Vermögensrecht der katholischen Kirche

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Es kann sich bei partikularem Recht aber auch um Gewohnheitsrecht handeln, das dann Gültigkeit für sich beanspruchen kann, wenn die Bedingungen der cc. 23-28 über die Geltung von Gewohnheitsrecht erfüllt sind. In diesem Zusammenhang ist zudem c. 5 § 1 zu beachten, der dem CIC/1983 entgegenstehendes Recht verwirft. Eine Ausnahme bildet gem. c. 28 das außergesetzliche oder gegengesetzliche Gewohnheitsrecht, das mehr als 30 Jahre ununterbrochen in der betreffenden kirchlichen Gemeinschaft in Übung ist.10

Ferner ist das Eigenrecht der Selbstverwaltungskörperschaften zu berücksichtigen. C. 1257 § 1 weist dem statuarischen Eigenrecht der juristischen Personen (siehe auch c. 118 ), neben dem kanonischen Recht einen festen Platz zu. Dabei ist darauf zu achten, dass dieses statuarische Recht mit dem des CIC kompatibel ist. Davon ist im Regelfall auszugehen, da alle juristischen Personen kanonischen Rechts nach 1983 ihre Statuten zu überarbeiten hatten, um von der zuständigen kirchlichen Autorität approbiert zu werden. Das legt c. 314 ausdrücklich für die öffentlichen kirchlichen Vereine fest. Der darin enthaltene Rechtsgedanke kann auf alle juristischen Personen des kanonischen Rechts ausgedehnt werden.

Zu den Selbstverwaltungskörperschaften zählen im verfassungsund vermögensrechtlichen Sinne auch die Institute des geweihten- und Gesellschaften des apostolischen Lebens.11 Ihnen schreibt c. 587 § 1 vor, entsprechend ihrer Identität und ihres geistlichen Patrimoniums eigenes statuarisches oder konstitutionelles Recht zu haben, das vom Apostolischen Stuhl oder der zuständigen kirchlichen Aufsichtsbehörde zu genehmigen ist.12 Erst durch diese Approbation erhält das Eigenrecht der Institute des geweihten Lebens Rechtskraft.13 Daneben kann aber auch die zuständige kirchliche Autorität, das ist bei Instituten päpstlichen Rechts der Papst und bei Instituten diözesanen Rechts der Ortsordinarius des Sitzes des Mutterhauses, Recht für die ihm untergebenen Institute erlassen, das dann einer Rechtsgestaltung durch die Institute entzogen ist.14

Grundsätzlich gilt, dass die Gültigkeit von Rechtsgeschäften, die das Kirchenvermögen betreffen, von der Einhaltung der kanonischen Bestimmungen abhängt. Das schließt ein, dass hier sowohl das universale als auch das partikulare Kirchenrecht ebenso einzuhalten sind, wie die staatskirchenrechtlichen und staatskirchenvertraglichen Bestimmungen, auf die oben bereits summarisch hingewiesen wurde.

Im Hinblick auf das Verhältnis von universalem und partikularem Recht bedarf es mehrfacher Unterscheidungen. Hier hängt die Frage, welches Recht anderes verdrängt oder sich diesem unterordnen muss, davon ab, wer als Gesetzgeber tätig wird. Dabei gilt im Prinzip, dass das vom höherrangigen Gesetzgeber (Papst) erlassene Gesetz das des niederrangigeren Gesetzgebers (Ortsbischof) verdrängt. Das gilt nach Maßgabe des c. 20 aber nur, wenn der höherrangige Gesetzgeber das entgegenstehende niederrangigere ausdrücklich zur Gänze (abrogari) oder teilweise (derogari) aufhebt. Andernfalls geht das ältere Recht dem jüngeren vor. Es ist aber auch denkbar, dass der zuständige Gesetzgeber ein allgemeines Gesetz für eine bestimmte Rechtsgemeinschaft durch für diese speziell erlassenes Partikularrecht derogiert. Da es sich hier um dieselbe Ebene der Gesetzgebung handelt, geht also das spezielle dem allgemeinen Recht vor. Im Regelfall lässt sich dieses Verhältnis aus dem Gesetzestext erkennen.

Daher ist es wichtig, auch im kirchlichen Vermögensrecht das normative Verhältnis der unterschiedlichen Rechtsquellen stets zu analysieren, um zu einer adäquaten Beschreibung der konkreten Rechtslage zu gelangen.

1 Vgl. Pulte, Matthias, Das Missionsrecht ein Vorreiter des universalen Kirchenrechts (Studia Instituti Missiologici Societatis Verbi Divini [SIM SVD ] 87), Nettetal 2006, 290f. mit Nachweisen zu den Voten aus der Weltkirche anl. der Konzilsvorbereitung.

2 Vgl. Pontificia Commissio Codici Iuris Canonici recognoscendo (ed.), Relatio complectens synthesim Animadversionum ab em.mis atque exc.mis Patribus Commissionis ad novissimum Schema Codicis Iuris Canonici exhibitarum, cum Responsionibus a Secretaria et Consultatoribus datis, Typ.Pol.Vat. 1981, 288f.

3 Pöschl, Arnold, Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts, Graz / Leipzig 31931, 213.

4 Vgl. Fürst, Carl Gerold, Canones Synopse zum Codex Iuris Canonici und zum Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, Freiburg im Breisgau 1992, 78-81.

5 Dieses Gesetz gilt für alle (Erz-) Bistümer in Nordrhein-Westfalen, im Erzbistum Köln auch in den rheinland-pfälzischen Anteilen, im Erzbistum Paderborn mit Einschränkungen für den hessischen Anteil; vgl. Gesetz über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens vom 24. Juli 1924, PrGesS. 1924, 585ff. in der aktuellen Fassung vom 01.09.2003, siehe online: https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen?v_id=1320100122085231933, Zugriff am 08.10.2018. In anderen ehemals preußischen Ländern sind in der Mitte des 20. Jahrhunderts Staatskirchenergänzungsverträge geschlossen worden, die der Kirche eine autonome Vermögensgesetzgebung ermöglicht haben. Bezüglich der Rechtslage sind hier die jeweiligen landesrechtlichen und diözesanen Bestimmungen zu beachten. Vgl. Busch, Wolfgang, Vermögensverwaltung in der katholischen Kirche, § 34, in: Listl, Joseph / Pirson Dietrich (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, Berlin 21994, 947-1008.

6 Vgl. Jarass, Hans Dieter / Pieroth, Bodo (Hrsg), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, München 62002, 1245.

7 Zu diesem Thema insgesamt und umfassend: Hermes, Christian, Konkordate im vereinigten Deutschland, Ostfildern 2009.

8 In manchen Bistümern gibt es darüber hinaus Handbücher für Verwaltungsräte und Kirchenvorstände, die die amtlichen Rechtsnormen zusammengefasst wieder abdrucken und auch kommentieren: Vgl. z. B. Emsbach, Heribert / Seeberger, Thomas, Rechte und Pflichten des Kirchenvorstandes, Köln 112012; Bischöflichen Ordinariat Mainz (Hrsg.), Handbuch für Verwaltungsräte im Bistum Mainz, Mainz 22005; Sydow, Gernot (Hrsg.), Handbuch für Verwaltungsräte im Bistum Limburg, Limburg 22012.

9 Vgl. dazu: Graulich, Markus, Das Recht als Quelle kirchlicher Einheit. Die Koexistenz und Komplementarität von Universal- und Partikularrecht in der communiodes Volkes Gottes, in: Söding, Thomas / Thönissen, Wolfgang (Hrsg.), Eucharistie - Kirche - Ökumene. Aspekte und Hintergründe des Kommunionstreits (Quaestiones Disputatae 298), Freiburg im Breisgau 2018, 433-454, hier: 434.

10 Vgl. Pree, Helmuth / Primetshofer, Bruno, Das kirchliche Vermögen, seine Verwaltung und Vertretung, Wien / New York 2010, 17.

11 Vgl. zu den Begriffen: Sebott, Reinhold, Das neue Ordensrecht, Kevelaer 1988, 2; Henseler, Rudolf, in: Lüdicke, Klaus (Hrsg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici (MKCIC) (Loseblattwerk, Stand: November 2000), Essen seit 1984, 573, Rn. 4-7.

12 Vgl. Henseler, Rudolf, in: MKCIC, 587, Rn. 4.

13 Vgl. Primetshofer, Bruno, Ordensrecht, Freiburg im Breisgau 31988, 21.

14 Vgl. Pree / Primetshofer, Das kirchliche Vermögen (Anm. 10), 19.

Kapitel 1: Prinzipien des kirchlichen Vermögensrechts

Das Buch V Titel I des CIC/1983 über den Vermögenserwerb von Kirchenvermögen gliedert sich wie folgt:


Canon/esInhalt
1254-1260Grundrecht der Kirche auf Vermögen
1261-1262Zuwendungsrecht und -pflicht der Gläubigen
1263Ordentliche und außerordentliche Steuern
1264Gebührenerhebung für Dienstleistungen
1265-1266Spenden und Kollekten
1267Eigentumserwerbspräsumtion
1268-1270Verjährung und Ersitzung
1271Sorge für den Apostolischen Stuhl
1272Ablösung der Benefizialien nach partikularem Recht

1. Vermögensfähigkeit der Kirche

1.1 Rechtshistorischer Kontext

Die deklaratorischen Einleitungsbestimmungen in den cc. 1254 § 1 und 1260 lassen sich nur nachvollziehen, wenn sie in ihren kirchen- und staatskirchenrechtsgeschichtlichen Kontext gestellt werden. Die Frage der Vermögensfähigkeit der Kirche beginnt im Zuge der wachsenden Selbstorganisation der ur- und frühchristlichen Gemeinden virulent zu werden. Die frühchristlichen Autoren berufen sich dazu auf das neutestamentliche Zeugnis. Dort wird an verschiedenen Stellen deutlich, dass Jesus Christus und den Aposteln schon von Anfang an freiwillige Gaben (oblationes) von Menschen zur Verfügung gestanden haben, die mit der „Jesus-Bewegung“ sympathisiert haben.15 Diese haben offensichtlich auch nicht von der Hand in den Mund gelebt, denn Jesus hatte Judas Iskariot als Finanzverwalter der Gemeinschaft eingesetzt. Jesus hat sich auch mehrfach zu Themen geäußert, die das Vermögensrecht im heutigen Sinne betreffen.16 Vor allem der Auftrag für die Sorge an den Armen und Bedürftigen17 war von Beginn an nicht nur eine zentrale christliche Tugend, sondern auch ein praktischer Handlungsauftrag, der tatsächlich ohne Einkünfte nicht zu verwirklichen gewesen wäre. Vor allem Paulus hat dieses jesuanische Kernanliegen der Sorge für die Armen und in einem erweiterten Sinne, der Sorge der unterschiedlichen christlichen Gemeinden füreinander, nachhaltig in seinen Briefen zur Sprache gebracht und damit einen initialen Beitrag für das Verständnis von der integralen Verantwortung der Ortskirchen und der Gesamtkirche füreinander grundgelegt.18 Jesus und die ersten Jünger waren zugleich Realisten. Schon Jesus formulierte, dass der Arbeiter seines Lohnes bedarf.19 Das bezog er auch ausdrücklich auf die Verkünder des Glaubens. Paulus und sein Schüler Timotheus knüpften daran an und erinnern die Gemeinden daran, für den Unterhalt ihrer Gemeindeleiter zu sorgen.20 In apostolischer Zeit wurde die Verwaltung des kirchlichen Vermögens den Diakonen anvertraut,21 damit die Apostel, Episkopen und Presbyter sich ganz der Verkündigung des Glaubens widmen konnten. So konnte sich die junge Kirche bereits in den ersten Jahrhunderten innerhalb des römischen Rechtsgebietes rechtlich, wirtschaftlich und gesellschaftlich etablieren. Die Kirche besaß schon vor der Konstantinischen Wende Rechtsfähigkeit nach Maßgabe des römischen Kollegienrechts und damit die Möglichkeit nach staatlichem Recht Eigentum zu erwerben und Vermögen zu verwalten. Freilich war die junge Kirche wohl vergleichsweise arm und ihr Vermögen eher unbedeutend.22 In der Zeit der Verfolgung war es, jenseits der fortbestehenden staatsrechtlichen Rahmenbedingungen, für die christlichen Gemeinden schwierig, Vermögen zu erwerben und zu besitzen. Das gilt, obwohl der kirchliche Grundbesitz durch die Verfolgungsdekrete unter Decius und Valerius nicht in toto konfisziert wurde. Diese Dekrete richteten sich in erster Linie gegen jene Personen, die den Kaiserkult verweigerten, nicht aber das Eigentum der juristischen Person der Kollegien.23 Dennoch kam es in dieser Zeit zu erheblichen Konfiskationen von Kirchenvermögen, das sich unter der Aufsicht kirchlicher Autoritäten befunden hat. Am Beispiel des Martyriums von Papst Sixtus und Erzdiakon Laurentius im 3. Jahrhundert wird dieser Zusammenhang eindrücklich deutlich.24

 

Die Anerkennung der Kirche als eine gleichberechtigte Religion im Reich durch das Mailänder Edikt (313) eröffnete den Weg wieder legitim am Rechtsverkehr teilzunehmen, vor allem aber als Institution (persona Christianorum) Eigentum zu erwerben und zu besitzen. Von dieser Zeit an wird eine planvolle Vermögensentwicklung und Verwaltung für die Kirche möglich. Von nun an wurde auch das römische Tempelrecht auf die christlichen Kirchen ausgedehnt und dem Kirchgebäude ebenso wie dem Tempel die Möglichkeit des Erwerbs einer persona iuridica eröffnet.25 Entscheidend für den vermögensrechtlichen Aufstieg der Kirche war das Mailänder Edikt (313), mit dem Konstantin der Kirche alle bis dahin beschlagnahmten Güter und Besitztümer zurückgab, genauerhin jenen Gemeinden, die enteignet worden waren.26 Das ist wichtig, weil darin deutlich wird, dass, anders als es vielleicht die Kirchenverfassung der katholischen Kirche erwarten lässt, das Fundament allen Kirchenvermögens das Ortskirchenvermögen ist. Außerdem ist aus vermögensrechtlicher Perspektive wichtig festzuhalten, dass die Kirche bereits seit 313 rechtlich als Körperschaft verfasst und vom Staat als solche anerkannt wird. Diese rechtliche Garantie ist heute insbesondere hinsichtlich des Status der christlichen Kirchen als altkorporierter Körperschaften i. S. d. Art. 137 Abs. 5 WRV i. V. m. Art. 140 GG wieder verständlich zu machen. Vor allem der durch das Korporationsrecht entstandene staatliche Schutz ermöglichte eine zügige Zunahme des kirchlichen Eigentums und Besitzes. Auf rechtlicher Ebene erfolgte eine massive, über Jahrhunderte fortdauernde Begünstigung der Kirche durch Privilegien, Steuerbefreiungen und Exemtionen, sowie das Recht, selbst Steuern (Zehnt) zu erheben. Die Möglichkeiten kirchliches Vermögen zu erwerben, vervielfältigten sich und begünstigten die Akkumulation kirchlichen Vermögens, insbesondere des Immobiliarvermögens, das der Kirche durch Schenkungen und Erbschaften zuwuchs. Die kirchliche Vermögensverwaltung war in dieser Zeit zentral beim Bischof angesiedelt. Das hängt auch mit der kirchlichen Strukturentwicklung zusammen und der Tatsache, dass die Ausbildung von Pfarreien als diözesaner Unterorganisation erst mit dem 5. Jahrhundert einheitlich Verbreitung fand.27 Im weiteren Verlauf blieb die Entwicklung des kirchlichen Vermögens und seines Rechts durchaus wechselnden Einflüssen ausgesetzt. Es ist auch nicht zu leugnen, dass sich weltliche Herrscher bei knappen Kassen gern Zugriff auf das kirchliche Vermögen verschafft haben und dabei, je nach den Machtverhältnissen zwischen Staat und Kirche, wechselnd erfolgreich waren. Insgesamt wird man überblicksweise aber festhalten können, dass bis zur großen Zäsur der Neuordnung Europas durch den Wiener Kongress (1803), das kirchliche Vermögen erheblich anwuchs.28

Mit dem Reichsdeputationshauptschluss (1803) wurde auch die überkommene vermögensrechtliche Ordnung der Kirche, wie auch der Bestand des Kirchenvermögens einer totalen Revision unterzogen. Die neuen Staaten in Deutschland haben recht bald anerkannt, dass die großflächige Enteignung des Kirchenvermögens, von dem letztlich nur das Vermögen zum Unterhalt der Ortspfarrer und der Besitz an Pfarrkirchen übrigblieb, einen Unrechtstatbestand dargestellt haben. Aufgrund dieser Erkenntnis haben die Landesfürsten ab 1827 die evangelischen Landeskirchen und die katholischen Bistümer, die zunächst noch widerstrebten, dazu bewogen durch die Erhebung von Kirchensteuern den Vermögensbedarf der Kirche auf ein neues Fundament zu stellen.29 Darauf wird später (2.2.1) zurückzukommen sein. Seither hat sich die Kirchensteuer neben den übrigen Vermögenswerten zur bedeutendsten kirchlichen Einnahmequelle entwickelt, um die sich aus dem Sendungsauftrag in der Welt ergebenen Kosten zu tragen.

1.2 Die Grundsätze (cc. 1254-1258)

1.2.1 Das Recht auf Vermögen und seine freie Verwaltung

Ganz in der Tradition des Mailänder Edikts und der ständigen Gesetzgebung in der katholischen Kirche (zuletzt can. 1495 § 1 CIC/1917), stellt die Einleitungsnorm des universalkirchlichen Vermögensrechts in c. 1254 § 1 fest, dass die katholische Kirche das ius nativum hat, unabhängig von der staatlichen Gewalt, „Vermögen zur Verwirklichung der ihr eignen eigenen Zwecke zu erwerben, zu besitzen, zu verwalten und zu veräußern“. Der Codex greift damit die Aussagen des 2. Vatikanischen Konzils über fundamentale institutionelle Rechte der katholischen Kirche auf, derer sie zur Verwirklichung ihrer Sendung bedarf.30 Zugleich formuliert der Gesetzgeber für das kirchliche Vermögensrecht das Prinzip der Unabhängigkeit der Kirche vom Staat.31 C. 1254 § 2 definiert in einem größeren Rahmen und nicht abschließend die Zwecke des Kirchenvermögens:

1.) zur Durchführung des Gottesdienstes,

2.) für den angemessenen Unterhalt der kirchlichen Bediensteten und

3.) zur Erfüllung des Sendungsauftrages und der Barmherzigkeit.

Die Kirche lehnt Beschränkung ihres Eigentumsrechtes seitens des Staates als rechtswidrigen Eingriff in ein ihr ursprünglich zukommendes Recht ab. Genau das meint der Begriff angeborenes Recht. Er entstammt einem naturrechtlichen Sprachgebrauch und ist heute dahingehend zu übersetzen, dass sich dieses Recht aus dem grundlegenden Existenzrecht der Kirche als Religionsgemeinschaft in pluralen Gesellschaften herleitet. Dieses Recht ist fundamental, weil die Kirche ihren eigenen Sendungsauftrag in der Geschichtlichkeit der Welt ohne die Mittel der Welt nicht wahrnehmen kann. Es handelt sich demnach um ein Recht, das in der Verfassungsstruktur der Kirche verankert ist. Die theologische Begründung für die Formulierung von c. 1254 § 1 findet sich LG Art. 8 Abs. 1, wo die Kirche als Volk Gottes in dieser Welt als ein sichtbares Gefüge göttlicher und menschlicher Elemente beschrieben wird, das zu einer komplexen Wirklichkeit zusammenwächst. Das Recht auf Vermögen bleibt auch nicht eine abstrakte Forderung der Kirche. Bereits in c. 1255 werden die wesentlichen Träger dieses kirchlichen Fundamentalrechts identifiziert.

C. 1254 § 1 weist darauf hin, dass die Kirche die Vermögensfähigkeit für sich unabhängig von der staatlichen Anerkennung feststellt. Die Norm hat insofern deklaratorischen Charakter über ein bereits vorkonstitutionell bestehendes staatliches Recht. Die Formulierung im geltenden Recht ist gegenüber jener in c. 1495 § 1 CIC/1917 diplomatisch gemildert, hat aber substantiell nichts von ihrer Grundsätzlichkeit eingebüßt. Staatsrechtlich gewendet bedeutet dieses in der kirchlichen Verfassung verankerte Recht: Wer der Kirche das Recht auf Vermögen abstreitet, greift in den Kernbereich des Menschenrechts auf Religionsfreiheit ein (vgl. Art. 18 AEMR32), das sowohl dem Individuum als auch den Religionsgemeinschaften als unveräußerliches Recht zusteht.

Der Umfang der Vermögensfähigkeit der Kirche erstreckt sich auf alle rechtsgeschäftlichen Verfügungen, seien es Erwerb, Besitz, Verwaltung oder auch Veräußerung. Allerdings gelten insbesondere für die Veräußerung von Kirchenvermögen strengere Regeln, die in den cc. 1291-1298 aufgestellt sind. Ein Sinn dieser Verfügungsbeschränkungen kann darin gesehen werden, dass das kirchliche Vermögen insgesamt und in seinen Bestandteilen den in c. 1254 § 2 näher bestimmten Zwecken unterliegt33 und sich daher von weltlichem Vermögen unterscheidet, das weitgehend dem Verfügungswillen des Eigentümers überlassenen bleibt.

1.2.2 Die Zwecke des Kirchenvermögens nach c. 1254 § 2 CIC

Es wurde bereits deutlich, dass die Kirche ihre Vermögensfähigkeit nicht unbegründet verlangt, sondern zur Verwirklichung ihrer eigenen Zwecke, die in der spezifischen kirchlichen Sendung in der Zeit und Wirklichkeit bestehen. In diese Richtung sind auch neutestamentliche Stellen zu lesen, die einerseits den persönlichen Besitzverzicht Jesu anzeigen und andererseits Nachfolge Jesu und Besitzverzicht in einen besonderen Zusammenhang stellen, wie z. B. im Gleichnis vom reichen Jüngling (Mt 19,16-26; Par.: Mk 10,17-27; Lk 18,18-27). Das Neue Testament bleibt aber insofern ambivalent, als dass Jesus und seine Jünger eine gemeinsame Kasse besaßen (Joh 12,6; 13,29) und Jesus-Worte überliefert sind, die das Recht der Jünger auf Unterhalt durch die Gläubigen ansprechen (Lk 10,1-7). Im Lichte der Debatte um das Verhältnis von Armut und Reichtum in der Kirche, wie sie zuletzt von den Päpsten Benedikt XVI.34 und Franziskus35 angeregt wurde, geht es nicht um ein entweder – oder, sondern um einen differenzierten und stets selbstkritischen Umgang der Kirche und ihrer Vermögensträger mit den Gütern dieser Welt.36

Insofern kann und muss die Formulierung der Zwecke des Kirchenvermögens in c. 1254 § 2 als eine Zuspitzung gegenüber der früheren Gesetzgebung betrachtet werden. Während der CIC/1917 die Zweckgebundenheit kirchlichen Vermögens lediglich auf das Abgabenrecht (vgl. dort. can. 1496) bezogen hatte, erweitert das geltende Recht die Zweckbindung auf jegliches Kirchenvermögen, allerdings ohne die in c. 1254 § 2 genannten Zwecke mit konkreten Nutzen zu verbinden. Das dürfte bei diesen auch schwerlich juristisch fassbar sein. Hinter dieser Neuausrichtung des Vermögensrechts steht der Wunsch des 2. Vatikanischen Konzils, unter Berücksichtigung der kirchengeschichtlichen Wirklichkeit, die kirchlichen Zwecke als die ausschließlichen Zwecke zur Vermögensverwendung zu definieren (siehe dazu auch Art. 17 Abs. 3 PO). In c. 1254 § 2 findet sich eine Liste der Hauptzwecke: Gottesdienst, Unterhalt, Caritas. Es ist fraglich, ob es sich dabei um eine gereihte oder ungereihte Liste handelt. Da die Liste nicht abschließend formuliert ist und die Hauptzwecke ohnehin in einem engen Sachzusammenhang stehen, erscheint es sinnvoll anzunehmen, dass der Gesetzgeber an dieser Stelle nicht die Absicht hatte, eine strenge Reihenfolge festzulegen, die die Träger des Kirchenvermögens hinsichtlich der Verwendung eng binden würde. Außerdem können in einer Weltkirche die Erfordernisse so unterschiedlich sein, dass eine Reihung zugleich eine Engführung für den sinnvollen Einsatz bedeuten würde.37

Außerhalb des Buches V über das Vermögensrecht benennt der Gesetzgeber weitere Zwecke, die zum Wesenskern der Kirche gehören. So weist c. 781 auf die missionarische Natur der Kirche hin, die ihren Ausdruck in der (Erst-)Evangelisierung und Neuevangelisierung findet. Zweifellos kann die Kirche diesen Sendungsauftrag ohne finanzielle Mittel nicht verwirklichen. Sodann gehört die christliche Bildungs- und Erziehungsarbeit gem. c. 794 § 1 zu den unabdingbaren Pflichten der Kirche. Die katholische Erziehung im Regelungsbereich des Buches III Titel II-IV des CIC erstreckt sich auf den Schul- und Hochschulbereich, wie auch auf das breite Spektrum der Medienarbeit.

 

1.2.3 Die Rechtsträger des Kirchenvermögens

Auf die häufig auf den Vorplätzen der Kathedralen zu hörende Frage: „Wem gehört eigentlich der Dom?“, wird in informierten Kreisen, die auf den ersten Blick vielleicht irritierende Antwort gegeben: „Er gehört sich selbst.“ Die Domkirchen in Deutschland besitzen zumeist selbst kirchliche Rechtspersönlichkeit, entweder kraft Verleihung oder unvordenklicher Gewohnheit. Daran ändert sich auch durch die Tatsache nichts, dass sie oft als Bischofskirchen Orte der episkopalen Kathedra und Heimstatt von Domkapiteln sind.38

Hinter der einleitenden Frage und ihrer Antwort steht eine umfangreiche kirchenrechtsgeschichtliche Entwicklung zur Frage von Eigentum und Besitz in der Kirche. Im Laufe der Jahrhunderte sind unterschiedliche Theorien erarbeitet worden, die sich mit der Frage beschäftigt haben, wer eigentlich Rechtsträger des Kirchenvermögens sein kann.39 Bereits mit dem CIC/1917 hat sich die sog. Institutengarantie durchgesetzt. Demnach gehört das Kirchenvermögen nicht der Gesamtkirche, sondern jener kirchlichen juristischen Person, die das Eigentum an dem Vermögensgegenstand erworben hat. Die konkrete Herrschaftsmacht reicht als subjektives Recht allein nicht aus, weil sich dieses Recht aus einem Vertrag bspw. als Nutzung auch auf fremdes Eigentum beziehen kann.40 Daher formuliert c. 1256 etwas verklausuliert, dass das Eigentum am Vermögen dem rechtmäßigen Erwerber zusteht. Träger von Kirchenvermögen können demzufolge grundsätzlich nur kirchliche Rechtssubjekte sein, das sind gem. c. 1257 jene öffentlichen oder privaten juristischen kirchlichen Personen, denen das Vermögen gehört. Während den meisten kirchlichen Rechtssubjekten der Status der öffentlichen kirchlichen juristischen Person von der zuständigen kirchlichen Autorität gem. c. 116 § 2 verliehen wird, besitzen die Katholische Kirche (die Gesamtkirche) und der Apostolische Stuhl aus sich heraus, oder wie des c. 113 § 1 formuliert, ex ipsa ordinatione divina, Rechtssubjektivität als öffentliche juristische Personen. Gem. c. 349 ist das Kardinalskollegium eine kirchliche Körperschaft, die von Rechts wegen, auch wenn das nicht ausdrücklich erklärt ist, gem. c. 1255 Vermögensfähigkeit besitzt.

Davon sind auf den unteren Ebenen der Kirchenverfassung andere Rechtssubjekte zu unterscheiden, wie das Bistum (c. 368), die Kirchenprovinz (c. 432 § 2), die Pfarrei (c. 515) oder auch die Bischofskonferenz (c. 494 § 2). Ihnen hat das kirchliche Gesetzbuch den rechtlichen Status einer öffentlichen kirchlichen juristischen Person zugesprochen. In vermögensrechtlicher Hinsicht ist allerdings die Kirchenprovinz heute unbedeutend. Die kirchliche Rechtsund Vermögensfähigkeit präjudiziert aber nicht schon die staatliche. In Deutschland hat sich historisch eine Doppelstruktur etabliert. Hier sind der Verband der Diözesen Deutschlands und die Kirchengemeinde die der Bischofskonferenz und der Pfarrei entsprechenden Rechts- und Vermögensträger. Daneben existiert auf rein staatskirchenrechtlicher Ebene der Bischöfliche Stuhl oder die Bischöfliche Dotation als eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ihr Vermögen bzw. ihre Erträgnisse dienen der satzungsgemäßen unmittelbaren Verfügung durch den Ortsbischof. Diese Mensalvermögen wurden nach der Säkularisierung und Säkularisation als Ersatz für die eingezogenen bischöflichen Vermögen geschaffen.41

Bei manchen weiteren kirchlichen Rechtssubjekten, wie Verbänden, Vereinen oder auch Stiftungen ist die Rechtslage nicht immer klar. Hier kommt es darauf an, ob der privilegierte Rechtsstatus der betreffenden Rechtsperson im Einklang mit dem statuarischen Recht verliehen worden ist. Andernfalls handelt es sich um private kirchliche juristische Personen i. S. d. c. 115. Auch sie bedürfen gem. c. 116 § 2 2. Halbsatz der entsprechenden ausdrücklichen Errichtung. Dadurch erlangen sie für den Rechtsbereich der Kirche Vermögensfähigkeit. Das Vermögen bleibt aber Privatvermögen des Rechtsträgers und unterliegt nicht der kirchenamtlichen Aufsicht.

Die Unterscheidung in privates und öffentliches Vermögen kirchlicher Rechtsträger kann nicht im Sinne eines Rankings verstanden werden. Für eine zutreffende rechtliche Einordnung kommt es zunächst auf den Status der Rechtsperson an, der sich auch nach dem Gründungs- bzw. Stiftungswillen der jeweiligen Institution zu richten hat. Aus der darin enthaltenen Zwecksetzung der Institution wird auch die Zwecklichkeit des Vermögens erkennbar, die entweder eine engere Bindung an die kirchliche Vigilanz oder größere Freiheit von ihr erfordern kann.

Vereinigungen, wie der Deutsche Caritasverband und einige diözesane Caritasverbände, besitzen lediglich nach weltlichem Recht Rechtspersönlichkeit. Sie unterliegen damit nicht den Bestimmungen des CIC, da ihr Vermögen schon mangels kirchlicher Rechtspersönlichkeit kein Kirchenvermögen darstellt. Das ist nicht unbedeutend, vor allem seit Papst Benedikt XVI. mit entsprechender Gesetzgebung die gesamtkirchliche Caritas Internationalis, den Dachverband aller Caritasvereinigungen, der Aufsicht der Römischen Kurie unterstellt hat.42 Für die besonderen deutschen Verhältnisse gilt, dass nur die Caritasverbände mit kirchlicher Rechtspersönlichkeit dieser Gesetzgebung unterliegen. Anders verhält es sich mit Caritas Internationalis. Der Dachverband hat gem. Art. 6 no. 1 Generaldekret (2012) öffentliche kirchliche Rechtspersönlichkeit. Gem. Art. 6 no. 9 Generaldekret (2012) unterliegt seine Vermögensverwaltung folgerichtig den Regularien des Codex Iursi Canonici und des eigenen Satzungsrechts. Daraus ist aber nicht abzuleiten, dass über diesen Umweg auch das Vermögen der nationalen und / oder diözesanen Caritasverbände ipso facto universalkirchlicher Vigilanz anheimfällt.

Das Recht der katholischen Ostkirchen kennt ausschließlich öffentliche kirchliche juristische Personen und formuliert in c. 1009 § 2 CCEO: „Alle zeitlichen Güter, die juristischen Personen gehören, sind Kirchenvermögen.“

Übersicht: Kirchliche Rechtsträger von Vermögen


Universalkirche1. Gesamtkirche (c. 1255)2. Apostolischer Stuhl (c. 1255)a. Kardinalskollegium (c. 349)b. Dikasterien (cc. 360, 361, Apost. Konst. PastBon)
Teilkirche1. Kirchenprovinz (c. 432 § 2)2. Bistum (c. 368)3. Domkirche (c. 4 CIC/1983 i. V. m. c. 99 CIC/1917)4. Bischöflicher Stuhl (c. 4 und Konkordate)5. Domkapitel / Stiftskapitel (implizit: cc. 503, 506)6. Priesterseminar (c. 238)
Ortskirche1. Pfarrei (c. 515)2. Fabrica ecclesiae (c. 4 CIC/1983 i. V. m. c. 99 CIC/1917)3. Weitere der Pfarrei oder bestimmten Ämtern zugeordnete Fonds (c. 4 und soweit nicht aufgehoben)4. Kirchliche Vereinigungen (cc. 298, 304, 305)

1.2.4 Die Vermögensaufsicht

Aufgrund seiner kirchenverfassungsrechtlich gem. cc. 330, 331 herausgehobenen Stellung, kommt dem Papst die in c. 1256 angesprochene oberste Vermögensaufsicht über jedes Kirchenvermögen zu, ohne dass dies einen Einfluss auf die eigentums- und besitzrechtlichen Verhältnisse hätte. Darauf weist bereits der Wortlaut von c. 1256 hin, der das Eigentumsrecht an der Sache dem rechtmäßigen Erwerber zuspricht: „Das Eigentum am Vermögen gehört, unter der obersten Autorität des Papstes, jener juristischen Person, die das Vermögen rechtmäßig erworben hat.“ Die nicht besonders gelungene Satzkonstruktion mit dem Einschub: „unter der obersten Autorität des Papstes“ darf nicht als ein ‚Obereigentumsrecht‘ des Papstes missverstanden werden. Ebenso ist die offiziöse deutsche Übersetzung im bilingualen Codex von pertinere mit „zustehen“ m. E. an dieser Stelle linguistisch nicht sachgerecht.43 Diese Schutzbestimmung dient ja lediglich der Sicherung der Zwecksetzung des kirchlichen Vermögensgebrauchs. Die im Canon enthaltene Aufsichtsklausel ist demgegenüber nachrangig. Bereits die Leitsätze zur CIC-Reform 1967 hatten festgehalten, dass bei der Aufsicht über die Vermögensverwaltung das Subsidiaritätsprinzip anzuwenden sei.44 Demzufolge ist ein Eingreifen in die sonst autonome Vermögensverwaltung nur dann gerechtfertigt, wenn sich die zuständige kirchliche Autorität im konkreten Fall als insuffizient erweist. Im Lichte der Ausformulierung dieses Prinzips in der Enzyklika Quadragesimo anno (1931) Papst Pius XI., wäre im Einzelfall weiter zu prüfen, ob dieser Eingriff direkt zu erfolgen habe, oder eher dem Gedanken folgen müsse, die zuständige Autorität dazu zu befähigen, ihre eigenen Aufgaben selbst wahrzunehmen.45