Nachtasyl

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Personen

Kostýlew, Michail Iwánow, 54 Jahre alt, Herbergswirt.

Wassilíssa Kárpowna, seine Frau, 26 Jahre alt.

Natáscha, ihre Schwester, 20 Jahre alt.

Medwédew, Onkel der beiden, Polizist, 50 Jahre alt.

Wásjka Pépel, 28 Jahre alt.

Kleschtsch, Andrej Mitrítsch, Schlosser, 40 Jahre alt.

Ánna, seine Frau, 30 Jahre alt.

Nástja, ein Mädchen, 24 Jahre alt.

Kwaschnjá, ein Hökerweib, etwa 40 Jahre alt.

Bubnów, Mützenmacher, 45 Jahre alt.

Sátin, etwa 40 Jahre alt.

Ein Schauspieler, 40 Jahre alt.

Ein Baron, 32 Jahre alt.

Luká, ein Pilger, 60 Jahre alt.

Aljóschka, ein Schuhmacher, 20 Jahre alt.

Schiefkopf

Ein Tatar

Ein paar Landstreicher ohne Namen – stumme Rollen.

Inhaltsverzeichnis

Personen

Erster Aufzug

Zweiter Aufzug

Dritter Aufzug

Vierter Aufzug

Impressum

Erster Aufzug

Ein höhlenartiger Kellerraum. Die massive, schwere Deckenwölbung ist von Rauch geschwärzt, ihr Kalkbewurf abgefallen. Das Licht fällt vom Zuschauer her auf die Bühne, und von oben nach unten, durch ein quadratisches Fenster auf der rechten Seite. Die rechte Ecke wird von Pepels Kammer eingenommen, die durch dünne Scheidewände von dem übrigen Raum abgetrennt ist; neben der Tür, die in diese Kammer führt, befindet sich Bubnows Pritsche. In der linken Ecke ein großer russischer Ofen; in der linken, massiven Wand die Tür zur Küche, in der Kwaschnja, der Baron und Nastja wohnen. Zwischen dem Ofen und der Tür an der Wand ein breites Bett, das ein unsauberer Kattunvorhang verbirgt. Überall an den Wänden Pritschen. Im Vordergrund an der Wand links ein Holzklotz mit einem Schraubstock und einem kleinen Amboß, die beide an dem Klotz befestigt sind; vor diesem ein zweiter, kleinerer Holzklotz, auf dem Kleschtsch vor dem Amboß sitzt. Er hat ein paar alte Schlösser in Arbeit, in die er Schlüssel einpaßt. Zu seinen Füßen zwei große Bunde verschiedener Schlüssel, die auf Drahtringe aufgereiht sind, ein verbogener blecherner Samowar, ein Hammer, Feilen. In der Mitte des Raumes ein großer Tisch, zwei Bänke, ein Hocker, alles ohne Anstrich und unsauber. Am Tische Kwaschnja, die sich am Samowar zu schaffen macht und die Hausfrau spielt, ferner der Baron, der an einem Stück Schwarzbrot kaut, und Nastja, die auf einem Hocker sitzt, sich mit den Ellbogen auf den Tisch stützt und in einem zerfetzten Buch liest. Auf dem Bett, hinter dem Vorhang, liegt Anna, die man häufig husten hört. Bubnow sitzt auf seiner Pritsche, mißt auf einer Holzform für Mützen, die er zwischen den Knien hält, ein paar alte, zertrennte Beinkleider ab und überlegt, wie er sie zu Mützen zuschneiden soll. Neben ihm eine zerbrochene Hutschachtel, die er zu Mützenschirmen zerschneidet, Stücke Wachsleinwand, Abfälle. Satin, der eben erwacht ist, liegt auf der Pritsche und brüllt. Auf dem Ofen liegt, dem Zuschauer unsichtbar, der Schauspieler, man hört ihn husten und hin und her rücken. Es ist Morgen, im Anfang des Frühlings.

Der Baron: Also weiter!

Kwaschnja: Nee, sag ich dir, mein Lieber – damit bleib mir hübsch weg! Ich kann ein Lied davon singen, sag ich dir … Nicht zehn Pferde bringen mich zum zweitenmal an den Traualtar!

Bubnow zu Satin: Was grunzt du denn? Satin brüllt.

Kwaschnja: Ich um 'ne Mannsperson meine Freiheit verkaufen? Ich mich wieder an 'nen Kerl hängen – wo ich jetzt so dastehe, daß mir keiner was zu sagen hat? Fällt mir nicht im Traum ein! Und wenn's ein Prinz aus Amerika wäre – ich mag ihn nicht haben!

Kleschtsch: Du schwindelst ja!

Kwaschnja: Wa-as?

Kleschtsch: Schwindeln tust du. Den Abramka heiratest du …

Der Baron nimmt Nastja das Buch weg, liest den Titel: »Verhängnisvolle Liebe« … Lacht.

Nastja streckt die Hand nach dem Buche aus: Gib her! … Gib's zurück! Na … laß deine Späße! Der Baron sieht sie an und schwenkt dabei das Buch in der Luft.

Kwaschnja zu Kleschtsch: Du bist es, der schwindelt, rothaariger Ziegenbock, du! Wie kannst du so frech mit mir reden?

Der Baron gibt Nastja mit dem Buch einen Klaps auf den Kopf: Bist 'ne dumme Gans, Nastjka …

Nastja nimmt ihm das Buch weg: Gib her! …

Kleschtsch zu Kwaschnja: Was für 'ne große Dame … Und den Abramka heiratest du doch … zappelst nur so drauf …

Kwaschnja: Natürlich! Das fehlte mir grade … was denn noch? Und du – hast dein Weib da halb tot geprügelt –

Kleschtsch: Halt's Maul, alte Hexe! Was geht's dich an? …

Kwaschnja: Aha! Die Wahrheit kannst du nicht hören!

Der Baron: Jetzt geht's los! Nastja – wo bist du?

Nastja ohne den Kopf zu heben: Was? Laß mich in Ruhe!

Anna steckt den Kopf hinter dem Bettvorhang hervor: 's ist schon Tag. Um Gottes willen … schreit nicht … zankt euch nicht!

Kleschtsch: Da, sie greint wieder!

Anna:Jeden Tag, den Gott gibt, streitet ihr euch … Laßt mich wenigstens ruhig sterben!

Bubnow: Der Lärm hindert dich doch nicht am Sterben …

Kwaschnja tritt an Annas Lager: Sag Mütterchen, wie hast du's nur mit solch einem Schuft aushalten können?

Anna:Laß mich in Frieden … laß mich …

Kwaschnja: Nun, nun! Du arme Duldnerin! … Wird's noch immer nicht besser mit deiner Brust?

Der Baron: 's ist Zeit, daß wir auf 'n Markt gehen, Kwaschnja! …

Kwaschnja: Gleich gehen wir. Zu Anna. Magst du ein paar heiße Pastetchen?

Anna:Nicht nötig … ich dank dir schön. Wozu soll ich noch essen?

Kwaschnja: Iß nur! Heißes Essen tut immer gut – es löst. Ich will sie dir in 'ne Tasse tun und beiseite stellen … wenn du Appetit bekommst, iß! Zum Baron. Gehen wir, gnädiger Herr! Zu Kleschtsch. Hu, du Satan … Ab in die Küche.

Anna hustet: O Gott …

Der Baron stößt Nastja leicht in den Nacken: Wirf doch die Schwarte weg … närrisches Ding!

Nastja murmelt: Geh schon … ich bin dir doch nicht im Wege! Der Baron pfeift vor sich hin; ab hinter Kwaschnja.

Satin richtet sich von seiner Pritsche auf: Wer hat mich eigentlich gestern verhauen?

Bubnow: Kann dir das nicht gleich sein?

Satin: Das schon … aber was war der Grund?

Bubnow: Habt ihr Karten gespielt?

Satin: Allerdings …

Bubnow: Dabei wird's wohl passiert sein …

Satin: Diese Schurken!

Der Schauspieler auf dem Ofen, den Kopf vorstreckend: Einmal werden sie dich noch ganz totschlagen …

Satin: Und du bist ein Dummkopf!

Der Schauspieler: Ein Dummkopf? Wieso?

Satin: Na – zweimal können Sie mich doch nicht totschlagen!

Der Schauspieler nach kurzem Schweigen: Versteh ich nicht – warum können sie das nicht?

Kleschtsch: Kriech vom Ofen runter und räum die Bude auf! Verzärtelst dich viel zu sehr …

Der Schauspieler: Das geht dich gar nichts an …

Kleschtsch: Wart … wenn Wassilissa kommt, die wird's dir besorgen …

Der Schauspieler: Der Teufel hole die Wassilissa! Heut muß der Baron aufräumen, er ist dran … Baron!

Der Baron kommt aus der Küche herein: Hab keine Zeit … ich muß mit Kwaschnja auf den Markt …

Der Schauspieler: Das ist mir ganz gleich … geh meinetwegen zum Henker … aber die Stube mußt du ausfegen, du bist an der Reihe … Fällt mir nicht ein, mich für andere zu rackern …

Der Baron: Na, dann hol dich der Teufel! Nastenjka wird ausfegen … He, du – verhängnisvolle Liebe! Wach auf! Nimmt Nastja das Buch weg.

Nastja erhebt sich: Was willst du? Gib her! Frecher Kerl! Das will 'n feiner Herr sein …

Der Baron gibt ihr das Buch zurück: Du, Nastja, feg doch für mich aus – ja?

Nastja geht nach der Küche ab: Das fehlte mir gerade … was denn sonst noch?

Kwaschnja von der Küche her, durch die Tür; zum Baron: So komm doch endlich! Sie werden schon aufräumen, auch ohne dich … Wenn man dich drum bittet, mußt du's tun, Schauspieler! Wirst dir nicht gleich die Rippen brechen!

Der Schauspieler: Immer ich … hm … das versteh ich nicht …

Der Baron trägt an einem Tragejoch zwei Körbe aus der Küche; in den Körben befinden sich bauchige Töpfe, die mit Zeuglappen bedeckt sind: 's ist heute recht schwer …

Satin: Es hat sich wirklich verlohnt, daß du als Baron zur Welt gekommen bist!

Kwaschnja zum Schauspieler: Sieh schon zu, daß du ausfegst! Ab in den Hausflur, wohin sie den Baron vorausgehen läßt.

Der Schauspieler kriecht vom Ofen herunter: Ich darf keinen Staub einatmen … das schadet mir. Selbstbewußt. Mein Organismus ist mit Alkohol vergiftete … Sitzt nachdenklich auf der Pritsche.

Satin: Organon … Organismus …

Anna zu Kleschtsch: Andrej Mitritsch …

Kleschtsch: Was gibt's wieder?

Anna: Die Kwaschnja hat Pasteten für mich dagelassen … geh, iß du sie!

Kleschtsch tritt näher an ihr Lager: Wirst du nicht essen?

Anna: Ich mag nicht … Wozu soll ich essen? Du arbeitest … du mußt essen …

 

Kleschtsch: Hast angst? Hab keine Angst … vielleicht wird's wieder gut …

Anna: Geh, iß! Mir ist so schwer ums Herz … es geht bald zu Ende …

Kleschtsch entfernt sich von ihr: Nicht doch … vielleicht – stehst du wieder auf … 's ist schon vorgekommen! Ab in die Küche.

Der Schauspieler laut, als wenn er plötzlich aus dem Traum erwacht: Gestern, im Krankenhaus, sagte der Doktor zu mir: Ihr Organismus ist durch und durch mit Alkohol vergiftet …

Satin lächelt: Organon …

Der Schauspieler mit Nachdruck: Nicht Organon, sondern Or–ga–nis–mus …

Satin: Sikambrer …

Der Schauspieler mit abwehrender Handbewegung: Ach, Unsinn! Ich rede im Ernst – ja … Mein Organismus ist vergiftet … folglich schadet es mir, wenn ich die Stube ausfege … und den Staub einatme …

Satin: Makrobiotik … ha!

Bubnow: Was brummst du da?

Satin: Wörter … Dann gibt's noch ein Wort: Transzendental …

Bubnow: Was bedeutet das?

Satin: Weiß nicht … hab's vergessen …

Bubnow: Warum sagst du es also?

Satin: So … Unsere gewöhnlichen Wörter hab ich satt, mein Lieber … Jedes von ihnen hab ich wenigstens tausendmal gehört …

Der Schauspieler: »Worte, nichts als Worte!« heißt es im Hamlet. Ein großartiges Stück, der Hamlet! … Ich hab darin den Totengräber gespielt …

Kleschtsch kommt aus der Küche: Wirst du nun bald mit dem Besen spielen?

Der Schauspieler: Das geht dich 'nen Quark an … Schlägt sich mit der Faust vor die Brust. Ophelia! Schließ in dein Gebet all meine Sünden ein! Hinter der Szene, irgendwo in der Ferne, läßt sich dumpfes Lärmen und Schreien und der Pfiff eines Polizisten vernehmen. Kleschtsch setzt sich an die Arbeit; man hört das Geräusch seiner Feile.

Satin: Ich liebe die seltsamen, unverständlichen Wörter … Als junger Mann … ich war damals beim Telegrafendienst … hab ich viele Bücher gelesen …

Bubnow: Telegrafist bist du auch gewesen?

Satin: Gewiß! Lächelt. Es gibt sehr schöne Bücher … und eine Menge interessanter Wörter … Ich war ein Mann von Bildung, verstehst du?

Bubnow: Hab's schon gehört … wohl hundertmal! Was einer war, darauf pfeift die Welt. Ich war zum Beispiel Kürschner … hab mein eigenes Geschäft gehabt … Meine Arme waren ganz gelb – von der Farbe, weißt du, wenn ich die Pelze färbte – ganz gelb, mein Lieber, bis an die Ellbogen ran! Ich dachte schon, ich würde sie mein Lebtag nicht mehr reinwaschen, sondern so, mit den gelben Händen ins Grab steigen … Na, und jetzt sind sie … einfach schmutzig … ja!

Satin: Und was weiter?

Bubnow: Weiter nichts …

Satin: Was willst du damit sagen?

Bubnow: Ich meine nur … beispielshalber … Mag sich einer von außen noch so bunt anmalen – es reibt sich alles wieder ab … alles wieder ab, ja!

Satin: Hm, die Knochen tun mir weh!

Der Schauspieler sitzt da, die Arme um die Knie geschlungen: Bildung ist Unsinn, die Hauptsache ist Talent. Ich hab einen Schauspieler gekannt, der hat seine Rollen buchstabiert, aber spielen konnte er seine Helden, daß das Theater in den Fugen krachte … von der Begeisterung des Publikums …

Satin: Bubnow, gib mir 'n Fünfer!

Bubnow: Hab selber nur zwei Kopeken …

Der Schauspieler: Talent muß ein Heldenspieler haben, das behaupt ich. Talent – das ist der Glaube an sich selbst, an die eigne Kraft …

Satin: Gib mir 'nen Fünfer, und ich will dir's glauben, daß du ein Talent, ein Held, ein Krokodil, ein Reviervorsteher bist … Kleschtsch, gib 'nen Fünfer her!

Kleschtsch: Geh zum Teufel! Da könnte jeder kommen …

Satin: Schimpf doch nicht gleich! Ich weiß ja, du hast selber nichts …

Anna: Andrej Mitritsch … es ist so stickig … ich krieg keine Luft …

Kleschtsch: Was kann ich dazu tun?

Bubnow: Mach die Tür nach dem Hausflur auf!

Kleschtsch: Hast schön reden! Du sitzt auf der Pritsche, und ich auf der Erde … Laß mich mit dir tauschen, dann mach ich auf … Bin ohnedies erkältet …

Bubnow in ruhigem Tone: Meinetwegen laß es … deine Frau bittet drum …

Kleschtsch finster: Da könnte jeder kommen …

Satin: Der Schädel brummt mir … äh! Warum sich die Leute nur immer gegenseitig auf die Köpfe schlagen?

Bubnow: Sie schlagen sich nicht bloß auf die Köpfe, sondern auch auf die andern Körperteile. Erhebt sich. Ich muß mir Zwirn besorgen … Unsere Wirtsleute lassen sich heut so lange nicht sehen … sind am Ende verreckt! Ab. Anna hustet. Satin hat die Hände unter den Nacken geschoben und liegt unbeweglich da.

Der Schauspieler schaut melancholisch um sich und tritt dann auf Anna zu: Wie steht's? Schlecht?

Anna: So stickig ist's hier …

Der Schauspieler: Ich führ dich in den Hausflur, wenn du willst. Steh auf. Er hilft der Kranken, die sich vom Lager aufrichtet, wirft ihr ein altes Tuch um die Schultern und stützt sie, während sie in den Hausflur wankt. Nun, nun … immer Mut! Auch ich bin ein kranker Mensch … bin mit Alkohol vergiftet. Kostylew tritt ein.

Kostylew in der Tür: 'nen Spaziergang machen? Was für ein schmuckes Pärchen – der Bock mit der Zicke! …

Der Schauspieler: Tritt auf die Seite … siehst du nicht, daß hier Kranke kommen?

Kostylew: Bitte, geht vorüber. Die Melodie eines Kirchenliedes vor sich hinsummend, hält er mißtrauisch Umschau in dem Keller und neigt den Kopf nach links, als wollte er etwas in Pepels Kammer belauschen. Kleschtsch klappert wütend mit den Schlüsseln und feilt heftig darauf los, wobei er den Wirt mit finstern Blicken beobachtet. Na, raspelst du fleißig?

Kleschtsch: Was?

Kostylew: Ob du fleißig raspelst, frag ich … Pause. Hm – ja, was wollt ich doch gleich sagen? Hastig, mit leiser Stimme. War meine Frau nicht da?

Kleschtsch: Hab sie nicht gesehen …

Kostylew nähert sich behutsam der Tür von Pepels Kammer: Wieviel Platz du mir wegnimmst für deine zwei Rubel monatlich! Das Bett dort … du selber sitzt ewig hier – n-ja! Wenigstens für fünf Rubel Raum, bei Gott! Ich werde dich um 'nen halben Rubel steigern müssen …

Kleschtsch: Leg mir doch gleich 'nen Strick um den Hals … und erwürg mich! Wirts bald krepieren und denkst nur ans Geldmachen …

Kostylew:: Warum soll ich dich erwürgen? Wer hätte davon einen Nutzen? Lebe in Gottes Namen und sei vergnügt … Ich steigre dich um 'nen halben Rubel, kaufe Öl für die heilige Lampe – und mein Opfer wird brennen vor dem Heiligenbilde … zur Vergebung meiner Sünden und auch der deinigen … du selber denkst doch nie an deine Sünden, siehst du … Ach, Andrjuschka, was für ein schlechter Kerl bist du doch! Deine Frau hat die Auszehrung gekriegt, so hast du ihr zugesetzt … kein Mensch hat dich gern, kein Mensch achtet dich … deine Arbeit ist so geräuschvoll, für jedermann störend …

Kleschtsch schreit: Bist du gekommen … um auf mich loszuhacken? Satin brüllt laut.

Kostylew fährt zusammen: Ach …was fällt dir ein, mein Lieber!

Der Schauspieler kommt herein: Im Hausflur hab ich sie untergebracht, die arme Frau … hab sie hübsch eingemummelt …

Kostylew: Was für ein guter Mensch du bist! Sehr löblich von dir … Wird dir alles vergolten werden …

Der Schauspieler: Wann?

Kostylew: Im Jenseits, Brüderchen … Dort wird über alles, über jede unsrer Handlungen genau Rechnung geführt …

Der Schauspieler: Wie wär's, wenn du mich schon hier für mein gutes Herz belohntest?

Kostylew: Wie könnt ich das?

Der Schauspieler: Laß mir die Hälfte meiner Schuld nach …

Kostylew: He, he! Mußt immer deine Späßchen machen, kleiner Schäker, immer necken! … Kann man Herzensgüte überhaupt mit Geld bezahlen? Herzensgüte steht höher als alle Schätze dieser Welt. Na, und deine Schuld – ist eben eine Schuld! Die mußt du einfach begleichen … Herzensgüte mußt du mir altem Manne unentgeltlich erweisen.

Der Schauspieler: Bist 'n Filou, alter Mann … Ab in die Küche. Kleschtsch erhebt sich und geht in den Hausflur.

Kostylew zu Satin. Wer ging da eben fort? Der Raspler? Er kann mich nicht leiden, he he …

Satin: Wer könnte dich leiden – außerm Teufel …

Kostylew lächelt spöttisch: Du mußt nicht gleich schimpfen! Ich hab euch doch alle so gern … meine lieben Brüderchen, ihr meine Galgenvögel und Taugenichtse … Plötzlich, rasch. Sag mal … ist Wasjka zu Hause?

Satin: Sieh nach …

Kostylew geht nach der Tür von Wasjkas Kammer und klopft: Wasjka! Der Schauspieler erscheint in der Tür, die nach der Küche führt; er kaut irgend etwas.

Pepel: Wer ist da?

Kostylew: Ich bin's … ich, Wasjka …

Pepel: Was willst du?

Kostylew zurücktretend: Mach mal auf …

Satin ohne Kostylew anzusehen: Er würde schon aufmachen, aber … sie ist drin … Der Schauspieler räuspert sich.

Kostylew unruhig, leise: He? Wer ist drin? Was … sagst du?

Satin: Hm? Sprichst du zu mir?

Kostylew: Was sagtest du?

Satin: Nichts weiter … nur so … für mich …

Kostylew: Nimm dich in acht, mein Lieber! Laß deine Späße … ja! Klopft langsam an die Tür. Wassilij! …

Pepel öffnet die Tür: Na, warum störst du mich?

Kostylew guckt in Pepels Kammer: Ich wollte dir nämlich … verstehst du …

Pepel: Hast du das Geld gebracht?

Kostylew: Ich möchte mit dir was besprechen …

Pepel:: Hast du das Geld gebracht?

Kostylew: Was für Geld? Erlaub mal …

Pepel:: Die sieben Rubel für die Uhr – na?

Kostylew: Für welche Uhr, Wasjka? … Ach du …

Pepel: Sieh dich vor, du! Nur keine Winkelzüge! Ich hab dir gestern vor Zeugen eine Taschenuhr verkauft für zehn Rubel … Drei hab ich bekommen, die übrigen sieben verlang ich jetzt. Nur raus damit! Was plinkerst du denn so? Schleicht hier rum, beunruhigt die Leute … und vergißt die Hauptsache …

Kostylew: Ss-st! Nicht gleich so böse, Wasjka … Die Taschenuhr war doch …

Satin:: Gestohlen …

Kostylew streng: Ich kaufe niemals gestohlene Sachen … wie kannst du …

Pepel faßt ihn an der Schulter: Sag mal – was belästigst du mich? Was willst du von mir?

Kostylew: Ich? Gar nichts … ich geh schon … wenn du so bist …

Pepel: Scher dich fort, hol das Geld!

Kostylew im Abgehen: Ist das ein grobes Volk! Oh, oh!

Der Schauspieler: Die richtige Komödie!

Satin: Sehr gut! So hab ich's gern …

Pepel: Was wollte er hier eigentlich?

Satin lachend: Das hast du noch nicht begriffen? Seine Frau sucht er … Sag mal, Wassilij – warum bringst du den Kerl nicht um die Ecke?

Pepel: Um so 'nen Schuft mein Leben verpfuschen? Ne …

Satin: Mußt es natürlich schlau anfangen. Heiratest dann die Wassilissa … und wirst unser Herbergsvater …

Pepel: Da hätt ich mal was Rechtes! Ihr würdet meine ganze Wirtschaft versaufen und mich selber dazu … bin viel zu gutherzig für euch … Setzt sich auf die Pritsche. So 'n alter Satan! Weckt mich aus 'm besten Schlaf auf … Ich hatte grade so 'nen schönen Traum: ich träumte, daß ich angelte, und mit einemmal saß mir 'n mächtiger Blei an der Angel! Ein Blei, sag ich euch … nur im Traume gibt's solche Riesenkerle … Ich zieh und zieh ihn und hab Angst, daß die Schnur zerreißt … und wie ich eben mit 'm Handnetz zufassen will, da … mit einemmal …

Satin: … war's gar kein Blei, sondern die Wassilissa …

Der Schauspieler: Die ist ihm schon längst ins Netz gegangen …

Pepel ärgerlich: Schert euch zum Teufel mit eurer Wassilissa!

Kleschtsch kommt aus dem Hausflur: Ist das 'ne Hundekälte …

Der Schauspieler: Warum hast du die Anna nicht reingeführt? Die erfriert ja draußen …

Kleschtsch: Nataschka hat sie zu sich in die Küche genommen …

Der Schauspieler: Der Alte wird sie rauswerfen …

Kleschtsch setzt sich an seine Arbeit: Nataschka wird sie schon herbringen …

Satin: Wassilij, spendier mal 'nen Fünfer …

Der Schauspieler zu Satin: Ach was, 'nen Fünfer. Wasja, gib uns 'nen Zwanziger …

Pepel: Ich muß mich beeilen … sonst verlangt ihr noch 'nen ganzen Rubel … da! Gibt dem Schauspieler ein Geldstück.

Satin: Giblartarr. 's gibt keine besseren Menschen auf der Welt als die Diebe!

Kleschtsch: Die kommen auf leichte Art zu Gelde … Sie arbeiten nicht …

Satin: Zu Gelde kommen viele auf leichte Art, aber nicht viele können sich auf leichte Art davon trennen … Arbeit! Richt es so ein, daß die Arbeit mir Freude macht, dann werde ich vielleicht auch arbeiten … ja! Vielleicht! Ist die Arbeit ein Vergnügen – dann ist das Leben schön! Ist die Arbeit aber erzwungen – dann wird das Leben zur elenden Sklaverei! Zum Schauspieler. Komm, Sardanapal! Wir wollen gehen …

 

Der Schauspieler: Komm, Nebukadnezar! Ich will mich betrinken – wie vierzigtausend Säufer … Beide ab.

Pepel gähnt: Na, was macht deine Frau?

Kleschtsch: Es geht zu Ende, scheint's … Pause.

Pepel: Wenn ich dir so zuseh – kommt deine ganze Raspelei mir zwecklos vor …

Kleschtsch: Was soll ich denn sonst tun?

Pepel: Gar nichts …

Kleschtsch: Wovon soll ich leben?

Pepel: Sieh die andre Leute an – die quälen sich nicht und leben doch!

Kleschtsch: Andre Leute? Meinst wohl das Lumpenpack hier, die Gauner und Tagediebe … nette Leute das! 'ne Schande ist's, wenn man's so mit ansieht … Ich bin ein Mensch, der arbeitet … von Kindesbeinen an hab ich gearbeitet … Meinst du, ich krabble mich nicht mehr raus aus dem Loch hier? Ganz gewiß tu ich's – und wenn meine Haut dabei in Fetzen geht, aber raus muß ich … Laß nur erst meine Frau sterben … ein halbes Jahr hab ich hier zugebracht … und mir ist's, als wären es sechs Jahre gewesen …

Pepel: Red keinen Unsinn … Hast vor keinem was voraus! Keine Ehre haben sie, kein Gewissen …

Pepel in gleichgültigem Tone: Was brauchen sie Ehre und Gewissen? Die ersetzen ihnen die Stiefel nicht, wenn sie im Winter frieren … Ehre und Gewissen brauchen jene, die Macht und Gewalt haben …

Bubnow tritt ein: Hu-uh! Bin ich durchgefroren!

Pepel: Sag mal, Bubnow – hast du ein Gewissen?

Bubnow: Wa–as? Ein Gewissen?

Pepel bejahend: Hm …

Bubnow: Was brauch ich ein Gewissen? Ich bin kein reicher Mann …

Pepel: Das sag ich auch: Ehre und Gewissen sind nur für die Reichen nötig, ja! Und Kleschtsch ist eben über uns hergezogen: wir hätten kein Gewissen, sagt er …

Bubnow: Wollt er sich eins von uns borgen?

Pepel: Hat selber genug von dem Zeug …

Bubnow: Also willst du's verkaufen? Na, hier wird's dir niemand abnehmen. Ja, wenn's zerbrochene Pappschachteln wären, die würd ich kaufen … aber auch nur auf Pump …

Pepel in belehrendem Tone zu Kleschtsch: Bist 'n dummer Kerl, Andrjuschka! Solltest mal hören, wie Satin über's Gewissen denkt … oder der Baron …

Kleschtsch: Ich mag's gar nicht wissen …

Pepel: Die haben auch mehr weg als du … wenn sie auch Säufer sind …

Bubnow: Ein kluger Kerl, der säugt, ist das Doppelte wert …

Pepel: Satin sagt: Jeder Mensch will, daß sein Nachbar ein Gewissen habe – ihm selbst aber ist's unbequem … Und das stimmt … Natascha tritt ein. Hinter ihr Luka, mit einem Wandstab in der Hand, einem Ranzen auf dem Rücken, einem kleinen Kessel und einer Teekanne am Gürtel.

Luka: Guten Tag, ehrbare Leute!

Pepel streicht sich den Schnurrbart: A-ah, Natascha!

Bubnow zu Luka: Ehrbar waren wir mal, aber seit vorvergangenem Frühjahr …

Natascha: Hier, ein neuer Mietsmann …

Luka zu Bubnow: Hat nichts zu sagen! Ich weiß auch Spitzbuben zu achten – ein Floh, mein ich, ist so gut wie der andre: alle sind schwarz, und alle hopsen … so ist's. Wo soll ich mich hier einquartieren, meine Liebe?

Natascha zeigt auf die Tür zur Küche: Geh da hinein, Großväterchen …

Luka: Danke, meine Tochter. Ist mir recht … Ein warmes Eckchen … das ist für 'nen alten Mann die Hauptsache … da fühlt er sich heimisch …

Pepel: Was für 'nen spaßigen Graubart haben Sie uns da hergebracht, Natascha?

Natascha: Spaßiger ist er schon als Sie … Zu Kleschtsch. Andrej, deine Frau ist bei uns in der Küche … hol sie nach 'ner Weile.

Kleschtsch: Schon gut, ich hole sie dann …

Natascha: Sei nur recht gut gegen sie … es dauert ja nicht mehr lange …

Kleschtsch: Ich weiß es …

Natascha: Du weißt es … das ist nicht genug! Mach dir nur klar, was das heißt: sterben … Schrecklich ist's …

Pepel: Ich fürchte mich nicht vorm Sterben …

Natascha: Freilich, wer so tapfer ist …

Bubnow läßt einen Pfiff ertönen: Der Zwirn taugt gar nichts …

Pepel: Ich fürchte mich wirklich nicht! Auf der Stelle will ich sterben! Nehmen Sie ein Messer und stechen sie mich ins Herz – nicht 'nen Laut geb ich von mir! Mit Freuden sterb ich sogar … von einer reinen Hand …

Natascha während sie abgeht: Machen Sie andern was weis! …

Bubnow gedehnt: Der Zwirn ist wirklich nicht zu gebrauchen …

Natascha von der Tür her, die nach dem Hausflur führt: Vergiß deine Frau nicht, Andrej!

Kleschtsch: Schon gut ….

Pepel: Ein prächtiges Mädel …

Bubnow: An dem Mädel ist nichts auszusetzen …

Pepel: Warum sie nur … so sonderbar gegen mich ist? Will nichts von mir wissen … Hier muß sie zugrunde gehen …

Bubnow: Dafür wirst du schon sorgen …

Pepel: Ich? Wieso ich? Mir tut sie leid …

Bubnow: Wie das Lamm dem Wolfe …

Pepel: Schwatz nicht! Sie tut mir wirklich … sehr leid … hat's hier nicht gut … ich seh's doch …

Kleschtsch: Wenn dich Wassilissa mit ihr sieht … dann geht's dir schlecht …

Bubnow: Ja, die Wassilissa! Die läßt sich die Butter nicht vom Brot nehmen … ein Mordsweib …

Pepel streckt sich auf der Pritsche aus: Hol euch beide der Teufel, ihr … Propheten!

Kleschtsch: Wart's ab … wirst ja sehen …

Luka in der Küche, stimmt ein Lied an:

»Mitten in der dunklen Nacht

Ist kein Pfad, kein Weg zu schauen …«

Kleschtsch geht in den Hausflur: Nu fängt der an zu heulen … das fehlte noch …

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