Der geschäftliche Betrieb als "Dritter" im Sinne des § 299 StGB

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bb) Auseinandersetzung mit der vorgebrachten Kritik

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Dennoch genügt es nicht, den Wettbewerbsschutz als das von § 299 StGB geschützte Rechtsgut zu betrachten, ohne sich auch mit den kritischen Stimmen auseinanderzusetzen.[69] Die spärliche Auseinandersetzung in der strafrechtlichen Literatur mit den kritischen Stimmen dürfte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass viele der Autoren zwar den Schutz des freien Wettbewerbs als das vorrangig von § 299 StGB geschützte Rechtsgut einstufen, daneben jedoch noch viele weitere Individualinteressen als mitgeschützt betrachten. Dieses Rechtsgutsbündel führt dazu, dass man sich mit der einzelnen Auffassung weniger differenziert auseinandersetzt und mögliche Abweichungen oder Lücken lediglich durch die Addition eines weiteren Rechtsguts zu schließen versucht.

(1) Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG

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Die Hauptkritik am Schutz des lauteren Wettbewerbs betrifft nicht die grundsätzliche Schutzwürdigkeit eines fairen Wettbewerbs, sondern vielmehr die zuvor schon erwähnte große Unbestimmtheit eines solchen Rechtsguts. Der Wettbewerb ist äußerst vielschichtig und kann daher kaum einheitlich definiert werden.[70] Da das Rechtsgut einer Norm vor allem deren Auslegung ermöglichen soll, besteht bei einem zu weit gefassten Rechtsgut die Gefahr, dass dieses Ziel nicht mehr in sachgerechter Weise erreicht werden kann. Ein verfassungsrechtlicher Einwand gegen den Schutz des freien Wettbewerbs wird daher aus der mangelnden Bestimmtheit des Rechtsguts im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG und der damit verbunden mangelnden Erkennbarkeit des Strafgrundes für den Täter hergeleitet.[71]

Dem Argument der mangelnden Bestimmtheit des Rechtsguts ist aber schon entgegenzuhalten, dass sich das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG nur auf den Tatbestand einer Norm, nicht aber auf das von ihr zu schützende Rechtsgut bezieht.[72] Art. 103 Abs. 2 GG stellt lediglich an die Handlungsbeschreibungen der Norm Anforderungen und umfasst keine Einwände gegen eine zu große Unbestimmtheit des Rechtsguts.[73] Der Täter muss aus der Norm erkennen können, welche Handlungsformen kriminalisiert sind, nicht jedoch, welches Rechtsgut von ihr geschützt wird. Die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens ergibt sich nicht allein aus der Verletzung eines strafrechtlich geschützten Rechtsguts, sondern primär durch die Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale, zu deren Auslegung das jeweilige Rechtsgut herangezogen wird. Die verfassungsrechtlichen Einwände hinsichtlich einer mangelnden Bestimmtheit des Rechtsguts des § 299 StGB können im Ergebnis daher nicht durchgreifen.

(2) Nichtschädigung des gesamtwirtschaftlichen Systems als Argument gegen den Wettbewerbsschutz

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Auch die Ausführungen von Jaques, der aus der Tatsache, dass der freie Wettbewerb in seiner Gesamtheit nicht durch die einzelne Tathandlung beeinträchtigt werden könne, die Ungeeignetheit des Rechtsguts folgert, überzeugen nicht. Diesem Verständnis ist entgegen zu halten, dass weder die einzelne Urkundenfälschung den Beweisverkehr insgesamt erschüttert, noch die einzelne Trunkenheitsfahrt die Sicherheit des Straßenverkehrs allgemein beeinträchtigt.[74] Dass Allgemeinrechtsgüter in ihrer Gesamtheit durch einzelne Taten nicht verletzt werden, ist allgemein anerkannt und im Ergebnis unbeachtlich. Auch der Vergleich mit anderen Straftatbeständen wie der Körperverletzung gem. § 223 StGB und der Freiheitsberaubung gem. § 239 StGB, die unstreitig nicht den Schutz eines freien Wettbewerbs intendieren, hinkt. Es ist durchaus möglich – und wohl oft auch die Regel –, dass sich bestimmte Straftaten auch auf durch andere Normen geschützte Rechtsgüter auswirken. So kann sich der untreue Prokurist einer GmbH gleichzeitig wegen Untreue gem. § 266 StGB, wegen Betrugs gem. § 263 StGB sowie wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gem. § 299 Abs. 1 StGB strafbar machen, wenn er beispielsweise den Einkauf überteuerter Ware veranlasst, weil er dafür vom Auftragnehmer Bestechungszahlungen erhält. Wegen welcher Delikte der Täter schlussendlich verurteilt wird, wird erst auf Konkurrenzebene festzustellen sein. Aufgrund der Verwirklichung mehrerer Delikte kann keinesfalls einem bestimmten Rechtsgut seine Existenzberechtigung abgesprochen werden. Insofern führt die Argumentation Jaques insgesamt ins Leere.

(3) Sinnhaftigkeit eines weit gefassten Wettbewerbsschutzes

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Weiterhin stellt sich die Frage, ob ein ohne Zweifel weit gefasstes Rechtsgut des lauteren Wettbewerbs noch im Stande ist, die systemimmanente Funktion des Rechtsguts zu erfüllen und die Auslegung des Tatbestands zu ermöglichen.[75]

Grundsätzlich muss die Frage gestellt werden, ob das von einer Norm geschützte Rechtsgut so eng gefasst werden soll, dass es möglich ist, bei dessen Beeinträchtigung bereits von einer Strafbarkeit des Täters ausgehen zu können. Je enger und präziser das Rechtsgut beschrieben ist, desto weniger Verhaltensweisen können durch die Beeinträchtigung desselben kriminalisiert werden. Der mit einer zunehmenden Präzisierung des Rechtsguts einhergehende positive Effekt einer besseren Bestimmbarkeit einer möglichen Strafbarkeit bedeutet zugleich eine umfangreichere vorherige Festlegung darauf, welche Verhaltensweisen kriminalisiert werden und welche nicht. Umstände des Einzelfalls können so in einem hohen Maße nicht mitberücksichtigt werden.

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Hinsichtlich der ökonomischen Auswirkungen von Bestechungszahlungen auf den wirtschaftlichen Wettbewerb wurde festgestellt, dass sich diese sehr unterschiedlich auf die verschiedenen Wettbewerbsfunktionen niederschlagen. Das durch § 299 StGB geschützte Rechtsgut zu präzisieren wird damit schwieriger. Zudem birgt eine Präzisierung aber auch die Gefahr, bestimmte Teilaspekte der negativen Auswirkungen nicht abzudecken. Insofern spricht die Vielfältigkeit der ökonomischen Folgen für wichtige Wettbewerbsfunktionen eher für ein allgemein gehaltenes Rechtsgut wie das des freien Wettbewerbs. Dagegen könnte allerdings eingewandt werden, dass der Schutz des lauteren Wettbewerbs nicht allein Sache des Strafrechts ist. Zweifelsohne sind vorrangig das Zivilrecht, allen voran das „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ sowie das „Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen“, für den Wettbewerbsschutz zuständig.[76] Das Strafrecht als „ultima ratio“ ist daher nur auf besonders verwerfliche Wettbewerbsverstöße anwendbar. Welche Verstöße dies konkret sind, vermag ein Rechtsgut des lauteren Wettbewerbs mangels hinreichender Abgrenzung zu zivilrechtlichen Wettbewerbsverstößen allein nicht zu beantworten.

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Jedoch ist dies auch nicht die vornehmliche Aufgabe des Rechtsguts. Die Strafwürdigkeit eines bestimmten Verhaltens folgt nicht allein aus der Verletzung eines eng abgrenzbaren und eindeutig interpretierbaren Rechtsguts.[77] Das Rechtsgut soll lediglich einen Rahmen vorgeben, der durch die jeweilige Norm geschützt werden soll. Auch universelle Werte können durch einen konkreten Tatbestand zu einem zulässigen Strafrechtsgut werden. Die notwendige Einschränkung der Strafwürdigkeit einer Rechtsgutsbeeinträchtigung wird durch die im Tatbestand der Strafnorm geregelte Angriffsweise erreicht.[78] Unter Angriffsweisen versteht man die tatbestandlich vertypten Modalitäten der Rechtsgutsverletzung.[79] Hinsichtlich des § 299 StGB ist dies das Fordern, Sich-versprechen-Lassen oder Annehmen bwz. das Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines Vorteils als Gegenleistung für eine unlautere Bevorzugung. Die eigenständige Existenzberechtigung der Angriffsweise ergibt sich vor allem aus der Tatsache, dass kein Rechtsgebiet und vor allem nicht das Strafrecht einen absoluten Rechtsgüterschutz garantieren kann und will.[80] So schützt das Strafrecht durch den Tatbestand des Betrugs nach § 263 StGB zwar das Rechtsgut „Vermögen“,[81] doch ist dieses keinesfalls umfassend, sondern lediglich innerhalb enger Grenzen durch die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des Delikts geschützt. Beim Diebstahl nach § 242 StGB ist geschütztes Rechtsgut das „Eigentum“,[82] allerdings ist dieses beispielsweise nicht gegen bloße Sachentziehung oder Gebrauchsanmaßung geschützt.[83]

Aus alledem ergibt sich damit, dass der offenen Fassung des Rechtsguts „lauterer Wettbewerb“ keine durchgreifenden Einwände entgegenstehen. Die existenzielle Bedeutung des Wettbewerbs für die Wirtschaftsordnung rechtfertigt dessen strafrechtlichen Schutz.[84]

(4) Europarechtswidrigkeit des Rechtsgutsverständnisses

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Möglicherweise könnte ein mit der Norm intendierter Wettbewerbsschutz allerdings zu einer Europarechtswidrigkeit des § 299 StGB führen.[85] Daraus wiederum wären unter Umständen die Notwendigkeit eines europarechtskonformen Rechtsguts sowie die Ablehnung des Rechtsguts des freien Wettbewerbs zu schließen. Die Europarechtswidrigkeit könnte sich konkret daraus ergeben, dass der EU-RB sowie das EUR-Ü hinsichtlich der Angestelltenbestechung nicht mehr auf Wettbewerbslagen beschränkt sind, sondern vielmehr entscheidend auf eine Pflichtverletzung des Angestellten abstellen.[86] Daher ist fraglich, ob ein Schutz des freien Wettbewerbs dieser Zielsetzung nicht offen zuwiderläuft. Hinzu kommt, dass in einem aktuellen Bericht der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament festgestellt wurde, dass Deutschland die Vorgaben des EU-RB durch die derzeit geltende Fassung des § 299 StGB nicht erfüllt.[87] Auch deshalb könnte argumentiert werden, dass ein Rechtsgut des lauteren Wettbewerbs als europarechtswidrig einzustufen ist.

 

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Diese Argumentation ist jedoch insgesamt nicht plausibel. So hat die Kommission zwar die Beschränkung der Norm auf Wettbewerbsverhältnisse gerügt, nicht aber den generellen Schutz des Wettbewerbs in Frage gestellt. Die europarechtlichen Vorgaben wollen zudem ihrer Intention nach die Schutzzwecke der nationalen Bestechungsverbote erweitern und nicht bereits bestehende verändern oder gar einengen.[88] Daher erscheint es wenig überzeugend, lediglich aus einer möglichen europarechtswidrigen Beschränkung auf Wettbewerbsverzerrungen heraus den generellen Schutz des lauteren Wettbewerbs durch die derzeitige Gesetzesfassung zu verneinen. Die Rüge der Kommission kann unter Umständen allenfalls für die Einbeziehung weiterer Interessen im Rahmen einer europarechtskonformen Auslegung ins Feld geführt werden.[89]

(5) Präzisierung durch Koepsel

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Offen bleibt schließlich noch die Frage, ob der durch Koepsel vorgenommenen Präzisierung des Rechtsguts zu einem „Schutz des Leistungsprinzips als Entscheidungsmaßstab für Bevorzugungen im Wettbewerb“ zugestimmt werden kann.

Zuzubilligen ist ihr zunächst, dass der Leistungswettbewerb als leitendes Grundprinzip der deutschen Wirtschaftsverfassung gilt.[90] Auch die Intention, die nach § 299 StGB mit Strafe bewehrten Verhaltensweisen von sonstigen unlauteren Wettbewerbshandlungen abzugrenzen, ist durchaus verständlich. Schließlich würde sich durch das von Koepsel vorgeschlagene Rechtsgut auch das umstrittene Merkmal der Unlauterkeit besser handhaben lassen. Eine unlautere Wettbewerbsbevorzugung läge demnach immer dann vor, wenn nicht das Leistungsprinzip den Maßstab für eine Bevorzugung im Wettbewerb bietet.[91] Probleme ergeben sich insoweit, als der Terminus des Leistungsprinzips, wie Koepsel selbst eingesteht,[92] zumindest im zivilrechtlichen Wettbewerbsrecht umstritten ist und sein Gebrauch geradezu als „chaotisch“ bezeichnet werden kann.[93] Zwar legt Koepsel durchaus plausibel dar, dass sich die wettbewerbsrechtlichen Unstimmigkeiten nicht „eins zu eins“ auf das Strafrecht übertragen lassen, doch begründet sie dieses Ergebnis vor allem damit, dass das Leistungsprinzip in strafbarer Weise bereits dann verletzt sei, wenn der angebotene Vorteil dem nachfragenden Unternehmen als Leistungsempfänger nicht zugute komme.[94] Eine Präzisierung auf objektivierbare Parameter sei daher nicht erforderlich.

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Wenn dem so ist, dann muss hinterfragt werden, welche zusätzliche Aussagekraft von dem von Koepsel entwickelten Rechtsgut des „Leistungsprinzips als Entscheidungsmaßstab für Bevorzugungen im Wettbewerb“ im Gegensatz zum „lauteren Wettbewerb“ ausgeht. Das Rechtsgut ist nach Koepsel bereits immer dann verletzt, wenn Vorteilsempfänger und Nachfrager der Leistung auseinanderfallen. Ob dem im Ergebnis zugestimmt werden kann, ist fraglich. Koepsel selbst räumt ein, dass es Einzelfälle geben mag, in denen das Leistungsprinzip verletzt ist, obwohl Nachfrager der Leistung und Vorteilsempfänger identisch sind, und bezieht sich dabei insbesondere auf den Fall, in dem das Unternehmen des Angestellten der Vorteilsempfänger ist.[95] Eine Präzisierung mit Gegenausnahmen scheint für ein besseres Normverständnis aber wenig hilfreich.

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Die nach Koepsel bestehende Notwendigkeit einer Präzisierung der Rechtsgutsbestimmung kann auch grundsätzlich in Frage gestellt werden. So wurde bereits umfassend erörtert, dass sich die Strafwürdigkeit eines bestimmten Verhaltens nicht allein aus der Verletzung eines von der Norm geschützten Rechtsguts ergibt, sondern letzteres lediglich einen gewissen Ordnungsrahmen vorgibt. Eine Präzisierung strafwürdiger Fälle ließe sich daher ebenso gut mit Hilfe der im Tatbestand typisierten Angriffsweise erreichen, ohne das Rechtsgut über die Maßen einzugrenzen.

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Trotz der möglichen Kritik bleibt aber festzuhalten, dass dem Rechtsgutsverständnis von Koepsel keine tiefgreifenden Bedenken entgegenstehen. Allerdings müsste bei der hier zu erörternden Frage einer Strafbarkeit bei Bestechungszahlungen zugunsten der Anstellungskörperschaft des Vorteilsannehmenden – würde man der von Koepsel vorgeschlagenen Präzisierung folgen – eine Rückausnahme gebildet werden. Denn in diesem Fall sind Nachfrager der Leistung und Vorteilsempfänger zwar identisch, eine Strafbarkeit kommt aber dennoch in Betracht. Deshalb soll mit Blick auf den konkreten Untersuchungsgegenstand, für den das Rechtsgutsverständnis Koepsels nicht weiterführend ist, die von ihr vorgeschlagene Präzisierung keine weitere Berücksichtigung finden.

c) Zwischenergebnis

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Damit ist das Kollektivinteresse des lauteren Wettbewerbs als Rechtsgut des § 299 StGB anzusehen. Ein liberaler Wettbewerb verlangt einen rechtlichen Ordnungsrahmen, der die Freiheit und die Chancengleichheit der einzelnen Wettbewerber garantiert. Dieser Rahmen wird durch die Wettbewerbsgesetze, also das GWB, das UWG, aber auch durch die Strafvorschrift des § 299 StGB garantiert. Dass der Begriff des Wettbewerbs dehnbar, im Einzelnen offen ist und unterschiedliche Ausgestaltungen zulässt, steht dem nicht entgegen,[96] ebenso wenig wie das Bestimmtheitsgebot des Art 103 Abs. 2 GG, welches sich lediglich auf den Tatbestand einer Norm bezieht.[97] Ob die Vorschrift des § 299 StGB neben dem freien Wettbewerb noch weitere Rechtsgüter strafrechtlich schützt, wird im Folgenden zu klären sein.

2. Schutz der Mitbewerber

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Fraglich ist, ob auch die Mitbewerber durch § 299 StGB geschützt sind. Dadurch würde die Vorschrift einen individualschützenden Charakter erhalten.

a) Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung

aa) Strafrechtliche Literatur

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Die Mehrheit der strafrechtlichen Literatur sieht auch die Mitbewerber als von § 299 StGB geschützt an.[98] Der Schutz wird entweder als gleichrangig neben dem Schutz des Wettbewerbs betrachtet oder diesem gegenüber als nachrangig angesehen.[99] Zumeist werden hier ohne weitere Begründung die Mitbewerber als durch § 299 StGB (mit)-geschützt benannt.[100] Teilweise werden präzisierend die Chancengleichheit und die Vermögensinteressen der Mitbewerber sowohl einzeln als auch kumuliert ins Feld geführt.[101] Im Gegensatz zu der generellen Einbeziehung einer Rechtsträgergruppe sehen die spezielleren Ansichten damit bestimmte Rechte und Interessen der Mitbewerber als beeinträchtigt an. Auf diese speziellen Interessen soll im Anschluss an die Kritik zu einer generellen Einbeziehung der Mitbewerberinteressen eingegangen werden.

bb) Rechtsprechung

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Das Reichsgericht äußerte sich in einer Entscheidung aus dem Jahr 1913 dahingehend, dass durch § 12 UWG a.F. vornehmlich nicht die Unternehmen vor Pflichtwidrigkeiten ihrer Angestellten oder Beauftragten, sondern vielmehr die Mitbewerber gegen eine bestimmte Form des unlauteren Wettbewerbs geschützt werden sollten.[102] Dieser Linie blieb das Reichsgericht in nachfolgenden Entscheidungen treu.[103] Auch der BGH hat die Mitbewerberinteressen in der sog. Bierexport-Entscheidung als von § 12 UWG a.F. geschützt anerkannt und ausgeführt, dass die Vorschrift in erster Linie den Schutz der Mitbewerber, vor denen der Bestechende sich einen unzulässigen Vorteil verschaffen will, bezwecke.[104] In späteren Entscheidungen wurde diese Auffassung zumindest nicht mehr widerrufen. Auch zu einem spezielleren Schutz der Chancengleichheit führte der BGH in Bezug auf § 12 UWG a.F. aus, dass die Norm auf ihrem Gebiet die Gleichheit der Aussichten der Mitbewerber schütze.[105] Damit deutet der BGH zumindest an, dass er die Chancengleichheit der Mitbewerber als geschütztes Rechtsgut des § 12 UWG a.F. anerkennt. Die Frage, ob die Vorschrift des § 299 StGB die Mitbewerber speziell in ihrem Vermögen schützt, wurde von der Rechtsprechung hingegen noch nicht thematisiert.

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Insgesamt steht die Rechtsprechung damit einem Rechtsgut der Mitbewerberinteressen nicht entgegen. Allerdings existieren zu der aktuellen Norm des § 299 StGB – soweit ersichtlich – keine höchstrichterlichen Entscheidungen, die eine Einbeziehung der Mitbewerberinteressen ausdrücklich bestätigen oder gar fordern. Doch lassen sich die Ansichten zu § 12 UWG a.F. wohl auch auf die aktuelle Vorschrift des § 299 StGB übertragen.

b) Eigene Stellungnahme

aa) Argumente aus Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte der Norm

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Die Einbeziehung der Mitbewerber in den Schutzbereich der Norm des § 299 StGB erscheint zunächst nach dem Wortlaut geboten. Erneut ist hier auf den Wettbewerbsbezug der Vorschrift abzustellen. So ist in Abs. 1 von einem Handeln im Wettbewerb, in Abs. 2 zu Zwecken des Wettbewerbs die Rede. Beide Tatmodalitäten erfordern damit neben dem Wettbewerbsbezug indirekt auch ein Konkurrenzverhältnis des Gewährenden zu etwaigen Mitbewerbern. Zudem ist im Tatbestand von einer Bevorzugung die Rede. Eine solche kann es nur dort geben, wo andere zugleich benachteiligt werden.[106]

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Doch ist zu beachten, dass eine konkrete Benachteiligung von Mitbewerbern für die Tatbestandsverwirklichung nicht erforderlich ist.[107] Da das Wettbewerbsverhältnis erst zum Zeitpunkt der Bevorzugung und nicht bereits zum Tatzeitpunkt vorliegen muss, die Bevorzugung allerdings erst nach Vollendung der Tat erfolgen kann und nachträglich eingetretene Umstände im Strafrecht keine Berücksichtigung finden, ist zu keinem Zeitpunkt das tatsächliche Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses erforderlich.[108] Dem Charakter eines abstrakten Gefährdungsdelikts entsprechend genügt die Vorstellung des Täters, auf dem Markt, auf dem die Bevorzugung erfolgen soll, werde Wettbewerb stattfinden.[109] Da insofern eine Strafbarkeit nach § 299 StGB auch ohne eine direkte Benachteiligung von Mitbewerbern möglich ist, sind Fälle denkbar, in denen ohne die Verletzung dieses Rechtsguts der Tatbestand des § 299 StGB erfüllt wäre. Daher erscheint die generelle Einbeziehung der Mitbewerberinteressen nicht zwingend geboten.[110]

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Aus systematischer Sicht könnte die Regelung unter dem 26. Abschnitt für einen Mitbewerberschutz sprechen. Allerdings ließe sich auch dagegen die weitgehende Bedeutungslosigkeit eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses im Zeitpunkt der Tatbegehung für eine Strafbarkeit nach § 299 StGB ins Feld führen.

Historisch stand der Gedanke des Mitbewerberschutzes im Wettbewerbsrecht lange Zeit im Vordergrund.[111] Zweifellos bezwecken die meisten wettbewerbsrechtlichen Normen noch heute einen – zumindest mittelbaren – Schutz der Mitbewerber vor den sich unlauter verhaltenden Wettbewerbern. Zwingende historische Argumente in Bezug auf § 299 StGB, wonach sich der Schutz der Norm ausdrücklich auf die Mitbewerber bezieht oder sich gar darin erschöpft, sind jedoch auch hier nicht erkennbar.

Aus Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte der Norm sind daher keine durchschlagenden Argumente für oder gegen einen Schutz der Mitbewerber durch § 299 StGB ersichtlich.