Tausend und eine Nacht

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Asem und die Königin der fliegenden Inseln


Im Mor­gen­lan­de leb­te ein jun­ger Mann, der hieß Asem, und er war von Be­ruf ein Fär­ber. Trotz sei­ner Ju­gend hat­te er doch schon den Ruf großer Klug­heit er­run­gen.


Ei­nes schö­nen Ta­ges trat ein sehr reich ge­klei­de­ter Herr in Asems La­den und sag­te: »Ihr seid zu wei­se für ein sol­ches Ge­wer­be! Wenn sich Euch ein Mit­tel dar­bö­te, schnell Euer Glück zu ma­chen, wür­det Ihr es wohl an­neh­men?«

»Aber warum soll­te ich mich denn wei­gern?«

»So seid mor­gen früh bei gu­ter Zeit wie­der in Eu­rem La­den; ich wer­de auch her­kom­men.«

Mit die­sen Wor­ten nahm der Frem­de Ab­schied von Asem; aber als die­ser sei­ner Mut­ter er­zähl­te, was ihm be­geg­net war, warn­te sie ihn sehr ein­dring­lich und sag­te: »Bist du nicht reich ge­nug, da du un­se­re Be­dürf­nis­se be­strei­ten kannst? Die Gier nach Gold hat schon vie­le ins Ver­der­ben ge­stürzt.«

Asem ver­sprach der al­ten Frau, auf der Hut zu sein, und am Mor­gen traf er mit dem Frem­den zu­sam­men. Der er­bat sich ein Stück schlech­tes Me­tall, be­streu­te es mit ei­nem gel­ben Pul­ver, sprach dazu ein paar ge­heim­nis­vol­le Wor­te und warf es in einen Tie­gel über dem Feu­er.

Nach kur­z­er Zeit nahm er das Ge­fäß von der Flam­me und ließ den er­staun­ten Asem einen Bar­ren rei­nen Gol­des se­hen.

»Ich hof­fe, Ihr seid nun über­zeugt von mei­ner Kunst«, sag­te er, »heu­te Abend will ich mit Euch es­sen und will Euch mein Ge­heim­nis ver­ra­ten.«

Der Al­chi­mist sorg­te für den Wein, und als sie sich bei Ein­bruch der Nacht zu Ti­sche ge­setzt hat­ten, hieß er den ar­men Asem so viel trin­ken, dass der bald auf dem Wege zu ei­nem gu­ten Rau­sche war.

Wie ihm so die Sin­ne all­ge­mach schwan­den, warf ihm der Gast ein Pul­ver in den Wein. Da­von fiel Asem in einen tie­fen Schlaf; und kaum war er auf das La­ger ge­sun­ken, da er­schie­nen vier Die­ner des Frem­den und steck­ten den Schlä­fer in eine sar­g­ähn­li­che Kis­te.

Die­se Kis­te wur­de noch in der Nacht an Bord ei­nes Schif­fes ge­bracht, wel­ches im Grau­en des Ta­ges die An­ker lich­te­te und in die hohe See stach.

Als kei­ne Ge­fahr mehr war, dass Asem ent­kom­men konn­te, träu­fel­te ihm der Al­chi­mist ei­ni­ge Trop­fen ei­ner Flüs­sig­keit in die Nase. Da­von muss­te der Schlä­fer nie­sen und er­wach­te.

Aber wie be­reu­te er, dass er dem klu­gen Rate sei­ner Mut­ter nicht ge­folgt hat­te!

Nach et­li­chen Wo­chen er­reich­ten sie ein ein­sa­mes Land; der Ma­gier und Asem ver­lie­ßen das Schiff, und als sie sich ein Stück vom Strand ent­fernt hat­ten, zog der Alte eine klei­ne Trom­mel mit zwei Stö­cken un­ter sei­nem Klei­de her­vor, wir­bel­te einen Marsch, und als­bald er­hob sich ein wü­ten­der Sturm in der Wüs­te. Eine Staub­säu­le wir­bel­te da­her, aber die Säu­le zer­teil­te sich, und drei Ka­me­le schrit­ten dar­aus her­vor, die wa­ren mit al­len Vor­rä­ten zu ei­ner lan­gen Rei­se be­la­den.

Der Ma­gier sag­te, Asem sol­le ihn von nun an mit dem Na­men Ba­ram ru­fen; dann be­stieg je­der ein Ka­mel, das drit­te trab­te ne­ben­her, und so durch­quer­ten sie die Wüs­te.

Am neun­ten Tage er­blick­ten sie in der Fer­ne ein sehr schö­nes Schloss. So­bald der alte Ma­gier die Tür­me er­kann­te, lenk­te er vom Wege ab und trieb die Ka­me­le zu schleu­ni­ger Flucht vor­wärts.

Nach ei­ni­gen Ta­gen ka­men sie in ein sehr ho­hes, sehr star­kes und sehr fins­te­res Ge­bir­ge. Eine tie­fe Kluft trenn­te sie da­von, und Asem er­kann­te, dass kei­ne Mög­lich­keit sei, die schwar­zen Ber­ge zu be­stei­gen.

Ba­ram schlach­te­te das Last­ka­mel, wei­de­te es aus und be­fahl Asem, in die Höh­le des Bau­ches zu krie­chen.

»Ich wer­de die Haut wie­der zunä­hen«, sag­te er, »aber ich will ein Loch las­sen, da­mit du nicht er­stickst. Nicht lan­ge, und ein un­ge­heu­er großer Vo­gel, der Roch, wird her­bei­kom­men, das Tier mit sei­nen Klau­en pa­cken und dich auf den Gip­fel des Ber­ges tra­gen. So­bald du spürst, dass er dich nie­der­ge­legt hat, schlit­ze die Haut des Ka­mels auf und sprin­ge her­vor. Dein plötz­li­ches Er­schei­nen wird den Vo­gel so er­schre­cken, dass er da­von­fliegt. Als­dann fül­le den Sack, wel­chen ich dir mit­ge­be, schnell mit dem schwar­zen Stau­be, den du auf dem Ber­ge fin­den wirst, knüp­fe ihn an das Ende des Sei­les, das ich in der Haut des Ka­mels ver­ber­ge, und lass ihn her­un­ter. Hier­auf kannst du dich selbst an­schlei­fen und auf dem glei­chen Wege her­ab­glei­ten. Dann wol­len wir uns wie­der auf die Heim­rei­se be­ge­ben.«

Asem ließ sich also in die Ka­mel­haut ein­nä­hen, der Vo­gel Roch kam und trug ihn auf den schwar­zen Berg, der Be­frei­te ver­scheuch­te den Roch, sam­mel­te den Staub in den Sack und ließ die­sen am Stri­cke her­ab.

Aber kaum hat­te Ba­ram das Seil er­grif­fen, als er mit all sei­ner Kraft dar­an zog, um Asem her­ab­zu­rei­ßen und zu zer­schmet­tern. Da muss­te Asem das Seil fah­ren las­sen, um we­nigs­tens für den Au­gen­blick sein Le­ben zu ret­ten.

Als er ihn um Mit­leid an­fleh­te, denn er sah sei­nen Tod vor Au­gen, höhn­te ihn Ba­ram und rief: »Gott ver­hü­te, dass ich ein sol­cher Narr sei, einen Men­schen mit mir zu neh­men, der mein Ge­heim­nis ver­ra­ten könn­te! So wie dir ist es schon vier­zig an­de­ren er­gan­gen, und nun be­rei­te dich zu ei­nem ver­gnüg­ten Ster­ben.«

Dann schwang er sich auf sein Ka­mel und ver­schwand in der Wüs­te.

Asem sah die Nacht her­ein­bre­chen und such­te sich zwi­schen den Fels­blö­cken ein La­ger.

Als der Tag grau­te, rin­gel­te sich eine rie­si­ge Schlan­ge zwi­schen den Stei­nen da­her, die den Ver­las­se­nen ver­schlin­gen woll­te.

Asem, des­sen Ent­set­zen aufs höchs­te ge­stie­gen war, er­fass­te sei­nen Dolch und stieß ihn dem Un­ge­heu­er in den Na­cken, und die Schlan­ge war auf der Stel­le ge­tö­tet.


Die ihm den Un­ter­gang ge­droht hat­te, ward sei­ne Ret­tung; denn die Grö­ße des ge­frä­ßi­gen Tie­res brach­te ihn auf den Ge­dan­ken, ihm den Balg ab­zu­zie­hen und dar­aus lan­ge Rie­men zu schnei­den; da­mit woll­te er sich vom Fel­sen her­ab­las­sen.

Er mach­te sich auch so­gleich ans Werk und kam da­mit zu­stan­de.

Nach ei­ni­gen Ver­su­chen glitt er an die­ser Lei­ne aus Schlan­gen­le­der hin­ab und wan­der­te fort bis zum Abend.

Neun Tage lang nähr­te er sich von den Früch­ten, die ihm die Stau­den am Wege bo­ten; da er­blick­te er wie­der das schö­ne Schloss, vor dem der Ma­gier ge­flo­hen war. Gol­de­ne Säu­len tru­gen glän­zen­de Dä­cher, und zahl­lo­se Vö­gel füll­ten die Gär­ten rings­um­her mit ih­rem Ge­san­ge.

Asem schritt durch einen herr­li­chen Vor­hof, trat in einen Saal und fand zwei jun­ge schö­ne Mäd­chen beim Schach­spiel.

Und als er sie frag­te, ob er hier blei­ben kön­ne, sag­ten sie mit Freu­den ›ja‹ – doch müs­se er ih­nen hel­fen, die Ar­bei­ten im Palas­te zu ver­rich­ten.

Dazu war Asem gern be­reit.

Ei­nes Ta­ges sah er in den Gär­ten ei­ni­ge Ge­spie­lin­nen je­ner Mäd­chen, die von weit­her ge­kom­men wa­ren. Sie trie­ben gol­de­ne Bäl­le und sil­ber­ne Rei­fen über das kur­ze Gras, und eins die­ser frem­den Mäd­chen ge­fiel Asem so gut, dass er sag­te: ohne die schö­ne Jung­frau wol­le er hin­fort nicht le­ben.

Da sprach die eine sei­ner Freun­din­nen: »Die­se Schö­ne ist die Kö­ni­gin der flie­gen­den In­seln. Auch sie wird gern dein Weib wer­den, wenn es dir ge­lingt, ih­ren Schlei­er zu rau­ben, den sie ins Gras ge­legt hat; denn dann muss sie hier im Schlos­se blei­ben.«

Das ließ sich Asem nicht zwei­mal sa­gen; er brach­te den Schlei­er an sich, und weil die jun­ge Kö­ni­gin der flie­gen­den In­seln gar nicht be­trübt über den Raub schi­en, so wur­de die Hoch­zeit noch am sel­bi­gen Tage ge­fei­ert.

Als sie in se­li­gem Glücke ei­ni­ge Jah­re im Schlos­se ge­lebt hat­ten, wur­de Asem von ei­ner großen Sehn­sucht nach sei­ner Mut­ter und sei­ner Hei­mat be­fal­len. Er wuss­te sei­ne Gat­tin zu über­re­den, ihm zu fol­gen, und so be­schlos­sen sie die Rei­se. Zwar wa­ren die schö­nen Mäd­chen des Schlos­ses sehr be­trübt, weil die bei­den sie ver­las­sen woll­ten, aber die kind­li­che Lie­be Asems zu sei­ner Mut­ter rühr­te sie.

Am Mor­gen des Rei­se­ta­ges schlu­gen sie auf eine klei­ne Trom­mel, und in dem glei­chen Au­gen­bli­cke stan­den meh­re­re Ka­me­le vor dem Palast; die wa­ren ent­we­der schön auf­ge­zäumt, oder sie tru­gen Ge­schen­ke al­ler Art. Auch war ein star­kes Ge­fol­ge von Skla­ven bei den Tie­ren, und wie die Ka­ra­wa­ne ei­nes rei­chen Kauf­herrn zo­gen Asem, sei­ne Ge­mah­lin und die Skla­ven auf den Ka­me­len von dan­nen. An der Küs­te tra­fen sie ein Schiff, und ein güns­ti­ger Wind führ­te sie in kur­z­er Zeit in die Va­ter­stadt Asems. Wer ver­möch­te die Freu­de zu schil­dern, die die grei­se Mut­ter emp­fand, als sie ih­ren ver­lo­ren ge­glaub­ten Sohn in die Arme schloss!

Über­schüt­tet von Lie­be und Glück, war Asem da­mals ei­ner der reichs­ten Ein­woh­ner sei­ner Stadt; aber als drei Jah­re ver­flos­sen wa­ren, er­in­ner­te er sich des Schlos­ses an der Wüs­te, und er nahm sich vor, ihm einen Be­such ab­zu­stat­ten. Ehe er je­doch reis­te, gab er den Schlei­er sei­ner Ge­mah­lin in die Hän­de sei­ner Mut­ter und sag­te: »Wenn du ihr die­sen Schlei­er ließest, wür­de sie von ei­ner un­wi­der­steh­li­chen Sehn­sucht nach der flie­gen­den In­sel ge­trie­ben wer­den. Hüte dar­um den Schlei­er wohl; wenn ich glück­lich heim­ge­kehrt bin, will ich selbst mit mei­ner Gat­tin in ihre Hei­mat rei­sen. Dürf­te sie aber al­lein ge­hen, so wür­de ich sie auf ewig ver­lie­ren und ihre bei­den Kin­der wür­den ver­waist um sie trau­ern.«

 

Die Mut­ter ver­sprach, den Schlei­er sorg­sam zu hü­ten. Dann reis­te Asem zum Schloss in der Wüs­te.

Nach ei­ni­gen Ta­gen nahm sei­ne Gat­tin ein Bad an je­ner Stel­le, an der auch die Frau­en vom Hofe des Sul­tans zu ba­den pfleg­ten. Und als sie die schöns­te al­ler Frau­en sa­hen, konn­ten sie ihre Au­gen an der Blü­te ih­rer Ju­gend nicht sät­ti­gen und ge­lei­te­ten sie nach Hau­se.

So­bei­de, die Ge­mah­lin des Sul­tans, war über die­se Nach­richt sehr er­staunt und hat­te Lust, Asems Gat­tin zu se­hen. Sie ließ sie ho­len.

Als sie bei ihr ein­trat, rich­te­te die Sul­ta­nin ihre er­staun­ten Au­gen auf sie und sprach: »In wel­chem Lan­de ist eine so himm­li­sche Schön­heit ge­schaf­fen wor­den?«


»Fürs­tin«, er­wi­der­te sie, »wenn Ihr mich schon in die­sen ein­fa­chen Klei­dern schön fin­det, was wür­det Ihr sa­gen, wenn Ihr mich in mei­nem Schlei­er­ge­wan­de sä­het!«

So­bei­de be­fahl der Mut­ter Asems, auf der Stel­le hin­zu­ge­hen und den Schlei­er zu brin­gen. Bei die­sen Wor­ten zit­ter­te die Alte; denn sie dach­te an ihr Ver­spre­chen; aber sie wag­te nicht, Ein­wen­dun­gen da­ge­gen zu ma­chen, ging trau­rig nach Hau­se und brach­te das ver­häng­nis­vol­le Ge­wand.

So­bei­de be­trach­te­te das feins­te al­ler Ge­we­be lan­ge und be­wun­der­te es; denn es war von un­ge­ahn­ter Herr­lich­keit.

Die Gat­tin Asems aber, als sie den Schlei­er in ih­ren Hän­den fühl­te, konn­te ihre Hei­mat­sehn­sucht nicht mehr zü­geln, nahm ihre Kin­der in ihre Arme, warf sich das Ge­wand über und ent­schwand vor den er­staun­ten Au­gen der Sul­ta­nin und ih­res Hof­staa­tes in den Lüf­ten. Von weit­her rief sie zu­rück: »Lebt wohl, lie­be Mut­ter! Trös­tet mei­nen Ge­mahl! Ich wer­de nie auf­hö­ren, ihn zu lie­ben, aber die Sehn­sucht nach mei­ner Hei­mat zwingt mich, ihn zu ver­las­sen. Wenn er nicht ohne mich le­ben kann, so soll er mich auf den flie­gen­den In­seln su­chen! Ade! Ade!« –

Wäh­rend die­se Din­ge sich zu­tru­gen, ge­dach­te Asem sei­ner Ge­mah­lin, schied aus dem Schloss an der Wüs­te und kehr­te in sei­ne Va­ter­stadt zu­rück. Er fand sei­ne Mut­ter in bit­te­ren Trä­nen.

»Was ist ge­sche­hen?« rief er in ban­ger Ah­nung. »Wo ist mei­ne Frau? Wo sind mei­ne Kin­der?«

In tiefer Reue er­zähl­te die Mut­ter al­les, und Asem er­gab sich sei­nem fas­sungs­lo­sen Schmer­ze.

Dann fass­te er den Ent­schluss, sein Weib und sei­ne Kin­der auf­zu­su­chen, aber man stell­te ihm vor, dass er die flie­gen­den In­seln erst in sie­ben Jah­ren er­rei­chen wür­de. Doch nichts konn­te ihn von sei­nem Vor­satz ab­brin­gen. Er reis­te zu­nächst zum Palast an der Wüs­te und frag­te dort um Rat. Auch jene bei­den Schwes­tern, die er zu­erst ge­se­hen hat­te, such­ten ihn zu­rück­zu­hal­ten. Um­sonst. Sie wie­sen ihm also den Weg, und am zehn­ten Tage sei­ner Wan­de­rung kam er an eine Stra­ßen­kreu­zung. Dort er­blick­te er drei Män­ner, die in hef­ti­gem Streit mit­ein­an­der la­gen und ihn an­rie­fen: »Heda, jun­ger Mann, kommt nä­her; Ihr sollt der Schieds­rich­ter in un­se­rem Strei­te sein.«

Dann zeig­ten sie ihm eine Kap­pe, eine Trom­mel und einen Ball, und ei­ner sprach zu ihm:

»Wir sind drei Brü­der, die von ih­ren El­tern die­se drei Din­ge als Erb­teil er­hal­ten ha­ben; nun wis­sen wir nicht, wel­ches Stück dem einen, wel­ches dem an­de­ren ge­hö­ren soll. Da­rum: teilt je­dem sein Los zu, und bei Eu­rer Ent­schei­dung wol­len wir uns be­ru­hi­gen.«

»So sagt mir zu­vor, wel­chen Wert die Stücke ha­ben!« sprach Asem.

»Die­se Kap­pe hat die Kraft, un­sicht­bar zu ma­chen. Wer sie auf­setzt, kann über­all ein­tre­ten, er kann die Schänd­lich­kei­ten der Bö­se­wich­ter ent­schlei­ern – kurz, er er­fährt alle Ge­heim­nis­se, die er zu wis­sen wünscht. – Die Trom­mel aber be­freit den, der sie be­sitzt, aus je­der Ge­fahr; alle Geis­ter ste­hen ihm zu Dienst, wenn er auf die Schrift­zei­chen schlägt, die dar­in ein­ge­gra­ben sind. – Wer aber den Ball hat, kann sich in je­dem Au­gen­bli­cke von ei­nem Ende der Erde zum an­de­ren ver­set­zen; er vollen­det in zwei Ta­gen einen Weg von sie­ben Jah­ren.«

»Hm«, sag­te Asem, »er­zäh­len könnt Ihr mir das wohl, aber könnt ihr die Wahr­heit Eu­rer Re­den auch be­wei­sen?«

»So ver­sucht die Kräf­te die­ser Wun­der­din­ge«, spra­chen die Brü­der, »und wenn wir ehr­lich ge­re­det ha­ben, so kehrt zu uns zu­rück und fällt Eure Ent­schei­dung.«

Asem setz­te also die Kap­pe auf den Kopf, knüpf­te die Trom­mel an sei­nen Gür­tel, warf den Ball, der an ei­nem Fa­den hing, auf den Bo­den, sprach den Ort aus, zu dem er woll­te, und der ge­hor­sa­me Ball roll­te so­gleich vor­wärts und durch­flog mit ihm den Raum in Win­des­schnel­le.

End­lich hielt er vor dem Tore ei­nes großen Hau­ses. Asem er­griff sei­ne Trom­mel, schlug die Zau­ber­zei­chen, und eine Stim­me ließ sich aus dem Hau­se hö­ren, die sprach: »Du hast ge­siegt, Asem, und du hast einen Teil der Schwie­rig­kei­ten über­wun­den. Aber es war­ten dei­ner noch man­cher­lei Ge­fah­ren und Prü­fun­gen. Ver­birg dei­nen Ball!«

»Wer bist du, der also zu mir spricht?«

»Ich bin ei­ner der Geis­ter, die der Trom­mel die­nen. Set­ze dei­ne Fahrt fort; denn du bist noch drei Jah­res­rei­sen von den flie­gen­den In­seln ent­fernt.«

Asem ver­lor den Mut nicht und ge­lang­te nun in eine Wüs­te, die wim­mel­te von Schlan­gen, Dra­chen und an­de­ren wil­den Tie­ren.

Da be­sann er sich auf sei­ne Kap­pe und durch­schritt so die grau­en­vol­le Ge­gend ohne Ge­fahr.

Dann kam er zum Stran­de ei­nes Mee­res und sah in der Fer­ne die Ber­ge der flie­gen­den In­seln; die stan­den im Lich­te der un­ter­ge­hen­den Son­ne, als wä­ren sie von Gold.

Asem, der nicht wuss­te, wie er über dies wei­te Meer kom­men soll­te, rief mit Hil­fe der Trom­mel den Geist.

»Was willst du?«

»Sage mir, wie ich die See über­schrei­te!«

»Das kannst du nicht ohne die Hil­fe je­nes Ein­sied­lers, der am Ran­de der Wüs­te wohnt. Nimm dei­nen Ball und fah­re zu ihm!«

Asem setz­te sei­nen Ball in Be­we­gung und wur­de als­bald zur Woh­nung des Ere­mi­ten ge­führt. Der emp­fing ihn sehr freund­lich und sag­te: »Was be­wegt dich, mein Sohn, eine so schwie­ri­ge Rei­se zu un­ter­neh­men?«

Asem er­zähl­te al­les und frag­te nach dem Mit­tel, über das Meer zu ge­lan­gen.

»Da wirst du noch viel Müh­sa­le zu be­ste­hen ha­ben«, ant­wor­te­te der Greis; »mor­gen wol­len wir auf einen ho­hen Berg stei­gen, und dann sollst du das Meer über­se­hen.«


Am an­de­ren Tage reis­ten sie zu dem Ber­ge und ka­men in einen Hof, dar­in stand ein rie­sen­großes Bild aus Erz. Meh­re­re Röh­ren gin­gen da­von aus und gos­sen Was­ser in ein wei­tes Mar­mor­be­cken.

Der Ein­sied­ler zün­de­te ein Feu­er an und warf ei­ni­ges Räu­cher­werk hin­ein. Dazu mur­mel­te er un­ver­ständ­li­che Wor­te. Dann ent­stand ein Un­wet­ter, Blit­ze zer­ris­sen die Wol­ken, und die Don­ner­schlä­ge hall­ten durch die Ge­bir­ge.

Das Wet­ter leg­te sich end­lich, und das Ge­tö­se schwieg. Der Greis aber sprach: »Gehe hin­aus und be­trach­te das Meer, wel­ches dir un­durch­schreit­bar er­schi­en!«

Da war das Meer ver­schwun­den, und kein Trop­fen Was­ser rann, wo vor­her die Wo­gen in Uner­mess­lich­keit ge­braust hat­ten. Der Ein­sied­ler aber war nicht mehr zu se­hen.

Asem setz­te sei­nen Weg fort und er­reich­te end­lich die flie­gen­den In­seln.

Dies Land war ein Wun­der an Herr­lich­keit. Alle Bü­sche und Bäu­me stan­den in Blü­ten, und die­se Blü­ten welk­ten nicht; denn die flie­gen­den In­seln tra­gen den ewi­gen Früh­ling.

Er traf eine alte Frau, die frag­te er nach dem Palas­te der Kö­ni­gin, und sie ver­sprach, ihn da­hin zu füh­ren.

»Mein Sohn«, sag­te sie, »dei­ne Gat­tin hat seit ih­rer Tren­nung von dir viel Leid er­dul­det. Ich bin oft Zeu­gin ih­rer schmerz­vol­len Reue ge­wor­den, und ich habe mich ver­geb­lich be­müht, ih­ren Kum­mer zu lin­dern; denn das Volk die­ser In­seln hat be­schlos­sen, sie zu tö­ten, weil sie ihre Hand ei­nem Man­ne ge­reicht hat, der nicht aus dem Ge­schlech­te der Be­woh­ner die­ses Lan­des ist. Schon mor­gen soll sie ihr Le­ben las­sen, ihr Auf­ent­halt aber ist ein ver­git­ter­ter Ker­ker.«

Die Alte ver­schaff­te sich mit vie­ler List Ein­gang zu der schö­nen Kö­ni­gin, denn sie war die Wär­te­rin ih­rer Kind­heit ge­we­sen.

»Trös­te dich«, sprach sie zu ihr, »o un­glück­li­che Kö­ni­gin! Dein Gat­te ist nach großen Ge­fah­ren in dies Land ge­langt, er ist jetzt noch in mei­nem Hau­se, und ich will ihm ra­ten, dich so schnell als mög­lich zu ent­füh­ren.«

Die Freu­de der Kö­ni­gin war un­aus­sprech­lich; sie schlang die Arme um den Hals ih­rer grei­sen Wär­te­rin und entließ sie mit der Aus­sicht auf eine köst­li­che Be­loh­nung.

Eine neue Kö­ni­gin war auf den Thron ge­setzt wor­den, und die­se trat am an­de­ren Mor­gen in den Turm, dar­in Asems Gat­tin lag, und ver­kün­de­te ihr, dass sie ster­ben müs­se.

Asem aber hat­te sei­ne Kap­pe auf­ge­stülpt und war un­sicht­bar mit in das Ge­fäng­nis ge­schrit­ten. Dann gab die Kö­ni­gin den Be­fehl, die Ge­fan­ge­ne mit ih­ren gol­de­nen Haa­ren an einen Pfei­ler zu bin­den.

»Hal­tet ein, Er­bar­mungs­lo­se!« schrie Asem, als er dies ver­nahm; denn er konn­te sei­nen glü­hen­den Zorn nicht län­ger zu­rück­hal­ten.

Die Kö­ni­gin, ent­setzt über die Don­ner­stim­me des Un­sicht­ba­ren, blick­te furcht­sam um sich und ent­floh samt ih­ren Skla­vin­nen und den Hen­kers­knech­ten von hin­nen. Die Tür ras­sel­te und fiel ins Schloss.

Aber ge­gen Abend trat die Schlie­ße­rin in den Turm und trug der Ge­fan­ge­nen ihr Nacht­mahl her­ein. Rasch trat nun Asem, der Un­sicht­ba­re, her­zu, raub­te der Schlie­ße­rin das Schlüs­sel­bund, nahm sei­ne Gat­tin und die Kin­der in die Arme und floh mit ih­nen in die ein­bre­chen­de Nacht.

Der Ball ver­sag­te auch dies­mal sei­nen Dienst nicht. Er führ­te die Flüch­ti­gen in den Palast an der Wüs­te, und die Freu­de des Wie­der­se­hens mit den schö­nen Be­woh­ne­rin­nen war groß.

Aber Asem ver­gaß in sei­nem Glücke de­rer nicht, die ihm zu sei­nem schwie­ri­gen Wer­ke ver­hol­fen hat­ten. Er sand­te den Geist zur Wär­te­rin auf den flie­gen­den In­seln und ließ ihr eine rei­che Be­loh­nung brin­gen, die sie bis an ihr Ende ver­sorg­te.

Dann ließ er die drei Brü­der ho­len, die hoff­nungs­los in ih­ren ar­men Hüt­ten sa­ßen, und sprach: »Die Din­ge, die ihr euer nennt, sind von großem Wer­te. Aber sie wer­den euch erst nüt­zen kön­nen, wenn ihr ge­lobt, fort­an ein­mü­tig mit­ein­an­der zu le­ben.«

Das ge­lob­ten die drei und zo­gen ver­söhnt von dan­nen.

Asems Mut­ter war in­zwi­schen von ih­rem un­auf­hör­li­chen Wei­nen er­blin­det. Wie aber die Kun­de in ihr Haus kam: »Dein Sohn Asem ist zu­rück­ge­kehrt, und er bringt sei­ne Ge­mah­lin und sei­ne En­kel mit!« da ward ihre Freu­de so groß, dass sie von Stun­d’ an wie­der se­hen konn­te.

Der Sul­tan, der von all die­sen Vor­gän­gen er­fuhr, for­der­te Asem und sein schö­nes Weib zu sich; er ließ sei­nen Schrei­ber kom­men und al­les ge­nau so auf­schrei­ben, wie es sich zu­ge­tra­gen hat­te. Und aus dem Bu­che des Sul­tans habe ich die­se merk­wür­di­ge Ge­schich­te ab­ge­schrie­ben. …


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