Tausend und eine Nacht

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Von Stun­d’ an ward Sind­bad sehr nach­denk­lich und ver­wünsch­te das Ge­schenk, das ihm der Kö­nig in je­nem jun­gen Wei­be ge­macht hat­te. Er be­ob­ach­te­te die Frau aufs sorg­sams­te, und je­des Un­wohl­sein er­füll­te ihn mit Grau­en und Furcht. Ei­nes Ta­ges klag­te sie über hef­ti­ge Schmer­zen; Ärz­te wur­den ge­holt, alle Mit­tel wur­den ver­sucht – ver­geb­lich: die jun­ge Frau konn­te ihr La­ger nicht mehr ver­las­sen, und nach sie­ben Ta­gen war sie tot.

»Das ist eine schö­ne Ge­schich­te«, dach­te Sind­bad; denn er stell­te Be­trach­tun­gen sehr trüb­se­li­ger Art an. Aber es fiel ihm nichts ein, wo­durch er sich hät­te aus sei­ner üb­len Lage be­frei­en kön­nen. So kam der drit­te Tag her­an und mit ihm das Be­gräb­nis; der Kö­nig und alle Vor­neh­men der Stadt ga­ben der To­ten das Ge­lei­te zu dem Brun­nen auf der Spit­ze des Ber­ges, in den sie und ihr über­le­ben­der Gat­te ver­senkt wer­den soll­ten. Sind­bad schritt tod­blei­chen An­ge­sichts dicht hin­ter der Bah­re, und so sehr er noch auf die­sem letz­ten Gan­ge den Kö­nig bat, ge­gen ihn das har­te Ge­setz die­ses Lan­des nicht an­zu­wen­den – es half nichts; denn der Kö­nig mein­te, er sei der ers­te Die­ner des Staa­tes und müss­te das Ge­setz vor al­lem er­fül­len.

Zu­erst senk­te man die Tote in den Schacht der tie­fen Grot­te, dann setz­te sich Sind­bad auf die für ihn be­reit­ste­hen­de Bah­re, emp­fing sei­nen Krug Was­ser und die sie­ben klei­nen Bro­te, und lang­sam, lang­sam glitt die Bah­re an Stri­cken in die Fins­ter­nis. Dann wur­de der Stein über der Brun­nen­öff­nung ge­schlos­sen. »Wäre es nicht bes­ser, die Stirn an den Schrof­fen der Wän­de ein­zu­sto­ßen«, dach­te Sind­bad, »als in die­ser furcht­ba­ren Nacht zu ver­hun­gern?« Er tas­te­te mit sei­nen Hän­den und fühl­te Lei­chen um sich her. Aber die Lie­be zum Le­ben war zu groß in ihm – er er­griff den Krug und trank, er fand die Bro­te und aß da­von.


So war die drit­te Nacht her­an­ge­kom­men, und Sind­bads Vor­rat an Nah­rungs­mit­teln war auf­ge­zehrt. Auf ein­mal ver­nahm er ein Keu­chen, wie das ei­nes ge­hetz­ten Tie­res, er hör­te ein Geräusch, als wenn dies Tier durch einen Spalt im Ber­ge sich zwäng­te, er sah die Au­gen die­ses Tie­res, die sich gie­rig wie grü­ne Lich­ter in die Nacht stell­ten. Es war eine Hyä­ne, die, von dem Ge­ruch der Ver­we­sung an­ge­lockt, einen Weg in das schau­der­vol­le Grab ge­fun­den hat­te.

Ein Über­maß von Freu­de kam in des ar­men Sind­bad Herz; denn er dach­te: auf dem Wege, auf dem die­ses Tier durch die un­ter­ir­di­schen Grot­ten ge­gan­gen sei, müs­se auch er ans Licht kom­men. Er be­gann zu tas­ten, er er­griff einen Kno­chen als Waf­fe ge­gen die Hyä­ne und scheuch­te sie in die Flucht; er kroch auf al­len vie­ren einen un­end­lich lan­gen Gang durch Za­cken und Schrof­fen und durch trie­fen­des Ge­stein. End­lich sah er – wie einen Stern – ein Licht in der Nacht der Tie­fen auf­ge­hen: das war der Tag, der weit, weit­hin vor dem Ein­gan­ge des un­ter­ir­di­schen We­ges stand. Und als Sind­bad zu die­ser Öff­nung ge­lang­te, bran­de­te rings­um­her das Meer, und wil­de Klip­pen hin­gen um ihn, über die noch kei­nes Men­schen Fuß ge­schrit­ten war.

Kaum konn­te der ge­quäl­te Mann noch auf den Fü­ßen ste­hen. Er fiel nie­der und dank­te sei­nem Got­te für die wun­der­ba­re Ret­tung; dann fing er sich ei­ni­ges See­ge­tier, das er roh ver­zeh­ren muss­te; aber durch sie­ben Tage fris­te­te er sein Le­ben in der Ein­sam­keit, und am ach­ten kam ein Schiff mit ge­bläh­ten Se­geln her­auf; der Ka­pi­tän er­kann­te den Men­schen in den Klip­pen des Stran­des, sand­te ein Boot zu ihm, das brach­te ihn an Bord, und mit dem Schif­fe ge­lang­te er in die heiß­er­sehn­te Hei­mat.

Aber die Lust zu neu­en Rei­sen war dem Hel­den so vie­ler Aben­teu­er auch durch die­se Stra­pa­zen nicht ge­nom­men wor­den. Nach Jahr und Tag rüs­te­te er zu neu­er Fahrt. Nicht lan­ge, so lan­de­ten sie an ei­ner wei­ßen In­sel, dort fan­den sie ein Ei des Vo­gels Roch, wel­ches eben­so groß wie je­nes frü­he­re und schon lan­ge be­brü­tet war; denn der Schna­bel des jun­gen Rie­sen­vo­gels hat­te schon eine Öff­nung in die Scha­le ge­pickt.

Die Kauf­leu­te, die sich bei Sind­bad be­fan­den, hat­ten so et­was noch nie ge­se­hen, dar­um mach­ten sie sich so­fort dar­an, das Ei mit ih­ren Äx­ten in Stücke zu schla­gen und den jun­gen Vo­gel her­aus­zu­ho­len. Sind­bad warn­te sie zwar ein­dring­lich, aber er fand kein Ge­hör; und nicht lan­ge, so ver­fins­ter­te sich die Luft, und zwei mäch­ti­ge Wol­ken flo­gen nä­her und nä­her.

Der Ka­pi­tän er­kann­te, dass die Wol­ken nichts an­de­res sei­en als die al­ten Vö­gel, dar­um gab er Be­fehl, so rasch als mög­lich auf das Schiff zu ei­len; und ein paar Au­gen­bli­cke spä­ter stieß das Fahr­zeug denn auch mit vol­len Se­geln vom Lan­de.

Wie die bei­den Ro­che merk­ten, dass ihr Jun­ges ge­tö­tet war, flo­gen sie ih­ren Weg zu­rück und ka­men in kur­z­er Frist wie­der; je­der aber trug dies­mal einen mäch­ti­gen Fels­block zwi­schen den Fü­ßen. Als sie ge­ra­de über dem Schif­fe wa­ren, ließ der eine den Fel­sen aus den Kral­len glei­ten, und er muss­te das Schiff zer­schmet­tern, wenn der Steu­er­mann nicht eine ge­schick­te Wen­dung aus­ge­führt hät­te. Da­rum fiel der Fels­block ins Meer und zer­riss die Flu­ten der­art, dass man den Grund des Ozeans se­hen konn­te. Der an­de­re Vo­gel Roch aber ließ sei­nen Fels­block so ge­nau auf die Mit­te des Schif­fes fal­len, dass es in tau­send Sp­lit­ter zer­schell­te. Alle Ma­tro­sen und Kauf­leu­te wur­den er­schla­gen, nur Sind­bad, der sich in der Tie­fe des Fahr­zeugs ver­bor­gen hat­te, tauch­te le­bend em­por, und es ge­lang ihm, sich auf ein Stück des Wracks zu ret­ten. Er wäre aber den­noch elend zu­grun­de ge­gan­gen, wenn er nicht zu­fäl­lig in eine Mee­res­s­trö­mung ge­trie­ben wor­den wäre, die ihn sanft und bei schöns­tem Wet­ter an den Strand ei­ner In­sel trug.

Bä­che von süßem, köst­li­chem Was­ser ran­nen durch die grü­nen Auen die­ses Lan­des, und Bäu­me mit al­ler­lei Früch­ten wuch­sen in Men­ge rings­um­her.

Sind­bad aß von den Früch­ten und er­quick­te sich an den küh­len Quel­len, als er plötz­lich einen Greis am Ufer ei­nes Ba­ches sit­zen sah, der so ge­brech­lich schi­en, als hät­te er auch Schiff­bruch er­lit­ten. »Ach, lie­ber Herr«, klag­te der Greis, »könn­tet Ihr mich nicht auf Eu­ren Schul­tern durch den Bach tra­gen?«

Sind­bad, der ein sehr ge­fäl­li­ger Mann war, be­sann sich nicht lan­ge, hob den Al­ten auf sei­ne star­ken Schul­tern und trug ihn hin­über.


Aber als er ihn dort ab­set­zen woll­te, wei­ger­te sich der Rei­ter, sei­nen Sitz zu ver­las­sen, und alle An­stren­gun­gen Sind­bads, der Last le­dig zu wer­den, blie­ben er­folg­los. Und wenn er sich mit ihm ins Gras streck­te, der Rei­ter wich nicht von sei­nem Plat­ze. Tau­send Lis­ten fie­len dem See­fah­rer ein, aber der Alte war klü­ger, und so füg­te sich Sind­bad sei­nem schreck­li­chen Lose, mit der Last des Grei­ses durch sei­ne Tage wan­dern zu müs­sen.

Ein­mal – es wa­ren schon ei­ni­ge Wo­chen ver­gan­gen, seit er das Reit­tier des strup­pi­gen Al­ten ge­wor­den – fand er einen sehr schö­nen Fla­schen­kür­bis, den höhlte er aus, press­te den Saft ei­ni­ger Trau­ben hin­ein und stell­te ihn in die Son­ne, da­mit der Saft gäre. Nach ein paar Ta­gen kam er wie­der zu dem Orte, fand den Trank aus­ge­zeich­net und leer­te den Kür­bis zur Hälf­te. Die Wir­kung des Wei­nes war vor­treff­lich: Sind­bad be­kam neue Kraft und neu­en Le­bens­mut und zog sin­gend mit sei­ner schwe­ren Last durch das son­ni­ge Land.

Da der Alte die wun­der­ba­re Wir­kung des Wei­nes er­kann­te, woll­te er auch zu trin­ken ha­ben. Sind­bad trab­te also zu der Kür­bis­fla­sche zu­rück; der Greis sog den Kür­bis mit durs­ti­gen Lip­pen leer und ward von dem un­ge­wohn­ten Ge­trän­ke so ver­gnügt, dass er sich nicht mehr auf den Schul­tern Sind­bads hal­ten konn­te: als die­ser ei­ni­ge Sprün­ge mach­te, ku­gel­te der trun­ke­ne Rei­ter von sei­nem Röß­lein und fiel einen schwe­ren Fall ins Gras.

Nun war das La­chen an Sind­bad. »Ich könn­te dich mit ei­nem Bau­mast er­schla­gen«, sag­te er, »um dich für die Übel­tat zu stra­fen; aber ich sehe da eben, dass du in dei­nen schmut­zi­gen Haa­ren ei­ni­ge sehr wert­vol­le Per­len trägst, so groß wie Ha­selnüs­se. Wenn du mir die gibst, will ich dir dein Le­ben schen­ken.«

»So, so«, mach­te der Greis. »Sol­che Din­ger kann ich mir sehr leicht wie­der ver­schaf­fen, die ha­ben gar kei­nen Wert für mich und sind in mein Haar ge­kom­men, ich weiß nicht wie.«

Da lös­te Sind­bad drei wei­ße und eine köst­li­che schwar­ze Per­le aus den strup­pi­gen Haa­ren und schätz­te, dass die Klein­odi­en einen Wert von vier Sch­lös­sern ha­ben möch­ten. »Da­mit hast du dei­ne Schuld be­zahlt«, sag­te er, »und nun wün­sch’ ich dir einen gu­ten Tag.«

Der Alte schau­te ihm mit sau­ren Bli­cken nach, aber Sind­bad eil­te so schnell er konn­te zum Stran­de; denn er sah ge­ra­de ein Schiff vor­über­se­geln, dem er sich be­merk­bar mach­te, so­dass es lan­de­te und ihn auf­nahm.

Als er den Schiffs­leu­ten sein Aben­teu­er er­zähl­te, staun­ten sie sehr und sag­ten: »Du bist ein Glückspilz, Sind­bad; denn du bist kei­nem an­de­ren in die Hän­de ge­fal­len, als dem Meer­greis; und die­ser grau­sa­me Ge­sel­le hat noch kei­nen aus sei­nen Kral­len ge­las­sen.«

Nach ei­ni­ger Zeit lan­de­te das Schiff im Ha­fen ei­ner großen Stadt; Sind­bad schloss sich dort ei­ni­gen Kauf­leu­ten an, die mit Sä­cken aus­zo­gen, Ko­kos­nüs­se zu sam­meln.

 

Als­bald ge­lang­ten sie in einen großen Wald, der aus sehr ho­hen, sehr glat­ten Bäu­men be­stand, so­dass es un­mög­lich war, ohne Lei­tern bis in die Kro­nen der Bäu­me em­por­zu­klet­tern.

Als die Män­ner in den Wald tra­ten, sa­hen sie eine große Men­ge wü­ten­der Af­fen, die sich mit er­staun­li­cher Be­hän­dig­keit von Wip­fel zu Wip­fel schwan­gen.

Die Kauf­leu­te sam­mel­ten Stei­ne und war­fen dann nach den Af­fen, die aber setz­ten sich in Ver­tei­di­gung, und weil sie kei­ne Stei­ne hat­ten, so ris­sen sie die schwe­ren Nüs­se von den Bäu­men und schleu­der­ten sie ge­gen ihre Fein­de. Auf die­se Wei­se füll­ten sich die Sä­cke der Samm­ler rasch, und als sie die Nüs­se ver­kauf­ten, lös­ten sie eine Men­ge Geld.

Sind­bad ver­wen­de­te das sei­ne auf eine sehr merk­wür­di­ge Wei­se: er ding­te sich ei­ni­ge Schwar­ze, die er zur Per­len­fi­sche­rei ver­wen­de­te, bis ein Schiff un­ter Se­gel ging, das ihn zur Hei­mat führ­te. Die Per­len aber brach­ten ihm beim Ver­kauf un­er­mess­li­che Reich­tü­mer.

Nach Ver­lauf ei­nes Jah­res litt es ihn aber­mals nicht mehr da­heim. Das Schiff, das er im per­si­schen Meer­bu­sen be­stieg, hat­te eine so un­glück­li­che Fahrt, dass Ka­pi­tän und Steu­er­mann den Weg ganz und gar ver­lo­ren; denn zu da­ma­li­ger Zeit wa­ren die Schif­fe noch nicht mit den Hilfs­mit­teln von heu­te aus­ge­rüs­tet. Ei­nes Ta­ges ge­bär­de­te sich der Ka­pi­tän wie ein Ra­sen­der, warf sich auf das Deck und riss sich den Bart aus; dann schrie er: »Wir be­fin­den uns an der ge­fähr­lichs­ten Stel­le des Ozeans; eine rei­ßen­de Strö­mung treibt das Schiff, in ei­ner Vier­tel­stun­de sind wir alle des To­des!«

Das war eine sehr üble Aus­sicht; und kaum wa­ren die Wor­te des Ka­pi­täns ver­hallt, so trieb das Schiff mit der Schnel­lig­keit ei­nes Stur­mes ge­gen einen sehr ho­hen und stei­len Berg, an dem es zer­schell­te. Zwar wur­den alle Per­so­nen und die meis­ten Wa­ren ge­ret­tet, aber der Schiffs­haupt­mann war un­tröst­lich und schrie: »Gr­abt euer Grab und lasst uns ein­an­der Le­be­wohl sa­gen; denn von die­sem Ort ist noch kein Mensch le­bend ge­kom­men.«

Die Küs­te war ganz mit den Trüm­mern ge­schei­ter­ter Schif­fe be­deckt, un­er­mess­li­che Reich­tü­mer an Gold, Per­len und sel­te­nen Mu­scheln wa­ren am Strand auf­ge­häuft. Aber all die­se Din­ge dienten nur dazu, den Schmerz der Ge­stran­de­ten zu ver­meh­ren. Der Berg hielt je­den Wind von die­ser Stel­le ab, so­dass nie­mand auf den Trüm­mern der Schif­fe sich ret­ten konn­te; denn die rei­ßen­de Strö­mung wü­te­te mit gan­zer Kraft. Der Berg selbst war aber so steil, dass kein Mensch an dem über­hän­gen­den Ge­wän­de em­por­zu­klim­men ver­moch­te.

Wie Leu­te, die ih­ren Ver­stand ver­lo­ren hat­ten, lag die Schiffs­mann­schaft ta­ge­lang in den Trüm­mern um­her. Die zu­erst star­ben, wur­den von den an­de­ren be­gra­ben. Zu­letzt war Sind­bad al­lein üb­rig­ge­blie­ben, weil er mit sei­nen Nah­rungs­mit­teln am bes­ten haus­ge­hal­ten hat­te; aber als er den letz­ten sei­ner Ge­nos­sen be­grub, blie­ben ihm nur noch so we­nig Le­bens­mit­tel, dass auch er sich sein ei­ge­nes Grab schau­fel­te.

Nun mün­de­te nicht weit von je­ner Stel­le ein Fluss ins Meer; der brach aus ei­nem Fel­sen­to­re von köst­li­chen Edel­stei­nen; und wer in das Tor hin­ein­blick­te, schau­te nichts als gäh­nen­de Tie­fe und un­er­mess­li­che Nacht. Und wäh­rend Sind­bad das rät­sel­haf­te Fel­sen­tor be­trach­te­te, sag­te er zu sich: »Die­ser Fluss wird dich viel­leicht nur auf ei­nem Tei­le sei­nes Lau­fes un­ter der Erde ver­ber­gen. Wie, wenn ich mir ein Floß bau­te und auf sei­nen Wo­gen vor­wärts­drän­ge? Vi­el­leicht käme ich dann von die­sem Un­glück­sor­te fort und in ein schö­nes, hel­les Land!«


Er be­gann also un­ge­säumt an sei­nem Flo­ße zu ar­bei­ten, be­lud es mit ei­ni­gen Bal­len Ru­bi­nen, Sma­rag­den, grau­em Am­bra und kost­ba­ren Stof­fen, die da um­her­la­gen, und setz­te es mit zwei Ru­dern in Be­we­gung.

Nicht lan­ge, und das Floß fuhr in die Wöl­bung des Ber­ges hin­ein. Ei­ni­ge Tage trieb Sind­bad in tiefer Nacht, durch die nicht der kargs­te Licht­strahl schim­mer­te. Manch­mal war die Wöl­bung so nied­rig, dass er nur im Sit­zen ru­dern konn­te. Von den ta­ge­lan­gen Mü­hen aber war er so müde, dass er end­lich in einen tie­fen Schlaf sank, und er war so gleich­gül­tig ge­gen sein Schick­sal ge­wor­den, dass er nicht ein­mal dar­an dach­te: die Strö­mung wer­de ihn nun wie­der zur Stät­te sei­ner Qual zu­rück­trei­ben.

Dem war aber nicht so; denn zum Glück ent­sch­lief er just an ei­ner Stel­le des Stro­mes, an wel­cher die­ser einen Arm aus­sand­te, des­sen Be­we­gung das Floß so­fort auf­nahm und vor­wärts­dräng­te.

Und als er er­wach­te, be­fand er sich mit­ten in ei­ner wei­ten Land­schaft voll herr­li­cher Bäu­me; das Floß war am Ufer fest­ge­bun­den, und rings­um­her stand eine Men­ge Schwar­zer, die den An­kömm­ling neu­gie­rig be­trach­te­ten, der aus der Tie­fe des Ber­ges ih­nen zu­ge­trie­ben wor­den war.

Die Schwar­zen wa­ren sehr freund­li­che Leu­te, lie­ßen sich Sind­bads Ge­schich­te er­zäh­len und ver­sorg­ten ihn reich­lich mit Spei­se und Trank. Der Kö­nig aber gab ihm Ge­schen­ke, ließ ein Schiff aus­rüs­ten, und da­mit er­reich­te er glück­lich die Hei­mat. So be­schwer­lich die Rei­se ge­we­sen war, er hat­te sein Be­sitz­tum da­bei doch wie­der der­ma­ßen ver­mehrt, dass man in al­len Län­dern die Ge­schich­te von Sind­bads des See­fah­rers un­er­mess­li­chen Reich­tü­mern er­zähl­te.

Da ließ ihn ei­nes Ta­ges der Kö­nig ru­fen und sag­te: »Mein lie­ber Sind­bad! Mein Freund, der Kö­nig von Se­ren­dyb, hat mir ein Schiff mit den herr­lichs­ten Schät­zen der Welt ge­schenkt, und es ist nö­tig, dass ich mich ihm dank­bar da­für be­zei­ge. Du musst mir einen Dienst leis­ten und dem Kö­ni­ge mei­ne Ge­gen­ge­schen­ke über­brin­gen.«

Die­ser Be­fehl traf Sind­bad wie ein Don­ner­schlag; er er­zähl­te in Eile die schreck­li­chen Müh­sa­le sei­ner Fahr­ten, aber der Kö­nig ließ sich nicht rüh­ren und sag­te: »Das sind ja si­cher­lich sehr merk­wür­di­ge Din­ge, die du er­fah­ren hast, doch dür­fen sie dich nicht ab­hal­ten, den Wunsch dei­nes Kö­nigs zu er­fül­len; denn wenn du un­ge­hor­sam wä­rest, müss­te ich dich tö­ten las­sen. Du sollst ja nur nach der In­sel Se­ren­dyb rei­sen, und es steht bei dir, nach Er­le­di­gung mei­nes Auf­tra­ges so­fort um­zu­keh­ren.«

Weil Sind­bad sah, dass der Kö­nig auf sei­nem Wil­len be­stand, er­klär­te er sich schwe­ren Her­zens be­reit; denn ihm ahn­te Un­heil; und nach we­ni­gen Ta­gen stach sein Schiff in See.

Der Kö­nig schick­te sei­nem Freun­de ein Bett von Gold­stoff, der so wert­voll war wie drei Se­gel­schif­fe und zwölf ara­bi­sche Hengs­te, schick­te fünf­zig Ge­wän­der aus At­las, Bro­kat und Schar­lach; hun­dert an­de­re von feins­tem Ge­we­be aus Kai­ro; er schick­te ein Ge­fäß aus Achat und eins aus Ru­bin, bei­de einen Fin­ger dick und mit ei­ner Öff­nung von der Wei­te ei­nes hal­b­en Fu­ßes, er sand­te wei­ße Ros­se mit pur­pur­nen De­cken – die Herr­lich­keit der Schät­ze lässt sich nicht auf­zäh­len, die das Schiff barg.

Und Sind­bad lan­de­te auch glück­lich im Ha­fen des Kö­nigs von Se­ren­dyb, emp­fing vie­le rei­che Ge­schen­ke, und am vier­ten Tag entließ ihn der Kö­nig mit ho­hen Ehren.

Aber es dau­er­te nicht lan­ge, so wur­de das Schiff von See­räu­bern über­fal­len, die je­den von der Mann­schaft nie­der­met­zel­ten, der sich zur Wehr setz­te. Die­je­ni­gen, die üb­rig­b­lie­ben, wur­den ih­rer schö­nen Klei­der be­raubt, in Lum­pen gehüllt und von den Räu­bern nach ei­ner fer­nen In­sel ge­bracht, wo sie ver­kauft wur­den.

Sind­bad wur­de von ei­nem sehr rei­chen Kauf­mann er­stan­den, der ihn so­fort in sei­ne Woh­nung führ­te und ihn mit ei­nem Skla­ven­an­zug be­klei­de­te. Dann frag­te ihn der Kauf­mann, ob er gut mit dem Bo­gen schie­ßen könn­te.

»Dies ist eine mei­ner Ju­gen­d­übun­gen ge­we­sen«, ant­wor­te­te Sind­bad, »und ich glau­be, ich habe die­se Kunst seit­dem nicht ver­lernt.«

Da­rauf gab ihm sein Herr Bo­gen und Pfei­le, hieß ihn ne­ben sich auf einen Ele­fan­ten stei­gen, und bei­de rit­ten nun in einen großen Wald. Dort be­fahl er Sind­bad: »Stei­ge nun von dem Reit­tier, nimm Pfeil und Bo­gen und klet­te­re auf einen die­ser sehr ho­hen Bäu­me. Es gibt in die­sem Wal­de eine große Men­ge Ele­fan­ten. Da­von sollst du mir et­li­che er­le­gen, und so­bald du einen ge­trof­fen hast, be­nach­rich­ti­ge mich; denn ich wer­de noch in die­ser Stun­de zu­rück­rei­ten in die Stadt.«

Er gab ihm auch ei­ni­ge Le­bens­mit­tel mit und ritt als­bald von dan­nen, um der Ge­fahr aus dem Wege zu kom­men.

Sind­bad blieb den Tag und die fol­gen­de Nacht jä­ger­wach­sam auf dem Bau­me sit­zen; aber ein Ele­fant zeig­te sich nicht. Als je­doch die Son­ne von Neu­em stieg, zog eine gan­ze Her­de durch den Wald; Sind­bad schoss meh­re­re Pfei­le ge­gen sie und traf so glück­lich, dass eins der Tie­re, zu Tode ver­wun­det, zu­sam­men­brach. Die an­de­ren be­ga­ben sich auf die Flucht, und der ge­schick­te Bo­gen­schüt­ze hat­te Zeit, zu sei­nem Herrn zu ent­kom­men und ihm die Kun­de zu brin­gen. Der Herr be­lob­te sei­nen neu­en Skla­ven sehr, ging mit ihm und ei­ni­gen sei­ner Ar­bei­ter in den Wald, und sie be­gru­ben den Ele­fan­ten an der Stel­le, an der er ge­fal­len war. Nach ei­ni­ger Zeit, in wel­cher der Leib ver­wit­tern soll­te, woll­te der Kauf­mann wie­der­kom­men und die Stoß­zäh­ne des er­leg­ten Wil­des an sich neh­men; denn er war ein El­fen­bein­händ­ler.

Sind­bad muss­te von da ab Tag und Nacht im Wal­de zu­brin­gen, und es ge­lang ihm fast täg­lich, einen Ele­fan­ten zu er­le­gen.

Zwei Mo­na­te hat­te er die­se Jagd aus­ge­übt, da er­schie­nen ei­nes Ta­ges sehr vie­le je­ner mäch­ti­gen Tie­re, um­stell­ten den Baum, auf dem Sind­bad sich ver­bor­gen hat­te, und be­gan­nen ein er­der­schüt­tern­des Brül­len. Ei­ner der größ­ten aber er­fass­te den un­te­ren Teil von Sind­bads Baum mit dem Rüs­sel, ent­wur­zel­te ihn mit ei­nem Ruck und warf ihn zur Erde.


Aber was der zu Tode er­schro­cke­ne Mann ge­fürch­tet hat­te, ge­sch­ah nicht; son­dern der Ele­fant pack­te ihn, hob ihn sich auf den Rücken, setz­te sich an die Spit­ze des Zu­ges und trug ihn zu ei­nem sehr fer­nen, von Wald um­ge­be­nen Hü­gel. Dort setz­te er ihn auf die Erde und –– das gan­ze Heer der Ele­fan­ten lief, so schnell dies ge­hen moch­te, von dan­nen.

Zu­nächst war Sind­bad mehr tot als le­ben­dig. Als er aber sei­ner Sin­ne wie­der mäch­tig wur­de, er­kann­te er, dass rings­um­her die Ske­let­te von mehr als hun­dert Ele­fan­ten in der Son­ne bleich­ten, und an je­dem die­ser Ske­let­te be­fan­den sich die Stoß­zäh­ne von köst­li­chem El­fen­bein.

Sind­bad wun­der­te sich über die Ma­ßen. Hat­ten ihm die klu­gen Tie­re die­sen Platz nicht ge­zeigt, da­mit er auf­hö­ren sol­le, die Le­ben­den zu ver­fol­gen? Es war of­fen­bar die Be­gräb­nis­stät­te der Ele­fan­ten; aber Sind­bad fand es doch ge­ra­ten, dies Kno­chen­feld so rasch als mög­lich zu ver­las­sen.

Mit der Nach­richt von dem selt­sa­men Fun­de kam er am an­de­ren Tage zu sei­nem Herrn. Der über­zeug­te sich von der Wahr­heit die­ser Ge­schich­te und um­arm­te Sind­bad, in­dem er sprach: »Mein Bru­der – du sollst hin­fort nicht mehr mein Skla­ve sein – Gott möge dich mit al­lem Glücke über­häu­fen! Je­des Jahr ha­ben die Ele­fan­ten mir eine große Men­ge Skla­ven ge­tö­tet. Und doch ha­ben wir bis jetzt auf kei­ne an­de­re Wei­se El­fen­bein er­hal­ten kön­nen, als wenn wir das Le­ben der Skla­ven dar­an­wag­ten. Nun wird durch dich un­se­re gan­ze Stadt reich wer­den! Glau­be nicht, dass ich dir nur die Frei­heit schen­ke – nein, ich will dich mit Ga­ben der sel­tens­ten Art er­freu­en und will den Kö­nig bit­ten, dass er dich zum Statt­hal­ter er­nennt.«

»Ich dan­ke für die Ehre«, er­wi­der­te Sind­bad höf­lich; denn er dach­te an die Zeit, in der er schon ein­mal Staats­mi­nis­ter ge­we­sen war, »ich er­bit­te mir nichts wei­ter, als die Er­laub­nis, heu­te nach Hau­se rei­sen zu dür­fen.«

»Das ist sehr scha­de«, sag­te der Kauf­mann; »aber da­mit du siehst, wie lieb ich dich habe, sollst du dir ein Schiff mit El­fen­bein be­la­den; denn ich habe ge­se­hen, dass ich au­ßer­dem noch sie­ben Vor­rats­häu­ser voll von je­nem Hü­gel her­bei­schaf­fen las­sen kann.«

 

Die­ses Ge­schenk nahm Sind­bad mit großem Dank an, schiff­te sich als­bald ein und lös­te aus dem Schat­ze der Zäh­ne einen klei­nen Berg Gold.

Der Kö­nig be­lohn­te ihn reich­lich; aber Sind­bad be­zeig­te hin­fort kei­ne Lust mehr zu so ge­fahr­vol­len Rei­sen, son­dern leb­te in Bag­dad als ein klu­ger und wohl­tä­ti­ger Rei­cher, ge­ehrt und ge­liebt von der gan­zen Stadt. Und der­lei Leu­te sol­len in al­len Lan­den nicht gar vie­le sein.


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