Staatshaftungsrecht

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II. Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit

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Weitere Voraussetzung ist, dass der Amtswalter in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt hat. Der Punkt „öffentliches Amt“ ist bereits in Zusammenhang mit dem Amtswalter behandelt worden, so dass er nicht mehr aufzugreifen ist.


„In Ausübung“ heißt, dass zwischen der hoheitlichen Tätigkeit und dem Fehlverhalten des Amtswalters ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Verletzungshandlung noch als dem hoheitlichen Bereich zugehörig anzusehen ist. Daran fehlt es, wenn das Fehlverhalten nur bei Gelegenheit einer öffentlich-rechtlichen Tätigkeit erfolgt.[27]

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Ein äußerer Zusammenhang besteht, wenn das Fehlverhalten räumlich-zeitlich in die Wahrnehmung der hoheitlichen Aufgabe fällt. Es ist mithin auf den objektiven Geschehenszusammenhang abzustellen.[28]

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Ein innerer Zusammenhang liegt vor, wenn das Fehlverhalten und die hoheitliche Tätigkeit als einheitlicher, von der hoheitlichen Aufgabenerfüllung geprägter Lebenssachverhalt erscheint.[29] Dabei ist zu beachten, dass die Rechtswidrigkeit des Fehlverhaltens den inneren Zusammenhang nicht schon entfallen lässt. Wäre es so, käme es zu gar keiner Amtshaftung, obwohl der Staat gerade für rechtswidriges Verhalten des Amtswalters einstehen soll. Vielmehr müssen völlig sachfremde Gründe vorliegen, um den inneren Zusammenhang zu verneinen und damit Missbrauchsfälle der Amtshaftung auszuschließen.

Beispiel 1

Ein Polizist nimmt außerhalb seiner Dienstzeit aus persönlichen Gründen polizeiliche Maßnahmen an einer anderen Person vor, die dabei verletzt wird. Hier fehlt es schon an einem äußeren Zusammenhang, da der Polizist außerhalb der Dienstzeit handelt. Der innere Zusammenhang fehlt, da das Verhalten nicht als von der hoheitlichen Aufgabenerfüllung geprägter Sachverhalt anzusehen ist. Eine Amtshaftung scheidet aus.

Beispiel 2

Eine Polizistin wird im Dienst durch ihren Vorgesetzten in frauenfeindlicher, auch obszöner Weise schikaniert, diskriminiert und beleidigt. Dieser Psychoterror (Mobbing) treibt sie in den Selbstmord. Ihr Vater begehrt Schadensersatz.

Der äußere Zusammenhang ist wegen der während des Dienstes geschehenen Handlungen des Vorgesetzten gegeben. Aufgrund der Verbindung zur hoheitlichen Aufgabenerfüllung ist ein innerer Zusammenhang zu bejahen. Er entfällt nicht aus sachfremden, persönlichen Motiven, da hier eine Trennung zwischen dienstlichen und privaten Aspekten nicht möglich ist. Mobbing im Rahmen eines Beamtenverhältnisses geschieht demnach nicht nur bei Gelegenheit, sondern in Ausübung des öffentlichen Amtes.[30]

Das Merkmal „In Ausübung“ ist auch in Gestalt eines Unterlassens denkbar. Das setzt aber voraus, dass eine öffentlich-rechtliche Pflicht zum Handeln gegenüber dem Geschädigten bestand.[31]

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Eine Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit liegt bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr zwar begrifflich vor. Gleichwohl kann in diesem Zusammenhang kein Amtshaftungsanspruch entstehen, da das Amtshaftungsrecht auf bewaffnete Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht anwendbar ist. Militärische Kampfhandlungen fallen aus dem Anwendungsbereich dieser Normen heraus.

Dies ergibt sich zum einen aus dem historischen Kontext. Weder 1896 bei § 839 BGB noch 1949 bei der Formulierung des Art. 34 GG hatte der jeweilige Gesetzgeber an einen Auslandseinsatz deutscher Streitkräfte im Ausland gedacht. Zum anderen passt die an einer alltäglichen Verwaltung orientierte Amtshaftung inhaltlich nicht auf militärische Einsätze oder gar Kampfhandlungen im Ausland. Aus dem GG lässt sich zudem keine Verpflichtung entnehmen, im Falle militärischer Auslandseinsätze entsprechende individuelle Schadensersatzansprüche zu schaffen. Schließlich ist eine Ausweitung der Amtshaftung auf diesen Bereich aus Gründen des Vorbehalts des Gesetzes und der Wesentlichkeitstheorie nur durch den Gesetzgeber selbst möglich.[32]

2. Teil Amtshaftung, § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG › B. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen › III. Amtspflichtverletzung

III. Amtspflichtverletzung


Eine Amtspflichtverletzung liegt vor, wenn der Amtswalter eine ihm obliegende Pflicht, die sich aus seinem amtlichen Verhältnis zum Staat ergibt, verletzt.

1. Bedeutung der Amtspflicht im Gefüge des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG

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Der Amtswalter muss bei der Ausübung seiner Tätigkeit eine ihm gegenüber einem Dritten obliegende Amtspflicht verletzt haben.

Dieses zunächst schwer zu verstehende Merkmal ist historisch begründet. Es basiert auf der schon erwähnten Mandatstheorie, nach der zwischen dem Landesherrn und dem einzelnen Staatsdiener ein privater Vertrag geschlossen wurde, der ihm hoheitliche Aufgaben übertrug. Amtspflichten obliegen demnach dem Amtswalter eigentlich nur im Innenverhältnis gegenüber dem Staat als seinem Dienstherrn.

Der Amtswalter hat aber gerade bei seinem Handeln im Außenverhältnis zum Bürger auch die Pflicht, die den Staat, seinen Dienstherrn, bindenden Rechtspflichten zu beachten.

Verletzt ein Amtswalter also eine Pflicht gegenüber dem Staat, verletzt er zugleich eine Pflicht des Staates, die dieser gegenüber dem Bürger zu beachten hat.[33] Abgekürzt bedeutete das, dass der Amtswalter letztlich direkt im Verhältnis zum Bürger die Amtspflicht einzuhalten hat.

JURIQ-Klausurtipp

Diese Herleitung ist in einer Klausur grundsätzlich nicht darzustellen. Nur im Fall einer innerdienstlichen Weisung bzw. Verwaltungsvorschrift spielt sie eine Rolle. Dieser Sonderfall wird weiter unten erörtert.

Die Herleitung soll nur dem besseren Verständnis der Konstruktion des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG dienen.

2. Die wichtigsten Amtspflichten

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Die wichtigste Amtspflicht ist die zu einem rechtmäßigen Verhalten, die sich aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Art. 20 Abs. 3 GG, ergibt.[34] Daraus folgen konkret ausgeprägte und typische Amtspflichten wie die Pflicht



3. Sonderfall: Verkehrssicherungspflicht

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Die Verkehrssicherungspflicht trifft Hoheitsträger – Behörden und Amtswalter – zunächst nach allgemeinem Deliktsrecht. Umstritten ist aber, ob die Verkehrssicherungspflicht eine Amtspflicht darstellt mit der Folge einer Haftungsprivilegierung. Die Verkehrssicherungspflicht beinhaltet die Pflicht, allgemein zugängliche Wege, Plätze und Räume in einem verkehrssicheren Zustand zu halten, damit niemand zu Schaden kommt. Die Rechtsprechung lehnt ihre Qualifizierung als Amtspflicht ab, da die geschaffene Gefahr nicht vom Verhalten eines Amtswalters, sondern von der Sache selbst ausgeht. Etwas anderes gilt nur, wenn die Verkehrssicherungspflicht als hoheitliche Aufgabe übertragen worden ist.[47]

Die Literatur ordnet die Verkehrssicherungspflicht als hoheitliche Aufgabe ein.[48]

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Hinsichtlich der Straßenverkehrssicherungspflicht ist aber die Problematik durch die gesetzliche Einordnung als hoheitliche Aufgabe entfallen, vgl. § 9a StrWG NRW – z.B. Unterlassen eines Hinweises auf eine Gefahrenlage – [49], Art. 72 BayStrWG – z.B. Unterlassen einer ausdrücklichen Verkehrsregelung.[50] Die Frage nach der Einordnung der Verkehrssicherungspflicht bleibt nur zu diskutieren u.a. bei Kinderspielplätzen[51] oder städtischen Sportplätzen.[52]

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Innerhalb dieses Sonderfalles kann sich zudem die Problematik der Beteiligung Privater, denen die Verkehrssicherungspflicht übertragen worden ist, zeigen. Es geht dabei um private Bau- oder Umzugsfirmen, die eine seitens der Behörde genehmigte Halteverbotsbeschilderung selbst vornehmen und dabei die Verkehrssicherungspflicht verletzen.[53]

4. Sonderfall: Weisung/Verwaltungsvorschrift

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Eine weitere besondere Situation liegt vor, wenn der Amtswalter aufgrund einer innerdienstlichen Weisung oder einer Verwaltungsvorschrift durch seinen Dienstherrn/Vorgesetzten gehalten ist, eine im Verhältnis zum Bürger rechtswidrige Entscheidung zu treffen. Diese im Außenverhältnis zum Bürger rechtswidrige Entscheidung ist im Innenverhältnis zum Dienstherrn/Vorgesetzten rechtmäßig, die Amtspflicht im Innenverhältnis und die Rechtspflicht im Außenverhältnis fallen auseinander.

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Die oben erläuterte Konstruktion der Amtshaftung führt also dazu, dass der Amtswalter im Innenverhältnis korrekt handelt und es damit an einer Pflichtverletzung fehlt, die auf den Staat übergeleitet werden kann. Der von der im Außenverhältnis rechtswidrigen Maßnahme betroffene Bürger bleibt so hinsichtlich eines Amtshaftungsanspruches schutzlos. Diese Rechtsschutzlücke wird über eine Haftungsverschiebung innerhalb der Verwaltung gelöst. Der Amtswalter ist dabei nicht isoliert zu betrachten, sondern die Verwaltung als Ganzes. Dies umso mehr als der Bürger die verschiedenen Verwaltungsebenen und -hierarchien im Regelfall nicht unterscheidet. Deshalb ist das rechtswidrige Verhalten des Amtswalters im Außenverhältnis zum Bürger demjenigen zuzurechnen, der die innerdienstliche Weisung erteilt bzw. die Verwaltungsvorschrift erlassen hat. Der Amtshaftungsanspruch ist dann gegen ihn (Dienstherrn/Vorgesetzten) zu richten und sodann auf den Staat überzuleiten.[54]

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Abweichend von dieser Lösung wird unter Bezugnahme auf den Wortlaut des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG „einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht“ die Ansicht vertreten, dass sich die Amtspflichten direkt auf das Verhältnis zum Bürger beziehen. Amtspflichten und Rechtspflichten entsprechen sich.[55]

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Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass es ausdrücklich „Amtspflichten“ heißt, so dass derselbe Wortlaut wie auch die historisch bedingte Konstruktion der Amtshaftung gegen eine Gleichsetzung von Amts- und Rechtspflichten sprechen.

Beispiel 1

Auf Weisung des Regierungspräsidenten der Bezirksregierung/Regierungspräsidiums erlässt der Oberbürgermeister einer kreisfreien Stadt eine rechtswidrige Ordnungsverfügung gegenüber einem Bürger. Der Bürger erleidet dadurch einen Schaden und macht nun einen Amtshaftungsanspruch geltend.

Der Oberbürgermeister handelt zwar im Außenverhältnis zum Bürger rechtswidrig, aber im Innenverhältnis weisungsgemäß und damit amtspflichtgemäß. Der Regierungspräsident dagegen hat eine Amtspflichtverletzung begangen, da er eine rechtswidrige Weisung erteilt hat. Ihm wird im Wege der Haftungsverschiebung das Verhalten des Oberbürgermeisters zugerechnet. Der Amtshaftungsanspruch richtet sich dann gegen den Regierungspräsidenten und wird übergeleitet auf das Land. Im Gegensatz dazu würde ein Amtshaftungsanspruch gegen den Oberbürgermeister auf die Gemeinde/Stadt übergehen.

Damit wird deutlich, dass die Unterscheidung zwischen Amtspflichten im Innenverhältnis und Rechtspflichten im Außenverhältnis praktische Konsequenzen haben kann.

Davon unabhängig richtet sich die Anfechtungsklage gegen die Ordnungsverfügung selbst gegen den Oberbürgermeister, soweit § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO eingreift, ansonsten gegen die Gemeinde/Stadt nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO.[56]

Entsprechendes gilt, wenn der Erlass eines Verwaltungsaktes von der Zustimmung bzw. dem Einvernehmen einer anderen Behörde oder eines anderen Verwaltungsträgers abhängt, sog. mehrstufiger Verwaltungsakt. Beispiel ist hierfür § 36 BauGB.[57]

Im umgekehrten Fall, dass der Amtswalter im Innenverhältnis gegen eine innerdienstliche Weisung bzw. Verwaltungsvorschrift verstößt, aber im Außenverhältnis gegenüber dem Bürger rechtmäßig handelt, liegt ebenfalls eine Amtspflichtverletzung vor, wenn auch nur im Innenverhältnis. In diesem Fall muss im Außenverhältnis zum Bürger, der keine Rechtsverletzung erlitten hat, eine objektive Widerrechtlichkeit als Merkmal hinzugenommen werden, um unsinnige Ergebnisse zu vermeiden.[58]

Beispiel 2

Wie im Beispiel 1 zuvor, nur weigert sich der Oberbürgermeister, die Weisung des Regierungspräsidenten der Bezirksregierung/Regierungspräsidiums umzusetzen. Der Oberbürgermeister erlässt eine rechtmäßige Ordnungsverfügung, durch die der Bürger gleichwohl einen Nachteil/Belastung erleidet. Diese Belastung macht der Bürger nun als Schaden über einen Amtshaftungsanspruch unter Berufung auf den Verstoß gegen die Weisung des Regierungspräsidenten geltend.

Hier liegt in der Missachtung der Weisung des Regierungspräsidenten im Innenverhältnis eine Amtspflichtverletzung vor, nicht jedoch eine Rechtsverletzung im Außenverhältnis zum Bürger, da ihm gegenüber im Einklang mit der Rechtsordnung gehandelt wurde. Um vorliegend einen Amtshaftungsanspruch annehmen zu können, muss aber eine Rechtsverletzung und nicht nur ein Nachteil/Belastung beim Bürger hinzutreten. Nur unter dieser Voraussetzung ist das Verhalten des Oberbürgermeisters auch als objektiv widerrechtlich anzusehen und damit als unrechtmäßig. Vorliegend fehlt es daran, da die Ordnungsverfügung, trotz Verletzung der Amtspflicht im Innenverhältnis, im Außenverhältnis zum Bürger objektiv rechtmäßig ist.

Ein Amtshaftungsanspruch des Bürgers besteht deshalb nicht.

Hinweis

Zu Ihrer Beruhigung: Die Unterscheidung zwischen Amtspflicht im Innenverhältnis und Rechtspflicht im Außenverhältnis spielt nur im dargestellten Sonderfall eine Rolle. Zur Lösung des Sonderfalles merken Sie sich bitte die Begriffe Haftungsverschiebung bzw. objektive Widerrechtlichkeit. Mithilfe dieser beiden Begriffe löst die h.M. diesen Fall. Folgen Sie hingegen der abweichenden Ansicht von Papier,[59] müssen Sie sich mit dem Wortlautargument und der historischen Konstruktion der Amtshandlung auseinandersetzen. Im Ergebnis sollten Sie aber die Ansicht von Papier ablehnen.

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Der Sonderfall einer Weisung bzw. Verwaltungsvorschrift ist einerseits abzugrenzen gegenüber Erlassen, die der nachgeordneten Verwaltung allgemein eine bestimmte Gesetzesauslegung vorschreiben. Sie begründen regelmäßig keine Amtspflicht gegenüber dem einzelnen Bürger, wenn unbestimmt viele Sachverhalte geordnet werden. Erlasse mit allgemeiner Wirkung sind gerade keine Weisungen und begründen keine Amtspflichten.[60]

5. Sonderfall: Rechtswidriger, bestandskräftiger Verwaltungsakt

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Schwierig ist schließlich der Fall, dass ein bestandskräftiger rechtswidriger, aber nicht nichtiger[61] Verwaltungsakt eine Amtspflichtverletzung begründen kann. Eine andere Frage ist, ob eine derartige Amtspflichtverletzung in einem Gerichtsverfahren durch die Überprüfung des bestandskräftigen Verwaltungsaktes festgestellt werden kann.

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Die Bestandskraft des Verwaltungsaktes hat seine Unanfechtbarkeit zur Folge, selbst wenn er rechtswidrig ist. Er ist vom Adressaten dann schlicht hinzunehmen. Die Regelung eines solchen Verwaltungsaktes ist ebenso von allen staatlichen Organen – Behörden und Gerichten – zu beachten. Er ist ihren Entscheidungen als gegebener Tatbestand zugrunde zu legen.[62]

Zugleich stellt die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes eine Amtspflichtverletzung dar, wird doch gegen die Pflicht zu rechtmäßigem Handeln verstoßen.

Die Konsequenz ist, dass ab Eintritt der Bestandskraft eine an sich gegebene Amtspflichtverletzung nicht mehr geltend gemacht werden kann.[63] Es stehen sich mithin das Prinzip der Bestandskraft als Ausdruck der Rechtssicherheit, abgeleitet aus Art. 20 Abs. 3 GG, und das Prinzip der inhaltlichen Richtigkeit, ebenfalls aus Art. 20 Abs. 3 GG folgend, gegenüber.

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Dieses Problem ist durch eine differenzierte Betrachtung der jeweiligen Verfahrensgegenstände zu lösen. Im Verwaltungsverfahren geht es um die Regelung einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit, die einer verbindlichen Lösung bedarf und von allen ab einem bestimmten Zeitpunkt zu beachten ist. Bei der Frage nach einer Amtshandlung geht es hingegen nur darum, ob die getroffene Regelung die Rechtsordnung wahrt. Ist das nicht der Fall, so ist allein im Verhältnis Staat – Bürger die Frage nach einer Amtshaftung und einer Schadensregulierung zu klären.

Die beiden Bereiche – die Entscheidung des Verwaltungsaktes einerseits und ihr Zustandekommen andererseits – sind zu trennen.

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Um einen Amtshaftungsanspruch zu klären, ist deshalb auch ein bestandskräftiger Verwaltungsakt inzident bei der Amtspflichtverletzung voll zu überprüfen. Zwei Argumente lassen sich hierfür anführen. Zum einen bewirkt die bloß durch Zeitablauf eingetretene Bestandskraft nicht das gleiche Maß an Richtigkeitsgewähr wie eine gerichtliche Kontrolle.[64] Zum anderen sieht § 839 Abs. 3 BGB einen Ausschluss der Amtshaftung vor, wenn schuldhaft ein Rechtsmittel gegen die amtspflichtwidrige Entscheidung versäumt wurde. Diese Vorschrift wird unterlaufen, wenn auch im Fall der nicht schuldhaften Versäumung eines Rechtsmittels gleichwohl wegen der Bestandskraft des Verwaltungsaktes eine Amtshaftung im Ergebnis ausscheidet.[65]

 

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Anders liegt die Sache nur, wenn über den Verwaltungsakt bereits eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung ergangen ist. Dabei muss es sich um ein Sachurteil handeln. Ein Prozessurteil – Klageabweisung wegen Unzulässigkeit der Klage – reicht nicht aus, da eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Verwaltungsakt fehlt. Gleiches gilt auch, wenn nur eine Eilentscheidung vorliegt, da sie keine materielle Rechtskraft wie ein Urteil in der Hauptsache erlangt.[66] Im Fall eines Sachurteils greifen die eben genannten Argumente für eine volle Überprüfung des Verwaltungsaktes nicht. Vielmehr umfasst die verwaltungsgerichtliche Entscheidung auch die Feststellung einer Amtspflichtverletzung. Stellt das Urteil fest, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war, so liegt zugleich eine Amtspflichtverletzung vor. Stellt es fest, dass der Verwaltungsakt rechtmäßig war, so ist eine Amtspflichtverletzung nicht gegeben.[67]

JURIQ-Klausurtipp

In einer Klausur können Sie im Rahmen der Feststellung einer Amtspflichtverletzung durch den Erlass eines Verwaltungsaktes zu dessen vollständiger inzidenten Überprüfung kommen. Das heißt, dass Sie an dieser Stelle die formelle und materielle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes zu überprüfen haben. Auf diese Weise kann sich in einer Amtshaftungsklausur ohne Weiteres ein Schwerpunkt im Allgemeinen wie im Besonderen Verwaltungsrecht finden.

2. Teil Amtshaftung, § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG › B. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen › IV. Gegenüber einem Dritten