Der geschäftliche Betrieb als "Dritter" im Sinne des § 299 StGB

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Teil 2 Grundsätzliche Erwägungen › B. Ökonomische Grundlagen des wirtschaftlichen Wettbewerbs

B. Ökonomische Grundlagen des wirtschaftlichen Wettbewerbs

48

Wie schon die Entstehungsgeschichte des § 299 StGB zeigt, weist die Norm einen engen Bezug zum wirtschaftlichen Wettbewerb auf. Dies belegen zudem die jetzige Stellung im 26. Abschnitt des StGB mit der Überschrift „Straftaten gegen den Wettbewerb“ sowie der Wortlaut der Norm, welcher in Abs. 1 ein Handeln „im Wettbewerb“ und in Abs. 2 ein Handeln „zu Zwecken des Wettbewerbs“ verlangt.

Im Rahmen der Auseinandersetzung mit § 299 StGB gehen dennoch nur wenige der Autoren auf die Frage ein, was sich hinter dem Begriff des wirtschaftlichen Wettbewerbs eigentlich verbirgt. Fast immer wird pauschal auf den Schutz des freien Wettbewerbs durch die Norm und die Beeinträchtigung desselben durch Bestechungszahlungen hingewiesen. Tiedemann bemerkte in diesem Kontext bereits im Jahr 1976 in einem Beitrag über das Verhältnis von Wettbewerbsrecht und Strafrecht äußerst treffend: „Freilich erhoffen sich Wirtschaftsrechtler und Wirtschaftspolitiker meist wenig, richtiger ausgedrückt: nichts, von dem Einsatz des Kriminalstrafrechts und von der Beschäftigung mit dieser Assoziation von Mord und Totschlag, Raub und Vergewaltigung weckenden Materie, während die Strafrechtler üblicherweise wenig Lust zeigen, das Wettbewerbsgeschehen und seine Pathologie in das Blickfeld ihrer Untersuchungen einzubeziehen.“[1] Die Schädlichkeit einer isolierten Betrachtung beider Materien liegt jedoch auf der Hand.[2] Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des § 299 StGB ist zumindest ein gewisses Grundverständnis des wirtschaftlichen Wettbewerbs von Nöten, um sich so die genauen Auswirkungen von Bestechungszahlungen besser vor Augen führen zu können. Wenn die Vorfrage nicht beantwortet wird, was wirtschaftlicher Wettbewerb überhaupt bedeutet und welche ökonomischen und gesellschaftspolitischen Funktionen diesem beigemessen werden können, so wird in der Folge die Lösung der Frage erschwert, inwiefern genau der freie Wettbewerb durch die Vorschrift des § 299 StGB vor Bestechungszahlungen strafrechtlich geschützt werden soll.

49

Eine intensive und ausführliche Auseinandersetzung mit den ökonomischen Grundlagen des Wettbewerbs, welche primär dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften zuzuordnen sind, wird in dieser Arbeit dennoch nicht erfolgen. Ziel ist es vielmehr, die wesentlichen Grundbegriffe des wirtschaftlichen Wettbewerbs zu erarbeiten, um so das für den Untersuchungsgegenstand erforderliche Grundverständnis zu schaffen.

Teil 2 Grundsätzliche Erwägungen › B › I. Begriff des wirtschaftlichen Wettbewerbs

I. Begriff des wirtschaftlichen Wettbewerbs

50

Zunächst einmal sollte vorangestellt werden, dass der Begriff des Wettbewerbs kein Rechtsbegriff im eigentlichen Sinne ist. Vielmehr stellt er ein natürliches Phänomen dar und ist in vielen Bereichen menschlichen Lebens anzutreffen.[3] Der Wettbewerbsbegriff hat seinen Ursprung in dem Wort „Konkurrenz“, welches seinerseits auf das französische „concurrence“ und das lateinische „concurrere“ zurückzuführen ist.[4] Wettbewerb gibt es beispielsweise in der Kunst um gesellschaftliche Anerkennung, im Sport um den Sieg, im Beruf um die Besetzung einer höheren Position, in der Politik um die Macht sowie in dem hier interessierenden Bereich der Wirtschaft um den Absatz auf Anbieter- oder die Abnahme von Produkten auf Nachfragerseite.[5] Als natürliches Phänomen kann man den Wettbewerb allerdings eher beschreiben als verbindlich definieren. Ganz allgemein geht es im Wettbewerb stets um die Rivalität mindestens zweier Personen um die Erreichung eines gleichen Ziels, welches jedoch nicht von beiden gleichzeitig oder zumindest nicht in gleichem Maße erreicht werden kann.[6] Auf den wirtschaftlichen Bereich bezogen bedeutet Wettbewerb damit Konkurrenz der Teilnehmer auf einem Markt um die Verwertung von Waren und Dienstleistungen auf Anbieterseite bzw. um die Beschaffung derselben auf Seiten der Nachfrager. Diese allgemeine Feststellung kann als eine erste Umschreibung des Wettbewerbsbegriffs dienen, stellt allerdings keinesfalls eine verbindliche und vollständige Definition dar.

51

Trotz seines Bezugs zu den unterschiedlichsten Bereichen menschlichen Lebens und des hohen Abstraktionsgrades gab es im Schrifttum zahlreiche Versuche, den wirtschaftlichen Wettbewerb verbindlich zu definieren.[7] Doch herrscht sowohl unter Juristen als auch unter Wirtschaftswissenschaftlern eine große Divergenz und Unsicherheit im Gebrauch des Begriffs „Wettbewerb“.[8] Ein Konsens hinsichtlich einer allgemein gültigen Wettbewerbsdefinition konnte bislang nicht erzielt werden. Die Komplexität des Sachgebiets sowie die Tatsache, dass es sich beim wirtschaftlichen Wettbewerb um ein Entdeckungsverfahren[9] handelt, welches als solches für neue Ergebnisse, Strukturen und Verhaltensweisen offen sein muss, standen den Definitionsversuchen stets im Weg. Mittlerweile geht deshalb die überwiegende Auffassung in der juristischen und auch wirtschaftswissenschaftlichen Literatur davon aus, dass eine einheitliche Definition des Wettbewerbs schlichtweg nicht möglich ist.[10] In der Folge ist es auch nicht verwunderlich, dass sich der Gesetzgeber einer Legaldefinition des Wettbewerbs enthalten hat. In keiner wettbewerbsrechtlichen Vorschrift wird der Begriff allgemein verbindlich definiert. Dieses für komplexe Begriffe aus interdisziplinäreren Bereichen nicht ungewöhnliche Vorgehen des Gesetzgebers erschwert allerdings im Allgemeinen die praktische Anwendung wettbewerbsrechtlicher Normen.

52

Für den im Rahmen dieser Arbeit zu untersuchenden Bereich des § 299 StGB kann das Fehlen einer präzisen und verbindlichen Wettbewerbsdefinition aber zunächst hingenommen werden.[11] So kann wie gezeigt keine Definition lückenlos alle Aspekte des Wettbewerbsbegriffs erfassen. Die Mängel bei der Begriffsbestimmung gilt es aber durch eine genaue Beschreibung der Voraussetzungen des wirtschaftlichen Wettbewerbs sowie der wesentlichen Wettbewerbsfunktionen auszugleichen, um so ein besseres Verständnis hinsichtlich der verschiedenen Auswirkungen von Bestechungszahlungen zu erhalten.

Teil 2 Grundsätzliche Erwägungen › B › II. Voraussetzungen des wirtschaftlichen Wettbewerbs und Aufgabe des Wettbewerbsrechts

II. Voraussetzungen des wirtschaftlichen Wettbewerbs und Aufgabe des Wettbewerbsrechts

53

Wichtigste Grundvoraussetzung für das Entstehen von Konkurrenz und damit Wettbewerb auf dem Markt ist die Gewährleistung unternehmerischer Betätigungsfreiheit.[12] Dazu ist eine Rechtsordnung erforderlich, die den Marktteilnehmern Eigentums- und Verfügungsrechte zuspricht, ihnen durch die Gewerbefreiheit die Marktteilnahme ermöglicht, durch die Vertragsfreiheit die Wahl der Vertragspartner überlässt, die ein funktionsfähiges Währungs- und Bankensystem etabliert und schließlich den Wettbewerb vor Beschränkungen schützt.[13] Die dafür notwendigen Regeln gilt es durch Gesetz und Gewohnheit zu bestimmen.[14]

Die Gewährleistung dieser Voraussetzungen allein genügt jedoch nicht. Wettbewerber müssen nicht nur fähig sein, am Wirtschaftsprozess teilzunehmen, sondern auch gewillt sein, sich wettbewerbsmäßig zu verhalten und die Konkurrenz zu anderen Marktteilnehmern zu suchen.[15] Dazu muss sowohl auf Anbieter- als auch auf Nachfragerseite ein Maximum von Transparenz auf den Märkten bestehen, damit eine freie Entscheidungsfindung ermöglicht wird. Des Weiteren müssen die Teilnehmer über die notwendigen technischen und finanziellen Ressourcen verfügen, um neue Produkte am Markt zu etablieren oder auch um die vorhandenen entsprechend verwerten zu können.[16] Auch dürfen für Wettbewerber keine zu hohen Markteintritts- oder auch Austrittschranken bestehen. Schließlich müssen die Freiheit und Neutralität eines sich rechtstreu verhaltenden Mitbewerbers gewährleistet werden.[17]

54

Aufgabe des Wettbewerbsrechts ist es also, das Funktionieren des Wettbewerbs in seiner Gesamtheit durch Regeln sicher zu stellen. Dahinter steht der Gedanke, dass für die marktwirtschaftliche Gesellschaftsordnung das Funktionieren eines auf dem Leistungsprinzip[18] beruhenden Wettbewerbs sowie das Bewusstsein in der Bevölkerung von der Rationalität und Offenheit des Marktes schlichtweg konstituierend sind.[19] Sind die Grundvoraussetzungen für das Entstehen des wirtschaftlichen Wettbewerbs vorhanden, kann dieser seine wettbewerbspolitischen und ökonomischen Funktionen entfalten.

Teil 2 Grundsätzliche Erwägungen › B › III. Funktionen des wirtschaftlichen Wettbewerbs

III. Funktionen des wirtschaftlichen Wettbewerbs

55

Unabhängig von den Problemen bei der exakten Bestimmung des Wettbewerbsbegriffs herrscht Einigkeit darüber, dass der Wettbewerb sowohl gesellschafts- als auch wirtschaftspolitisch gewünschte Funktionen[20] erfüllt.[21] Die Darstellung dieser Funktionen kann an späterer Stelle möglicherweise wichtige Aufschlüsse darüber geben, inwieweit sie genau durch Bestechungszahlungen vereitelt oder zumindest erschwert werden und folglich auch durch § 299 StGB strafrechtlich zu schützen sind. Da die exakte Bestimmung der Wettbewerbsfunktionen einen klaren gesellschaftswissenschaftlichen bzw. wirtschaftswissenschaftlichen Kontext aufweist, soll nachfolgend ein zusammenfassender Überblick über die wichtigsten Funktionen des wirtschaftlichen Wettbewerbs gegeben werden. Eine umfangreiche Auseinandersetzung ist nicht geboten, da trotz zum Teil erheblich auseinandergehender Detailaussagen über die erwarteten Wettbewerbswirkungen ein Grundkonsens über die Hauptfunktionen besteht.[22] Dabei ist zu beachten, dass die angestrebten Wettbewerbsfunktionen eine Art Wunschzustand darstellen und keinesfalls allesamt in der Realität erfüllt werden können.

 

1. Ökonomische Funktionen des wirtschaftlichen Wettbewerbs

56

Eine elementare Aufgabe einer modernen Volkswirtschaft ist die Verminderung der bestehenden Güterknappheit.[23] Natürliche Ressourcen sowie produzierte Waren und Dienstleistungen sind nur begrenzt vorhanden oder können nur in begrenzter Form sinnvoll produziert oder angeboten werden. Der Einsatz von Produktionsfaktoren muss so erfolgen, dass die privaten und öffentlichen Bedürfnisse erfüllt werden und so der Wohlstand der Gesellschaft anwächst.[24] In der freien Marktwirtschaft erfolgen Produktion und Vermarktung von Gütern dezentral und nach egoistischen Motiven. Damit dennoch eine möglichst breite Versorgung mit den benötigten Gütern erreicht werden kann, ist ein System erforderlich, welches der Güterknappheit entgegenwirkt. Dieses System ist der marktwirtschaftliche Preismechanismus.[25] Die Preise entscheiden über Produktion, Verkauf und Abnahme der Produkte. Da der einzelne Marktteilnehmer im Wirtschaftsverkehr in der Regel vorrangig an einem möglichst großen Gewinn interessiert ist, ist der Wettbewerb wichtigste Voraussetzung für das Funktionieren des Preismechanismus. Zudem ist er ein entscheidender Faktor bei der Reduzierung der Güterknappheit.[26] Durch einen funktionierenden Preismechanismus können die verschiedenen ökonomischen Lenkungsfunktionen des Wettbewerbs erfüllt werden, die nachfolgend jeweils kurz skizziert werden.

a) Anpassungs- oder Steuerungsfunktion

57

Die erste ökonomische Lenkungsfunktion des Wettbewerbs ist die Anpassungsfunktion.[27] Damit ist eine langfristige Anpassung der Güterproduktion sowie des Angebots an Dienstleistungen auf dem Markt in Art, Qualität und Quantität an die Nachfrage nach den Produkten gemeint.[28] Voraussetzung dafür ist ein funktionsfähiges Preissystem, welches die Knappheit der jeweiligen Güter signalisiert. Steigt die Nachfrage an einem Produkt, so lockt der steigende Marktpreis mehr Anbieter auf den Markt. Wird die zusätzliche Nachfrage dann befriedigt, sinkt der Preis wieder und verhindert so einen weiteren Zustrom von Anbietern.[29] Die Folge ist ein dynamischer Anpassungsprozess von Angebot und Nachfrage wie er durch einen freien Wettbewerb erreicht wird.

b) Allokationsfunktion

58

Unmittelbar mit der Anpassungsfunktion verknüpft ist die Allokationsfunktion. Gemeint ist damit die effizienteste Verwendung knapper Ressourcen, um ein Maximum an Produktivität zu erreichen.[30] Auch hier lenken die durch den Wettbewerb erzeugten Preise die Produktionsfaktoren in die Wirtschaftsbereiche, in denen sie am dringendsten benötigt werden oder aber am wirksamsten eingesetzt werden können.

c) Verteilungsfunktion

59

Wiederum mit der Allokationsfunktion verknüpft ist die Verteilungsfunktion. Den höchsten Gewinn erzielt in der Regel derjenige Marktteilnehmer, der die Wünsche der Nachfrager am besten zu befriedigen vermag. Insofern belohnt der Wettbewerb Erfolg und schafft zugleich einen Anreiz, wohlstandssteigernde Aktivitäten einzuleiten.[31] Nicht leistungsbezogene Aktivitäten und daraus folgende Einkommen hingegen werden durch ein Ausbleiben eines befriedigenden Gewinns verhindert.[32]

d) Fortschrittsfunktion

60

Die Konkurrenz der anderen Marktteilnehmer und die Wahlmöglichkeiten der Abnehmer zwingen den einzelnen Unternehmer dazu, neue Produkte zu entwickeln, technische Verbesserungen vorzunehmen und betriebliche Abläufe zu modernisieren.[33] Der ständige Wettlauf ermöglicht damit Innovation und Fortschritt auf dem Markt. Die Entwicklung neuer Produkte kann auch zu einem erhöhten Öffentlichkeitsinteresse und damit zu einem weiteren wirtschaftlichen Erfolg führen. Dies belegen beispielsweise medienwirksam gestaltete Messen wie die Internationale Automobilausstellung (IAA) oder die Cebit als weltweit größte Messe für Informationstechnologie, auf denen regelmäßig eine Vielzahl technischer Innovationen und Entwicklungen vorgestellt werden.

e) Auslesefunktion

61

Schließlich bedeutet Wettbewerb auch einen Ausleseprozess. Die Entlohnung der erbrachten Leistungen richtet sich – wie bereits erwähnt – im Grundsatz nach der Fähigkeit des Unternehmers, die Bedürfnisse seiner Kunden bedarfsgerecht zu befriedigen. Wer neue Entwicklungen verpasst oder unwirtschaftlich produziert, dem wird die Teilnahme am Wettbewerb erschwert oder er wird gar gänzlich vom Markt verdrängt. Auf diese Weise sorgt der Wettbewerb dafür, dass sich nur die leistungsstärksten Unternehmen am Markt behaupten können, was auch gesamtwirtschaftlich als sinnvoll zu betrachten ist.

2. Gesellschaftspolitische Funktionen des wirtschaftlichen Wettbewerbs

62

Neben den aufgezeigten ökonomischen Lenkungsunktionen erfüllt der wirtschaftliche Wettbewerb auch wichtige gesellschaftspolitische Funktionen:

a) Freiheitsfunktion

63

Als gesellschaftspolitische Funktionen des Wettbewerbs werden vor allem die Sicherung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit und die breite Streuung ökonomischer Macht betrachtet.[34] Der wirtschaftliche Wettbewerb eröffnet den Menschen Freiheitsräume. So können die Nachfrager zwischen verschiedenen Angeboten auswählen und Anbieter sich in der Produktion und dem Vertrieb auf bestimmte Nachfragergruppen konzentrieren.[35] Zudem steht es allen Akteuren frei, selbst zu entscheiden ob, wie und in welchem Umfang sie sich am wirtschaftlichen Wettbewerb beteiligen möchten. Dabei ist es ein gesellschaftspolitischer Grundsatz der Freiheit, dass diese dort endet, wo andere in unangemessener Weise in ihrer Freiheit beeinträchtigt werden. Dieser Grundsatz ist verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 1 GG normiert und gilt auch für die Wettbewerbsfreiheit. Die Freiheit der Marktteilnehmer ist jedoch nicht nur gesellschaftspolitisches Ziel eines funktionierenden Wettbewerbs, sondern zugleich auch wichtigste Voraussetzung für dessen Entstehung.[36]

b) Kontrollfunktion

64

Eng mit der Freiheitsfunktion verknüpft ist die Kontrollfunktion des Wettbewerbs. Gemeint ist damit zum einen die gegenseitige Kontrolle von Marktteilnehmern im Austauschprozess. Da beide Parteien an einem Vertragsschluss interessiert sind, werden sie in der Regel zu Kompromissen bereit sein.[37] Zum anderen wird auch eine gegenseitige Kontrolle von Wettbewerbern auf der gleichen Marktseite ermöglicht, denn diese müssen sich an den Preisen ihrer Konkurrenten messen lassen. Die Folge beider Kontrollmechanismen ist die Verhinderung überhöhter Preise, welche sich auf dem Markt in der Regel nicht durchsetzen können.

Teil 2 Grundsätzliche Erwägungen › B › IV. Auswirkungen von Bestechungszahlungen

IV. Auswirkungen von Bestechungszahlungen

65

Im Anschluss an die Darstellung der Wettbewerbsfunktionen sind abschließend die ökonomischen Auswirkungen von Bestechungszahlungen unter Einbeziehung der soeben gewonnenen Erkenntnisse in den Blick zu nehmen.[38] Diese Auswirkungen waren es schließlich, die den Gesetzgeber Anfang des 20. Jahrhunderts dazu bewogen haben, die Bestechung und Bestechlichkeit im Wirtschaftsverkehr unter Strafe zu stellen. Insofern kann die ökonomische Analyse auch wichtige Anhaltspunkte für die nachfolgende rechtliche Auseinandersetzung mit dem Bestechungsverbot des § 299 StGB liefern. Zu beachten ist jedoch, dass hinsichtlich der ökonomischen Auswirkungen von Bestechungszahlungen nur wenige empirisch belegte Erkenntnisse vorliegen. Zu unterschiedlich scheinen die Vorgehensweisen der Tatbeteiligten und in dessen Folge auch die Auswirkungen der Taten zu sein. Zudem ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, die die wissenschaftliche Aufarbeitung erschwert. Dennoch ergeben sich manche Auswirkungen nahezu als zwingende Folge von Bestechungszahlungen, ohne dass hierzu im Einzelnen stets ein empirischer Nachweis erforderlich erscheint.

66

Bei der nachfolgenden Darstellung der ökonomischen Auswirkungen soll der Anschaulichkeit halber von einem den Unrechtstypus der Bestechung im Wirtschaftsbereich repräsentierenden Normalfall ausgegangen werden:

Der Mitarbeiter des in Konkurrenz zu anderen Wettbewerbern stehenden Unternehmens A lässt dem für den Einkauf verantwortlichen Mitarbeiter des Unternehmens B eine Geldzahlung zukommen, um bei der späteren Auftragsvergabe den Zuschlag für sein Unternehmen zu erhalten.

Bei diesem Beispielsfall ist der Tatbestand des § 299 StGB bei Annahme der Geldzahlung durch den Mitarbeiter sowohl auf Geber- als auch auf Nehmerseite zweifellos erfüllt.

1. Auswirkungen auf den Wettbewerbsprozess als solchen

67

Zunächst einmal ist festzustellen, dass sich Bestechungszahlungen in unterschiedlicher Weise auf den Wettbewerbsprozess auswirken. Die Auswirkungen von Bestechungszahlungen betreffen meist sämtliche der oben angesprochenen Wettbewerbsfunktionen.[39] So bestimmt sich die Entscheidung über den Bezug eines Produkts im oben geschilderten Fall einer Bestechungszahlung nicht mehr nach den Regeln des Wettbewerbs und einem funktionsfähigen Preismechanismus, sondern primär nach eigennützigen Motiven, die mit dem Erhalt des Vorteils verbunden sind.[40] Die Regeln des Wettbewerbs werden damit in seiner Gesamtheit unterlaufen. Der Markt ist nicht mehr transparent, aus ökonomischer Sicht werden Produktion und Vertrieb nicht mehr an die Knappheit der Güter angepasst und so wird die Anpassungsfunktion des Wettbewerbs beeinflusst. Da der Gewinn nicht mehr an die Fähigkeit zur Erstellung des besten Angebots geknüpft ist, technische Neuerungen und Verbesserungen vom Markt nicht mehr honoriert werden und sich schließlich auch unproduktive Unternehmen am Markt behaupten können, sind ferner Verteilungs-, Fortschritts- sowie Auslesefunktion des wirtschaftlichen Wettbewerbs beeinträchtigt. Die Auswirkungen auf den Wettbewerbsprozess und dessen Funktionen stellen sich hier als logische Konsequenz der Zahlung von Bestechungsgeldern dar. Eines empirischen Beleges bedarf es hierzu nicht.

68

Auch die strafrechtliche Fachliteratur erkennt – in Übereinstimmung mit der ökonomischen Betrachtungsweise – die oben festgestellten Beeinträchtigungen der Wettbewerbsfunktionen an. So wird als Folge der Wirtschaftskorruption vor allem das Entstehen von Wettbewerbsverzerrungen genannt.[41] An die Stelle des Leistungskriteriums bei der Wahl eines Produkts oder einer Dienstleistung trete eine finanzielle oder andersartige ungerechtfertigte Leistung.[42] Zudem entfalle der Anreiz seitens der Hersteller zur Verbesserung der Ware, da nicht mehr die Produktparameter, sondern die Summe des gezahlten Schmiergelds über den Absatzerfolg entscheiden würde.[43] Schließlich führe die Notwendigkeit der Finanzierung von Bestechungszahlungen auch zu Preiserhöhungen sowie Qualitätseinbußen der Ware.[44] Zusammenfassend stellt etwa Pfefferle fest, dass im Ergebnis ein schlechteres Produkt zu einem höheren Preis in den Wirtschaftskreislauf gerate, was wiederum zu einer Schadensverlagerung auf den Endkunden führe und so das gesamtwirtschaftliche System des fairen Wettbewerbs beschädige und zugleich das „bessere“ Unternehmen benachteilige.[45]

 

Meist wird von Seiten der Literatur pauschal auf eine Wettbewerbsbeeinträchtigung hingewiesen, ohne einen Bezug zu den einzelnen Wettbewerbsfunktionen herzustellen.[46] In der Sache ist damit jedoch nichts anderes gemeint als die oben dargestellten unterschiedlichen Auswirkungen auf den Wettbewerbsprozess und seine Funktionen.