Venedig. Geschichte – Kunst – Legenden

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Von der Thematik her sind die Mosaiken von Ost nach West angeordnet und zu lesen: In der Altarkuppel erscheint Christus im Kreise der Propheten, in der Mittelkuppel wird er, umgeben von den Aposteln, zum Himmel getragen („Himmelfahrtskuppel“). Die Westkuppel zeigt das Pfingstwunder mit Herabkunft des Hl. Geistes auf die Jünger („Pfingstkuppel“). Über dem Eingang findet sich eine Darstellung des Weltgerichts. „Christus herrscht also in den Mosaiken der Längsachse, der Bogen wölbt sich vom Vorhistorischen über das Geschichtliche bis zur Endzeit des Jüngsten Gerichts.“ (Hubala) Ist die Längsachse thematisch in sich geschlossen, so sind die Darstellungen der beiden Querhauskuppeln ohne direkten Bezug. So werden in der Nordkuppel Szenen aus dem Leben des hl. Johannes gezeigt, während in der Südkuppel weitere Heilige vor dem goldenen Hintergrund stehen und dort fast etwas verloren wirken. In den Bögen, welche die Mittelkuppel umgeben, sind Szenen des Neuen Testaments zu sehen, die Zwickel (Pendentifs) tragen die Evangelistensymbole.

Ein weiterer kostbarer Mosaikschmuck ziert den Fußboden (Paviment), der aus mehr als 60 Marmorarten zusammengesetzt ist und im 12. und 13. Jahrhundert entstand. Ein schier unerschöpflicher Reichtum an Formen, Mustern und Farben tut sich hier auf, und der Boden hebt und senkt sich in leichten Wellen, so dass das Beschreiten an die Bewegungen der Meeresoberfläche denken lässt. Nicht übersehen werden sollte die Inkrustation der Wände im unteren Bereich des Raumes. Hier sind fein geäderte, zersägte Marmorplatten so verlegt, dass sich reiche, spiegelbildliche Muster ergeben, die mit denen der gegenüberliegenden Wände korrespondieren. Es wird berichtet, dass die Venezianer diese Marmorplatten 1204 von der Westfassade der Hagia Sophia in Konstantinopel geraubt hätten. Fußboden und Wände entsprechen – metaphorisch gesprochen – dem irdischen Bereich, während Gewölbe und Kuppeln für den himmlischen Bereich stehen.

Ausstattung: Gleich nach dem Eingang, am Ende des rechten Seitenschiffs, findet sich an der Wand eine sogenannte Deesis, bei der Christus zwischen Maria und Johannes dem Täufer in Halbrelief dargestellt ist. Die Figuren, die jeweils von einer Säulenarkade umgeben sind, entstanden im 11. Jahrhundert. Weiter vorne im Seitenschiff befindet sich die Türe zum Baptisterium (> Sonderräume). Im Chor ist unter einer schlichten Platte der Architekt Jacopo Sansovino begraben (er hatte bis zum Ende der Republik sein Grab in der von ihm selbst erbauten Kirche S. Geminiano, die Napoleon abreißen ließ).

Am Eingang zum rechten, dem südlichen Querarm findet sich am Pfeiler ein Muttergottesrelief aus dem 12. Jahrhundert. Es ist stark abgeschliffen, denn es handelt sich um eine „Kusstafel“, um eine sogenannte Madonna del Bacio. Solchen Kuss­tafeln Verehrung zu erweisen, soll dem Gläubigen Glück und Gesundheit bringen. Von diesem Bildwerk berichtet die Legende, es sei aus dem Stein gefertigt worden, aus dem Moses im Sinai Wasser geschlagen habe. In der Ecke dahinter liegt der Eingang zum Tesoro, zur Schatzkammer. Zu beachten ist im südlichen Querarm das große Rundfenster mit feinem gotischem Maßwerk aus dem 15. Jahrhundert. Grundgedanke der Gliederung ist hier das Leitmotiv venezianischer Architektur, die Säulenarkade, wie an den radial gestellten Säulen zu erkennen ist. Das Fenster war früher sicher polychrom verglast.

Zwischen rechtem Querarm und Lettner steht vor dem Pfeiler der Frührenaissance-

Altar des hl. Jacopo di Compostela, der wie sein Gegenstück, der Paulus-Altar auf der anderen Seite des Längsarmes, vom Dogen Cristoforo Moro (1462–71) gestiftet wurde. Es handelt sich um Arbeiten von Antonio Rizzo, die im Jahre 1469 fertiggestellt waren. Eine Beteiligung von Pietro Lombardo wurde diskutiert. Die Architektur der Renaissancetabernakel kann formal auf Desiderio da Settignanos Sakramentstabernakel in San Lorenzo, Florenz (1461), zurückgeführt werden. Besonderer Beachtung wert ist hier die in feinster Meißeltechnik ausgeführte Dekoration an Pilastern und Bögen. „Rizzos Altäre gehören zu den frühesten Beispielen, die Pfeiler, Gebälk und Bogenfeld als strukturelle Rahmenelemente eines Altars einsetzen.“ (Anna M. Schulz) Weiter hervorzuheben sind die beiden Leuchterengel auf den seitlichen Balustraden, deren linker an Arbeiten Verrocchios erinnert und somit toskanische Wurzeln hat. Am Pfeiler hinter dem Altar des hl. Jacopo di Compostela vollzog sich gemäß der Legende die sogenannte apparitio, das Wunder der Erscheinung der Markusreliquien, die nach dem Großbrand von 976 verschollen waren und hier 1094 wieder auftauchten.

Links neben dem Pfeiler führen ein paar Stufen zur Cappella di San Clemente, die ausschließlich dem Dogen vorbehalten war und deshalb kostbar ausgestattet wurde. Er konnte sie durch eine eigene Türe direkt vom Palast aus erreichen. Besonders ist auf das Mosaik in der Apsis mit seinen herrlichen Abstufungen des Kolorits hinzuweisen. Der untere Teil des Relief-Retabels am Altar zeigt den Dogen Andrea Gritti zu Füßen der hll. Andreas und Nikolaus. Die Muttergottes darüber hat der Doge Cristoforo Moro 1465 gestiftet. Sie steht stilistisch in der Nachfolge Donatellos, wobei aber auch auf eine Darstellungsweise der venezianischen Malerei dieser Zeit zurückgegriffen wurde (die Muttergottes stehend, das Kind vor ihr auf einer Balustrade).

Nach links öffnet sich der Zugang zum Presbyterium. Dieser Teil der Kirche wurde 1834–36, als man S. Marco zur Patriarchalkirche umfunktionierte, wesentlich umgestaltet und stellt sich heute deshalb anders dar als zu Zeiten der Republik. Vorher bot er bei großen Festen Platz für den Dogen und die Signoria. Presbyterium und Apsis bergen Werke von höchstem historischem und kunsthistorischem Wert. Im Vorchor stehen seitlich zwei Sängerkanzeln (Cantorien) mit Bronzereliefs Sansovinos, die Szenen aus dem Leben des hl. Markus zeigen (1537–44). Der Hochaltarraum wird seitlich jeweils durch zwei Säulchenbalustraden mit Bronzestatuetten der sitzenden Evangelisten abgetrennt, die ebenfalls Sansovino gearbeitet hat (1550–52). Die Kirchenlehrer daneben stammen aus dem frühen 17. Jahrhundert.

Der Hochaltar wurde 1834–36 aus alten Stücken rekonstruiert. Von großem Interesse sind die vier Marmorsäulen, die den Altarbaldachin tragen und rundum, jeweils in neun Zonen, Darstellungen aus der Geschichte Christi und Marias tragen. Kleine Figuren, deren Motivik auf Elfenbeinschnitzereien zurückgeht, sind hier in Säulenarkaden gestellt und szenisch angeordnet. Die Datierung ist unsicher. Diskutiert wird eine Entstehung im 13. Jahrhundert, wobei das hintere Säulenpaar auch aus dem 5. oder 6. Jahrhundert stammen könnte. – An der rechten Seitenwand des Chorraumes ist der sogenannte Thron des Markus auf einem hohen Postament aufgestellt, der früher in der Schatzkammer aufbewahrt wurde. Der Name ist sicher unzutreffend, da es sich in Wirklichkeit um ein Reliquiar handelt, das vermutlich für die Fragmente der hölzernen Kathedra, des legendären Stuhles Petri, bestimmt war. Es wird angenommen, dass der Thron im 6. oder 7. Jahrhundert in Alexandrien gearbeitet wurde. Auf ihm sind der Lebensbaum mit dem Lamm und den vier Flüssen des Paradieses sowie die Evangelisten mit ihren Symbolen dargestellt. Laut Überlieferung handelte es sich um ein Geschenk, das der byzantinische Kaiser Heraclius 630 dem ersten Patriarchen von Grado zusandte.

Ein einzigartiges Werk – eine Feststellung, die nicht nur für Venedig gilt – ist die Pala d’Oro an der Rückseite des Hochaltars. Dieser Altaraufsatz, der 3,45 x 1,40 m misst, besteht aus mehr als 800 Einzelstücken wie Goldemailles, Edelsteinen und Ornamenten und ist ein Werk mit einer langen Entstehungsgeschichte. Die Einzelteile, die aus dem Zeitraum zwischen dem 10. und 14. Jahrhundert stammen, wurden nach und nach zusammengesetzt. Dabei wurden sowohl Teile byzantinischer Herkunft verwendet, als auch solche, die in Venedig selbst gearbeitet wurden (aus Venedig stammen z. B. die Emailplatten mit Szenen des Neuen Testaments und aus dem Leben des hl. Markus, während die Darstellungen von Begebenheiten aus dem Leben Christi byzantinisch sind. Ein unmittelbarer Stilvergleich ist dadurch ohne weiteres möglich). Die Pala d’Oro entging nach dem Ende der Republik nur deshalb der Vernichtung und wurde nicht eingeschmolzen, weil fälschlicherweise angenommen wurde, sie bestehe nur aus vergoldetem Material und nicht aus massivem Gold (Zorzi).

In der Apsis stehen vier Spiralsäulen aus Alabaster, die den Altarbaldachin tragen und deren Transparenz gelegentlich mit starken Lichtquellen demonstriert wird. Auf dem Tabernakel zeigt ein Relief Sansovinos den auferstandenen Christus mit Engeln. Ebenfalls von Sansovino stammt die herrliche Sakristeitür links vom Altar, die der konkaven Apsiswand angepasst ist. Sie trägt zwei große Relieffelder mit Darstellungen der Grablegung und der Auferstehung Christi, die von kleineren quadratischen und rechteckigen Feldern umgeben sind. Dieses System hat als direktes Vorbild die Porta del Paradiso von Ghiberti am Baptisterium von Florenz. Wie dort, so tragen auch hier die Eckquadrate kleine vollplastische Köpfe. Sie sollen gemäß der Überlieferung Zeitgenossen Sansovinos darstellen: den Künstler selbst (rechts unten), daneben Tizian, Aretino, Palladio, Veronese und Sansovinos Sohn Francesco.

Wieder zurück in der Vierung, also dem Raum unter der Mittelkuppel, hat man die Ikonostasis der Brüder Jacobello und Pierpaolo dalle Masegne aus den Jahren 1394–1404 vor sich. Sie erhebt sich über der Krypta (erkennbar an der Stirnmauer mit Säulenarkaturen und Fenstern) und ist aus polychromem Marmor gefertigt. Auf ihr steht eine Kreuzigungsgruppe, die von den großen Figuren der Apostel flankiert wird. Herrliche Charaktere sind hier in der Formensprache der Spätgotik gestaltet. An den Pfeilern beidseits des Presbyteriums stehen zwei Kanzeln, deren rechte zu Zeiten der Republik pergolo grando genannt wurde und aus Porphyr besteht. Auf ihr wurden bei bedeutenden Zeremonien die wichtigsten Reliquien aus dem Besitz von S. Marco ausgestellt. Der jeweils neu gewählte Doge wurde auf ihr dem Volk präsentiert zur collaudatio, den obligatorischen Beifallsrufen, und zwar mit dem traditionellen Satz: „Questo xe Missier lo Doxe, se ve piaxe“ – Das ist der neue Doge, wenn es euch gefällt“ (das venezianische „x“ wird als stimmhaftes „s“ ausgesprochen). Das Volk hatte auf die Frage mit den jubelnden Rufen „sia! sia!“ zu antworten. Der Präsentation des neuen Dogen war dessen Amtseinsetzung vorangegangen, die der primicerius, der oberste Kleriker von S. Marco als Vertreter des Heiligen vornahm, indem er dem Gewählten das Staatsbanner überreichte. Besonderer Beachtung wert sind vier vergoldete, kerzentragende Engelsstatuen hoch oben an den Ecken der Vierung, die aus dem 13. Jahrhundert stammen, also zu den ersten Werken venezianischer Großplastik gehören. Sie sind von ausgezeichneter Qualität und lassen an Werke Antelamis denken.

 

Auf dem Altar des linken, des nördlichen Querarms wird eine byzantinische Madonna verehrt, ein Andachtsbild des 10. Jahrhunderts vom Typ der Nicopeia, der „Siegbringerin“, das zu der Beute gehört, welche die Venezianer 1204 bei der Eroberung von Konstantinopel machten. Dort war die Nicopeia die Schutzpatronin der Römer und fungierte auch als condottiera delle legioni (Anführerin der Legionen), besaß somit eine zentrale Rolle innerhalb der Kaiserliturgie. Sie war in einer Kapelle der kaiserlichen Paläste untergebracht. Seit 1234 befindet sich die Nicopeia in S. Marco und besitzt auch ein Prunkgewand, das im Tesoro aufbewahrt wird. Das Madonnenbild hatte für die Venezianer immer eine große Bedeutung und wurde bei vielen Gelegenheiten um Hilfe angefleht. Das geschah jeweils durch große Prozessionen auf der Piazza, bei denen das Bild von vier Priestern getragen wurde, denen der gesamte Klerus der Stadt zusammen mit dem Dogen und den Adeligen folgte. Auf diese Weise hat man beispielsweise 1630 um das Ende der Pest gebetet und die Madonna fünfzehn Samstage darum angefleht. Anlässlich des Untergangs der Republik im Jahre 1797 blieb das Bild ebenfalls fünfzehn Tage lang ausgestellt. Auch 1919 und 1945 vereinigte sich die Bevölkerung Venedigs vor dem Andachtsbild, um für die Beendigung der beiden Weltkriege zu danken. Der Raum davor, von dem Hubala meint, er könne „eine gewisse Vorstellung vom Aussehen des Kirchenraums zur Zeit der Republik geben“, ist von einer dichten, andächtigen Stimmung erfüllt, er ist dem stillen Gebet vorbehalten. Am Pfeiler an der Ecke zwischen nördlichem Querhaus und dem Längsarm nach Westen ist die sogenannte Madonna dello Schioppo zu sehen, ein besonders schönes Relief aus dem 13. Jahrhundert. Der heutige Name bedeutet „Madonna mit der Flinte“ und nimmt mit der nach dem ersten Weltkrieg hinzugefügten Waffe auf die Errettung venezianischer Soldaten in diesem Krieg Bezug.

Die Cappella dei Mascoli liegt links hinten im linken Querarm. Die Betrachtung ihrer Kunstwerke ist wegen der meistens ungünstigen Lichtsituation in der Regel schwierig. Beleuchtet wird sie nur bei feierlichen Anlässen, und auch dann bleibt sie durch ein Gitter abgesperrt. Sie hat ihren Namen von der Bruderschaft der mascoli, der unverheirateten Männer. Besonderer Beachtung wert sind sowohl die Figuren auf dem Altar als auch die Mosaiken des Tonnengewölbes. Auf dem Altar steht Maria mit dem Kind zwischen den hll. Markus und Johannes. Die Figuren sind von einer aufwendigen Architektur mit gedrehten Säulen, Fialen und Wimpergen gefasst. Der Name des ausführenden Meisters ist nicht bekannt, er wird deshalb als „Mascoli-Meister“ bezeichnet. Die Werke gehören dem sogenannten Übergangsstil an, der zeitlich zwischen Spätgotik und Frührenaissance anzusetzen ist und Stilmerkmale beider Epochen vereint. Sie weisen aber auch nordische Einflüsse auf, besonders die Muttergottes. Sehenswert sind auch die beiden schönen Engel im Antependium. Die Mosaiken der Kapelle, deren Entstehungszeit um 1450 liegt, zeigen Szenen aus dem Marienleben. So ist in der Lünette eine Verkündigung zu sehen, in der Tonne links sind Geburt und Darstellung im Tempel, in der rechten Heimsuchung und Tod dargestellt. Der ausführende Künstler hat seine Werke deutlich mit seinem Namen Michele Giambono signiert. Nicht ganz klar ist, von wem die Kartons stammen, bei denen in jedem Fall toskanische Einflüsse anzunehmen sind (besonders im Marientod). Die Heimsuchung wird mit Jacopo Bellini, der Marientod mit Mantegna oder Castagno in Verbindung gebracht. „Jedenfalls ist das Mosaik des Marientodes eine Inkunabel venezianischer Frührenaissance, vorbildlich für die Bildarchitekturen Jacopo Bellinis und als Übertragung eines Bildgedankens donatellesker Herkunft zu beurteilen.“ (Hubala)

Im Weitergehen nach Westen (in Richtung Ausgang) findet sich links am Vierungspfeiler der Verkündigungsaltar, der seine heutige Gestalt im 14. Jahrhundert erhielt. Das schöne gemalte Kruzifix wurde bei der Eroberung von Konstantinopel erbeutet und 1205 von dort nach Venedig gebracht. Es stand dann zunächst auf der Piazza und kam erst 1290 an seinen jetzigen Platz. Seinen Namen hat der Altar von der Verkündigungsgruppe aus dem 13. Jahrhundert, deren Figuren etwas unbewegt und schwerfällig anmuten.

Sonderräume: Der Zugang zum Baptisterium unterliegt unterschiedlichen Regelungen. Zumeist muss im Patriarchenpalast eine Erlaubnis eingeholt werden. Dasselbe gilt für die Cappella Zen im Narthex sowie für die Krypta und ist ein recht kompliziertes Unternehmen. Manchmal ist das Baptisterium jedoch ohne weiteres zugänglich, dann allerdings den Betern vorbehalten. Es ist ebenfalls vollständig mit Mosaiken ausgekleidet, u. a. ist hier eine hinreißende Salome zu sehen.

Gegen Gebühr zugänglich ist die Schatzkammer, der Tesoro, mit einer exquisiten Sammlung der Kostbarkeiten, die nach 1797 noch verblieben sind. Vertreten sind u. a. Werke byzantinischer Goldschmiedekunst, Reliquienbehälter, Kreuzreliquiare, aus erlesenen Steinen geschnittene Pokale, ein silbernes Kreuzkuppel-Kirchenmodell. Beachtenswert ist das Portal bzw. die eigenartig geformte Arabeske über dem Türsturz. Diese trägt ein kunstvoll gearbeitetes Band mit Ranken, Vögeln und anderen Tieren. Im Tympanon sind zwei mosaizierte Engel vor einem Hintergrund zu sehen, der das Bogenmotiv des Bronzeportals von S. Marco wiederholt. Vor diesem Mosaik steht ein Schmerzensmann des 14. Jahrhunderts, der Züge nordischer Skulptur trägt.

Ebenfalls zugänglich sind die Galerien mit dem Museo Marciano. Dieses erreicht man über eine steile Treppe rechts des Haupteingangs. Ein Besuch ist in jedem Fall zu empfehlen. Von den Galerien aus hat man einen wunderbaren Blick in den Kirchenraum und auf die Mosaiken, und zwar gleich beim Eingang des Museums in die Längsachse der Kirche sowie von der Nordkuppel aus in deren Querarme. Tritt man von hier nach draußen auf die schmale umlaufende Terrasse, bietet sich ein hinreißender Blick über Piazza und Piazzetta. Das Museum birgt heute zahlreiche Werke, die hier vor der Einwirkung der Witterung in Sicherheit gebracht wurden. Insbesondere sind dies die Originale der vier Bronzepferde. Sie sind heute gut aufgestellt und ausgezeichnet beleuchtet, so dass man sie gut studieren kann. Nach einer grundlegenden Umgestaltung und Erweiterung des Museums fesseln und ergreifen Kraft, Bewegung und Feuer dieses singulären Werkes, das noch erstaunlich üppige Reste der ursprünglichen Vergoldung zeigt. Gleich daneben befinden sich das Original der Tetrarchen von der Außenseite des Tesoro sowie die Reliefplatten mit der Darstellung der Evangelisten, die sich früher am Seitenportal der Nordfassade befanden. Das Museum windet sich heute förmlich um die Markuskirche herum. In den teilweise recht engen Räumlichkeiten werden liturgische Gegenstände und Gewänder gezeigt. Von besonderer Bedeutung ist darüber hinaus die Sansovino-Madonna, die beim Einsturz des campanile 1902 zertrümmert wurde – man hat sie aus mehr als 1.000 Fragmenten wieder zusammengesetzt. Teil des Museums ist heute der ursprüngliche Ballsaal des Dogen, der in den Patriarchenpalast integriert ist.

Die anderen Sonderräume, wie die Cappella Zen am südlichen Ende der Vorhalle, die Krypta unter der Kirche und die Cappella di S. Isidoro am Ende des nördlichen Querarms, sind nur mit Sondergenehmigung zugänglich.

► Der Dogenpalast

„Eine derartige Baukunst hat man sonst noch nirgends gesehen, alles daran ist neu, man fühlt sich vom Hergebrachten erlöst, man begreift, dass es jenseits der klassischen und gotischen Formen eine ganze Welt gibt, dass die menschliche Erfindung ohne Grenzen ist ... Alle Gewohnheiten der Augen werden umgeworfen, und mit wundervoller Überraschung sieht man hier die morgenländische Phantasie Fülle auf das Leere anstatt Leere auf die Fülle setzen.“ (H. Taine)

Wie so vieles in Venedig, so ist auch der Palazzo Ducale von zahllosen Abbildungen her bekannt als komplexer Bau von unerhörtem Detailreichtum. Heute ist das riesige Gebäude praktisch ein Museum seiner selbst und eine Gemäldegalerie von größtem Reichtum.

Der Dogenpalast ist das einzige Gebäude der Stadt, das offiziell palazzo genannt wird. Alle anderen Bauten des Adels und der Reichen, und seien sie auch noch so prachtvoll und somit ihrem Wesen nach klar Paläste, heißen im Venezianischen Ca’, die Kurzform für casa (Haus). Bis 1797 war der Dogenpalast die Residenz der Dogen, die verpflichtet waren, in dem ihnen zugeteilten weitläufigen Appartement zu wohnen. Alle Veränderungen der Räumlichkeiten, die sie wünschten, mussten sie selbst bezahlen und außerdem auch noch für alle hier entstehenden Repräsentationskosten aufkommen. Daneben barg der Palast insbesondere den riesigen Saal für die Versammlungen des Adels, die Sala del Maggior Consiglio, sowie die Amtssitze der Regierungsgremien und der obersten Richter. Interessant ist, dass es beileibe nicht nur goldstrotzende Säle waren, in denen Macht ausgeübt wurde. Im Rahmen einer höchst empfehlenswerten Führung, genannt die Itinerari segreti (geheime Wege), werden Räumlichkeiten gezeigt, die eher Verschlägen als Büros gleichen und in denen Träger wichtigster Ämter auf etwa zwei Quadratmetern zusammen mit ihrem Sekretär an einem winzigen Tischchen arbeiteten. Mit seiner Gesamtanlage und seinen Prunkräumen „verkörpert der Dogenpalast Macht und Herrlichkeit, Geschichte und Eigenart des venezianischen Staates für alle Welt“ (Hubala).

Baugeschichte: Die Anfänge einer Dogenresidenz liegen im Dunkeln, doch soll schon bald, nachdem die Verwaltung im 9. Jahrhundert von Malamocco hierher verlegt wurde, eine hölzerne, von Wasser umgebene Burg entstanden sein. Von diesem Vorgängerbau hat sich nichts erhalten, und auch anderweitige Quellen liefern keinerlei Informationen über die Struktur dieses Gebäudes. Erste wesentliche Veränderungen fanden unter dem kurzen, aber hochbedeutenden Dogat Sebastiano Zianis (1172–78) statt, der 1177 als Friedensstifter zwischen Papst Alexander III. und Kaiser Friedrich Barbarossa fungierte. Von diesem Palast sind „dicke Mauern aus Haustein im Westflügel, umfangreiche Reste eines Turms an der Südostecke und eine einsame Säule im Südflügel“ (Wolters) noch nachweisbar, von der Struktur des Baus ist jedoch nichts überliefert. Es wird angenommen, dass das Gebäude von Ecktürmen flankiert war und, in Anlehnung an die Contarinikirche (die Baugestalt der Markuskirche im 11. Jahrhundert), bereits das Motiv der Säulenarkade aufgenommen hatte, sich also schon zur Umgebung hin öffnete. 1340 fasste man den Entschluss zu einer durchgreifenden baulichen Veränderung bzw. zu einem Neubau. Der Anstoß dafür ging von der Notwendigkeit aus, einen ausreichend dimensionierten Saal für die Versammlungen des auf mehr als 1800 Mitglieder angewachsenen Großen Rates zu schaffen. Als Architekten wurden ein Filippo Calendario (der sich dann in die Falier-Verschwörung verstrickte und am 16. April 1355 zwischen den Säulen des von ihm erbauten Palastes gehängt wurde) und die Familie der Bon (oder Buon) genannt. Zwischen 1340 und 1400 entstand der Südflügel (am Molo), dessen Skulpturen-Schmuck (sogenanntes Stenofenster, Kapitelle und Eckplastiken) nach 1404 hinzukam. Die Sala del Maggior Consiglio wurde 1423 unter dem Dogen Francesco Foscari eingeweiht, der bis 1438 die Front des alten Ziani-Baus zur Piazzetta hin nieder­legen und den jetzigen Westflügel aufführen ließ. Gleichzeitig entstand die Porta della Carta, ab 1483 auch der Ostflügel mit Front zum Rio del Palazzo, nachdem ein Brand einen Vorgängerbau zerstört hatte. Ihm wurden Pläne des Bildhauers Antonio Rizzo zugrunde gelegt, unter dem auch die monumentale Scala dei Giganti im Hof des Dogenpalastes entstand, Ort aller künftigen Dogenkrönungen. Die heute zu sehende kostbare Ausstattung der Innenräume entstand erst nach weiteren Großbränden der Jahre 1574 und 1577. Damals wurde sogar ein radikaler Umbau nach Plänen Palladios erwogen, die man jedoch verwarf – eine Tatsache, die als Glücksfall anzusehen ist, da ein Neubau wohl kaum ein adäquater Ersatz für das wundervolle Bauwerk gewesen wäre.

 

Die Besichtigung des Dogenpalastes ist zeitaufwendig, aber in hohem Maße lohnend. Ob man sich durch die schier unendliche Raumfolge treiben lässt oder alle Einzelheiten eingehend und vertieft betrachtet – in jedem Fall wird man um unerhörte Eindrücke bereichert.

Äußeres – Baugestalt: Ein weiträumiger, rechteckiger Binnenhof wird an drei Seiten von den Palastbauten, an der vierten (nördlichen) Seite von der Markuskirche begrenzt. Der gewaltige Baukörper misst etwa 75 x 100 Meter. Sein Fundament ist ein Rost von Lärchenstämmen. Das Erdgeschoss ist im Süden und Westen als Arkadenhalle gebildet. 36 schmucklose, mächtige Säulen, die heute durch Anhebung des Platzniveaus etwa vierzig Zentimeter tief im Boden stecken, tragen über figurengeschmückten Kapitellen Bögen mit weicher Rundung. Im zweiten Geschoss stehen Säulenarkaden in so dichter Reihung, dass zwei Bögen oben auf einen unteren Bogen treffen. Zwischen die Säulen im Obergeschoss ist eine feingliedrige Säulchenbalustrade gespannt. Die Säulen tragen hier fast zierlich wirkende Laubkapitelle. Aus diesen steigt das Wunderwerk des gotischen Maßwerkes kraftvoll mit großen kreisrunden Öffnungen empor, in denen Vierpässe geformt sind. Dieses Geschoss wird durch ein Gesims mit einem Blattrosetten-Dekor abgeschlossen. Das nun folgende Hauptgeschoss hat dieselbe Höhe wie die beiden Untergeschosse zusammen und besitzt – abgesehen von den Fenstern – eine geschlossene Fläche, die durch ein kelimartiges Muster aus kleinen Ziegeln in Weiß, Rot und Grün zart strukturiert ist. Die „verkehrte“ Anordnung der Wandflächen der Geschosse – zerbrechliche Bögen unten tragen massives Mauerwerk oben – ist oft besprochen und natürlich auch als statisch unsinnig kritisiert worden. Man mag dazu stehen wie man will: Durch seine ungewöhnliche Fassadenstruktur gewinnt dieses gewaltige Bauwerk etwas Schwebendes, ein Eindruck, der noch verstärkt wird durch das Licht der Lagune, aus dem es sich erhebt. Ohne weiteres kann auch die Vorstellung entstehen, dass hier einem Würfel eine Decke mit venezianischer Spitze übergeworfen worden ist. Der filigrane Eindruck wird weiter durch die sogenannten merlature verstärkt (merletto bedeutet im Venezianischen „Spitze“), nämlich durch die an arabische Gestaltungsweise gemahnenden Zierzinnen (sie sind in moderner Rekonstruktion nach alten Abbildungen gefertigt). Die Architektur des Dogenpalastes ist ganz wesentlich auf die Ansicht vom Wasser her ausgerichtet.

Feinste Einzelheiten bereichern und beleben das Bauwerk. So sind die Kapitelle des Erdgeschosses eine kleine Welt für sich. Jedes von ihnen zeigt acht Darstellungen, z. B. von Tugenden und Lastern, der Stände, von antiken Kaisern und Philosophen, von Tieren und Pflanzen, von der Geschichte eines Paares vom Kennenlernen bis hin zum Tod des gemeinsamen Kindes usw., von Themen also, die auch an den Fassaden gotischer Kathedralen in Frankreich behandelt werden – „eine Enzyklopädie spätmittelalterlicher Frömmigkeit und Weltlust“ (Hubala). An den Ecken des Gebäudes finden sich plastische Werke: im Südosten die Verspottung des trunkenen Noah, darüber der Erzengel Raphael mit Tobias, im Südwesten der Sündenfall mit dem Erzengel Michael darüber, im Nordosten das Urteil Salomons und der Erzengel Gabriel. Die Mitte des Obergeschosses der Südfassade trägt das sogenannte Stenofenster, das 1404 entstand und benannt ist nach dessen Stifter, dem Dogen Michele Steno (1400–13). Es ist ein Werk der Brüder dalle Masegne, das nach dem Palastbrand von 1577 erneuert wurde. Es wird von Vittorias Statue der Justitia aus der gleichen Zeit bekrönt. An der Westfassade (zur Piazzetta hin) findet sich ein etwas einfacher gestaltetes Pendant zu diesem Fenster. Es wurde 1536 von Scarpagnino und Sansovino entworfen und zeigt den vor dem Markuslöwen knienden Dogen Andrea Gritti (1523–38) – ein Motiv, das in nächster Nähe noch dreimal vorkommt, nämlich an der Porta della Carta, am Arco Foscari und am Uhrturm (alles Nachbildungen, weil die Originale 1797 von Bilderstürmern zerstört wurden), und das die nachgeordnete Stellung des Dogen im Staate symbolisiert. Im westlichen Arkadengang fallen zwei Säulen aus rotem Veroneser Marmor auf. Allgemein wird überliefert, dass sie den Ort bezeichnen, an dem Todesurteile verkündet wurden. Eine andere Überlieferung weiß zu berichten, dass der jeweilige Doge von dieser Stelle aus der Vollstreckung der Todesurteile zwischen den beiden Säulen der Piazzetta beiwohnen musste.

Rechts der zum Molo hin gelegenen Südfassade spannt sich der Ponte di Paglia über den Rio del Palazzo, von ihr ist in starker Verkürzung die östliche Rückseite des Dogenpalastes zu überblicken. Es fällt immer recht schwer, sich diese insgesamt wenig systematisch gegliederte Renaissancefassade zu vergegenwärtigen, die in der Sockelzone der langgestreckten Diamantenwand zwei gewaltige Wassertore besitzt. Von der Brücke aus fällt der Blick auch auf den Ponte dei Sospiri (Seufzerbrücke), die den Palast mit dem gegenüberliegenden Palazzo dei Prigioni (Staatsgefängnis) verbindet und 1603 nach Plänen Antonio Contins errichtet wurde. Ob immer gemäß dem Symbol der Justitia, deren Figur dort zu sehen ist, gehandelt wurde, mag dahingestellt bleiben. Der Blick vom Ponte di Paglia aus in das gesamte Ensemble wirkt wie der in eine Schlucht und ist ein wenig unheimlich und beklemmend, da alles, was über die lautlose Willkür venezianischer Justiz und Staatsinquisition zu hören und zu lesen war, hier baulich verkörpert ist. Anzumerken bleibt, dass die berühmten Bleidächer, unter denen Casanova gefangen gehalten wurde, die des Dogenpalastes selbst und nicht die des benachbarten Gefängnisses, der Prigioni, sind.

Links der Westfassade, zwischen dem Palast und S. Marco, erhebt sich die sog. Porta della Carta (Papiertor), ein Name, der vermutlich von den hier früher angrenzenden Staatsarchiven abgeleitet wurde. Sie war früher reich vergoldet, weswegen sie auch Porta aurea genannt wurde. Entstanden ist sie 1438–42 unter Leitung von Giovanni Bon und dessen Sohn Bartolomeo, vermutlich waren aber auch Kräfte aus der Lombardei und der Toskana beteiligt. Polygonale Strebepfeiler flankieren eine mächtige hochrechteckige Tür mit darüber liegendem Großfenster. Über diesem halten drei schwebende Engel einen Tondo mit dem segnenden hl. Markus, ein Motiv, das auf die Spätantike zurückgeht. Auf den Rändern des Wimpergs turnen Putti und auf seiner Spitze thront Justitia. In den Nischen der Strebepfeiler stehen Personifikationen der Kardinaltugenden. Vor dem Fenster kniet (als Rekonstruktion) der Doge Francesco Foscari vor dem Markuslöwen. Stilistisch gehört die Porta della Carta dem sogenannten Übergangsstil zwischen Spätgotik und Frührenaissance an. Die unteren Tugendfiguren werden mit Antonio Bregno, dem Schöpfer des Foscari-Grabmals in der Frari-Kirche, in Verbindung gebracht. Die Porta della Carta korrespondiert mit der ihr zu Füßen des campanile gegenüberliegenden Loggetta. Sie führt in einen tunnelartigen Gang, den Porticato Foscari und weiter in den Hof des Dogenpalastes, den man durch den Arco Foscari betrat, um der Scala dei Giganti gegenüber zu stehen. Heute liegt hier der Ausgang aus dem Dogenpalast.