Von Stund’ an ward Sindbad sehr nachdenklich und verwünschte das Geschenk, das ihm der König in jenem jungen Weibe gemacht hatte. Er beobachtete die Frau aufs sorgsamste, und jedes Unwohlsein erfüllte ihn mit Grauen und Furcht. Eines Tages klagte sie über heftige Schmerzen; Ärzte wurden geholt, alle Mittel wurden versucht – vergeblich: die junge Frau konnte ihr Lager nicht mehr verlassen, und nach sieben Tagen war sie tot.
»Das ist eine schöne Geschichte«, dachte Sindbad; denn er stellte Betrachtungen sehr trübseliger Art an. Aber es fiel ihm nichts ein, wodurch er sich hätte aus seiner üblen Lage befreien können. So kam der dritte Tag heran und mit ihm das Begräbnis; der König und alle Vornehmen der Stadt gaben der Toten das Geleite zu dem Brunnen auf der Spitze des Berges, in den sie und ihr überlebender Gatte versenkt werden sollten. Sindbad schritt todbleichen Angesichts dicht hinter der Bahre, und so sehr er noch auf diesem letzten Gange den König bat, gegen ihn das harte Gesetz dieses Landes nicht anzuwenden – es half nichts; denn der König meinte, er sei der erste Diener des Staates und müsste das Gesetz vor allem erfüllen.
Zuerst senkte man die Tote in den Schacht der tiefen Grotte, dann setzte sich Sindbad auf die für ihn bereitstehende Bahre, empfing seinen Krug Wasser und die sieben kleinen Brote, und langsam, langsam glitt die Bahre an Stricken in die Finsternis. Dann wurde der Stein über der Brunnenöffnung geschlossen. »Wäre es nicht besser, die Stirn an den Schroffen der Wände einzustoßen«, dachte Sindbad, »als in dieser furchtbaren Nacht zu verhungern?« Er tastete mit seinen Händen und fühlte Leichen um sich her. Aber die Liebe zum Leben war zu groß in ihm – er ergriff den Krug und trank, er fand die Brote und aß davon.
So war die dritte Nacht herangekommen, und Sindbads Vorrat an Nahrungsmitteln war aufgezehrt. Auf einmal vernahm er ein Keuchen, wie das eines gehetzten Tieres, er hörte ein Geräusch, als wenn dies Tier durch einen Spalt im Berge sich zwängte, er sah die Augen dieses Tieres, die sich gierig wie grüne Lichter in die Nacht stellten. Es war eine Hyäne, die, von dem Geruch der Verwesung angelockt, einen Weg in das schaudervolle Grab gefunden hatte.
Ein Übermaß von Freude kam in des armen Sindbad Herz; denn er dachte: auf dem Wege, auf dem dieses Tier durch die unterirdischen Grotten gegangen sei, müsse auch er ans Licht kommen. Er begann zu tasten, er ergriff einen Knochen als Waffe gegen die Hyäne und scheuchte sie in die Flucht; er kroch auf allen vieren einen unendlich langen Gang durch Zacken und Schroffen und durch triefendes Gestein. Endlich sah er – wie einen Stern – ein Licht in der Nacht der Tiefen aufgehen: das war der Tag, der weit, weithin vor dem Eingange des unterirdischen Weges stand. Und als Sindbad zu dieser Öffnung gelangte, brandete ringsumher das Meer, und wilde Klippen hingen um ihn, über die noch keines Menschen Fuß geschritten war.
Kaum konnte der gequälte Mann noch auf den Füßen stehen. Er fiel nieder und dankte seinem Gotte für die wunderbare Rettung; dann fing er sich einiges Seegetier, das er roh verzehren musste; aber durch sieben Tage fristete er sein Leben in der Einsamkeit, und am achten kam ein Schiff mit geblähten Segeln herauf; der Kapitän erkannte den Menschen in den Klippen des Strandes, sandte ein Boot zu ihm, das brachte ihn an Bord, und mit dem Schiffe gelangte er in die heißersehnte Heimat.
Aber die Lust zu neuen Reisen war dem Helden so vieler Abenteuer auch durch diese Strapazen nicht genommen worden. Nach Jahr und Tag rüstete er zu neuer Fahrt. Nicht lange, so landeten sie an einer weißen Insel, dort fanden sie ein Ei des Vogels Roch, welches ebenso groß wie jenes frühere und schon lange bebrütet war; denn der Schnabel des jungen Riesenvogels hatte schon eine Öffnung in die Schale gepickt.
Die Kaufleute, die sich bei Sindbad befanden, hatten so etwas noch nie gesehen, darum machten sie sich sofort daran, das Ei mit ihren Äxten in Stücke zu schlagen und den jungen Vogel herauszuholen. Sindbad warnte sie zwar eindringlich, aber er fand kein Gehör; und nicht lange, so verfinsterte sich die Luft, und zwei mächtige Wolken flogen näher und näher.
Der Kapitän erkannte, dass die Wolken nichts anderes seien als die alten Vögel, darum gab er Befehl, so rasch als möglich auf das Schiff zu eilen; und ein paar Augenblicke später stieß das Fahrzeug denn auch mit vollen Segeln vom Lande.
Wie die beiden Roche merkten, dass ihr Junges getötet war, flogen sie ihren Weg zurück und kamen in kurzer Frist wieder; jeder aber trug diesmal einen mächtigen Felsblock zwischen den Füßen. Als sie gerade über dem Schiffe waren, ließ der eine den Felsen aus den Krallen gleiten, und er musste das Schiff zerschmettern, wenn der Steuermann nicht eine geschickte Wendung ausgeführt hätte. Darum fiel der Felsblock ins Meer und zerriss die Fluten derart, dass man den Grund des Ozeans sehen konnte. Der andere Vogel Roch aber ließ seinen Felsblock so genau auf die Mitte des Schiffes fallen, dass es in tausend Splitter zerschellte. Alle Matrosen und Kaufleute wurden erschlagen, nur Sindbad, der sich in der Tiefe des Fahrzeugs verborgen hatte, tauchte lebend empor, und es gelang ihm, sich auf ein Stück des Wracks zu retten. Er wäre aber dennoch elend zugrunde gegangen, wenn er nicht zufällig in eine Meeresströmung getrieben worden wäre, die ihn sanft und bei schönstem Wetter an den Strand einer Insel trug.
Bäche von süßem, köstlichem Wasser rannen durch die grünen Auen dieses Landes, und Bäume mit allerlei Früchten wuchsen in Menge ringsumher.
Sindbad aß von den Früchten und erquickte sich an den kühlen Quellen, als er plötzlich einen Greis am Ufer eines Baches sitzen sah, der so gebrechlich schien, als hätte er auch Schiffbruch erlitten. »Ach, lieber Herr«, klagte der Greis, »könntet Ihr mich nicht auf Euren Schultern durch den Bach tragen?«
Sindbad, der ein sehr gefälliger Mann war, besann sich nicht lange, hob den Alten auf seine starken Schultern und trug ihn hinüber.
Aber als er ihn dort absetzen wollte, weigerte sich der Reiter, seinen Sitz zu verlassen, und alle Anstrengungen Sindbads, der Last ledig zu werden, blieben erfolglos. Und wenn er sich mit ihm ins Gras streckte, der Reiter wich nicht von seinem Platze. Tausend Listen fielen dem Seefahrer ein, aber der Alte war klüger, und so fügte sich Sindbad seinem schrecklichen Lose, mit der Last des Greises durch seine Tage wandern zu müssen.
Einmal – es waren schon einige Wochen vergangen, seit er das Reittier des struppigen Alten geworden – fand er einen sehr schönen Flaschenkürbis, den höhlte er aus, presste den Saft einiger Trauben hinein und stellte ihn in die Sonne, damit der Saft gäre. Nach ein paar Tagen kam er wieder zu dem Orte, fand den Trank ausgezeichnet und leerte den Kürbis zur Hälfte. Die Wirkung des Weines war vortrefflich: Sindbad bekam neue Kraft und neuen Lebensmut und zog singend mit seiner schweren Last durch das sonnige Land.
Da der Alte die wunderbare Wirkung des Weines erkannte, wollte er auch zu trinken haben. Sindbad trabte also zu der Kürbisflasche zurück; der Greis sog den Kürbis mit durstigen Lippen leer und ward von dem ungewohnten Getränke so vergnügt, dass er sich nicht mehr auf den Schultern Sindbads halten konnte: als dieser einige Sprünge machte, kugelte der trunkene Reiter von seinem Rößlein und fiel einen schweren Fall ins Gras.
Nun war das Lachen an Sindbad. »Ich könnte dich mit einem Baumast erschlagen«, sagte er, »um dich für die Übeltat zu strafen; aber ich sehe da eben, dass du in deinen schmutzigen Haaren einige sehr wertvolle Perlen trägst, so groß wie Haselnüsse. Wenn du mir die gibst, will ich dir dein Leben schenken.«
»So, so«, machte der Greis. »Solche Dinger kann ich mir sehr leicht wieder verschaffen, die haben gar keinen Wert für mich und sind in mein Haar gekommen, ich weiß nicht wie.«
Da löste Sindbad drei weiße und eine köstliche schwarze Perle aus den struppigen Haaren und schätzte, dass die Kleinodien einen Wert von vier Schlössern haben möchten. »Damit hast du deine Schuld bezahlt«, sagte er, »und nun wünsch’ ich dir einen guten Tag.«
Der Alte schaute ihm mit sauren Blicken nach, aber Sindbad eilte so schnell er konnte zum Strande; denn er sah gerade ein Schiff vorübersegeln, dem er sich bemerkbar machte, sodass es landete und ihn aufnahm.
Als er den Schiffsleuten sein Abenteuer erzählte, staunten sie sehr und sagten: »Du bist ein Glückspilz, Sindbad; denn du bist keinem anderen in die Hände gefallen, als dem Meergreis; und dieser grausame Geselle hat noch keinen aus seinen Krallen gelassen.«
Nach einiger Zeit landete das Schiff im Hafen einer großen Stadt; Sindbad schloss sich dort einigen Kaufleuten an, die mit Säcken auszogen, Kokosnüsse zu sammeln.
Alsbald gelangten sie in einen großen Wald, der aus sehr hohen, sehr glatten Bäumen bestand, sodass es unmöglich war, ohne Leitern bis in die Kronen der Bäume emporzuklettern.
Als die Männer in den Wald traten, sahen sie eine große Menge wütender Affen, die sich mit erstaunlicher Behändigkeit von Wipfel zu Wipfel schwangen.
Die Kaufleute sammelten Steine und warfen dann nach den Affen, die aber setzten sich in Verteidigung, und weil sie keine Steine hatten, so rissen sie die schweren Nüsse von den Bäumen und schleuderten sie gegen ihre Feinde. Auf diese Weise füllten sich die Säcke der Sammler rasch, und als sie die Nüsse verkauften, lösten sie eine Menge Geld.
Sindbad verwendete das seine auf eine sehr merkwürdige Weise: er dingte sich einige Schwarze, die er zur Perlenfischerei verwendete, bis ein Schiff unter Segel ging, das ihn zur Heimat führte. Die Perlen aber brachten ihm beim Verkauf unermessliche Reichtümer.
Nach Verlauf eines Jahres litt es ihn abermals nicht mehr daheim. Das Schiff, das er im persischen Meerbusen bestieg, hatte eine so unglückliche Fahrt, dass Kapitän und Steuermann den Weg ganz und gar verloren; denn zu damaliger Zeit waren die Schiffe noch nicht mit den Hilfsmitteln von heute ausgerüstet. Eines Tages gebärdete sich der Kapitän wie ein Rasender, warf sich auf das Deck und riss sich den Bart aus; dann schrie er: »Wir befinden uns an der gefährlichsten Stelle des Ozeans; eine reißende Strömung treibt das Schiff, in einer Viertelstunde sind wir alle des Todes!«
Das war eine sehr üble Aussicht; und kaum waren die Worte des Kapitäns verhallt, so trieb das Schiff mit der Schnelligkeit eines Sturmes gegen einen sehr hohen und steilen Berg, an dem es zerschellte. Zwar wurden alle Personen und die meisten Waren gerettet, aber der Schiffshauptmann war untröstlich und schrie: »Grabt euer Grab und lasst uns einander Lebewohl sagen; denn von diesem Ort ist noch kein Mensch lebend gekommen.«
Die Küste war ganz mit den Trümmern gescheiterter Schiffe bedeckt, unermessliche Reichtümer an Gold, Perlen und seltenen Muscheln waren am Strand aufgehäuft. Aber all diese Dinge dienten nur dazu, den Schmerz der Gestrandeten zu vermehren. Der Berg hielt jeden Wind von dieser Stelle ab, sodass niemand auf den Trümmern der Schiffe sich retten konnte; denn die reißende Strömung wütete mit ganzer Kraft. Der Berg selbst war aber so steil, dass kein Mensch an dem überhängenden Gewände emporzuklimmen vermochte.
Wie Leute, die ihren Verstand verloren hatten, lag die Schiffsmannschaft tagelang in den Trümmern umher. Die zuerst starben, wurden von den anderen begraben. Zuletzt war Sindbad allein übriggeblieben, weil er mit seinen Nahrungsmitteln am besten hausgehalten hatte; aber als er den letzten seiner Genossen begrub, blieben ihm nur noch so wenig Lebensmittel, dass auch er sich sein eigenes Grab schaufelte.
Nun mündete nicht weit von jener Stelle ein Fluss ins Meer; der brach aus einem Felsentore von köstlichen Edelsteinen; und wer in das Tor hineinblickte, schaute nichts als gähnende Tiefe und unermessliche Nacht. Und während Sindbad das rätselhafte Felsentor betrachtete, sagte er zu sich: »Dieser Fluss wird dich vielleicht nur auf einem Teile seines Laufes unter der Erde verbergen. Wie, wenn ich mir ein Floß baute und auf seinen Wogen vorwärtsdränge? Vielleicht käme ich dann von diesem Unglücksorte fort und in ein schönes, helles Land!«
Er begann also ungesäumt an seinem Floße zu arbeiten, belud es mit einigen Ballen Rubinen, Smaragden, grauem Ambra und kostbaren Stoffen, die da umherlagen, und setzte es mit zwei Rudern in Bewegung.
Nicht lange, und das Floß fuhr in die Wölbung des Berges hinein. Einige Tage trieb Sindbad in tiefer Nacht, durch die nicht der kargste Lichtstrahl schimmerte. Manchmal war die Wölbung so niedrig, dass er nur im Sitzen rudern konnte. Von den tagelangen Mühen aber war er so müde, dass er endlich in einen tiefen Schlaf sank, und er war so gleichgültig gegen sein Schicksal geworden, dass er nicht einmal daran dachte: die Strömung werde ihn nun wieder zur Stätte seiner Qual zurücktreiben.
Dem war aber nicht so; denn zum Glück entschlief er just an einer Stelle des Stromes, an welcher dieser einen Arm aussandte, dessen Bewegung das Floß sofort aufnahm und vorwärtsdrängte.
Und als er erwachte, befand er sich mitten in einer weiten Landschaft voll herrlicher Bäume; das Floß war am Ufer festgebunden, und ringsumher stand eine Menge Schwarzer, die den Ankömmling neugierig betrachteten, der aus der Tiefe des Berges ihnen zugetrieben worden war.
Die Schwarzen waren sehr freundliche Leute, ließen sich Sindbads Geschichte erzählen und versorgten ihn reichlich mit Speise und Trank. Der König aber gab ihm Geschenke, ließ ein Schiff ausrüsten, und damit erreichte er glücklich die Heimat. So beschwerlich die Reise gewesen war, er hatte sein Besitztum dabei doch wieder dermaßen vermehrt, dass man in allen Ländern die Geschichte von Sindbads des Seefahrers unermesslichen Reichtümern erzählte.
Da ließ ihn eines Tages der König rufen und sagte: »Mein lieber Sindbad! Mein Freund, der König von Serendyb, hat mir ein Schiff mit den herrlichsten Schätzen der Welt geschenkt, und es ist nötig, dass ich mich ihm dankbar dafür bezeige. Du musst mir einen Dienst leisten und dem Könige meine Gegengeschenke überbringen.«
Dieser Befehl traf Sindbad wie ein Donnerschlag; er erzählte in Eile die schrecklichen Mühsale seiner Fahrten, aber der König ließ sich nicht rühren und sagte: »Das sind ja sicherlich sehr merkwürdige Dinge, die du erfahren hast, doch dürfen sie dich nicht abhalten, den Wunsch deines Königs zu erfüllen; denn wenn du ungehorsam wärest, müsste ich dich töten lassen. Du sollst ja nur nach der Insel Serendyb reisen, und es steht bei dir, nach Erledigung meines Auftrages sofort umzukehren.«
Weil Sindbad sah, dass der König auf seinem Willen bestand, erklärte er sich schweren Herzens bereit; denn ihm ahnte Unheil; und nach wenigen Tagen stach sein Schiff in See.
Der König schickte seinem Freunde ein Bett von Goldstoff, der so wertvoll war wie drei Segelschiffe und zwölf arabische Hengste, schickte fünfzig Gewänder aus Atlas, Brokat und Scharlach; hundert andere von feinstem Gewebe aus Kairo; er schickte ein Gefäß aus Achat und eins aus Rubin, beide einen Finger dick und mit einer Öffnung von der Weite eines halben Fußes, er sandte weiße Rosse mit purpurnen Decken – die Herrlichkeit der Schätze lässt sich nicht aufzählen, die das Schiff barg.
Und Sindbad landete auch glücklich im Hafen des Königs von Serendyb, empfing viele reiche Geschenke, und am vierten Tag entließ ihn der König mit hohen Ehren.
Aber es dauerte nicht lange, so wurde das Schiff von Seeräubern überfallen, die jeden von der Mannschaft niedermetzelten, der sich zur Wehr setzte. Diejenigen, die übrigblieben, wurden ihrer schönen Kleider beraubt, in Lumpen gehüllt und von den Räubern nach einer fernen Insel gebracht, wo sie verkauft wurden.
Sindbad wurde von einem sehr reichen Kaufmann erstanden, der ihn sofort in seine Wohnung führte und ihn mit einem Sklavenanzug bekleidete. Dann fragte ihn der Kaufmann, ob er gut mit dem Bogen schießen könnte.
»Dies ist eine meiner Jugendübungen gewesen«, antwortete Sindbad, »und ich glaube, ich habe diese Kunst seitdem nicht verlernt.«
Darauf gab ihm sein Herr Bogen und Pfeile, hieß ihn neben sich auf einen Elefanten steigen, und beide ritten nun in einen großen Wald. Dort befahl er Sindbad: »Steige nun von dem Reittier, nimm Pfeil und Bogen und klettere auf einen dieser sehr hohen Bäume. Es gibt in diesem Walde eine große Menge Elefanten. Davon sollst du mir etliche erlegen, und sobald du einen getroffen hast, benachrichtige mich; denn ich werde noch in dieser Stunde zurückreiten in die Stadt.«
Er gab ihm auch einige Lebensmittel mit und ritt alsbald von dannen, um der Gefahr aus dem Wege zu kommen.
Sindbad blieb den Tag und die folgende Nacht jägerwachsam auf dem Baume sitzen; aber ein Elefant zeigte sich nicht. Als jedoch die Sonne von Neuem stieg, zog eine ganze Herde durch den Wald; Sindbad schoss mehrere Pfeile gegen sie und traf so glücklich, dass eins der Tiere, zu Tode verwundet, zusammenbrach. Die anderen begaben sich auf die Flucht, und der geschickte Bogenschütze hatte Zeit, zu seinem Herrn zu entkommen und ihm die Kunde zu bringen. Der Herr belobte seinen neuen Sklaven sehr, ging mit ihm und einigen seiner Arbeiter in den Wald, und sie begruben den Elefanten an der Stelle, an der er gefallen war. Nach einiger Zeit, in welcher der Leib verwittern sollte, wollte der Kaufmann wiederkommen und die Stoßzähne des erlegten Wildes an sich nehmen; denn er war ein Elfenbeinhändler.
Sindbad musste von da ab Tag und Nacht im Walde zubringen, und es gelang ihm fast täglich, einen Elefanten zu erlegen.
Zwei Monate hatte er diese Jagd ausgeübt, da erschienen eines Tages sehr viele jener mächtigen Tiere, umstellten den Baum, auf dem Sindbad sich verborgen hatte, und begannen ein erderschütterndes Brüllen. Einer der größten aber erfasste den unteren Teil von Sindbads Baum mit dem Rüssel, entwurzelte ihn mit einem Ruck und warf ihn zur Erde.
Aber was der zu Tode erschrockene Mann gefürchtet hatte, geschah nicht; sondern der Elefant packte ihn, hob ihn sich auf den Rücken, setzte sich an die Spitze des Zuges und trug ihn zu einem sehr fernen, von Wald umgebenen Hügel. Dort setzte er ihn auf die Erde und –– das ganze Heer der Elefanten lief, so schnell dies gehen mochte, von dannen.
Zunächst war Sindbad mehr tot als lebendig. Als er aber seiner Sinne wieder mächtig wurde, erkannte er, dass ringsumher die Skelette von mehr als hundert Elefanten in der Sonne bleichten, und an jedem dieser Skelette befanden sich die Stoßzähne von köstlichem Elfenbein.
Sindbad wunderte sich über die Maßen. Hatten ihm die klugen Tiere diesen Platz nicht gezeigt, damit er aufhören solle, die Lebenden zu verfolgen? Es war offenbar die Begräbnisstätte der Elefanten; aber Sindbad fand es doch geraten, dies Knochenfeld so rasch als möglich zu verlassen.
Mit der Nachricht von dem seltsamen Funde kam er am anderen Tage zu seinem Herrn. Der überzeugte sich von der Wahrheit dieser Geschichte und umarmte Sindbad, indem er sprach: »Mein Bruder – du sollst hinfort nicht mehr mein Sklave sein – Gott möge dich mit allem Glücke überhäufen! Jedes Jahr haben die Elefanten mir eine große Menge Sklaven getötet. Und doch haben wir bis jetzt auf keine andere Weise Elfenbein erhalten können, als wenn wir das Leben der Sklaven daranwagten. Nun wird durch dich unsere ganze Stadt reich werden! Glaube nicht, dass ich dir nur die Freiheit schenke – nein, ich will dich mit Gaben der seltensten Art erfreuen und will den König bitten, dass er dich zum Statthalter ernennt.«
»Ich danke für die Ehre«, erwiderte Sindbad höflich; denn er dachte an die Zeit, in der er schon einmal Staatsminister gewesen war, »ich erbitte mir nichts weiter, als die Erlaubnis, heute nach Hause reisen zu dürfen.«
»Das ist sehr schade«, sagte der Kaufmann; »aber damit du siehst, wie lieb ich dich habe, sollst du dir ein Schiff mit Elfenbein beladen; denn ich habe gesehen, dass ich außerdem noch sieben Vorratshäuser voll von jenem Hügel herbeischaffen lassen kann.«
Dieses Geschenk nahm Sindbad mit großem Dank an, schiffte sich alsbald ein und löste aus dem Schatze der Zähne einen kleinen Berg Gold.
Der König belohnte ihn reichlich; aber Sindbad bezeigte hinfort keine Lust mehr zu so gefahrvollen Reisen, sondern lebte in Bagdad als ein kluger und wohltätiger Reicher, geehrt und geliebt von der ganzen Stadt. Und derlei Leute sollen in allen Landen nicht gar viele sein.
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