Berufsbezug in südeuropäischen DaF-Hochschulcurricula vor und nach der Krise von 2008

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2.5 Zielfindungsansätze für Curricula und ihre Eignung für berufsbezogene Unterrichtsplanung

Wenn sich in Curricula etwa gesellschaftliche oder (bildungs)politische Veränderungen widerspiegeln, so vollzieht sich dies innerhalb der Curricula insbesondere bei unterrichtlichen Zielen, da diese Ziele dem Erreichen gesellschaftlicher Ideale einer bestimmten Epoche dienen. Zudem sollten Unterrichtsziele jeder curricularen Planung voranstehen und alle weiteren curricularen Faktoren bestimmen (s. Abb. 7). Aufgrund der herausragenden Bedeutung von unterrichtlichen Zielen in Lehrplänen werden in diesem Unterkapitel zunächst einige Ansätze zur Zielfindung vorgestellt und ihre Eignung für berufsbezogene Unterrichtsplanung thematisiert (Abschnitte 2.5.1 bis 2.5.3), um sodann in Abschnitt 2.5.4 Überlegungen darüber anstellen zu können, welcher Ansatz zur Zielfindung für berufsbezogene Hochschullehrpläne für den FSU besonders geeignet ist. In den untersuchten DaF-Lehrplänen wurden im Zuge der Analysen auch Hinweise darauf auszumachen versucht, welche Ansätze zur Zielfindung ebendiesen Lehrplänen zugrunde liegen. Auch durch diesen Fokus sind Aussagen über die Berufsorientierung dieser Lehrpläne möglich. Dies wird in Abschnitt 8.2 aufgegriffen.

Doyé (1995, S. 161) unterscheidet zwischen von Individuen selbst gesteckten Lernzielen und Lehrzielen, die Menschen bei der Lenkung von Lernprozessen anderer zu erreichen suchen. Laut Neuner (2001, S. 805) wird allerdings häufig nicht zwischen Lehrzielen, die er als durch „[…] Bildungsinstanzen […]“ verankert beschreibt, und Lernzielen, die eine „[…] Analyse pragmatischer Bedürfnisse der Fremdsprachenverwendung […]“ als Basis hätten bzw. von Lernenden selbst entworfen würden, unterschieden. Krumm (2007, S. 116) plädiert dort, wo Lernende eine Sprache nicht aus freiem Willen lernen, für den Terminus Lehrziele. Im außerschulischen FSU, in den Lernende häufig eigene Interessen und Vorstellungen mitbringen, sollte eher von Lernzielen die Rede sein.

In diesem universitären Lehrplänen verpflichteten Band wird fortan entweder der Dualismus „Lehr-/Lernziele“ zur Gänze ausgeschrieben, oder es ist generell von „Zielen“, „unterrichtlichen Zielen“ oder „Unterrichtszielen“ die Rede, womit dann sowohl Lehr- als auch Lernziele gemeint sind. In Zitaten wird die darin verwendete Terminologie beibehalten.

Projektarbeiten haben Strategien zur curricularen Zielfindung und -explizierung hervorgebracht (s. Zimmermann, 1995, S. 136), dazu zählen etwa Befragungen, in berufsbezogenen Kontexten jedoch auch Analysen des Sprachbedarfs an verschiedenen Arbeitsplätzen. Die Auseinandersetzung mit den Mitteln einer gezielt lernerorientierten Curriculumentwicklung beschreibt Neuner (2001, S. 806) Anfang des neuen Jahrtausends in der Fachforschung allerdings immer noch als verhältnismäßig neu. Er rückt diese in die Nähe der Entwicklung der Kommunikativen Fremdsprachendidaktik seit Mitte der 1970er Jahre.

Die Curriculumforschung der letzten 30 Jahre (Doyé 1995, S. 165), also ab den 1960er Jahren, habe sich um die Entwicklung von Methoden zur Zielfindung bemüht. Ab den 2000er Jahren ist hierfür auch der GER ein fundamentales Instrument. Doyé stellt sodann die von Robinsohn initiierte dreiteilige Zielfindung vor, die den Auftakt der Beschreibungen der Ansätze zur Zielfindung im kommenden Kapitelabschnitt bildet.

Robinsohn (1971, S. 31) spricht in diesem Kontext auch von einer „Vorbereitung von Curriculumentscheidungen“. Seinen Überlegungen liegt zugrunde, dass Bildungsreformen in engem Zusammenhang mit Curriculumentwicklung und -forschung stehen müssen. Dabei geht er von einer laufenden Revisionsbedürftigkeit der „[…] Bildungsziele […]“ und „[…] Bildungsinhalte […]“ aus, der die Didaktik etwa anhand der Entwicklung geeigneter Revisionsinstrumente noch in keiner adäquaten Form begegnet ist. Er wirft die Frage auf, wie solche Instrumente aussehen sollten und wie sie erarbeitet werden sollten. Im Folgenden werden solche teils älteren, teils jüngeren Instrumente vorgestellt und hinsichtlich ihres Potenzials für das Auffinden berufsbezogener Lehr- und Lernziele diskutiert.

2.5.1 Lebenssituationen – Qualifikationen – Bildungsinhalte

Gemäß Robinsohn (1971, S. 45) erfordert Bildung, die auf künftige Lebenswirklichkeiten vorbereiten soll, ein dreistufiges Planungsvorgehen. Es müssen dabei zunächst für Lernende relevante „Situationen“ fokussiert werden, dann „Qualifikationen“, die zur Bewältigung dieser Situationen benötigt werden, und schließlich „Bildungsinhalte“ und „Gegenstände“, die diese Qualifizierungen zur Folge haben sollen.

Zimmermann (1995) führt dazu mit Blick auf den FSU aus:

Das Modell hat auch erheblichen Einfluss auf die Curriculumentwicklung der Fremdsprachenfächer gehabt. Schon sehr bald wurden allerdings seine Grenzen deutlich, insbesondere die Schwierigkeit, künftige Situationen überhaupt und besonders angesichts des raschen gesellschaftlichen und ökonomischen Wandels zu diagnostizieren und außerdem eine stringente Deduktion von Qualifikationen, Zielen/Inhalten1 und der Unterrichtsorganisation aus Lebenssituationen vorzunehmen. Selbst wenn eine solche Ableitung möglich wäre, ist sie schwerlich in Einklang zu bringen mit emanzipatorischen und Selbststeuerungszielsetzungen von Schule. (S. 136)

Robinsohn nennt seinen Ansatz „Strukturkonzept für Curriculumentwicklung“ und erläutert im Vorwort zur dritten Auflage seiner Schrift (1971, S. IX), dass dieses Strukturkonzept bei der ersten Auflage 1967 noch nicht berücksichtigt, sondern erst im Sommer 1969 ergänzt wurde.

Die drei Planungsvariablen Lebenssituationen, Qualifikationen und Bildungsinhalte sind insbesondere bei der Erstellung berufsbezogener Lehrpläne für den FSU mit Bedacht einzusetzen. Wenn es generell schon als schwierig bzw. unmöglich gilt, bei der Unterrichtsplanung künftig notwendige Qualifikationen und relevante Bildungsinhalte vorauszusehen, um Lernende bestmöglich auf die Zukunft vorzubereiten, so ist diese Unmöglichkeit bei der Erarbeitung berufsbezogener Lehrpläne als noch problematischer einzustufen, da sich die Arbeitswelt nicht zuletzt wegen rapider technologischer Entwicklungen und der damit einhergehenden Schaffung neuer Berufsfelder laufend wandelt bzw. ständig im Umbruch ist. Somit sind in der Berufswelt auch kommunikative Anforderungen ebenso wie fremdsprachliche kommunikative Anforderungen einem unentwegten Wandel unterworfen. Kuhn (2007) widmet ein gesamtes Kapitel ihrer Dissertation den kommunikativen Anforderungen einer sich wandelnden Arbeitswelt (Abschnitt 3.1), was zum einen zeigt, als wie wesentlich sich Kommunikation in der Arbeitswelt erweist, und zum anderen verdeutlicht, wie sehr der beständige Wandel der Arbeitswelt Arbeitnehmer herausfordert.

Schmidt beschäftigt sich 2010 (S. 923) jedoch immer noch mit diesen drei Variablen der Curriculumplanung. Er schreibt in diesem Zusammenhang von Robinsohns Programm zur Ermittlung von Inhalten, welches „[…] durch die Aneignung von Kenntnissen, Einsichten, Haltungen und Fertigkeiten […]“ (Robinsohn, 1971, S. 45) vor allem für die „[…] Bewältigung von Lebenssituationen […]“ (ebd., S. 45) qualifizieren soll.

Vorerst ist jedoch festzustellen, dass die Trias Lebenssituationen, Qualifikationen und Bildungsinhalte zwar ein langjährig eingesetztes und auch überwiegend bewährtes, wenn auch immer wieder kritisiertes Instrument für die Curriculumentwicklung darstellt, für die Erstellung berufsorientierter DaF-Lehrpläne jedoch als nur bedingt erfolgversprechend angesehen werden kann, da sich die kommunikativen Anforderungen insbesondere in der Berufswelt in ständigem Wandel befinden. Das zu Überwindende an diesem Ansatz scheint die stark situationsorientierte Basis zu sein. Dem hält Doyé (1995) entgegen:

Gegen Robinsohns Strukturkonzept ist immer wieder eingewendet worden, dass der von ihm vorgeschlagene, anscheinend so rationale Weg eine unsichere Ausgangsposition habe, weil die Situationen, in die die jetzt Lernenden in Zukunft kommen werden, nicht sicher vorhersagbar sind. Wer so argumentiert, übersieht, dass bei jeder Lehrplanung Wahrscheinlichkeitsüberlegungen angestellt werden müssen und dass es hauptsächlich darauf ankommt, sie so fundiert wie möglich anzustellen. Dies liegt im Wesen der Erziehung begründet und kann auch von anderen, hier nicht vorgestellten Zielfindungsstrategien nicht ausgeschaltet werden. (S. 166)

Es ist zweifelsohne zutreffend, dass bei jeder Curriculumplanung „[…] Wahrscheinlichkeitsüberlegungen angestellt werden müssen […]“, doch dass die Hauptsache sei, die Planung der Lehre „[…] so fundiert wie möglich anzustellen“, ist eine unscharfe Formulierung Doyés. Was in einem Kulturkreis als fundierte Curriculumerstellung gilt, kann in einem anderen Kulturkreis als nicht akzeptabel gelten (Abschnitt 2.1).

2.5.2 Zielfindung nach Prinzipien

Die Wirtschaftspädagogen Gerholz und Sloane (2011, S. 1) setzen sich den einem Wandel unterworfenen Bildungsauftrag der Hochschulen – also verstärkt hin zu beruflicher Bildung – als Ausgangspunkt für Überlegungen zum Curriculumdesign für Bachelor-Studiengänge. Ihre Abhandlung fokussiert nicht konkret die Fremdsprachenfächer, sondern Hochschulkurse generell. Sie rücken dabei das so genannte „Lernfeldkonzept“ (s. Huisinga, 2003, S. 11–13), dessen Basis reale berufliche Handlungen sind, in den Mittelpunkt der Gestaltung universitärer Curricula. Das ursprünglich durch die Berufsbildung hervorgebrachte Lernfeldkonzept soll in ihrer Abhandlung der Hochschulbildung angepasst werden (Gerholz & Sloane, 2011, S. 1). Dies wird folgendermaßen begründet: „Wenn universitäre Bildung stärkere Züge einer Berufsfeldbildung annimmt, so ist es relevant zu untersuchen, inwiefern Konzepte der beruflichen Bildung auf die universitäre Bildung hin adaptiert werden können“ (ebd., S. 1). Zu dieser universitären Bildung gehört auch der FSU. Gerholz und Sloane (ebd., S. 4–7) gehen in ihren Untersuchungen der Frage nach, nach welchen in der Wissenschaft bewährten Prinzipien Lehr- und Lernziele für Curricula gefunden und strukturiert werden sollen.

 

Sie führen folgende drei Prinzipien an:

1 Das „Wissenschaftsprinzip“:Curriculumerstellende, die sich diesem Prinzip verpflichtet fühlen, orientieren sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen eines bestimmten Faches, die Lernende sich aneignen sollen (s. ebd., S. 5).

2 Das „Situationsprinzip“:Dieses curriculare Gestaltungsprinzip setzt sich die für Studierende künftig relevanten Handlungssituationen als Ausgangspunkt, es ist also stark an der Lebensrealität orientiert (s. ebd., S. 6).

3 Das „Persönlichkeitsprinzip“:Nach diesem Prinzip agierende Curriculumentwickelnde nehmen schließlich alle die Persönlichkeitsentfaltung der Studierenden fördernden Aspekte in den Blick, hier sind also die Lernenden selbst der wesentlichste Orientierungspunkt (s. ebd., S. 6).

Mit Blick auf berufsorientierte Bachelor-Studiengänge werfen Gerholz und Sloane die Frage auf, welches der Prinzipien das angemessenste ist. Die Ausrichtung nach einem der drei Prinzipien klammere die anderen zwei nicht aus (s. ebd., 6; Abschnitt 2.5.4).

Gerholz und Sloane (ebd., S. 7) kommen zu dem Schluss, dass sich das Situationsprinzip als am geeignetsten erweist und beim Design von Hochschulcurricula in Verbindung mit den anderen Prinzipien die tragende Leitlinie bei der Findung der Lerninhalte sein sollte. Dieses Prinzip kann zum Teil jenem der Ermittlung von Lebenssituationen nach Robinsohn an die Seite gestellt werden, das bereits beschrieben wurde (Abschnitt 2.5.1; Zimmermann, 1995, S. 136; Schmidt, 2010, S. 923–924). Die Orientierung an für Lernende künftig relevanten Situationen, obgleich immer wieder kritisiert, schien und scheint beim Auffinden relevanter und berufsorientierter Bildungsziele also ein angemessenes Prinzip zu sein.

Die aktuelle Beschaffenheit universitärer Curricula suggeriert laut Gerholz und Sloane (2011, S. 7), dass das Wissenschaftsprinzip tonangebend und das Curriculumdesign tendenziell von fachlichen Leitlinien geprägt ist, auch auf internationaler Ebene. Mit Blick auf den veränderten hochschulischen Bildungsauftrag zeige sich jedoch das Situationsprinzip als Ausgangspunkt bei der Erstellung universitärer Curricula angemessener (s. ebd., S. 7).

Das Wissenschaftsprinzip scheint zudem mit Blick auf die Fremdsprachenfächer nicht in Frage zu kommen – zumindest nicht für den Spracherwerb. Sprachwissen und wissenschaftliche Fachkenntnisse sind hier nicht auf eine Ebene zu stellen, was jedoch nicht bedeutet, dass generell eines dem anderen untergeordnet ist. Landeskundliche Inhalte für den FSU jedoch können viel eher nach dem Wissenschaftsprinzip ausgewählt werden. Zudem können sich auch Curricula für die Fremdsprachenlehrerausbildung gut nach dem Wissenschaftsprinzip konstruieren lassen.

Einig sind Experten sich darüber, dass moderne Curricula nicht ausschließlich rund um Faktenvermittlung konstruiert sein dürfen, sondern immer auch für die Berufswelt erforderliche (Soft) Skills beinhalten sollten, auch wenn dies in den 2010er Jahren noch nicht gänzlich der curricularen Realität entspricht.

Der Pädagoge Arnold und der Erziehungswissenschaftler Gonon (2006, S. 201) beschreiben die einstmals in Lehrplänen verankerte Bildungsmaterie als überholt und halten fest: „Das Konzept der Behaltensschulung muss vielmehr durch eines der Kräfteschulung bzw. eines der Förderung der Methoden- und Sozialkompetenzentwicklung abgelöst werden. An die Stelle eines kurzfristigen Behaltens (aber mittel- und langfristigen Vergessens) muss die nachhaltige Kompetenzentwicklung treten“.

An die Stelle des Erwerbs von disziplinspezifischen Fachkompetenzen ist in modernen Hochschulcurricula der Erwerb von transferierbaren Schlüsselqualifikationen getreten (s. Neuland, 2007, S. 432). Neuland begreift die im Germanistikstudium zu erreichende „[p]hilologische Kompetenz […]“ als Teilziel neben einer Reihe weiterer Kompetenzen wie etwa der „[…] Analyse- und Vermittlungskompetenz […]“. Besonders wichtig sind dabei auch die Skills, die Arbeitnehmern die Integration in ein Unternehmen ermöglichen. Dies trifft vor allem auf die Fremdsprachenfächer zu.

Dazu schreibt Kuhn (2007):

Fremdsprachenkenntnisse sind also nicht nur zur Bewältigung fachlicher Anforderungen und zur Integration in definierte Organisations- und Kommunikationsstrukturen des Arbeitsumfelds notwendig. Sie dienen […] vor allem der Integration des einzelnen Mitarbeiters in das berufsübergreifende Sozialgefüge des Unternehmens sowie in sein weiteres Lebensumfeld. (S. 5)

Dies spricht für Mickans (2013) Ansatz, in Curricula die Sozialisierung des lernenden Individuums zu fokussieren. Fraglich bleibt, warum Gerholz und Sloane (2011) stark für das Situationsprinzip plädieren und dem Persönlichkeitsprinzip geringere Bedeutung beimessen, obgleich vor allem dieses das Auffinden von für moderne und besonders auch berufsbezogene Curricula relevanten Zielen verspricht. Sie nennen immerhin für die Arbeitswelt unerlässliche Eigenschaften in der Beschreibung des Persönlichkeitsprinzips, die auch Kuhn anspricht – „[…] Sozialisation, Emanzipation und Persönlichkeitsentwicklung […]“ sowie „[…] Mündigkeit, Kritikfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit […]“ (Gerholz & Sloane, 2011, S. 6). In Zeiten mangelnder beruflicher Perspektiven, politischer und wirtschaftlicher Instabilität sowie arbeitsmarktbezogener Unsicherheiten sind Kompetenzen zur Stärkung der eigenen Persönlichkeit mehr denn je notwendig und auch erwünscht. Auch Arnold und Gonon (2006, S. 204) werfen die Frage auf, ob an die Stelle von rasch veralterndem fachlichem Wissen nicht etwa mehr „[…] Persönlichkeitsbildung […]“ treten sollte. Vogel (2016, S. 196) beschreibt die „[…] Bildung der Persönlichkeit […]“ sowie die „[…] Erweiterung der Identität […]“ als Lernziele in hochschulspezifischen Curricula für die integrierte Sprachausbildung.

Somit scheint eine Kombination aus persönlich-sozialen Kompetenzen und ferner angemessenem Faktenwissen bei Hochschulabsolventen wünschenswert. Wie auch im Bereich FSU eine Curriculumentwicklung, die diese Kombination berücksichtigt, aussehen kann, wird in Abschnitt 2.5.4 und Abb. 8 dargestellt.

2.5.3 Sprachlich-kommunikative Anforderungen als Ausgangspunkt für empirisch fundierte Curriculumentwicklung

Passgenaue Ziele und somit relevante sprachliche Handlungen für Curricula zu ermitteln erfolgt gegenwärtig häufig aufgrund von Erhebungen sprachlich-kommunikativer Anforderungen an den künftigen Ausbildungs- bzw. Arbeitsplätzen der jeweiligen Zielgruppen. Die dafür notwendigen kontrovers diskutierten Sprachbedarfsanalysen (auch „[…] Sprachbedarfserhebung[en]“, „[…] Sprachbedarfsermittlung[en] […]“; Haider, 2008, S. 8) verortet Seyfarth (2015, S. 57) in „[…] institutionellen Kontexten mit Förderbedarf […]“.

Funk (2010) hält mit Blick auf Bedarfsanalysen fest:

Bedarfsanalysen als empirische Verfahren zur Identifizierung berufsbezogener Sprachverwendungssituationen […] bilden eine Grundlage institutioneller und individueller Kursplanung. Die Analyse kann sich auf den Sprachbedarf einzelner Personen, eines Unternehmens oder eines beruflichen Szenarios beziehen, auf das vorbereitet werden muss. [….] Das kooperative Erfassen von Daten mit den Kursteilnehmenden zusammen schafft gleichzeitig Lernzieltransparenz als wichtigste Voraussetzng einer späteren Evaluation von Kursverlauf und -ergebnis. (S. 1148)

In Kontrast zu Sprachbedarfsanalysen, welche auf das Ausmachen objektiver und subjektiver Bedarfe zielen, stellt Seyfarth (2015, S. 57–58) den Begriff der „[…] Sprachgebrauchsanalyse[.] […]“. Basis sei dabei keine Ermittlung von Sprachbedarfen etwa durch Befragungen. Sprachgebrauchsanalysen sind laut Seyfarth vielmehr auf Erhebungen „[…] in institutionellen Vergleichskontexten ohne Förderbedarf […]“ ausgerichtet.

Im Bereich Germanistik/DaF erscheinen Überlegungen dazu notwendig, an welchen Orten Bedarfserhebungen für Absolventen der Germanistik sinnvoll sind. Kiefer, Schlak & Iwanow (2012, S. 566–567) bringen diesbezüglich einige Anregungen, konkret sprechen sie von „[…] Informationsquellen, die sich zur groben Orientierung über aktuelle Bedarfe von Fremdsprachenkenntnissen auf dem lokalen Arbeitsmarkt erschließen lassen“ (ebd., S. 566). Dazu gehören etwa „Netzwerke […]“ aus Studierenden oder aus Studienabsolventen mit ersten beruflichen Erfahrungen, Unternehmen mit Bezügen zum amtlich deutschsprachigen Raum oder auch „[…] Außenhandelskammern […]“.

Besonders die Befragung von Absolventen mit ersten beruflichen Erfahrungen scheint für eine zielgruppenspezifische Bedarfserhebung an germanistischen Instituten außerhalb des amtlich deutschsprachigen Raums erfolgsversprechend. Arbeitende Studierende sind mitunter keine ideale Quelle, da sie während des Studiums in den meisten Fällen vermutlich keinen Job in künftig relevanten Berufsfeldern ausüben. Unternehmen oder Kammern müssen freilich erst für derartige Befragungen gewonnen werden, zumal die Erhebungen arbeitsintensiv sind, wie ein neunstufiges Modell für derartige Erhebungen, das Kiefer, Schlak & Iwanow (2012, S. 566) vorstellen, verdeutlicht.

2.5.4 Zielfindung für berufsbezogene DaF-Hochschullehrpläne

Nach dieser Vorstellung bewährter wie neuerer Strategien zur Findung relevanter Lehr- und Lernziele für Curricula folgen hier abschließend Erläuterungen dazu, nach welchen Strategien berufsorientierte DaF-Hochschullehrpläne und generell Lehrpläne für den berufsbezogenen FSU fundiert gestaltet werden könnten und welche Strategien somit auch bei der Erstellung der hier untersuchten Lehrpläne wünschenswert wären. Hier muss erneut betont werden, dass die untersuchten Lehrpläne weder fachbezogen noch auf konkrete Berufsbilder zugeschnitten sind. Deswegen sind ihre Ziele durch den Einsatzort Hochschule zwar als berufsvorbereitend, aber berufsfeldübergreifend zu betrachten, da sie für Studierende geschrieben werden, die häufig noch kein klares Berufsbild ins Auge gefasst haben. Alle in diesem Unterkapitel vorgestellten Strategien zur curricularen Zielfindung haben ihre Berechtigung sowie ihre Vor- und Nachteile, eignen sich jedoch unterschiedlich gut für das Auffinden berufsbezogener und berufsfeldübergreifender Ziele für den FSU. Die Trias Lebenssituationen, Qualifikationen und Bildungsinhalte (Abschnitt 2.5.1) erweist sich zwar als bewährt, jedoch wird sie auch häufig kritisiert, vor allem aufgrund der Unschärfe hinsichtlich künftiger Lebenssituationen und besonders hinsichtlich Situationen in der Berufswelt, die einem konstanten und schnellen Wandel unterworfen sind. Das Robinsohnsche Modell erhebt allerdings von allen vorgestellten Ansätzen den geringsten Anspruch darauf, für gezielt berufsbezogene Unterrichtsplanung geeignet zu sein. Die in diesem Band relevanten allgemeinen DaF-Hochschulkurse sind allerdings zu wenig spezialisiert, als dass Sprachbedarfs- bzw. Sprachgebrauchsanalysen (Abschnitt 2.5.3), sehr taugliche Instrumente für berufsspezifische Unterrichtsplanung, für die Erstellung entsprechender Lehrpläne nötig wären, auch wenn die von Kiefer, Schlak & Iwanow (2012, S. 566–567) vorgeschlagenen Informationsquellen für Bedarfserhebungen sehr zielführend sind. Die Studierenden in den hier relevanten südeuropäischen universitären DaF-Kursen wissen in der Regel noch nicht, ob sie künftig etwa im Tourismus, in der Wirtschaft, dem Verlagswesen oder an Universitäten beschäftigt sein werden, weswegen berufsfeldübergreifende Lehrpläne nötig sind. Funk (2010, S. 1146) ist ebendieser Ansicht, indem er schildert, dass „Lernende, die Deutsch außerhalb des Zielsprachenlandes lernen, sich mehrheitlich eher unspezifisch auf fremdsprachliche Berufsanforderungen vor[bereiten] […]“. Dennoch sei das Erlernen des Deutschen immer häufiger beruflich motiviert.

Kiefer, Schlak & Iwanow (2012) stellen Sprachbedarfsanalysen in einem Callcenter vor. Ein Curriculum, das sich aus Analysen an einem derartigen Ort ableitet, ist für jemanden, der künftig z. B. als Lehrkraft oder in der Altenpflege arbeiten wird, ungeeignet. Somit scheint eine Lehr- und Lernzielfindung nach Prinzipien (Abschnitt 2.5.2) die erfolgversprechendste Variante für Lehrpläne der hier relevanten Ausrichtung zu sein, da durch diese Prinzipien Ziele ermittelt werden können, die den Erwerb berufsfeldübergreifender Qualifikationen mit sich bringen. Innerhalb dieses dreigliedrigen prinzipiengeleiteten Vorgehens muss allerdings differenziert werden. Das Wissenschaftsprinzip ist, wie bereits dargelegt, weitgehend auszuklammern, da alleiniges Faktenwissen im beruflichen Umfeld nur beschränkt Erfolg verspricht. Ähnlich wie die Kritik an der Ableitung von Lebenssituationen im Robinsohnschen Modell muss im DaF-Bereich die Kritik am Situationsprinzip ausfallen, vor allem im Hinblick auf berufsbezogenen Unterricht.

 

Das Persönlichkeitsprinzip scheint demnach die geeignetste Leitlinie für die Erstellung berufsvorbereitender DaF-Hochschullehrpläne zu sein, da Lehr- und Lernziele, welche die Entwicklung und Stärkung der Persönlichkeit (Selbstbewusstsein, Selbstsicherheit, Flexibilität, Teamfähigkeit etc.) der Lernenden berücksichtigen, in weitaus geringerem Maße Alterungsprozessen und Unvorhersehbarkeiten unterworfen sind als Ziele, die sich aus dem Situations- und Wissenschaftsprinzip ableiten. Das Persönlichkeitsprinzip involviert auch eine wünschenswerte Kompetenz-, Prozess- und Zielorientierung bei der Entfaltung persönlicher berufsrelevanter Eigenschaften. Gerholz und Sloane (2011) erwähnen das prinzipiengeleitete Vorgehen auch konkret im Kontext universitärer Lehrpläne, was die Annahme stützt, dass dieses Vorgehen auch den Lehrplänen des Korpus der Hauptstudie vorliegender Arbeit zugrunde liegt.

Abb. 8 zeigt einen Vorschlag, wie bei einer Curriculumerstellung nach dem prinzipiengeleiteten Vorgehen zu verfahren ist, wenn ein Curriculum für den FSU berufsbezogen und vor allem berufsfeldübergreifend gestaltet werden soll:

Abbildung 8:

Phasen prinzipiengeleiteter Erstellung berufsbezogener Hochschullehrpläne für den FSU

Das in Abb. 8 dargestellte Vorgehen verspricht einen Planungsprozess, der berufsfeldübergreifende Hochschullehrpläne für den FSU hervorbringt und Unwägbarkeiten sowie Unvorhersehbarkeiten umgeht. Die erste und wichtigste Phase ist die Herleitung von Zielen, welche die (berufsrelevante, sprachbezogene) Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden unter Berücksichtigung der Entfaltung fremdsprachlicher Kompetenzen fördern. Wie aus der Grafik hervorgeht, soll das Persönlichkeitsprinzip jenes sein, das den gesamten Curriculumgestaltungsprozess umspannt. Es ist von Anfang an die tragende Leitlinie. Situations- und Wissenschaftsprinzip setzen im Erstellungsprozess erst später ein. Aus den in der 1. Phase gewonnenen Zielen in einem weiteren Schritt (2. Phase) Situationen abzuleiten, bedeutet, dass diese Situationen sich ebenso auf die Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden beziehen und es sich dabei um keine schwer vorhersehbaren künftigen Situationen im Beruf handelt. Wenn etwa in der 1. Phase Ziele festgelegt worden sind, welche die Entwicklung von Teamfähigkeit und fremdsprachlicher Kommunikationsfähigkeit im Team fördern sollen, so können in der 2. Phase berufliche Situationen erdacht werden, in denen Teamfähigkeit eine große Rolle spielt. Diese Situationen können sodann etwa anhand von handlungsorientierten Unterrichtsformaten wie Berufsszenarien, Fallstudien, Planspielen oder globalen Simulationen thematisiert, umgesetzt und somit in der Fremdsprache realisiert werden. Durch das in der Curriculumplanung zuletzt eintretende Wissenschaftsprinzip (3. Phase) können die in der 1. und 2. Phase bearbeiteten Inhalte und Situationen nach Bedarf fach- bzw. berufsspezifisch und somit wissenschaftlich untermauert werden.

Aufgrund der Lehrplananalysen der Hauptstudie wird in Ansätzen zu bestimmen versucht werden, welche der drei Prinzipen die italienische und spanische DaF-Hochschullehrplanerstellung leiten (Abschnitt 8.2).

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