Berufsbezug in südeuropäischen DaF-Hochschulcurricula vor und nach der Krise von 2008

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2.3 Ebenen der Curriculumerstellung

Wie bereits betont wurde, wird FSU an Universitäten häufig von Dozenten selbst geplant und diese Planung leitet sich in der Regel aus übergeordneten Vorgaben wie Curricula oder Richtlinien ab. Dies soll in diesem Kapitelabschnitt anhand eines Theoriemodells untermauert werden, das die in der Hauptstudie untersuchten Dokumente bestimmten Erstellungsebenen zuordnet. Ebenso werden im Folgenden ein Dokument zur Unterrichtsplanung aus Spanien und eines aus Italien vorgestellt, in denen sich auch wichtige Funktionen von Lehrplänen (Abschnitt 2.4) abzeichnen.

Beacco, Byram, Cavalli, Coste, Egli Cuenat, Goullier & Panthier (2016, S. 18) sprechen mit Blick auf Curriculumerstellung generell und mit Bezug auf Institutionen, an denen Curricula entstehen und eingesetzt werden, von Entwicklungsstufen („development levels“). Ein Curriculum zu entwickeln und zu implementieren umfasse zahlreiche Aktivitäten auf einigen Stufen des Bildungs-/Schulsystems, von der „Supra-“ bis hin zur „Nanoebene“. Das Modell in Abb. 5, das sich aus einer Arbeit des SLO („Netherlands Institute for Curriculum Development“)1 ableitet, verdeutlicht dies:

Abbildung 5:

„The curriculum on different levels of the education system“ (Beacco, Byram, Cavalli, Coste, Egli Cuenat, Goullier & Panthier, 2016, S. 18)

Im Folgenden sei dieses Modell erläutert2:

1 Curricula der obersten „Supraebene“ zeigen sich als internationale Bezugsinstrumente, Beispiele sind der GER und internationale Evaluierungsstudien wie die PISA-Studie. Für die Curriculumerstellung auf dieser Ebene sei internationale Expertenkooperation vonnöten. Hochschulische Unterrichtsplanung und folglich das Korpus der Hauptstudie sind nicht auf diese höchste Stufe zu stellen, aber von dieser in gewissem Maße beeinflusst.

2 Curricula der „Makroebene“ würden sowohl durch nationale, also staatliche, als auch durch regionale Initiativen entstehen. Hier wird das internationale Level also bereits verlassen. Als Beispiele werden etwa der Studienplan oder der Syllabus angegeben. Diese Ebene entspricht dem, was Bausch (2007, S. 112) als „[…] ministeriell erlassene[.] Rahmenrichtlinien bzw. Eckdaten […]“ beschreibt. Somit entspricht diese Makroebene jedoch immer noch nicht der Ebene, auf welcher die für diese Arbeit relevanten Dokumente zur Planung des hochschulischen DaF-Unterrichts einzuordnen wären. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es für andere Hochschulfächer keine national definierten und staatsweit gültigen Curricula gibt. In Deutschland gibt es zur Bestimmung und Bewertung von für Akademiker relevanten Fremdsprachenkompetenzen etwa das bundesweite Qualitätssiegel UNIcert®3.

3 Die „Mesoebene“ kann als eine der zwei Ebenen betrachtet werden, die den in der Hauptstudie untersuchten Dokumenten entspricht. Sie liegt in der Mitte aller Stufen der Curriculumerstellung und -implementierung und bezieht sich auf die Dimensionen einer Schule und vergleichbarer Institutionen. In einer Schule etwa können Curricula der übergeordneten nationalen Makroebene auf die individuellen Ansprüche der Schule hin adaptiert werden.

4 Auch Curricula der „Mikroebene“, in noch höherem Maße als der vorhergehenden Mesoebene, entsprechen den für diese Arbeit herangezogenen südeuropäischen Dokumenten zur Unterrichtsplanung. Die Mikroebene beziehe sich etwa auf ein Curriculum für einen einzelnen Kurs und könne, blickt man auf die von Beacco, Byram, Cavalli, Coste, Egli Cuenat, Goullier & Panthier hier ins Feld geführten Beispiele, der Stufe des Lehrbuchs gleichgesetzt werden. Da es sich bei den in der Hauptstudie untersuchten Dokumenten um konkrete Kursbeschreibungen handelt, ist die Mikroebene ebenso ein wichtiger Bezugspunkt.

5 Die fünfte und letzte Stufe im Modell ist die „Nanoebene“, auf welcher ein Curriculum sich auf eine individuelle Lernerfahrung sowie auf lebenslange und autonome persönliche Weiterentwicklung bezieht. Keines der in der Hauptstudie untersuchten Dokumente ist für die Ansprüche eines einzelnen Studierenden erarbeitet worden, weswegen die Nanoebene für die Untersuchungen lediglich eingeschränkte Relevanz hat.

Beacco, Byram, Cavalli, Coste, Egli Cuenat, Goullier & Panthier erwähnen in der Klassifizierung kein Mal Universitäten oder Hochschulen. Allein der Terminus „institution“ auf der Mesoebene könnte auf den tertiären Bildungsbereich schließen lassen. Jedoch gebrauchen etwa die Wirtschaftspädagogen Gerholz und Sloane (2011, S. 8), die sich in ihrer Abhandlung mit curricularer Entwicklungsarbeit in Bachelor-Studiengängen und somit nicht konkret mit FSU beschäftigen, die Terminologie auch auf universitärer Ebene, wie die Darstellung in Abb. 6 zeigt:

Abbildung 6:

„Curriculare Entwicklungsarbeit in Bachelor-Studiengängen“ (Gerholz & Sloane, 2011, S. 8)

In dieser Darstellung werden im obersten Bereich zwar lediglich drei der fünf Ebenen der Curriculumentwicklung und -implementierung nach Beacco, Byram, Cavalli, Coste, Egli Cuenat, Goullier & Panthier (2016, S. 18) gezeigt, aber zwei der drei gezeigten Ebenen, nämlich die Meso- und die Mikroebene, sind auch jene Ebenen, die zuvor als für die Zwecke der vorliegenden Arbeit als am relevantesten identifiziert wurden. Da die Darstellung von Gerholz und Sloane (2011, S. 8) sich ausschließlich auf den tertiären Bildungsbereich bezieht, wird somit die Annahme, dass für universitäre Curricula vor allem die Meso- und Mikroebene von zentraler Bedeutung sind, gestützt. Aus der Darstellung geht auch anschaulich hervor, dass die „[o]rdnungspolitische Vorgabe“ zwischen der Makroebene und der Mesoebene eine Rolle spielt, was wiederum den „[…] ministeriell erlassenen Rahmenrichtlinien bzw. Eckdaten […]“ nach Bausch (2007, S. 112) entspricht, und dass eine „[h]oschulinterne [sic]/-spezifische Konkretisierung“ nur im Bereich zwischen der Mesoebene und der Mikroebene bedeutsam ist. Diese Konkretisierung steht abermals für hochschul- bzw. fakultätsindividuelle Lehrplanadaptierungen.

Im vorliegenden Band werden lediglich die Mesoebene und die Mikroebene fokussiert und auf diesen Ebenen werden ausschließlich Dokumente zur Planung hochschulischen DaF-Unterrichts berücksichtigt.

Im Folgenden wird ein Ausblick auf das Korpus der Hauptstudie gegeben, der die eben erfolgten Ausführungen untermauern soll. Die nun zu beschreibenden Dokumente zur Unterrichtsplanung befinden sich im Anhang (VII).

(1) Beispiel für die Planung universitären FSUs auf der Mesoebene

Dieses Dokument in katalanischer Sprache aus dem akademischen Jahr 2015/164 für den Kurs Idioma Modern II (Alemany) der Universitat Autònoma de Barcelona hat ein Layout, das sämtliche Dokumente zur Unterrichtsplanung dieser Universität in diesem Zeitabschnitt haben. Dies deutet bereits auf einen curricularen Verantwortungsbereich auf Ebene der gesamten Hochschule, also auf die Mesoebene, hin. Nach Angaben zum Kurstitel, dem Kurscode, dem akademischen Jahr sowie den erwerbbaren ECTS-Punkten folgt zunächst eine Auflistung all jener Studiengänge der Universität, mit denen sich ein Germanistikstudium kombinieren lässt. Dies deutet auf eine curriculare Verflechtung einzelner Studienfächer hin, was ebenfalls als charakteristisch für die Mesoebene gelten kann, ohne dass jedoch Inhalte oder Ziele dieser Fächer im vorliegenden germanistischen Dokument zur Unterrichtsplanung genannt würden. Im Anschluss an diese Auflistung werden die verantwortlichen Lehrkräfte („Professor de contacte / Equip docent“, hier anonymisiert) sowie die im Unterricht verwendeten Sprachen („Utilització de llengües“) angeführt. In den darauf folgenden Punkten „Prerequisits“ (Voraussetzungen), „Objectius“ (Ziele), „Competències“ (Kompetenzen), „Resultats d’aprenentatge“ (Lernergebnisse), „Continguts“ (Inhalte), „Metodologia“ (Methodik), „Activitats formatives“ (Unterrichtsaktivitäten), „Avaluació“ (Beurteilung), „Activitats d’Avaluació“ (Beurteilungsgrundlagen) sowie „Bibliografia“ (Bibliographie) erhält man Aufschluss über sämtliche Kursbedingungen. Vor allem der Abschnitt „Competències“ lässt auf eine Verzahnung des Kurses mit anderen Studiengängen der Universität schließen, da hieraus die Kombinationsmöglichkeiten des germanistischen Studiengangs mit weiteren Studiengängen der Universität hervorgehen. Wie sich außerdem zeigt, folgt der Lehrplan weitestgehend der in Abb. 7 veranschaulichten Schrittabfolge (also Ziele – Inhalte – Methoden – Mittel – Leistungsmessung), was wiederum bedeutet, dass er auch die in der Curriculumtheorie intendierten und festgeschriebenen Funktionen weitestgehend erfüllt. Es werden hier die Inhalte nach den Zielen und vor der Methodik genannt, die Leistungsmessung wird weit ans Ende der gesamten Unterrichtsplanung gestellt.

Es ist offensichtlich, dass dieses Dokument ein gewisses Gerüst, eine gewisse Struktur aufweist, an das/die man sich auch in anderen Fächern, also etwa auch an anderen Philologien der Universität, hält. Die Universität übernimmt demnach auf der Mesoebene eine Gesamtverantwortung für die Unterrichtsplanung einzelner Studiengänge.

(2) Beispiel für Planung universitären FSUs auf der Mikroebene

Ein weiterer Auszug aus dem Korpus (Anhang VII) zeigt ein Dokument aus dem akademischen Jahr 2006/07 für den Kurs Lingua e Traduzione – Lingua Tedesca I der italienischen Università degli Studi di Udine. Dieser kann als Beispiel für Unterrichtsplanung auf der Mikroebene dienen. Als lediglich einseitiges PDF-Dokument gibt er zunächst Aufschluss über die Kursbezeichnung und die Lehrkraft (hier anonymisiert). In kompakter Form werden in den Unterpunkten „Programma“, „Bibliografia“, „Modalità d’esame“ sowie „Ulteriori informazioni“ Informationen zum Lehrveranstaltungsprogramm, zu für den Kurs relevanten Büchern, zu den Prüfungsmodalitäten sowie abschließend zu weiteren wichtigen Punkten gegeben. Das Dokument ist maßgeschneidert für den Kurs Lingua e Traduzione – Lingua Tedesca I, hat kein besonderes Layout und wurde, wie es für die Mikroebene bezeichnend ist, durch Lehrkräfte selbst erstellt.

 

An den soeben vorgestellten Dokumenten zeigt sich auch, welch unterschiedliches Ausmaß universitäre Dokumente zur Unterrichtsplanung haben können, dass nicht immer zwingend alle in Abschnitt 2.4 zu erläuternden Bestandteile darin enthalten sind (so fehlt etwa im Dokument aus Udine ein Punkt mit konkreten Angaben zu Lehr- und Lernzielen), sie somit generell nicht alle ebenso in Abschnitt 2.4 zu erläuternden Funktionen erfüllen und dass sich ferner in jedem Dokument zur Unterrichtsplanung auch Raum für institutionseigene Regionalspezifika findet. So sind etwa im Dokument der Universitat Autònoma de Barcelona auch Kompetenzen und immerhin 22 konkrete Lernergebnisse aufgelistet, in jenem aus Udine gibt es im Unterpunkt „Ulteriori informazioni“ Hinweise für Studierende, die den Unterricht aus unterschiedlichen Gründen nicht besuchen können.

2.4 Funktionen von Curricula

Für das Curriculum konstituierend ist immer noch Robinsohns Forderung, einer Willkür im Bereich der Beschlüsse über Unterrichtsgegenstände entgegenzuwirken und transparente Entscheidungen über Lehr- und Lernziele herbeizuführen (s. Robinsohn, 1971, S. 1; Zimmermann, 1995, S. 135). Hieraus wird eine der wichtigsten Funktionen des Curriculums deutlich, nämlich die Überführung beliebigen, unstrukturierten unterrichtlichen Tuns in sinnvolles, begründetes und geordnetes Lehren und Lernen. Darin erschöpfen sich die Funktionen von Lehrplänen jedoch nicht. Im Folgenden werden Curricula im Hinblick auf ihre Funktionen betrachtet und es wird gezeigt werden, dass aufgrund der Funktionen auch eine Zuordnung zu den Kategorien Curricula/Richtlinien/Lehrpläne vorgenommen werden kann.

(1) Curricula als Berufungstexte

Bausch (2007, S. 111) beschreibt Curricula hinsichtlich ihrer Funktionen zunächst als „[…] appellative Texte […]“ sowie „[…] Berufungstexte […]“. Durch sie seien vor allem Lehrende zur Planung, Durchführung und auch zur Evaluation von Unterricht angehalten. Sowohl Lehrkräfte und Schulaufsichten als auch Schüler und Eltern könnten sich auf die in Curricula verankerten Punkte berufen (s. auch Adamson & Morris, 2014, S. 309). In diesem Sinne können Curricula auch als Verträge, auf welche man sich in Zweifelsfällen stützen kann, zwischen sämtlichen in den Unterricht involvierten Parteien begriffen werden.

Die curricular festgeschriebenen Elemente zeichnen sich laut Bausch (2007, S. 111) durch das „[…] Kriterium Offenheit […]“ aus, jedoch kann die Linie der Curricula nicht unmittelbar als die konkrete Unterrichtslinie betrachtet werden. Curricula seien somit als „[…] Realutopie […]“ zu verstehen.

(2) Curricula im außerschulischen Bildungsbereich – Funktion der Offenheit

Gemäß Bausch (2007, S. 112) haben Curricula in Bereichen außerhalb der Schule „[…] die Funktion von (Unterrichts-)Empfehlungen bzw. -Handreichungen“. Ihre Verbindlichkeit beschreibt er als offener als bei schulischen Lehrplänen. Im „[…] quartären Bildungsbereich der Hochschule […]“ würden sie vorrangig Angaben zu Zielen, Inhalten und Formen der Leistungsmessung enthalten (ebd., S. 112). „[…] [M]inisteriell erlassene[.] Rahmenrichtlinien bzw. Eckdaten […]“ würden an Hochschulen individuell umgesetzt werden; anders als bei schulischen Lehrplänen resultiere dies in einer Intransparenz (s. ebd., S. 112). Im Kontext vorliegender Arbeit kann Bausch inhaltlich zugestimmt, terminologisch widersprochen werden. Aus seinen Ausführungen wird deutlich, dass er, wie bereits erläutert wurde (Abschnitt 2.2.2), mit Blick auf den FSU im Hochschulbereich, den er doch klar dem außerschulischen Bereich zuordnet, für den Terminus „Curriculum“ plädiert, da ein universitäres Curriculum im Gegensatz zu einem schulischen Lehrplan eher offenen Charakter habe. Wie er jedoch selbst erkennt, leitet sich das, was an Universitäten an Unterrichtsplanung ausgearbeitet wird, aus übergeordneten ministeriellen Anordnungen ab. Wie in Abschnitt 2.2.2 gezeigt wurde, lässt sich eine solche Verengung aus übergeordneten Vorgaben jedoch viel eher als Lehrplan denn als Curriculum beschreiben. Hier muss Bausch demnach widersprochen werden. In vorliegender Arbeit wird somit im Bereich des FSUs sowohl auf schulischer als auch universitärer Ebene für den Begriff des Lehrplans plädiert, vor allem aufgrund des Grades an Verbindlichkeit hinsichtlich der Unterrichtsinhalte und der Leistungsmessung. Sicher ist zutreffend, dass gewisse Komponenten eines Lehrplans an einer Universität wie etwa Lehr-/Lernziele oder Methodik weniger verbindlich als an einer Schule und somit als Empfehlungen zu betrachten sind, jedoch kommt einem universitären Lehrplan tendenziell mehr Verbindlichkeit zu als etwa Curricula in der außeruniversitären Erwachsenenbildung (Volkshochschulen, Weiterbildungsinstitute). Die Erwachsenenbildung im DaZ-Bereich stellt hier eine Ausnahme dar. Auch trifft es zweifelsohne zu, dass universitäre Lehrpläne durch mehr Offenheit als schulische Lehrpläne gekennzeichnet sind, doch ein höherer Grad an Offenheit muss keinen geringeren Grad an Verbindlichkeit mit sich bringen. In diesem Sinne eignet sich der Terminus Lehrplan für die in dieser Studie herangezogenen Dokumente des Korpus der Hauptstudie in der Tat besser, wenn man sich auf die Trias Curriculum/Richtlinie/Lehrplan rückbesinnt.

Aus der Offenheit universitärer Lehrpläne im Bereich des FSUs erwächst ein großes Potenzial für die vorliegende Arbeit. Entgegen den im Zuge von auf Dissertantenseminaren realisierten Präsentationen des Forschungsprojektes geäußerten Bedenken, Curricula könnten auf einschneidende Ereignisse wie eine Wirtschaftskrise nicht unmittelbar und nur mit mehrjähriger Verzögerung reagieren, ist mit Bezug auf Bauschs Erläuterungen anzumerken, dass solche Einwände für universitäre Lehrpläne nur beschränkt gelten. Wenn davon ausgegangen wird, dass die Erstellung universitärer Lehrpläne, die Bestimmung ihrer Inhalte sowie die Entscheidung über adäquate Formen der Leistungsmessung verstärkt Verantwortlichen an verschiedenen Fakultäten (s. Jai-Mansouri, 2003, S. 48; zitiert in Bouchara, 2008, S. 478) als weniger Verantwortlichen in Ministerien obliegt, so ist anzunehmen, dass Änderungen an Inhalten universitärer Lehrpläne rascher, unmittelbarer und unproblematischer vorgenommen werden können. Diese von Hochschule zu Hochschule anders geartete Ausgestaltung bedeutet folglich, dass sich Curricula für den universitären Sprachunterricht sehr uneinheitlich zeigen (s. Vogel, 2016, S. 195). Bausch ist also zuzustimmen, wenn er davon ausgeht, dass Curriculumerstellende an Universitäten die Dozenten selbst sind.

Auch können offene universitäre Lehrpläne direkt mit regionalen und lokalen Besonderheiten versehen werden. Somit sind Hochschullehrpläne für die Zwecke der in dieser Arbeit realisierten Forschung angemessene Untersuchungsgegenstände, da sie auf externe Impulse direkt oder mit nur geringer Zeitverzögerung und vor allem regionalspezifisch reagieren können. Chan (2000, S. 81) hingegen unterstellt Curricula – wie in Abschnitt 2.2.2 betont – eine gewisse Trägheit bei der Umsetzung neuerer theoretischer Konzepte. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass Chan in diesen Ausführungen weder zwischen schulischen und hochschulischen Curricula einerseits noch zwischen Curricula und Lehrplänen andererseits unterscheidet. Dies wäre für den Kontext der vorliegenden Arbeit allerdings von Bedeutung. Eine Vorannahme kann sein, dass schulische Lehrpläne im Vergleich zu universitären Lehrplänen, deren Wesen und Dynamik bereits beschrieben wurden, träger sind. Die Ergebnisse der Hauptstudie sollen zeigen, ob universitäre Lehrpläne rasch aufnahmefähig sind und die in Zeiten der Rezession notwendige Berufsorientierung unmittelbar implementieren. Zu hinterfragen ist im Hinblick auf Chans Ausführungen des Weiteren, ob Berufsbezogenheit zu „[…] neueren theoretischen Ansätzen […]“ (ebd., S. 81) gezählt werden kann.

Schließlich ist festzuhalten, dass im Kontext FSU nach den gesamten Ausführungen in Abschnitt 2.2.2 und den bisherigen Erläuterungen in Abschnitt 2.4 aufgezeigt werden konnte, dass die im Zuge dieser Studie untersuchten Dokumente als „Lehrpläne“ bezeichnet werden können. Wo immer Bezug auf diese hochschulischen Dokumente aus Italien und Spanien, also auf das Korpus der Hauptstudie, genommen wird, wird demnach fortan von Lehrplänen die Rede sein. Beim Zitieren von Experten wird jedoch deren Terminologie beibehalten.

Beibehalten wird auch das Adjektiv „curricular“, etwa in Wendungen wie „curriculare Ausgestaltung“ oder „curriculare Veränderungen“. Da die Forschung zum Terminus Lehrplan kein eigenes Adjektiv hervorgebracht hat, wird in dieser Arbeit hierfür also „curricular“ etwa in der Bedeutung „lehrplanbezogen“ gebraucht.

Im Titel des Bandes werden bewusst die Termini „[…] DaF-Hochschulcurricula […]“ und „[…] Lehrpläne[.] […]“ verwendet. Von den „[…] südeuropäischen DaF-Hochschulcurricula […]“ wird auf die „[…] Lehrpläne[.] aus Italien und Spanien“ verengt. Dadurch soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die untersuchten Lehrpläne für den DaF-Unterricht sich in die übergeordnete Unterrichtsplanung und -konzeption ganzer südeuropäischer Studiengänge einordnen.

(3) Weitere Funktionen von Curricula

Zu den Funktionen von Curricula ist des Weiteren auszuführen, dass jedes Curriculum mindestens fünf Funktionen hat (s. Bausch, 2007, S. 112–114; Schmidt, 2010, S. 922), die auch als Bausteine bzw. feste Bestandteile eines vollständigen Curriculums gelten können. Curricula enthalten also Angaben zu:

a) Lehr- und Lernzielen; b) Inhalten und Themen des Unterrichts; c) Unterrichtsorganisation und Unterrichtsgestaltung (Methodik); d) Lehr- und Lernmaterialien; e) Evaluation und Leistungsmessung.

Curricula machen in der Regel keine Aussagen über die Kompetenzen der Lehrkräfte. Bausch bezeichnet die Funktionen a bis e auch als „[…] curriculare Kernfaktoren […]“ (2007, S. 113) und beschreibt (ebd., S. 114) jene der Zielfestlegung sowie der Leistungsmessung als „[…] verbindlich[.] […]“, jene der Bestimmung von Inhalten und Themen sowie der Unterrichtsorganisation und Unterrichtsgestaltung als „[…] anweisend[.] […]“ und „[…] normierend[.] […]“. Hieraus wird deutlich, dass unterschiedlichen Bereichen in einem einzigen Curriculum tatsächlich unterschiedlich ausgeprägte Verbindlichkeit zukommen kann (Abschnitt 2.2.2). Nicht alle dieser oben angeführten Kernfaktoren werden konsequent in den in dieser Arbeit untersuchten Lehrplänen berücksichtigt. Die Punkte d und e sind in den Lehrplänen einfach auszumachen, da sie darin explizit benannt werden. Die Punkte a, b und c werden oftmals nicht konkret benannt, so vor allem Punkt c nicht. Zudem können sich diese drei Punkte überschneiden, da etwa bestimmte Vorschläge zur Unterrichtsgestaltung auch als Lehrziele verstanden werden können.

Im Zuge der realisierten Studie kann auch festgestellt werden, ob die fünf genannten Funktionen als fundamentale Bestandteile der Unterrichtsplanung in den untersuchten Lehrplänen in genau dieser Reihenfolge a bis e auftreten. Dies scheint unwahrscheinlich und zunächst wenig Ausschlag gebend, doch ist die Anordnung der fünf curricularen Funktionen nicht als willkürlich zu betrachten. Das Auffinden von Lehr- und Lernzielen (a) sollte jeder Curriculumplanung voranstehen, da die Festlegung begründeter Ziele dem Ableiten von passgenauen Inhalten und Themen dienlich ist. Leistungsmessung (e) curricular an den Schluss zu stellen ist deswegen sinnvoll, da sie sich auf alle im Curriculum genannten Punkte beziehen sollte und da die Notenfindung in der Regel am Ende eines Kurses durchzuführen ist. Die Leistungsmessung dient dazu, Bilanz über sämtliche curriculare Komponenten zu ziehen und kann somit letztlich auch als Indikator für den Erfolg eines Curriculums angesehen werden.

Im Folgenden sei veranschaulicht, in welcher Reihenfolge Arbeitsschritte in der Curriculumentwicklung idealerweise anzulegen sind, damit ein fundiertes und schlüssiges Produkt – also Curriculum – entsteht, und welche Fragen für Curriculumerstellende bei den einzelnen Schritten relevant werden:

Abbildung 7:

 

Abfolge der Arbeitsschritte in der Curriculumentwicklung

Wenn bei der Unterrichtsplanung also chronologisch ein Baustein auf den anderen gesetzt wird, ergibt sich ein kohärentes, stimmiges Kursprogramm, in dem die Bestandteile auch in der in Abb. 7 gezeigten Reihenfolge angeführt sein sollten. Die Kursplanung etwa mit der Leistungsmessung zu beginnen ist nicht sinnvoll, da in einem solchen Fall weder Ziele noch Inhalte und Themen festgelegt sind, die bei der Prüfungserstellung maßgeblich sein können und sollen. Es sollten nicht die Endprüfungen sein, die Ziele und Inhalte bestimmen („[…] back-wash effect […]“, Macht, 1995, S. 284; bzw. „[…] backwash-Effekt […]“, Krumm, 2002, S. 17), sondern vielmehr sollen umgekehrt Endprüfungen durch vorab festgelegte, begründete Ziele und Inhalte erstellt werden. Besonders an den Anfang der Planung von berufsbezogenem DaF-Unterricht, der in hohem Maße ziel- und zweckorientiert ist, sollten begründete Lehr- und Lernziele gestellt werden.

Damit Lehrpläne einen wissenschaftlich fundierten Unterricht sicherstellen können, muss die curriculare Arbeit zum einen ein andauernd betriebener Prozess sein und zum anderen Phasen wie u. a. eine Probephase oder eine Evaluation durchlaufen (s. Bausch, 2007, S. 114). Dies sind zwei sehr wichtige Momente in der Curriculumtheorie. Aufgrund der in Curricula bedeutsamen gesellschaftlichen und didaktischen Faktoren, die sich sehr schnell wandeln können, erweist sich eine beständige Curriculumentwicklung und -revision als unumgänglich (s. Christ, 2007, S. 75). Curriculumentwicklung ist also stets dynamisch. Sie ist zu verstehen als ein sich beharrlich weiterentwickelnder Prozess. Somit ist auch das Modell in Abb. 7 nicht als geschlossener Prozess zu begreifen, sondern als immer wiederkehrender Ablauf in einem steten und fortlaufenden Prozess. Laufend Veränderungen unterworfene Bedingungen gesellschaftlicher, politischer wie auch institutioneller oder fachlicher Art führen zur Notwendigkeit der Berücksichtigung einer beständigen Neuordnung sämtlicher curricularer Elemente (s. Neuner, 2003, S. 16). Somit haben Curricula im Bildungswesen eine sehr entscheidende „[…] Innovations[…]funktion […]“, die Zimmermann (1995, S. 135) neben den grundlegenden Funktionen der Stabilisierung, Evaluation, Kontrolle und Selektion erkennt.

Schließlich schreibt Piepho (1985, S. 119), Richtlinien dienen als „[…] Grundlage von Lehrmaterialien […]“, der „[…] Vergleichbarkeit der Leistungen und Erträge im Unterricht […]“ sowie „[…] den Lehrkräften [als] Handlungshilfen für eine zeitgemäße Gestaltung ihrer täglichen Arbeit […]“. In vorliegendem Band ist insbesondere die Funktion der Vergleichbarkeit ein wichtiger Faktor, da Lehrpläne aus unterschiedlichen Zeitperioden und Regionen ein einheitliches Korpus darstellen müssen (Abschnitte 6.1 und 7.1.1).