Venedig. Geschichte – Kunst – Legenden

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Innenhof: Der Eingang zum Dogenpalast bzw. zu seinem Innenhof liegt heute an dessen Südfront. Im Inneren des Hofes hat man rechts die Renaissancefassade des Ostflügels, links die gotische Fassade des Westflügels vor sich, die stilistisch der Fassade des Südflügels entspricht. Im Hintergrund erhebt sich die Seitenfront der Markuskirche. Davor steigt feierlich die Scala dei Giganti nach rechts zum ersten Geschoss des Palastes empor. In der linken Hälfte der weiten Fläche des Hofes stehen zwei wundervolle pozzi (Brunnenköpfe) aus Bronze, die Alfonso Alberghetti und Niccolò dei Conti 1554–59 gegossen haben. Die drei Palastfassaden nehmen in den beiden unteren Geschossen die große Gliederung der gotischen Außenfassaden mit zwei übereinander gestellten Loggien auf, sind aber in ihrer Ausführung weit schlichter. Auch die einhundert Meter lange Front des Ostflügels behält diese Gliederung bei, ist jedoch im oberen Abschnitt in der Formensprache der venezianischen Frührenaissance gestaltet. Dabei erscheint die Verteilung der Fenster in den beiden Obergeschossen der Ostfront unsystematisch und willkürlich, was sich durch die Anordnung der dahinterliegenden Räume erklärt, auf die Rücksicht genommen werden musste. Die Fassade trägt reichen ornamentalen Schmuck.

Ein Werk von großer historischer und kunstgeschichtlicher Bedeutung ist die zu der Ostfassade emporsteigende Prachttreppe, die Scala dei Giganti (Gigantentreppe), so genannt nach den beiden Großstatuen von Jacopo Sansovino am oberen Absatz, die Mars und Neptun darstellen und somit die Macht Venedigs zu Lande und auf dem Meere symbolisieren. Die Treppe selbst ist das Werk Antonio Rizzos von 1483, der auch die Pläne lieferte, nach denen die Fassade des Ostflügels entstand. 1485 fand auf dem oberen Podest der Treppe erstmals eine Dogenkrönung statt, woraus eine Tradition entstand, die bis zum Ende der Republik beibehalten wurde. Auf einem Vorgängerbau hat man allerdings 1355 den Dogen Marino Falier, der einen Staatsstreich plante, enthauptet. Es ist in jedem Falle lohnend, die feinen Details der Treppe zu betrachten, so die dekorative Ausgestaltung der gliedernden Pilaster und Gesimse und die Einlegearbeiten in den Setzstufen. Die Treppe grenzt links einen kleinen Bezirk vom Innenhof des Dogenpalastes ab, den sogenannten Cortile dei Senatori. Unter den dahinter gelegenen Arkaden wird die Originalstatue des hl. Theodor aufbewahrt, die früher auf der rechten Monumentalsäule der Piazzetta stand, auf der heute eine Kopie zu sehen ist.

Der Treppe gegenüber und an der Mündung des Porticato Foscari, des Ganges, der von der Piazzetta in den Hof des Dogenpalastes führt, steht mit reicher Architektur der sogenannte Arco Foscari, der 1462–71 unter dem Dogen Cristoforo Moro errichtet wurde. Neben dem großen Bogen des Untergeschosses stehen in Nischen Kopien der Figuren von Adam und Eva (die Originale befinden sich im Dogenpalast), die Antonio Rizzo ausgeführt hat. Eine Figurengruppe über der Tür im zweiten Stockwerk mit einer Darstellung des vor dem Markuslöwen knienden Dogen Moro (in Analogie zur Porta della Carta) wurde 1797 zerstört. Das mittlere Intervall der Architektur wird von Strebepfeilern flankiert, die in hohen, mit Statuen bekrönten Fialen auslaufen. Auf der Spitze der Bekrönung der Mittelachse steht die Figur des segnenden hl. Markus. Der gesamte Aufbau erinnert an den der Fassade von S. Marco, „der Dogentreppe sollte eine reduzierte Erinnerung an San Marco entgegengestellt werden ... Der Segen des hl. Markus gilt dem Dogen, ihm wird die Bindung weltlicher Macht an überirdische Maßstäbe vor Augen gestellt, er wird ermahnt, als Herrscher zu dienen, tugendhaft zu handeln und sich der Grenzen irdischer Menschennatur bewußt zu bleiben. Es umschließt also das Gegenüber von Scala dei Giganti und Arco Foscari die Quintessenz venezianischer Staatslehre.“ (Hubala).

Inneres: Zur Loggia des ersten Geschosses führt eine Treppe rechts unter den Arkaden des Ostflügels empor. Dort ist im ersten Stock rechts an der Wand eine sogenannte Bocca della verità zu sehen, ein in die Wand eingelassener Briefkasten, der hinter einer Löwenmaske liegt. Sie war Denunziationen vorbehalten, die entgegen weitverbreiteter Meinung nicht anonym waren – Anzeigen „ohne Unterschrift oder Nennung von mehreren Zeugen wurden folgenlos vernichtet, es sei denn, der Rat der Zehn erklärte mit einer überwältigenden Mehrheit von fünf Sechsteln, dass es sich um eine Staatsaffäre handle.“ (Wolters) Der Weg weiter nach oben führt über die Scala d’Oro (Goldene Treppe), benannt nach der vergoldeten Dekoration ihres Gewölbes, zu der Dogenwohnung im zweiten und zu den Prunkräumen im dritten Geschoss. Im ersten Abschnitt besitzt die Treppenanlage zwei Läufe, die sich am oberen Treppenansatz zu einem einzigen vereinigen. Der Entwurf der Anlage, der 1557–59 ausgeführt wurde, ist vermutlich ein Gemeinschaftsprodukt von Sanmicheli und Sansovino. Das System der Gewölbedekoration entwarf Alessandro Vittoria, während die Malerei, deren Programm bis heute nicht befriedigend interpretiert werden konnte, Battista Franco schuf. Laut örtlicher Beschriftung ist die Thematik der Bilder der ersten Treppenhausrampe Aphrodite gewidmet und spielt auf diese Weise auf die Eroberung Zyperns, der Geburtsinsel der Göttin, an. Die Malerei im rechten Aufgang zeigt Neptun und stellt somit die Herrschaft Venedigs über das Meer dar.

Die Treppe führt mit ihrem ersten Lauf zum zweiten Stockwerk, in dem die Dogenwohnung liegt.

Nicht alle Dogen waren mit der ihnen zugewiesenen Wohnung zufrieden. So wollte Agostino Barbarigo (1486–1501) sich einen eigenen, jenseits des Rio della Canonica gelegenen Dogenpalast errichten lassen. Auch Andrea Gritti (1523–38) hatte solche Pläne und hatte bereits einen Entwurf von Sansovino ausarbeiten lassen. Die zur Verfügung stehenden Räume reichten schließlich nicht mehr aus, so dass 1618 weitere Räumlichkeiten im Bereich der Canonica (heutiger Bischofspalast neben S. Marco) geschaffen wurden. „Alvise Mocenigo (1763–78) und seine Gemahlin hatten 19 Räume zu ihrer Verfügung, darunter die riesige Sala dei Banchetti – heute Teil des Museo di San Marco –, zwei Oratorien und eine Bibliothek“ (Wolters).

Man biegt am oberen Treppenabsatz im zweiten Stockwerk nach rechts ab und kommt über den Corridoio in die Sala degli Scarlatti, deren wunderschöner soffitto (Holzdecke) mit geschnitzter, vergoldeter Dekoration auf blauem Grund aus dem Jahr 1507 stammt. Den prachtvollen Marmorkamin schufen Antonio und Tullio Lombardo, das Relief über dem Eingang hat deren Vater Pietro gearbeitet. Seit Ende des Jahres 2006 ist hier ein kürzlich wiederentdecktes Gemälde Carpaccios ausgestellt, eine Madonna, die ihr Kind anbetet. Dem frisch restaurierten Bild ist noch anzusehen, in welch schlechtem Zustand es sich ursprünglich befand (insbesondere in den Hautpartien, die ganz pauschal wirken). An den Seitenwänden des Raumes hängen zwei freskierte Lünetten, darunter ein Werk Tizians, eine Madonna mit Kind und zwei Engeln. Die eigentlichen Dogengemächer liegen jenseits der querverlaufenden Sala dello Scudo und zu beiden Seiten des breiten, im rechten Winkel dazu angeordneten Korridors, der Sala dei Filosofi. Die Wohngemächer selbst sind heute weitgehend leer, besitzen aber zum Teil noch schöne soffitti und caminetti (Kamine). In der Sala Grimani wird zunächst hingewiesen auf die hölzerne, üppig vergoldete Decke. „Die Grundform der Motive erinnert an antike Fußböden, während die ausschmückenden Details dem antikisierenden Formenrepetoire der Schnitzer entstammen.“ (Wolters) An den Wänden hängen vier große Gemälde mit Darstellungen des Markuslöwen, darunter das berühmte Bild Carpaccios mit dem leone andante, der mit seinen vorderen Pranken auf der Erde, mit den hinteren auf dem Wasser steht und somit Venedigs Anspruch auf den Besitz sowohl des Landes als auch des Meeres versinnbildlicht.

Kurz vor dem letzten Raum links des Korridors, der Sala degli Stucchi mit schönen Wanddekorationen, führt eine kleine Treppe nach oben. Ersteigt man hier einige Stufen und dreht sich dann um, so hat man Tizians Hl. Christophorus vor sich. Dieses Fresko entstand 1523/24. Der Heilige ist als derbe Gestalt dargestellt, die kraftvoll durch die Lagune watet. „Die Pinselführung ist von herrlicher Freiheit und formbezeichnender Kraft“, schreibt Hubala. Links unten ist ein in venezianischem Stil gehaltener Turm dargestellt, während rechts von ihm die Kuppeln von S. Marco zu sehen sind. Die Berge ganz rechts im Bilde sind die Ausläufer der Alpen in der Gegend von Cadore, dem Geburtsort Tizians. Die Treppe war dem Dogen vorbehalten, der auf ihr schneller von seiner Wohnung zu den Repräsentationsräumen im darüber gelegenen Stockwerk gelangen konnte. In den drei Gemächern gegenüber ist eine kleine Pinakothek untergebracht. Erwähnt sei eine Pietà Giovanni Bellinis, bei der das offene Grab Christi als Altar dargestellt ist. Insgesamt sind die Dogengemächer in allen Details sehr edel gestaltet, durchaus auch mit einem gewissen Prunk, jedoch mit erstaunlicher Zurückhaltung – ganz sicher waren die privaten Paläste der Dogen üppiger ausgestattet.

Über den zweiten Lauf der Scala d’Oro gelangt man in das dritte Stockwerk des Palastes mit den Repräsentations- und Versammlungsräumen der Republik und betritt zunächst das Atrio quadrato, in dem sich der ursprüngliche, vergoldete soffitto erhalten hat, der unter dem Dogen Girolamo Priuli (1559–67) entstanden ist. Sein Dekorationssystem hat W. Wolters als „System kommunizierender Kassetten“ bezeichnet. Das achteckige Hauptbild stammt von Tintoretto (1561–64) und zeigt den Dogen in Gegenwart seines Namenspatrons Hieronymus vor der Venetia. Begleitet von Justitia, überreicht ihm diese das Zeremonienschwert. Interessant ist bei diesem Bild die Gruppierung der vier Figuren: Sie sind „abwechselnd in Untersicht (Justitia, Venetia), in Frontalsicht (Doge), in Draufsicht (Hieronymus) und in Anlehnung an das achteckige Format gegeben, so dass die Darstellung nicht nur von einem einzigen Betrachterstandpunkt aus lesbar ist und das Auge den räumlichen Zusammenhang aus den Wendungen der Figuren stillschweigend ergänzt.“ (Hubala)

 

Es folgt die Sala delle Quattro Porte, die sich quer über den ganzen Flügel erstreckt und ihren Namen von den vier aus wundervollen Steinen errichteten Prachtportalen erhalten hat. Die Anlage, für die Palladio die Pläne geliefert hat, entstand 1574–77. Die Deckengemälde entstammen überwiegend der Werkstatt Tintorettos. Unter dem Gewölbe der rechten Schmalseite des Raumes hängt eine Kopie von Tiepolos Gemälde Neptun bringt Venedig Schätze des Meeres dar, das Original steht am Boden auf einer Staffelei. Ein großes Gemälde rechts an der Wand, das den Dogen Antonio Grimani (1521–23) darstellt, wurde von Tizian begonnen und von Marco Vecellio vollendet. Von großem Interesse ist das gegenüberliegende Wandbild, auf dem der Empfang König Heinrichs III. von Frankreich in Venedig gezeigt wird (1574). Die darauf abgebildete Festarchitektur stammt von Palladio, der mehrere Triumphbögen entworfen hatte, die dann von Tintoretto und Veronese bemalt wurden. Das Bild kann einen Eindruck von dem Prunk vermitteln, den die Republik bei solchen Anlässen entfaltete.

Es lohnt sich, von einer solchen Festlichkeit etwas mehr zu hören, wobei allerdings festgestellt werden muss, dass die (zeitgenössischen) Berichte den Pomp bis ins Phantastische steigern. Der Besuch des erst 23-jährigen Königs hatte zwar keine besonderen positiven Auswirkungen auf die Beziehung zwischen Venedig und Frankreich, doch hatte die Republik anscheinend hohe Erwartungen an ihn geknüpft. So wurde Heinrich „in die Stadt eingeholt mit einem von 400 Rudersklaven fortbewegten Schiff, das von einer Eskorte von vierzehn Galeeren begleitet war. Während diese Flotte über die Lagune fuhr, bliesen Glasbläser auf einem Begleitfloß zur Belustigung des Königs alle möglichen Figuren; ihr Ofen war ein gigantisches Seeungeheuer, das Flammen aus Backen und Nase spie. Diesem Geleitzug fuhr eine zweite Armada entgegen, die aus seltsam dekorierten, phantastisch oder symbolisch aufgemachten Schiffen bestand und mit Delphinen und Meeresgöttern verziert oder üppig mit Tuchwerk behangen war. In Venedig war der am Canal Grande gelegene, „Ca’ Foscari“ genannte Palazzo eigens für den Besucher hergerichtet worden. Man hatte ihn verschönert mit golddurchwirktem Tuch, Teppichen aus dem Osten, seltenem Marmor, Seidenstoffen, Samt und Porphyr. … Die Bilder, speziell für diese Gelegenheit erworben oder in Auftrag gegeben, stammten von Giovanni Bellini, Tizian, Paris Bordone, Tintoretto und Veronese. Für das Hauptbankett im riesigen Großen Ratssaal des Dogenpalastes wurden die in der Stadt geltenden Gesetze gegen übermäßigen Aufwand vorübergehend aufgehoben, und die schönsten Frauen Venedigs erschienen alle in blendendem Weiß, ‚geschmückt‘, wie uns ein Historiker berichtet, ‚mit Juwelen und Perlen von erstaunlicher Größe, nicht nur an Schnüren um den Hals, sondern auch die Haartracht bedeckend und die Umhänge auf ihren Schultern‘. Auf der Speisekarte waren 1200 Gerichte verzeichnet, die 3.000 Gäste aßen alle von silbernem Geschirr, und die Tafeln waren mit Figuren aus Zucker dekoriert, die Päpste, Dogen, Götter, Tugenden, Tiere und Bäume darstellten, allesamt entworfen von einem berühmten Architekten und hergestellt von einem talentierten Apotheker. … Als das Mahl dem Ende entgegenging, wurden dreihundert verschiedene Sorten von Bonbons verteilt, und nach dem Essen erlebte der König die erste Oper, die je in Italien und damit auf der Welt aufgeführt wurde. Als er schließlich in die Nacht hinausschritt, entdeckte er, dass eine Galeere, die man ihm vorher in Einzelteile zerlegt gezeigt hatte, während des Banketts draußen am Kai zusammengesetzt worden war. Als er den Palast verließ, wurde sie, fix und fertig, in die Lagune hinaus vom Stapel gelassen ...“ (Morris) Heinrich sei laut einigen Berichten nach diesem Erlebnis nie mehr ganz zu sich gekommen und lebte den Rest seines Lebens im Zustand ständiger Benommenheit dahin. Weiterhin wird überliefert, dass er geäußert haben soll, wenn er nicht König von Frankreich wäre, so wollte er am liebsten Bürger von Venedig sein. Zu dieser Äußerung mag vielleicht auch ein diskret behandelter Besuch bei Veronika Franco, der damals berühmtesten Kurtisane der Stadt, beigetragen haben – für Heinrich, wie berichtet wird, nicht nur der Höhepunkt seines Aufenthaltes in der Stadt, sondern sogar der seines Lebens.

In der Raumflucht folgt nun das Anticollegio, also das Vorzimmer zum Collegio, zum Staatsrat. Das wundervolle Ensemble erhielt seine heutige Form und Ausstattung erst im Jahre 1713, damals kamen Gemälde Tintorettos, Veroneses und Bassanos hierher. Es wurde in Anbetracht der Tatsache, dass der Raum als Wartezone für hochgestellte Gäste der Republik diente, besonders kostbar ausgestattet. Die vier beinahe quadratischen Gemälde über den Türen stammen von Tintoretto und entstanden in den Jahren 1577/78. Ihre Themen sind: Minerva trennt Krieg und Frieden, Vulkan schmiedet mit Hilfe des Kyklopen Waffen, Die drei Grazien und Merkur und Bacchus bietet Ariadne den Hochzeitsring an. Letzteres bezeichnet Hubala als das schönste Werk des Meisters überhaupt: „ein honiggelbes Schimmern fasst die lautlose, wie verzauberte Szene zusammen, in der sich die Figuren von herrlicher Freiheit der Leiber und hohem Adel des seelischen Ausdrucks wie Meereswesen zu bewegen scheinen.“ An der Wand hängt der Raub Europas von Veronese, ein Bild, das mit reicher, ja üppiger Farbigkeit gestaltet ist und ein wenig auf französische Rokoko-Idyllen vorausdeutet. Daneben sei noch auf Bassanos in erdigen Farben gehaltenes Gemälde Jakobs Rückkehr von Kanaan hingewiesen. Aufmerksamkeit verdient ebenso die übrige, sehr würdevolle Ausstattung des Raumes mit üppiger Stuckdekoration, dem Kamin sowie dem Portal zum Collegio, das aus dunklen Steinen zusammengefügt ist und einen gesprengten Dreiecksgiebel besitzt. Auf ihm stehen von Vittoria geschaffene Figuren: In der Mitte sitzt Venezia auf einem Löwenthron und wird von den allegorischen Darstellungen von Eintracht und Ruhm flankiert, die deutlich ihre Herkunft von Michelangelos Medici-Gräbern in der Neuen Sakristei von San Lorenzo in Florenz zeigen.

Der folgende Raum, die Sala del Collegio, war seit 1574 der Versammlungs- und Tagungsort der Serenissima Signoria, des Staatsrates, der sich aus dem Dogen selbst, sechs Ministern (den Savi – weise Ratgeber mit verschiedenen Aufgabenbereichen), den höchsten Richtern und dem Großkanzler (dem cancelliere grande, der die Staatskanzlei leitete) zusammensetzte. Die Versammlung dieser Männer muss auf den Eintretenden großen Eindruck gemacht haben, zumal die noch heute herrschende Pracht durch Verkleidungen der Rückenlehnen mit kostbaren Teppichen zusätzlich verstärkt war. Die Ausstattung des Saales ist ausgewogen und edel bis ins kleinste Detail. Ein reich geschnitzter und vergoldeter Soffitto überspannt den Raum. In diesen soffitto sind elf Gemälde Veroneses mit allegorischen Darstellungen von Tugenden eingelassen, bei deren genauerer Betrachtung man erstaunt die Virtuosität erkennt, mit der der Maler seine Kompositionen in die zum Teil überaus schwierigen Bildformate eingepasst hat. In den drei Mittelbildern werden staatstragende Themen symbolisch dargestellt. So wird über dem Dogenthron mit Venetia zwischen Justitia und Pax das Sinnbild der Herrschaft Venedigs gezeigt, der Christliche Glaube im Mittelbild bildet das Fundament des Staates, Mars und Neptun symbolisieren schließlich im dritten Bild die Macht Venedigs zu Lande und zu Wasser. An der Wand hinter dem Dogenthron findet sich Veroneses Gemälde des Dogen Sebastiano Venier, des Siegers in der Seeschlacht von Lepanto. An der gegenüberliegenden Wand ist Tintorettos Darstellung des Dogen Andrea Gritti zu sehen, der vor der Madonna und Heiligen kniet. Die drei großen Dogen-Votivbilder an der Längsseite des Saales stammen überwiegend aus der Werkstatt Tintorettos.

Durch eine Tür gegenüber der Fensterwand gelangt man in die unmittelbar angrenzende Sala del Senato. Wirkt das Collegio fast intim, so ist dieser Saal, der weit mehr Teilnehmern Platz bieten musste, nämlich den Mitgliedern des Collegios und den Senatoren und somit mehr als 300 Personen, sehr weitläufig, von hoher Feierlichkeit und einer solchen Versammlung von Männern, die in rote Roben gekleidet waren, würdig. Auch dieser Raum ist auf das Feinste ausgestattet, wobei der herrliche soffitto wohl der schönste des Palastes ist. In den Gemälden der Decke lässt sich Venedig – wie im Collegio – selbst darstellen. Das Mittelbild stammt von Tintoretto und seinem Sohn Domenico. Wiederum bedecken Dogen-Votivbilder die Wände.

Der weitere Weg führt erneut durch die Sala delle Quattro Porte, von der über einen L-förmigen Gang die Sala del Consiglio dei Dieci erreicht wird. Über diesen Rat der Zehn, aus heutiger Sicht eine Art Verfassungsschutz und -gericht, existieren viele und oft genug gruselige Geschichten, was dessen Amtsführung, Willkür und Geheimniskrämerei betrifft – Geschichten, die zumeist nicht oder nur teilweise zutreffen. Im Raum fällt eine Rundung auf, die an die Apsis einer Basilika der römischen Kaiserzeit erinnert, vermutlich eine gewollte Allusion. Die sala mit ihrer Ausstattung aus dem Jahre 1553 hat den Brand des Jahres 1574 weitgehend unbeschadet überstanden. Durch die frühere Entstehungszeit ist ihr Stil deutlich strenger als in den vorangegangenen Sälen, was ohne weiteres am soffitto und an dessen einfachem Kassettensystem zu erkennen ist. Die ornamenierten Bilderrahmen fassen drei Gemälde Veroneses, der durch sie im Alter von 25 Jahren in Venedig berühmt wurde (und mit der Ausgestaltung der Kirche San Sebastiano einen Anschlussauftrag erhielt). Das Original des Mittelbildes Jupiter schleudert Blitze gegen die Laster wurde 1797 nach Paris verschleppt und befindet sich bis heute im Louvre. Das rechteckige Bild links Juno übermittelt Venezia die Dogenmütze, den Cornu Ducale, und ein kleines Oval mit der Darstellung eines alten Orientalen sind dagegen Originalwerke Veroneses. An den Wänden hängen drei Historienbilder: an der Stirnseite Anbetung der hl. Drei Könige von Antonio Vassilachi, genannt Aliense (ca. 1600), rechts segnet Papst Alexander III. den Dogen Sebastiano Ziani (von Leandro und Francesco Bassano 1592), links sind Venedigs Gesandte vor Papst Clemens VII. und Kaiser Karl V. in Bologna zu sehen (von Marco Vecellio 1604).

Die folgende Sala della Bussola hat ihren Namen von dem dreiseitigen hölzernen Einbau in der rechten Ecke (bussola bedeutet u. a. Windfang und Drehtüre). Durch ihn betrat man das Beratungszimmer der drei monatlich wechselnden Vorsteher der Zehn, die Sala dei tre Capi, die nicht zugänglich ist. Die Sala della Bussola diente als Warteraum für die vom Consiglio dei Dieci (später von der Inquisition) Vorgeladenen. Den schönen Marmorkamin soll Sansovino entworfen haben. Im Weitergehen durchquert man die Sala d’Armi, in der eine reichhaltige Waffensammlung gezeigt wird.

Die vorgegebene Führungslinie führt über die Scala dei Censori in den zweiten Stock und links der Mündung dieser Treppe in den breiten, fensterlosen Andito del Maggior Consiglio. An den schließt sich im rechten Winkel nach links der Liagò an, der durch zwei große Fenster einen freien Blick auf den molo bietet. Hier werden die Originale von Rizzos Adam und Eva vom Arco Foscari und der ebenfalls von dort stammende Schildknappe aufbewahrt. Rizzo, der von 1430 bis 1499 lebte und eigentlich Antonio Bregno hieß, war aus Verona gebürtig und einer der wenigen wirklich schöpferisch tätigen Bildhauer der Stadt. Die im Liagò gezeigten Figuren sind seine wichtigsten Werke. Schon zur Zeit ihrer Entstehung wurden sie in Gedichten gefeiert und müssen damals von den Venezianern als revolutionär empfunden worden sein. Albrecht Dürer hat sie gezeichnet und eingehend studiert. Obwohl sie Nischenstatuen sind, hat Rizzo sie als Freifiguren gearbeitet. Eva bedeckt ihre Blöße mit der Hand, eine Geste, die aus der Formensprache der Antike stammt. Adam, dessen Gestalt vom mittelalterlichen Typus des Johannes unter dem Kreuz abgeleitet ist, blickt nach oben (am ursprünglichen Platz war sein Blick hinauf zur Statue des hl. Markus auf der Spitze des Arco Foscari gerichtet). Während Eva weiche, fließende, fast üppige Formen zeigt, ist die Figur von Adam hart, kantig und scharf gegliedert. Die beiden Werke gehören dem sogenannten Übergangsstil zwischen Spätgotik und Renaissance an und werden vor 1471 datiert.

Vom Vorraum zum großen Ratssaal geht die linke Tür zur Sala della Quarantia Civile Vecchia, in der sich früher die vierzig Richter des Zivilgerichtes versammelten. Der Saal birgt Gemälde des 17. Jahrhunderts. In der benachbarten Sala del Guariento finden sich die Reste des Monumentalgemäldes, das der Paduaner Maler Guariento in den Jahren 1365–67 für die östliche Wand des Großen Ratssaals geschaffen hat. Als es beim Palastbrand von 1577 stark beschädigt wurde, bekam Tintoretto den Auftrag, als Ersatz sein Paradies zu malen. Guarientos Wandgemälde blieb lange Zeit verdeckt, bis es 1903 abgelöst und wieder zugänglich gemacht wurde. Es zeigt eine für das Trecento typische figurenreiche Komposition mit der Krönung Mariens.

 

Die nun folgende Sala del Maggior Consiglio betritt man von deren Stirnseite aus. Der „Große Rat“ war das oberste Regierungsorgan Venedigs, so dass dieser Saal eine besondere Bedeutung besaß. Hier versammelten sich die nobili, die als einzige stimmberechtigt waren, regelmäßig an den Sonntagvormittagen.

Voraussetzung für die Zugehörigkeit zum Großen Rat war die Eintragung in das sogenannte „Goldene Buch“ der Stadt, ein Verzeichnis aller nobili. Im Jahre 1297 hat die Republik mit dem Eintrag in dieses Buch definitiv entschieden, welche Bürger Venedigs sich zum Adel zählen durften. Die folgende Schließung des Buches wurde in der venezianischen Geschichte als serrata bezeichnet. Belanglos für die Eintragung in das Goldene Buch waren die Vermögensverhältnisse des Einzelnen, ausschlaggebend war einzig die Abstammung. Es gab genügend arme Adelige, die als sogenannte barnabotti von der Republik in der Nähe der Kirche des hl. Barnabà alimentiert und oft genug zu einem erheblichen Unruheherd im Staate wurden. Umgekehrt war es reichen Nichtadeligen nur in relativ seltenen Ausnahmefällen möglich, sich in den Adel einzukaufen und ins Goldene Buch eingetragen zu werden, und wenn, dann für den exorbitanten Preis von 150.000 Dukaten. Die Mitglieder des Großen Rates mussten außerdem mindestens fünfundzwanzig Jahre alt sein. An den Sitzungen nahmen bis zu 1.800 Personen teil. Beschlussfähigkeit war erst ab mindestens 600 teilnehmenden Personen gegeben.

Der große Ratssaal hat Ausmaße von 54 x 25 x 15,40 Meter. Beim Betreten dieses riesigen Raumes entsteht förmlich das Gefühl eines Eintauchens, das sich auch bei späteren Besuchen immer wieder mit gleicher Intensität einstellt. Er ist ein schlichtes Gebilde auf rechteckigem Grundriss, das von einer freitragenden Decke überfangen wird. Deren Konstruktion führten die Schiffsbauer des Arsenals in drei Jahren aus, sie ist im Rahmen der Führung itinerari segreti zu besichtigen und lässt das handwerkliche Können der Epoche ahnen. Weiches Licht, das durch die großen Fenster fällt, erfüllt den Raum. Früher war er nicht so leer, wie er sich heute zeigt, sondern besaß ein in Reihen angeordnetes Gestühl, wie es z. B. Canaletto dokumentiert hat. Einen Vorgängerbau aus dem 14. Jahrhundert hatten die größten Maler mit ihren Gemälden ausgestattet. So gab es Werke von Bellini, Gentile da Fabriano, Pisanello, Vivarini, Carpaccio, später kamen Bilder Tizians, Tintorettos und Veroneses dazu. Das alles ging beim Palastbrand 1577 verloren (mit Ausnahme der Reste der Marien­krönung Guarientos, die nur deshalb nicht völlig zerstört wurde, weil sie al fresco gemalt war), aber die Wiederherstellung des Raumes wurde umgehend angeordnet. Tizian war zu diesem Zeitpunkt bereits tot, doch konnten noch Tintoretto, Veronese und Palma il Giovane beauftragt werden.

Entscheidend für die Wirkung des Raumes ist der herrliche Soffitto, die Holzdecke. Diese riesige Fläche ist in drei große Zonen gegliedert, die wiederum von den seitlichen Gruppen der Trabantenbilder begleitet werden. Eine kraftvolle, großzügige Rahmung verbindet die Bilder und fasst sie wiederum zu einem Ganzen zusammen. An den Wänden hängen über einem niedrigen hölzernen Dorsale Bilder, die Ereignisse aus der Geschichte Venedigs erzählen. Die Stirnseite des Raumes nimmt das riesige Paradies Tintorettos ein. Eine Besonderheit stellen die Dogenbildnisse dar, die paarweise unterhalb der Decke angeordnet sind – gezeigt werden die Dogen, die von 804–1556 regiert haben. Unter dem Paradies erhebt sich auf einem Stufenpodest das Gestühl für die Serenissima Signoria, in dessen Mitte ein siebenteiliges Dorsale mit dem Dogenthron steht, der nur durch einen schlichten Dreiecksgiebel hervorgehoben ist. Bedeutendstes Werk des soffitto ist das ovale Mittelbild über dem Dogenthron, Veroneses Triumph Venedigs. Der Maler hat das Geschehen in zwei Ebenen angeordnet. Die untere Hälfte des Gemäldes wird von einem Gedränge von Schaulustigen angefüllt. Eine Balustrade grenzt den oberen Teil ab, wo Venezia, von Personifikationen von Tugenden umgeben, auf ihrem Thron vor einer triumphbogenartigen Loggia schwebt und aus der Hand eines Engels eine Krone empfängt. Das Kompositionsschema Veroneses mit der Zweiteilung der Bildfläche hat der jüngere Palma im anderen ovalen Hauptbild übernommen und darauf die Huldigung der Provinzen an Venedig dargestellt, es bleibt aber in der Qualität der Komposition, in der deutlich stumpferen Farbgebung und auch an Ausdruckskraft hinter Veronese zurück. Auf dem riesigen rechteckigen Mittelbild, das sicher überwiegend von Händen aus Tintorettos Werkstatt stammt, ist dargestellt, wie Venezia dem Dogen Nicolò da Ponte (1578–85) einen Ölzweig überreicht.

Unterhalb der Decke umläuft den Saal der bereits genannte Fries mit sehr differenziert gemalten Dogenbildnissen. An einer Stelle überdeckt ein schwarzes Tuch ein Portrait des Dogen Marino Falier. Es trägt die Aufschrift „Hic est locus Marini Faletri decapitati pro criminibus – hier ist der Platz des Marino Fallier, enthauptet für seine Verbrechen“ – ein spätmittelalterliches Beispiel einer damnatio memoriae, einer Bestrafung über den Tod hinaus durch Auslöschen seines Andenkens. Marino Falier machte 1355 den Versuch, eine Monarchie zu installieren und wurde wegen dieses Hochverrates nach kurzem Prozess hingerichtet.

Eine Reihe großformatiger Wandbilder feiert außenpolitische und militärische Triumphe der Republik. An der Nordwand (rechts des Dogenthrons) wird die Rolle der Venezianer in der Geschichte der Versöhnung zwischen Papst Alexander III. und Kaiser Friedrich Barbarossa 1177 geschildert. An der südlich gelegenen Fensterwand sind Bilder mit den Ereignissen des Vierten Kreuzzuges bei der Eroberung Konstantinopels zu sehen. Natürlich bediente man sich hier tendenziöser Darstellungsweisen und auch der Wiedergabe von legendären Ausschmückungen. Die Bilder können jedoch einen guten Einblick geben in die damals üblichen Zeremonien einerseits und in das Kriegshandwerk (Seeschlachten) andererseits.

Die Ausschreibung für ein Gemälde über dem Dogenthron gewannen zunächst Veronese und Bassano, deren Entwurf aus den Jahren 1578–82 vorsah, dass Veronese die zentralen Partien, Bassano den Rest ausführen sollte. Möglicherweise war die Teilung der Aufgaben der Grund, warum der Entwurf nicht realisiert wurde. Veronese starb 1588, weshalb nun der damals 70-jährige Tintoretto, der zwei Entwürfe vorgelegt hatte, die Aufgabe übernahm. Ein Entwurf hat sich im Louvre erhalten und gilt als die bessere Lösung als die, die dann verwirklicht wurde. Mit Ausmaßen von 7 x 22 Metern handelt es sich um das größte Ölgemälde der Welt. Es wurde auf einzelne Leinwände gemalt (in der >Scuola della Misericordia) und dann an Ort und Stelle zusammengesetzt. Sicher hat man das Werk immer bewundert, jedoch nie uneingeschränkt, und auch deutliche Kritik wurde laut. So meinte Grillparzer, dass es „von Figuren wimmelt, die kaum ein Ganzes ausmachen.“ Und Marc Twain berichtet, bei seinem ersten Venedigbesuch habe ihm ein Fremdenführer erzählt, es sei auf dem Gemälde ein Aufstand im Himmel dargestellt! – Im Gegensatz z. B. zu den Fresken Michelangelos in Rom ist das Bild offenbar deutlich nachgedunkelt, und deshalb dominieren heute dunkle Farbtöne wie Schwarz, Dunkelblau und Braun, was die Beurteilung erschwert. Es sind zahllose Figuren dargestellt, die segmentförmig in drei Zonen (außen die Seligen, in der Mitte die Heiligen, innen die Engel) das Zentrum umgeben, in dem Maria vor dem lichtumflossen thronenden Christus kniet. Das Bild enthält eine eindeutige Botschaft: „In einer absoluten Behauptung der Größe, der Macht und der Gottesfürchtigkeit einer der dauerhaftesten Republiken der Geschichte, werden alle wichtigen Entscheidungen des Staates unter der Schirmherrschaft von Christus und der Jungfrau Maria mit der Inspiration der himmlischen Heerscharen gefällt.“ (Fortini Brown)