschende Speisealkohol oder auch Ethanol mit der chemischen Formel C2H5OH gemeint und er gilt gemeinhin als die älteste Droge der Menschheitsgeschichte. Aus rein chemischer Sicht gesehen ist Alkohol ein simples Stoffwechselprodukt von Mikroorganismen, das bei einem Prozess entsteht, den man alkoholische Gärung nennt. Damit es zu solch einer Gärung kommt, benötigt man Hefen, Zucker und eine Prise Sauerstoffmangel. Durch die Hefe wird der Zucker gespalten, sodass im Wesentlichen zwei Dinge entstehen, nämlich das Gas Kohlendioxid und der Alkohol.

Wie viele Dinge des Lebens, so wurde auch der Alkohol eher zufällig als Genussmittel entdeckt, wahrscheinlich schon in der Mittelsteinzeit vor etwa 10.000 v. Chr. als die ersten Menschen den Geschmack und die berauschende Wirkung von gegorenen Beeren und Früchten für sich entdeckten. Um 3.000 v. Chr. herum finden sich in ägyptischen Aufzeichnungen Belege dafür, dass Wein gekeltert und Bier gebraut wurde. Entsprechende Keilschriften aus Mesopotamien sind sogar noch älteren Datums und beschreiben ebenfalls den Prozess des Bierbrauens. Auch im alten Testament, genauer im 1. Buch Mose, legt Noah, nach dem Ende der Sintflut nicht etwa einen Getreide- oder Gemüseacker an, sondern einen Weinberg, während umherziehende Nomaden ihren Alkohol aus der Milch trächtiger Stuten gewannen. Die Römer kelterten Wein aus vergorenen Trauben und unsere Urväter, die alten Germanen, stellten alkoholhaltigen Honigmet aus vergorenem Honig her, den es in den dichten Wäldern Germaniens zu Hauff gab. Mit Kirschen vergoren oder mit Kirschsaft vermischt wird er häufig als „Wikingerblut” oder „Odinsblut” bezeichnet. Gibt man zusätzlich noch einige scharfe Gewürze hinzu, erhält man das sogenannte „Drachenblut.”

Der Alkohol war überaus beliebt gewesen und wahre Trinkgelage waren daher daher auch nicht ausgeblieben. Für den römischen Schriftsteller Lucius Annaeus Seneca (4 v. Chr. - 65 n. Chr.) war die Trunkenheit seiner Landsleute nichts anderes als ein „freiwilliger Wahnsinn” gewesen, der von der Seele Besitz ergreift, wenn der Wein reichlich fließt. Allerdings hatten die Römer auf derlei Trinkgelage kein Monopol gehabt, denn derartige Alkoholexzesse gab es auch bei den Kelten, den Thrakern und bei anderen antiken Völkern.

Zur Zeit des dunklen Mittelalters konnte sich nur der Adel und der kirchliche Klerus den Alkohol leisten. Dabei galt eine Festlichkeit erst dann als wirklich gelungen, wenn alle Gäste am Ende sprichwörtlich „Hacke voll” unter den Tischen lagen. Für das gemeine Volk blieb der verdünnte Alkohol auf (kirchliche) Fest- und Feiertage beschränkt, ansonsten konsumierte man Wasser aus einem Brunnen oder nahegelegenen Bach oder Fluss, welches nicht selten mit krankheitserregenden Keimen belastet gewesen war.

Bis hin zum 16. Jahrhundert wurde überwiegend Traubenwein, Met, Obstwein (Most) und Bier getrunken, während der Branntwein noch keine größere Verwendung gefunden hatte. Er diente im 13. und 14. Jahrhundert überwiegend noch als Heil- und Arzneimittel, das in Klöstern hergestellt und an diejenigen Kunden verkauft wurde, die das nötige Kleingeld dafür in der Tasche gehabt hatten. Erst im 15. Jahrhundert setzte langsam der Siegeszug des Branntweins ein, dessen Genuss bedingt durch den höheren Alkoholgehalt zu einer schnelleren Rauschwirkung führte. Der Branntwein war somit aus den Kinderschuhen eines rein medizinischen Arzneimittels herausgewachsen und von da an entstanden auch die ersten gewerblichen Brennereien, die Branntwein aus Getreide herstellten. Trotzdem blieb dieser „Schnaps” ein Genussmittel, das nahezu ausschließlich den oberen Schichten vorbehalten geblieben war. Dieses begann sich ab dem 17. Jahrhundert langsam zu verändern, als auch das niedere Volk in den Genuss von Branntwein kam. Zunächst bei den städtischen Handwerkern, dann auch bei den Seeleuten, Soldaten und denjenigen Menschen, die bei Wind und Wetter im Freien arbeiteten und sich hin und wieder einen Schluck gegen die Kälte gönnten. Da der Branntwein wegen der schwankenden Kornernten noch nicht in großen Mengen hergestellt werden konnte, blieb die Produktion und der Genuss weitestgehend auf den städtischen Raum beschränkt.

Einen weiteren wichtigen Schub zur Verbreitung erhielt der Branntwein durch die Napoleonischen Kriege und der Niederlage der Preußen im Jahre 1806, der den Weg für eine liberal-bürgerliche und kapitalistisch geprägte Gesellschaft freimachte. Ein System, was nach dem Wiener Kongress fortgesetzt wurde und so den Branntwein deutlich billiger werden ließ. Dazu gehörten u. a. die Aufhebung der Monopole zur Branntweinherstellung sowie dessen Verkauf und Ausschank, was die Konkurrenz belebte und dafür sorgte, dass die Preise weiter fielen. Der Alkohol feierte also seinen Siegeszug und als die ersten Europäer in der neuen Welt landeten, zögerten sie nicht allzu lange, selbst mit der Herstellung alkoholischer Getränke zu beginnen, gleichwohl die Puritaner unter ihnen von Zeit zu Zeit versucht hatten, den Einfluss des Alkohols so weit wie möglich einzuschränken, allerdings ohne nennenswerten Erfolg. Bereits 1607 wurde in der Kolonie Jamestown eine erste Schankstätte errichtet und Tausende sollten ihr in den kommenden Jahren und Jahrzehnten nachfolgen.

 

So verschieden diese sogenannten Saloons oder Tanzhallen auch gewesen waren, so verschieden war auch ihr Angebot gewesen. Vom feinsten, prickelnden, französischen Champagner bis hin zum hochprozentigen „Blindmacher” konnte man alles erhalten, was der Magen auszuhalten imstande gewesen war. Ein Reinheitsgebot für selbstgebrannten Schnaps gab es nicht und die Rezeptur blieb der Fantasie des jeweiligen Brennmeisters überlassen. Da gab es den „Totenerwecker”,„Tarantelsaft”, „Mondschein” oder den „Beinverknoter.” Für den sogenannten „Indian-Whiskey”, der auch tatsächlich an die Indianer verhökert worden war, liest sich das Rezept wie aus dem Zauberbuch eines Hexenmeisters aus dem Mittelalter:

Nimm ein Fass Missouriwasser und zwei Gallonen Alkohol. Füge zwei Unzen Strychnin hinzu, um sie verrückt zu machen (…) und zwei Tafeln Presstabak, damit ihnen schlecht wird (…) weiterhin fünf Stück Seife, um es zum Schäumen zu bringen und ein halbes Pfund rote Pfefferschoten. Schließlich einige Salbeisträucher und koche das Ganze, bis es braun ist. In ein Fass durchseihen und fertig ist der Indian-Whiskey.”

Kiecksee, Jens: WESTERN SALOONS, S 25

Wie fertig derjenige Indianer war, der dieses Gesöff zu sich nahm, kann man dabei nur unschwer erahnen.

Neben diesen „Höllengetränken” gab es aber auch die feineren Sorten, allen voran der weltberühmte Bourbon-Whiskey aus Kentucky, der 1789 wohl eher durch Zufall entdeckt worden war, als Elijah Craig das Innere von Fässern mit glühenden Kohlen ausflammte, um sie so zu reinigen. Danach ließ er sie wie üblich mit selbstgebrannten Alkohol auffüllen, der dann nach und nach verkonsumiert wurde. Einige Fässer jedoch vergaß er in einer dunklen Ecke seiner Destillerie und fand sie erst vier Jahre später wieder. Der Bourbon war geboren worden, der durch die Holzkohle eine wunderbare rotbraune Farbe angenommen und über einen rauchigen, weichen, körperreichen Geschmack verfügt hatte. Bekannte Sorten wie Old Pepper, Old Gideon, Jim Beam, Jack Daniels, Wild Turkey und Maker´s Mark zählen noch heute zu den berühmten Vertretern dieses alkoholischen Getränkes. Zu diesen Whiskeys kamen noch der mexikanische Tequila und Pulque, französischer Cognac, als auch die schottischen Whiskys und irischen Whiskeysorten hinzu.

Der Favorit unter der nach Alkohol dürstenden Bevölkerung blieb allerdings das Bier. Ob nun aus der Flasche oder frisch vom Fass spielte dabei keine Rolle. Das erste trinkbare Bier wurde 1837 in Kalifornien gebraut und um 1850 herum war es die Brauerei von William Bull, der die durstigen Goldgräber mit dem kühlen Nass versorgte. Es dauerte nicht lange und das Brauwesen befand sich fest in deutscher Hand, was sich auch in dem Konsum des Bieres widerspiegelte. In den 1880er Jahren wurde hauptsächlich in Milwaukee, St. Louis und Cincinnati Bier gebraut, wobei z. B. „Anhäuser & Busch” das Budweiser Pils herstellte.

Allerdings diente der Alkohol nicht nur dazu, sich in der geselligen Atmosphäre eines Saloons oder einer Tanzhalle zu berauschen, sondern auch oft dazu, seine insgeheimen Aggressionen zu verstärken und schließlich auch auszuleben. So wurde aus einem besonnenen, friedliebenden Mann unter Umständen ein revolverschwingender Draufgänger, der Dinge tat, die er im nüchternen Zustand womöglich unterlassen hätte. Viele dieser sogenannten Saloonschießereien fanden unter dem Einfluss „geistiger Getränke” statt und nicht wenige von ihnen endeten tödlich und am Ende gesehen auch völlig sinnlos. Städte wie Dodge City, Tombstone, Abilene, Caldwell, Wichita u. v. a. m. zeugen von derlei Gewaltausbrüchen, die ohne den Genuss von Alkohol womöglich erst gar nicht stattgefunden hätten.

Gegen die Trunksucht

Gegen den hemmungslosen Missbrauch des Alkohols und seiner Folgen begann sich bald der öffentliche Widerstand zu regen und bereits im Jahre 1829 bildete sich die erste Abstinenzbewegung, die sich in den 1830er Jahren über Skandinavien, Schottland und England auch im restlichen Europa ausbreitete; 1877 gründete der Schweizer Louis-Lucien Rochart, ein freikirchlicher Pfarrer, mit 27 weiteren Personen in Genf das Blaue Kreuz.

Die Temperenzler forderten einen totalen Verzicht von Alkohol als Ansatz zur Heilung der Alkoholkranken einerseits sowie als sozialreformerische Maßnahme andererseits, da sie den Alkoholgenuss als Ausdruck von Laster- und mangelnder Tugendhaftigkeit ansahen, der maßgeblich für das Elend der unteren Klassen mit verantwortlich gewesen war. Damit stand die Abstinenzbewegung der Sittlichkeitsbewegung nahe, die ebenfalls eine moralische Gesundung der Gesellschaft anstrebte. Gegen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gehörte die Abstinenzbewegung zu den wichtigsten sozialen Bewegungen in Europa als auch in den Vereinigten Staaten, wo diese Bewegung mit den Jahren immer effektiver wurde, sodass sie es schaffte, dass in einigen US-Bundesstaaten wie Massachusetts (1838) oder Maine (1846) der Verkauf von Alkohol verboten wurde. Zwischen den 1860er Jahren bis hin zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Temperenzbewegung so zu einer bedeutenden Massenbewegung, wobei die von John Russell angeführte nationale Prohibitionspartei immer populärer wurde, da sie der Meinung gewesen war, dass die Demokraten und Republikaner im Kongress nicht genug getan hätten, um den Genuss von Alkohol zu bekämpfen. Auch die methodistischen Kirchen waren der Auffassung gewesen, dass der Alkoholkonsum und Alkoholhandel zwar einen gewissen wirtschaftlichen Vorteil durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze und damit verbunden, den Steuereinnahmen brachte, dass dieser Vorteil jedoch durch die negativen Begleitfaktoren, wie Mord, dem Glücksspiel, der Prostitution, Kriminalität und der politischen Korruption zur Gänze wieder zunichte gemacht wurde. Weitere Organisationen folgten. So die Heilsarmee (1864), die „American Association of Cure of Inebrity” (1870) oder die „Christian´s Temperance Union” (1873), die zu jener Zeit eine der größten Frauengesellschaften der Welt gewesen war. Die Abstinenzbewegung hatte nun Anhänger in ganz Amerika und konnte in den 1870er und 1880er Jahren des 19. Jahrhunderts auch erste Erfolge erzielen. So wurde 1881 in Kansas ein Gesetz verabschiedet, das den Verkauf von „geistigen Getränken” in dem Staat verbot. Allerdings war es die eine Sache, Gesetze zu verabschieden, sie aber auch effektiv durchsetzen zu wollen, eine ganz andere. Geld- und Gefängnisstrafen halfen nur wenig gegen den Alkoholdurst der Menschen, sodass sich die zumeist weiblichen Mitglieder der Temperenzbewegung auf die „psychologische Kriegsführung” verlegten. Sie versammelten sich vor den Saloons, hielten Plakate hoch, beteten die Bibel rauf und runter oder sangen Kirchenlieder, sodass dem Trinker im Inneren schnell die Lust an einem Whiskey vergangen war. Etwaige Sünder (Trinker), die einen Saloon betraten wurden fein säuberlich in einem Notizbuch eingetragen. Es wurden Reden gehalten, Flugblätter verteilt und Paraden abgehalten. Eine der rabiatesten Vertreter dieser Frauenorganisation war dabei mit Abstand Carrie Amelia Nation gewesen, die ihren Worten auch handfeste Taten folgen ließ. Sie selbst bezeichnete sich einmal als: „(...) eine Bulldogge, die zu Füßen Jesu läuft und das anbellt, was er nicht mag.” Mit Steinen und dann später mit einem Handbeil bewaffnet, suchte sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Saloons im mittleren Westen heim und begann Flaschen, Gläser und Einrichtungsgegenstände kurz und klein zu schlagen, während sie dabei sang und betete. Im April 1901 begab sie sich nach Kansas City, Missouri, das für seinen Widerstand gegen die Temperenzbewegung bekannt gewesen war. Sie suchte mehrere Bars in der 12th Street heim und zerstörte dort deren Alkoholbestände, woraufhin sie vor Gericht gestellt und von Richter McAuley zu einer Strafe von 500 US-Dollar verurteilt wurde, gleichwohl der Richter diese Geldstrafe aufhob, solange Nation nur nie wieder nach Kansas City zurückkehrte. Insgesamt wurde sie 32 Mal verhaftet und saß im Armenhaus in Washington D.C. einmal drei Tage Haft ab, weil sie sich geweigert hatte, eine Geldstrafe in Höhe von 35 US-Dollar zu bezahlen. Die Aktivitäten von Carrie Nation wurden weithin bekannt und insbesondere bei den Saloonbesitzern gefürchtet, die in ihren Bars Schilder anbrachten, auf denen zu lesen war:

„All Nations Welcome, but Carrie.”

Die rigorose Kämpferin gegen den Alkohol schreckte auch vor den gewählten Staatsoberhäuptern Amerikas nicht zurück. So meinte sie nach dem Attentat auf den US-Präsidenten William McKinley 1901, der im Verdacht stand, ein heimlicher Trinker gewesen zu sein, dass er: „(...) nur das bekommen habe, was er verdient hätte.” Zudem beschuldigte sie Theodore Roosevelt, auf seinen Wahlkampfreisen durch Kansas, in seinem Sonderzug einen privaten Saloon unterhalten zu haben und forderte, dass er wie jeder andere Gesetzesbrecher verhaftet werden müsse. Diese Aussage schien „Teddys” Stolz tief getroffen zu haben und so verweigerte er ihr später zweimal eine Audienz im Weißen Haus.

Am 09. Juni 1911 starb Carrie Nation im Evergreen Place Hospital bei Leavenworth, Kansas und wurde anschließend in Belton, Missouri zur letzten Ruhe gebettet. Ihr schlagkräftiges Leben war dabei jedoch von Anekdoten nicht verschont geblieben. So erzählt die eine von ihnen, dass sie sich des Öfteren einen Schluck von „Dr. David Hostetters Magenbitter” gegönnt hatte, bis sie irgendwann zu ihrem Entsetzen erfahren musste, dass diese „Medizin” rund 47 % Alkohol enthalten hatte.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die „Anti-Saloon- League” die führende Organisation gewesen, die sich für ein Alkoholverbot in den Vereinigten Staaten einsetzte. Sie war hauptsächlich im Süden und im ländlichen Norden der USA präsent gewesen und wurde insbesondere von den Methodisten, Baptisten und Kongregationalisten stark unterstützt. 1893 in Oberlin, Ohio gegründet, breitete sich ihr Einfluss rasch aus und entwickelte sich 1895 zu einer nationalen Organisation und mächtigsten Verbotslobby für Alkohol in Amerika. Ihr Gründer und erster Führer Howard Hyde Russell (1855-1946) wählte die besten Männer für seine Organisation aus, gründete erfolgreich lokale Zweigstellen und rührte unermüdlich die Werbetrommel, und zwar mit solch einem Erfolg, dass die Temperenzbewegung in den USA neu belebt wurde.

Auf staatlicher Ebene hatte die „Anti-Saloon League” unterschiedliche Erfolge aufzuweisen gehabt. Im ländlichen Bereich und im Süden der USA stießen ihre Bemühungen auf fruchtbaren Boden, in größeren Städten, insbesondere bei den Katholiken, Juden, Episkopalern und deutschen Lutheranern ging es hingegen nur wenig erfolgreich voran. Biertrinkende Deutsche, Whiskey liebende Iren und die weinseligen Südosteuropäer hielten nur wenig davon, sich den Genuss von Alkohol verbieten zu lassen. Dennoch war die Prohibition bis 1916 in 23 Staaten etabliert worden, alleine 17 davon durch eine Volksabstimmung. Nachdem der Erste Weltkrieg ausgebrochen war, verknüpfte die „Anti-Saloon Leaque” ihre Ideen mit patriotischen Appellen, die darauf hinausliefen, dass der Alkohol die Moral der amerikanischen Soldaten schwächen würde und wann immer die deutschen Brauereibesitzer sich in den USA gegen die Prohibition aussprachen (verständlicherweise muss man sagen), so wurde ihnen dieses seitens der Organisation stets als Illoyalität und mitunter auch als Verrat am Vaterland ausgelegt.

Am 28. Oktober 1919 trat schließlich der Volstead Act in Kraft, der alle Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 0,5 % Vol. als Alkohol definierte. US-Präsident Woodrow Wilson (1913-1921) legte zwar sein Veto gegen das Gesetz ein, doch der Druck der öffentlichen Meinung war derart groß gewesen, dass sich im US-Kongress eine Zweidrittelmehrheit fand, die das Veto des Präsidenten gleich wieder unwirksam machte. Am 16. Januar 1920 wurde das nationale Prohibitionsgesetz von Wilson ratifiziert und als 18. Zusatz in die Verfassung aufgenommen:

 

Abschnitt 1. Nach Ablauf eines Jahres nach der Ratifikation dieses Artikels sind Erzeugung, Verkauf oder Transport berauschender alkoholischer Getränke innerhalb des Gebietes der Vereinigten Staaten sowie Ein- und Ausfuhr aus den Vereinigten Staaten sowie allen Gebieten, die deren Zuständigkeit unterstehen, hiermit verboten.

Abschnitt 2. Der Kongress und die einzelnen Bundesstaaten werden gleichzeitig befugt, diesen Artikel durch entsprechende Gesetze durchzusetzen.

Abschnitt 3. Dieser Artikel wird unwirksam, falls er nicht innerhalb von sieben Jahren vom Zeitpunkt seiner Unterbreitung durch den Kongress an die Bundesstaaten durch die Gesetzgeber der einzelnen Bundesstaaten als Zusatzartikel der Verfassung bestätigt wird.

Zwar weigerten sich Rhode Island und Connecticut das Gesetz zu ratifizieren, doch dieses war lediglich ein symbolischer Akt des Protestes gegen das Alkoholverbot gewesen, denn der 18. Zusatzartikel hatte von nun an in den gesamten Vereinigen Staaten Gültigkeit erlangt.

Das erklärte Ziel der Prohibition, die Amerikaner vom Trinken abzuhalten, wurde dadurch aber zu keinem Zeitpunkt wirklich erreicht. Wer über das nötige Kleingeld verfügte, legte sich rechtzeitig einen eigenen Schnapsvorrat an, denn der Konsum an sich war ja nicht verboten gewesen, sondern nur die Herstellung, sowie der Transport und Verkauf, und der Rest wurde ins Land geschmuggelt oder als „Moonshine” illegal selber gebrannt. Am 28. August 1920, also fast gleichzeitig mit dem Beginn der landesweiten Prohibition, wurde auch das Frauenwahlrecht in die Verfassung aufgenommen.

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