Der geschäftliche Betrieb als "Dritter" im Sinne des § 299 StGB

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bb) Das Strafantragsrecht der Mitbewerber

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Für einen Rechtsgüterschutz der Mitbewerber könnte aber möglicherweise ein ihnen nach § 301 Abs. 2 StGB, § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG zustehendes Strafantragsrecht sprechen. Mit Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption vom 13.8.1997 wurde die Vorschrift des § 301 StGB in das StGB aufgenommen. Der neue § 299 StGB wurde dadurch im Unterschied zu § 12 UWG a.F., bei dem gem. § 22 UWG a.F. ein Strafantrag noch zwingend erforderlich war, als relatives Antragsdelikt ausgestaltet.

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Die überwiegende Auffassung zählt die Mitbewerber zu den antragsberechtigten Verletzten im Sinne der §§ 77 Abs. 1, 301 Abs. 2 StGB.[112] Verletzter im Sinne des § 77 Abs. 1 StGB ist der Träger des durch die Tat unmittelbar verletzten Rechtsguts.[113] Dies ist derjenige, in dessen Rechtskreis der Täter durch die verbotene Handlung unmittelbar eingegriffen hat.[114] Aus der Verletzteneigenschaft könnte deshalb gefolgert werden, dass der § 299 StGB auch dem Schutz der Mitbewerber dient. Denn wenn diese durch die Tat im Sinne des § 77 Abs. 1 StGB verletzt sind, erscheint es inkonsequent, ihnen den Rechtsgüterschutz des § 299 StGB zu versagen.[115] Deshalb wird in der Folge ein Rechtsgut der Mitbewerberinteressen kreiert, um eine Einheit zwischen Rechtsgutsträger und dem durch die Tat Verletzten zu erreichen.

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Überzeugend ist diese Argumentation indes nicht. Vorzugswürdig wäre es, die Verletzteneigenschaft aus dem Rechtsgut der Norm abzuleiten und nicht umgekehrt.[116] § 77 Abs. 1 StGB gibt keinen Aufschluss auf den Rechtsgutsträger, sondern legt lediglich fest, dass der Verletzte, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, antragsberechtigt ist. Aus der Verletzteneigenschaft können daher schon nach dem Wortlaut des § 77 Abs. 1 StGB keine Rückschlüsse auf den Rechtsgutsträger des § 299 StGB gezogen werden. Davon unabhängig ist es aber auch nicht verständlich, warum die überwiegende Auffassung überhaupt den Mitbewerber – ohne nähere Begründung – als Verletzten im Sinne der §§ 77 Abs. 1, 301 Abs. 2 StGB ansieht. Gegen eine solche Auffassung lassen sich eine Reihe von Argumenten ins Feld führen.

(1) Unzulässiger Zirkelschluss

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Zunächst scheint die Begründung der Verletzteneigenschaft wiederum darauf zurückzuführen sein, dass der Mitbewerber als Rechtsgutsträger des § 299 StGB angesehen wird. Mit dieser Ausgangssituation erschiene es plausibel, ihn dann auch als Verletzten im Sinne der §§ 77 Abs. 1, 301 Abs. 2 StGB zu behandeln, ist doch nach § 77 Abs. 1 StGB der Träger des durch die Tat unmittelbar verletzten Rechtsguts der Verletzte im Sinne der Vorschrift. In einen Widerspruch setzt sich die Auffassung jedoch dann, wenn aus der Verletzteneigenschaft zugleich Rückschlüsse auf den Rechtsgutsträger gezogen werden.[117] Dies kommt im Ergebnis einem unzulässigen Zirkelschluss gleich, sodass zumindest eine wechselseitige Begründung von Rechtsgut und Verletzteneigenschaft nicht überzeugen kann.

(2) Entwicklung des UWG

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Eine Erklärung für die Einordnung als Verletzter könnte sich auch aus der Entwicklung des UWG seit der Einführung des § 301 StGB ergeben. So verwies der § 301 StGB in der Fassung vom 13.8.1997 noch auf den § 13 Abs. 2 Nr. 1, 2, 4 UWG a.F., in welchem Mitbewerber nicht explizit genannt wurden. Antragsberechtigt über § 301 Abs. 2 StGB, § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG a.F. waren lediglich Gewerbetreibende, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertrieben, soweit eine Handlung vorlag, die geeignet war, den Wettbewerb auf diesem Markt wesentlich zu beeinträchtigen.

Zweifelsohne lagen damit in Bezug auf die Antragsberechtigung etwaiger Mitbewerber qualifizierte Voraussetzungen vor,[118] die dem Wunsch des Gesetzgebers nach einer Ausweitung der Antragsberechtigung im Falle von Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr zuwiderlief. Insofern scheint es verständlich – wenn auch methodisch nicht begründbar –, dass die überwiegende Auffassung den Mitbewerber als durch die Tat Verletzten im Sinne des § 77 Abs. 1 StGB ansah und so die qualifizierten Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG a.F. umging. Mit der Neufassung des UWG vom 3.7.2004 wurde § 13 UWG a.F. jedoch durch § 8 UWG ersetzt.[119] In § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG sind seither ausdrücklich die Mitbewerber ohne weitere Voraussetzungen als Antragsberechtigte genannt. Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ist Mitbewerber „jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht“. Der antragsberechtigte Personenkreis deckt sich seitdem mit dem des Verletzten, sodass es einer Einordnung als Verletzter für ein Antragsrecht nach § 301 Abs. 2 StGB grundsätzlich nicht mehr bedarf.[120]

(3) Überflüssige Doppelung des § 301 Abs. 2 StGB

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Gegen die Einordnung der Mitbewerber als Verletzte spricht neben der fehlenden Notwendigkeit auch, dass § 301 Abs. 2 StGB ausdrücklich normiert, dass neben dem Verletzten auch die in § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG genannten Mitbewerber antragsberechtigt sind. Diese Verweisung wäre überflüssig, wenn der Mitbewerber schon als Verletzter im Sinne des § 77 Abs. 1 StGB anzusehen und insofern schon nach allgemeinen Grundsätzen antragsberechtigt wäre. Dies schien auch der Gesetzgeber erkannt zu haben. So hatte die Bundesregierung in ihrem Entwurf eines „…Strafrechtsänderungsgesetzes“ von 2007 vorgesehen, die Verweisung auf die Mitbewerber im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG zu streichen.[121] Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Mitbewerber schon unter den Verletztenbegriff falle und es sich bei der Verweisung mithin um eine unnötige Doppelung handele.[122]

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Diese Ausführungen bestätigen die überflüssige Doppelung der derzeitigen Gesetzesfassung des § 301 Abs. 2 StGB. Allerdings zeigt sich an dem Entwurf auch, dass die Bundesregierung davon ausging, dass die Mitbewerber im Hinblick auf § 299 StGB als Verletzte im Sinne des § 77 Abs. 1 StGB anzusehen seien. Damit befand sie sich zwar auf einer Linie mit der herrschenden Auffassung in der strafrechtlichen Literatur, allerdings wie bereits dargelegt im Unrecht.[123] Einer Änderung des Gesetzeswortlauts bedurfte und bedarf es daher – entgegen der Auffassung der damaligen Bundesregierung – nicht. Ohne die Anerkennung der Verletzteneigenschaft der Mitbewerber, welche im Gegensatz zu der Antragsberechtigung des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nicht normiert ist, besteht auch keine (unnötige) Doppelung des Gesetzeswortlauts.

(4) Kein Widerspruch zu allgemeinen Grundsätzen

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Schließlich steht dieses Ergebnis auch nicht im Widerspruch zu § 77 Abs. 1 StGB. Eine Identität zwischen dem Rechtsgutsträger und dem Verletzten ist nach dieser Vorschrift nur dann zu fordern, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt. Bei dem Strafantragsrecht für Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 301 StGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG liegt – wie gezeigt – eine andere Bestimmung durch den Gesetzgeber vor. Diese erklärt sich aus der gewollten Ausweitung der antragsberechtigten Personen, um die Verfolgungshindernisse bei der Wirtschaftskorruption zu beseitigen. Dieses Ergebnis bestätigt in Bezug auf die Vorgängervorschrift des § 22 UWG a.F. auch der Bundesgerichtshof, indem er ausführt, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 13 Abs. 1 UWG a.F. den Kreis der Strafantragsberechtigten über den Rahmen des § 77 Abs. 1 StGB ausgedehnt habe.[124]

(5) Zwischenergebnis

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Die Mitbewerber sind demnach nicht als die durch die Tat Verletzten anzusehen. § 301 Abs. 2 StGB erweitert durch den Verweis auf § 8 Abs. 3 Nr. 1, 2, 4 UWG den Kreis der Antragsberechtigten um die dort genannten Personengruppen und stellt eine Ausweitung zum Grundsatz des § 77 Abs. 1 StGB dar. Daher kann die Verletzteneigenschaft nicht als Argument für ein Rechtsgut der Mitbewerberinteressen angeführt werden. Ohne die Verletzteneigenschaft ist einem möglichen Rückschluss auf ein Rechtsgut der Mitbewerberinteressen jede Grundlage entzogen. Das Strafantragsrecht der Mitbewerber folgt lediglich aus dem Willen des Gesetzgebers, Verfolgungshindernisse bei der Wirtschaftskorruption durch die Schaffung eines möglichst breiten Anteils von Antragsberechtigten zu beseitigen. Zwar erscheint die Einbeziehung der Mitbewerber in den Kreis der Antragsberechtigten vor dem Hintergrund, dass diese zumeist aus wirtschaftlicher Sicht die Leidtragenden von Bestechungshandlungen sind und damit auch ein erhöhtes Interesse an der strafrechtlichen Verfolgung der Taten haben, sinnvoll. Zum Rechtsgutsträger des § 299 StGB macht sie dieses Interesse allein jedoch nicht. Im Gegenteil sind die Mitbewerber durch ihr bestehendes Antragsrecht nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aus strafrechtlicher Sicht hinreichend geschützt.

cc) Mögliche Rechtslücken durch mangelnden Individualschutz

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Aus rechtlicher Sicht könnte für eine Erhebung der Mitbewerberinteressen zum geschützten Rechtsgut des § 299 StGB eine mögliche Gesetzeslücke sprechen, die sich aus einem mangelnden Individualschutz ergeben könnte. So ist für einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB ein Schutzgesetz erforderlich. Ein Schutzgesetz ist jede Rechtsnorm, die ein Ge- oder Verbot ausspricht und zumindest auch die Interessen einzelner Personen oder Personenkreise gegen die Verletzung von Rechtsgütern schützen soll.[125] Fast einhellig ist man der Ansicht, dass es sich bei § 299 StGB um ein Schutzgesetz handele, was allerdings gerade daraus resultieren dürfte, dass die herrschende Auffassung der Norm einen individualschützenden Charakter beimisst.[126] Würde man § 299 StGB nun den Individualschutz absprechen, könnte sich daraus möglicherweise die Konsequenz ergeben, dass die Vorschrift fortan nicht mehr als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB qualifiziert werden kann, was den Verlust des Schadensersatzanspruchs zur Folge haben könnte.

 

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Zwingend ist dies jedoch nicht. So ist zunächst anerkannt, dass auch Normen, die die Gesamtheit der Staatsbürger als Summe der Einzelnen schützen, zum Schutz des Einzelnen bestimmt sein können, sofern der Schutz im Aufgabenbereich der jeweiligen Norm liegt.[127] Allerdings soll, um einer Ausuferung von Schutzgesetzen vorzubeugen, ein bloßer Schutzreflex für einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB nicht genügen.[128] Der Schutz des Einzelnen muss – zumindest auch – im Aufgabenbereich der Norm liegen. Dies ist bei § 299 StGB aber fraglich, sodass einiges dafür spricht, dass die Norm bei Aberkennung des Individualschutzes nicht mehr als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB qualifiziert werden könnte. Dennoch sprechen gewichtige Gründe gegen eine Gesetzeslücke. Mit § 9 UWG existiert nämlich ein spezialgesetzlicher Schadensersatzanspruch, der dem allgemeinen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB weitgehend vorgeht.[129] Zwar gilt dies – streng genommen – nur für Schutzgesetze aus dem UWG,[130] doch ist zu beachten, dass jede Straftat nach § 299 StGB zumindest auch einen wettbewerbsrechtlichen Verstoß gem. §§ 3, 4 ff. UWG darstellt und somit bei einem etwaigen Schaden zum Ersatz nach § 9 UWG verpflichtet. Für Verstöße gegen §§ 3, 4 ff. UWG stellen die §§ 8-10 UWG abschließende Sonderregelungen dar, sodass für § 823 Abs. 2 BGB in der Praxis kein Anwendungsbereich verbleibt.[131]

Ein fehlender Individualschutz durch § 299 StGB und damit möglicherweise der Verlust eines Schadensersatzanspruchs nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 299 StGB würde daher keinerlei praktische Auswirkungen haben.

dd) Generelle Kritik an der Einbeziehung von Individualinteressen

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Generell kritikwürdig an den zu § 299 StGB vertretenen Ansichten hinsichtlich des durch die Vorschrift geschützten Rechtsguts ist, dass die meisten Autoren der strafrechtlichen Literatur wie auch die Rechtsprechung nicht zwischen dem Rechtsgut einer Norm und den von der Norm geschützten Personengruppen bzw. den geschützten Interessen Einzelner unterscheiden.[132] Koepsel stellt zutreffend fest, dass es sich hinsichtlich der befürworteten Individualrechtsgüter genau um die Personengruppen handelt, die aus ökonomischer Sicht von Bestechungszahlungen beeinträchtigt werden.[133] Mit dem strafrechtlichen Schutz eines Allgemeinrechtsguts geht stets der Schutz einzelner Interessen einher. So wird bei den Straßenverkehrsdelikten der §§ 315b ff. StGB, deren Rechtsgut die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs ist,[134] gleichzeitig auch der einzelne Verkehrsteilnehmer, welcher sich im Straßenverkehr bewegt, faktisch geschützt. Dennoch handelt es sich bei den Delikten um Allgemeindelikte. Der Schutz des einzelnen Verkehrsteilnehmers wird lediglich durch einen Schutzreflex erreicht.

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Ebenso verhält es sich bei § 299 StGB. Die Interessen der Mitbewerber sind vom Schutzgut eines lauteren Wettbewerbs faktisch mitgeschützt. Doch ist diese Wirkung als bloßer Schutzreflex im Rahmen des Wettbewerbsschutzes zu verstehen. Die Tatsache, dass sich unlautere Geschäftsmethoden meist auf die Konkurrenten des bestechenden Unternehmens negativ auswirken, ist nicht gleichbedeutend mit einem zwingenden Rechtsgutseingriff bei Mitbewerbern. Zu beachten ist nämlich, dass auch ohne eine konkrete Benachteiligung eines Mitbewerbers die Verwirklichung des Tatbestandes möglich ist.[135] Keinesfalls erscheint es daher sachgerecht, jedes im Rahmen eines Allgemeindelikts mitgeschützte Interesse gleich zu einem neuen Rechtsgut zu erklären.[136] Ursache für die Erhebung der Individualinteressen zu strafrechtlich geschützten Rechtsgütern bei § 299 StGB dürfte der Ursprung des Delikts im UWG und die dadurch bedingte Verknüpfung mit dem zivilrechtlichen Lauterkeitsrecht sein.[137] Nach wie vor besteht ein enger Zusammenhang der Strafvorschrift mit den zivilrechtlichen Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen des UWG.[138] Diese Verknüpfung mag zudem dazu geführt haben, dass die jahrzehntelange Diskussion über den Schutzzweck des UWG unreflektiert auf das Rechtsgut des § 299 StGB übertragen wurde, ohne den strafrechtlichen Charakter der Norm ausreichend zu berücksichtigen.[139]

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Im zivilrechtlichen Wettbewerbsrecht wurde in Folge seiner Entwicklung zwischen dem Schutzsubjekt, mithin der Frage, welcher Personenkreis vom Wettbewerbsrecht zu schützen sei, und der Frage des Schutzobjekts unterschieden. Während der Anfang der Diskussion vom deliktsrechtlichen Konkurrentenschutz des Wettbewerbsrechts geprägt war und der individualschützende Charakter im Vordergrund stand, ist heute die Doppelstruktur des Wettbewerbsrechts ausdrücklich in § 1 UWG normiert. Es scheint, als sei die Doppelnatur des Wettbewerbsschutzes ungeprüft auf die Einzelnorm des § 12 UWG a.F. und später auf § 299 StGB übertragen worden.[140]

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Auch ist die Einbeziehung sämtlicher Individualinteressen in den Schutzbereich des § 299 StGB nicht sachgerecht. Wie bereits dargelegt sind die Auswirkungen von Bestechung und Bestechlichkeit derart unterschiedlich, dass es nicht genügen würde, nur einzelne Interessen in den Schutzbereich einzugliedern. Einer Erhebung sämtlicher betroffener Individualinteressen zum Rechtsgut würde aber zu einer Verdunkelung des Schutzbereichs führen.[141] Eine Auslegung des geltenden Rechts wird dadurch erschwert, die systemtranszendente Funktion des Rechtsguts kann so nur noch äußerst schwer erfüllt werden.

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Überdies stößt die Erhebung der Mitbewerberinteressen zum Rechtsgut an Grenzen, wenn eine konkrete Benachteiligung des Mitbewerbers durch Bestechungszahlungen nicht nachweisbar ist. Ohne die Verletzung des Rechtsguts ist eine Strafbarkeit des Täters im Allgemeinen aus teleologischen Gründen ausgeschlossen. Die herrschende Auffassung behilft sich in diesem Punkt mit der Konstruktion „gestufter Schutzinteressen“[142] oder beruft sich auf die Ausgestaltung des Tatbestands als abstraktes Gefährdungsdelikt und stellt damit vorrangig auf andere Rechtsgüter wie den lauteren Wettbewerb ab.[143] Dadurch soll eine Strafbarkeit auch dann in Betracht kommen, wenn Mitbewerberinteressen lediglich abstrakt gefährdet oder auch gar nicht beeinträchtigt sind. Doch dies führt zu Folgeproblemen. So ist es bei verschiedenen Rechtsgütern innerhalb einer Norm stets fraglich, ob für ein Eingreifen der Norm die Verletzung aller Rechtsgüter erforderlich ist oder schon die Beeinträchtigung eines von der Norm geschützten Rechtsguts genügt.[144] Auch ist davon auszugehen, dass mit der Beeinträchtigung von Mitbewerberinteressen auch zwingend eine Wettbewerbsbeeinträchtigung einhergeht.[145] Dann aber fragt sich, welche Aussagekraft ein Rechtsgut der Mitbewerberinteressen überhaupt hat, da für das Eingreifen der Norm zunächst die Beeinträchtigung eines anderen Rechtsguts, namentlich das des lauteren Wettbewerbs, erforderlich ist und sich der Täter zudem auch ohne eine nachweisbare Verletzung von Mitbewerberinteressen strafbar machen kann.

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Insgesamt ist deshalb festzustellen, dass der Erhebung von Mitbewerberinteressen zum Rechtsgut des § 299 StGB eine Absage erteilt werden muss. Die Interessen werden jedoch ohne Zweifel als Schutzreflex von der Norm faktisch mitgeschützt. Zu klären bleibt die Frage, ob dies auch für die speziellere Chancengleichheit oder die Vermögensinteressen der Mitbewerber gilt.

ee) Die Chancengleichheit der Mitbewerber

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Unterschiede zu einer pauschalen Einbeziehung von Mitbewerberinteressen könnten sich zunächst hinsichtlich der Chancengleichheit der Mitbewerber ergeben. Im Gegensatz zu einer generellen Einbeziehung einer bestimmten Personengruppe wird hier ein bestimmtes Recht, welches zudem in Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich normiert ist, ins Feld geführt.[146] Unklar bleibt bei den Befürwortern dieses Rechtsguts jedoch, was genau unter der Chancengleichheit zu verstehen ist. Gemeint soll wohl sein, dass die Mitbewerber im Wettbewerb die gleiche Ausgangsposition dergestalt vorfinden, dass sie alle unter Einhaltung der rechtlich normierten Regeln Wettbewerb betreiben können.[147]

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Aus einem möglichen Vertrauen der Mitbewerber auf einen fairen und sauberen Wettbewerb ein Recht auf Chancengleichheit abzuleiten geht im Ergebnis jedoch zu weit. Der verfassungsrechtlich in Art. 3 Abs. 1 GG garantierte Grundsatz auf Gleichbehandlung gilt im Privatrecht aufgrund der weitgehenden Vertrags- und Gestaltungsfreiheit nur unter sehr engen Voraussetzungen.[148] Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass allenfalls im Fall des Missbrauchs privater Macht der allgemeine Gleichheitssatz gegenüber Privatrechtssubjekten Bedeutung gewinnen kann.[149] Von einem solchen Machtmissbrauch kann man bei Bestechungszahlungen – zumindest im Grundsatz – nicht ausgehen. Eine gesetzliche Pflicht, Konkurrenten generell gleich zu behandeln, besteht für den einzelnen Betrieb nicht.

ff) Individuelles Vermögen der Mitbewerber

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Auch die Vermögensinteressen der Mitbewerber stellen im Unterschied zu einer pauschalen Einbeziehung von Interessen ein subjektives Recht dieser Personengruppe dar.[150] Das Vermögen als solches stellt im Strafrecht eine allgemein anerkannte Rechtsgütergruppe dar. Als Vermögensdelikte werden diejenigen Straftaten bezeichnet, die sich gegen das Vermögen als solches oder gegen einzelne Vermögenswerte eines anderen richten.[151] Die Bezeichnung wird dabei in einem engeren oder einem weiteren Sinne gebraucht, je nachdem ob der Eintritt eines Vermögensschadens bei der jeweiligen Deliktsgruppe erforderlich ist oder nicht. Da der Tatbestand des § 299 StGB den Eintritt eines Vermögensschadens nicht voraussetzt, handelt es sich nach Ansicht von Maiwald um ein abstraktes Gefährdungsdelikt hinsichtlich des Vermögens der Mitbewerber. Der Wettbewerbsschutz sei daher nichts anderes als ein abstrakter Vermögensschutz.[152]

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Gegen einen vermögensschützenden Charakter des § 299 StGB hinsichtlich individueller Vermögensinteressen von Mitbewerbern lassen sich aber gewichtige Argumente vorbringen. So ist allgemein anerkannt, dass das Strafrecht das Vermögen als „die Gesamtheit aller geldwerten Güter einer Person abzüglich ihrer Verbindlichkeiten“ nur in seinem Bestand schützt.[153] Erwerbsaussichten gehören grundsätzlich nicht zum strafrechtlich geschützten Vermögen.[154] Durch Bestechungshandlungen im Sinne des § 299 StGB ist es aber allenfalls denkbar, dass eine mögliche Vermögensmehrung etwaiger Mitbewerber vereitelt wird.[155] Die Vereitelung einer in der Zukunft liegenden Vermögenschance wird als sog. faktische Exspektanz nur dann geschützt, wenn sie nach der Verkehrsauffassung derart wahrscheinlich erscheint, dass sie einen messbaren wirtschaftlichen Wert beinhaltet.[156] Dies ist dann der Fall, wenn sie hinreichend konkretisiert ist, auf einer rechtlich legitimen Grundlage basiert und somit dem Inhaber der Erwerbsaussicht eine störungsfreie Entwicklung zum Vollwert ermöglicht.[157] Dies dürfte in einer freien Marktwirtschaft, in der der Leistungsaustausch von verschiedensten Faktoren abhängt, nur äußerst selten der Fall sein. Im Regelfall ist davon auszugehen, dass mehrere Mitbewerber um die Erteilung eines Auftrags konkurrieren. Eine Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Entscheidung über die Erteilung des Auftrags bei unterbliebener Bestechung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zugunsten eines bestimmten Mitbewerbers ausgefallen wäre, wird in den seltensten Fällen vorliegen.[158] In der Praxis mögen in den Unternehmen häufig interne Einkaufsrichtlinien oder ähnliche Vergabekriterien existieren, die festlegen, nach welchen Kriterien das Unternehmen seine Aufträge vergibt, doch sind diese keinesfalls im Außenverhältnis zu den Anbietern bindend oder gar einklagbar. Dem steht der Grundsatz der Privatautonomie eindeutig entgegen.

 

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Auch weitere Gründe können gegen das Vorliegen einer strafrechtlich geschützten Exspektanz ins Feld geführt werden. So ist nach Hefendehl dafür erforderlich, dass dem Inhaber des Exspektanzobjekts rechtlich anerkannte Möglichkeiten zustehen, externe Störfaktoren, die die Entwicklung zum Vollwert beeinträchtigen könnten, zu unterbinden.[159] Zusätzlich darf sich der Veräußerer des Exspektanzobjekts nicht mehr einseitig sanktionslos von seiner Verpflichtung lösen können. Schließlich muss der potentielle Exspektanzinhaber sein Vorhaben in der Außenwelt hinreichend bekräftigt haben. Von einer nach diesen Vorgaben konkretisierten Erwerbsaussicht wird man bei potentiellen Mitbewerbern allenfalls im Falle bereits bestehender Vertragsbeziehungen zum Vorteilsnehmer ausgehen können. Ansonsten folgt aus dem Prinzip der negativen Abschlussfreiheit, dass trotz der Aufnahme vorvertraglicher Verhandlungen ein Vertragsschluss grundsätzlich in jedem Stadium durch alle beteiligten Parteien abgelehnt werden kann.[160] Da in den bei § 299 StGB vorliegenden Sachverhaltskonstellationen die Exspektanz der jeweilige durch den geschäftlichen Betrieb zu vergebende Auftrag ist, die im Hinblick auf die Auftragsvergabe maßgebliche Phase der Vorteilsgewährung- oder annahme jedoch zwingend vor der Vergabe des Auftrags liegt, kann von einer Verpflichtung des Betriebs zur Vergabe an einen bestimmten Konkurrenten – zumindest im Normalfall – nicht die Rede sein.[161] Der lediglich für Ausnahmefälle anerkannte vorvertragliche Schadensersatzanspruch führt auf der einen Seite zwar zu einer gewissen Sanktionierung des grundlosen Abwendens vom Vertragspartner, auf der anderen Seite führt er jedoch gerade nicht zu einer einklagbaren Verpflichtung zum Abschluss des Hauptvertrags. Der Schadensersatzanspruch ermöglicht es dem Vertragspartner also gerade nicht, sich gegen ein Abwenden im Zuge vorvertraglicher Verhandlungen zur Wehr zu setzen und erfüllt damit nicht die Voraussetzungen einer strafrechtlich geschützten Vermögensexspektanz. Ohne das Vorliegen einer solchen kann im Vorfeld eines zukünftigen möglichen Gewinns aber kein strafrechtlicher Vermögensschutz bestehen. Insofern scheiden auch die Vermögensinteressen der Mitbewerber als ein von § 299 StGB geschütztes Rechtsgut aus.

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