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Fortgesetzte Annäherung: Vom Grundlagenvertrag zum Folgeabkommen 1997

Wenige Tage nach der Unterzeichnung des Abkommens, am 19. Januar 1994, ernannte der Papst den bisherigen Delegaten Montezemolo zum „Besonderen Repräsentanten des Heiligen Stuhls in Israel“; gleichzeitig berief die Jerusalemer Regierung Shmuel Hadas zum Sonderbeauftragten beim Heiligen Stuhl. Weitere bilaterale Verhandlungen folgten direkt durch die Sonderbeauftragten. Einen wichtigen Beitrag leistete dazu der Besuch von Premierminister Yitzhak Rabin am 17. März im Vatikan. Drei Monate später, am 15. Juni, kam es zur historischen Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen zwischen dem Vatikan und Israel und damit der gegenseitig vollzogenen, seit nahezu fünfzig Jahren praktizierten De-facto-Anerkennung. Die beiden Sonderbeauftragten wurden in den Rang eines Nuntius bzw. Botschafters erhoben.

Mit dem Grundlagenabkommen hat die katholische Kirche nicht nur ihr Verhältnis gegenüber Israel, sondern auch Fragen des praktischen Lebensvollzugs in Vertragsform gegossen. So groß der Erfolg des Abkommens auch war, so kann dieser nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gespräche mit der palästinensischen Seite zwar auch liefen, aber mit weit geringerer Intensität, da das Grundlagenabkommen eine vom Heiligen Stuhl beschlossene Priorität darstellte. Deshalb blicken die katholischen Gemeinden mit gemischten Gefühlen auf das Papier, denn während es sie auf israelischem Territorium ausreichend schützt und gleichsam in die Zivilgesellschaft integriert, blieb die Zukunft in den besetzten Gebieten nach wie vor offen. Längst war die Intifada abgeflaut, eben weil der Friedensprozess möglich geworden war, der mit einer gewissen Euphorie auch in den Gemeinden begleitet wurde. Patriarch Sabbah musste den schwierigen Spagat gehen, das Grundlagenabkommen für den israelischen Teil seiner Jurisdiktion ebenso umzusetzen, wie eine rechtliche Sicherung der katholischen Lage in den besetzten und bald darauf auch teilautonomen Gebieten auf der Seite der palästinensischen Regierung zu erwirken. Ein wichtiges Beispiel dafür, wie – trotz aller Friedensbegeisterung – dünn der Faden des beginnenden Miteinanders war, ist ein weiteres Papier, das die Patriarchen der Kirchen im Heiligen Land gemeinsam veröffentlichten. Am 14. November 1994 beschrieben die Vertreter von zwölf Konfessionen die künftige Bedeutung Jerusalems in einem Memorandum. Dabei wird vor einem Rückzug christlicher Präsenz ebenso gewarnt wie das Recht auf Religions- und Gewissensfreiheit sowie ein internationales Statut eingefordert.52

Während der Heilige Stuhl und Jordanien am 6. April 1994 volle diplomatische Beziehungen aufnahmen und in Amman eine Nuntiatur eingerichtet wurde, unterhielt der Vatikan mit den Palästinensern seit 1991 eine in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommene Pendeldiplomatie. Rom sah die Zeit für gekommen, nicht nur wie bisher das Existenzrecht dieses Volkes zu betonen, sondern genauso den Austausch von Gesandten zu fördern. Am 25. Oktober 1994 erklärten der Verantwortliche für die Außenbeziehungen des Vatikan, Erzbischof Jean-Louis Tauran, und der PLO-Vertreter Abdul Lateef Abu Hijleh ständige Kontakte aufzunehmen, die nach den bisherigen Beziehungen damit „permanenten und offiziellen Charakter“ erhielten.53 Beide Seiten vereinbarten, die Suche nach Frieden und Gerechtigkeit im Nahen Osten zu fördern, vor allem um das palästinensische Volk in seinem Bemühen nach Freiheit und Unabhängigkeit als unveräußerlichen Rechten zu ermutigen. Die katholische Kirche verpflichtete sich, ihre Arbeit insbesondere für die katholischen Palästinenser auf dem spirituellen, erzieherischen und sozialen Sektor voranzutreiben. Die Vereinbarung ähnelt in ihrer Grundaussage den 1992 in die Wege geleiteten Gesprächen zwischen Israel und dem Heiligen Stuhl. Rund ein Jahr später, am 6. November 1995, überreichte Afif Safieh sein Beglaubigungsschreiben als offizieller Repräsentant (aber nicht Botschafter) der PLO beim Heiligen Stuhl.

Die folgenden Jahre waren auch für den Vatikan vom gefährdeten Friedensprozess geprägt. Mit tiefer Erschütterung verurteilte Johannes Paul II. die Ermordung Rabins am 4. November 1995. Am 3. Februar 1997 erinnerte er Premierminister Benjamin Netanjahu in einer Audienz an die Einhaltung des Madrider Abkommens und forderte zwei Monate später vom neuen Botschafter Israels beim Heiligen Stuhl, Aharon Lopez, für den einzigartigen Charakter Jerusalems als Erbe der ganzen Menschheit einzutreten. Überraschend deutlich verurteilte der Papst die häufigen israelischen Luftangriffe auf die libanesischen Städte Sidon und Tyrus während seiner Libanonvisite am 10./11. Mai desselben Jahres. Mit zwei persönlichen Briefen wandte sich Johannes Paul II. außerdem am 16. Juni 1997 direkt an Netanjahu und Arafat.54 Viele Hoffnungen seien zerstört und Israelis wie Palästinenser frustriert. Deshalb sei ein neues Vertrauen notwendig, denn wenn „große Hoffnungen lange Zeit unerfüllt bleiben, dann können sie zu weiteren, unvorhersehbaren Provokationen und unkontrollierbaren Situationen der Gewalt führen“. In den Briefen wurde die Jerusalemfrage nicht gestellt, sondern lediglich der Weitblick der Verantwortungsträger gefordert. Mitte 1997 wollte der Vatikan nicht mehr als Mut machen – eine Bescheidenheit, die von den Christen im Heiligen Land besonders geschätzt wurde, denn sie sahen, dass der Friedensprozess mehr denn je gefährdet war.

Existenzsicherung: Der Folgevertrag von 1997

Das Jahr 1997 blieb in der Nahostpolitik des Heiligen Stuhls entscheidend. Einer der Höhepunkte war die Reise von Papst Johannes Paul II. vom 10. bis 11. Mai in den Libanon. In Israel gelang es der Vatikandiplomatie trotz des politischen Wechsels, in enger Abstimmung mit dem israelischen Religionsministerium am 10. November 1997 einen weiteren Vertrag abzuschließen, an dem vor allem der Lateinische Patriarch beteiligt war.55 Dabei handelt es sich um ein Ergänzungsabkommen zum Grundlagenvertrag (gemäß Art. 3 § 3), der die Rechtsgrundlage der katholischen Kirche definiert und ihr quasi den Status einer Körperschaft Öffentlichen Rechts gemäß israelischem Gesetz zuerkennt. Eine bilaterale Arbeitskommission hatte sich seit 1994 um die Ausführung des Art. 3 § 3 bemüht, die am 19. März 1996 zu einem ersten Zwischenbericht kam. Rund anderthalb Jahre später konnte das Vertragswerk „Agreement on the Legal Personality of the Church“ im israelischen Außenministerium unter Anwesenheit von Außenminister David Levy und Nuntius Montezemolo unterzeichnet werden. Mit diesem 13 Artikel umfassenden Vertragswerk hat der Vatikan sein Bestreben hervorgehoben, politisch aktiv die Rechte der Kirche auf weitgehend israelischem Gebiet zu verteidigen. Die Kirche wird im Vertrag als juristische Person mit voller Geschäftsfähigkeit vom Staat anerkannt, ihre eigenen Angelegenheiten sind aber nach dem Kirchenrecht zu regeln (Art. 6, § 2 und 3), so z. B. die Errichtung neuer Diözesen. Der Kirche kommt damit ein besonderer, durch den Staat garantierter Schutz zu, eine juristische Person muss sich dann aber auch der juristischen Administration des Staates stellen (Art. 6 § 4).

Auffallend ist, für wen der Vertrag ungeachtet der hierarchischen Eigenständigkeiten gilt. Art. 3 § 1 nennt die Katholischen Patriarchate des Ostens und das Lateinische Patriarchat von Jerusalem zuzüglich der weiteren juristischen Territorialeinheiten (Diözesen etc.), die Kustodie vom Heiligen Land sowie die Ordensgemeinschaften (Art. 4 und 5). Der Vertrag bezieht sich also auch auf die Diözese Jerusalem und damit den Osten der Stadt, der Staat Israel akzeptiert hier die kirchliche Eigenständigkeit. Mit dem Vertrag ist der Heilige Stuhl deshalb den von nichtkatholischen Kirchen und palästinensischen Politikern kritisierten Spagat eingegangen, kirchenrechtlich die Diözese Jerusalem zu stärken, gleichzeitig aber dem Staat Israel Raum für die Interpretation zu geben, Rom erkenne Ostjerusalem als Gebiet an, in dem israelisches Recht gelte, wie der israelische Vatikanbotschafter Aharon Lopez bemerkte. In den internen Verhandlungen des Vatikans zusammen mit dem Patriarchat von Jerusalem ist der Aspekt der Patriarchatsstärkung wiederholt hervorgehoben worden. Gleichzeitig hat der Heilige Stuhl betont, dass mit diesem Vertrag in keiner Weise die Annexion Ostjerusalems anerkannt werde. Hätte man den Vertrag nur auf Westjerusalem bezogen, wäre die Diözese einer kirchenjurisdiktionellen Spaltung bei der Vertragsinterpretation unterworfen gewesen. Außerdem ist im Vertrag nicht zu lesen, dass der Heilige Stuhl die von Israel besetzten Gebiete anerkennt, da es sich um einen Vertrag handelt, der die israelische Rechtsprechung und nicht das Besatzungsrecht meint; ebenso wenig ist die völkerrechtliche Stellung der palästinensisch verwalteten Gebiete angesprochen. Um Schwierigkeiten zunächst vorzubeugen, regelt Art. 3 § 4, dass die Anerkennung einer neuen, grenzüberschreitenden Diözese durch israelisches Recht offen gelassen wird. Der Heilige Stuhl muss diesen Aspekt bei der Schaffung eines ähnlichen Vertrags mit den Palästinensern berücksichtigen. Mit Art. 8 anerkennen beide Seiten, dass es bereits vor dem Vertrag die Existenz legaler Kirchen und eines Staates gab. Ein Annex nennt über 100 katholische Institutionen, die als juristische Personen im Sinne dieses Folgevertrags anerkannt werden. Bemerkenswert ist dabei, dass einige der Einrichtungen im Ostteil Jerusalems liegen und scharfen Protest der Palästinenser hervorriefen.

Der zweite wichtige Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der israelischen Regierung wurde von den einen als „Meilenstein“ gewürdigt, von anderen kritisiert, weil er nichtkatholische Kirchen ausschließt. Israelische Politiker und Verhandlungsteilnehmer sind aber der Überzeugung, dass ein solcher Vertrag Modellcharakter für andere Kirchen haben könne. Dennoch wurde das Abkommen bisher nicht von der israelischen Legislative ratifiziert. Der Heilige Stuhl unternahm wiederholt den Anlauf, weitere offizielle Gespräche zur Ausgestaltung der Verträge zu führen. Dabei geht es um drei weitere Unterabkommen, die Eigentumsfragen, den wirtschaftlichen und steuerrechtlichen Bereich betreffen (gemäß einer Forderung aus Art. 10 § 2a des Grundlagenvertrags). Die Verhandlungen 1999 führten zu keinem Ergebnis. Rom bat Israel dann erneut ab 2005, über die Verträge zu sprechen. Zwar hat es bis 2014 immer wieder Folgetreffen gegeben, aber so gut wie ohne ein nennenswertes Ergebnis. Der frühere Nuntius in Israel, Erzbischof Pietro Sambi, übte in einem Interview am 16. November 2007 scharfe Kritik an Israel, das sich nicht an die Abkommen gehalten habe. Nach der Sitzung der gemeinsamen Arbeitsgruppe am 13. Dezember 2007 stellte das vatikanische Delegationsmitglied Erzbischof Antonio Maria Veglio fest, dass das Statement der Verhandlungspartner alles sage, „was man sagen kann, nämlich nichts. Das Nichts, das es ausdrückt, ist die Realität. Das gemeinsame Dokument sagt: Solange noch nicht alles beschlossen worden ist, ist noch nichts beschlossen.“56 Der Ausgang weiterer Gespräche ist nach wie vor offen. Selbst die Reise von Papst Benedikt XVI. brachte keine Lösung, und auch der Besuch von Papst Franziskus konnte bisher keine Ratifizierung durch das israelische Parlament ermöglichen.

Politischer Wille: Das Jahr 1998 und die Jerusalemfrage

Nach der Einleitung offizieller Arbeitsbeziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und den Palästinensern 1994 bemühten sich beide Seiten, einen Rechtsvertrag abzuschließen. Dazu diene eine Kommission, die bereits vor vier Jahren vereinbart worden sei, hieß es am 15. Januar 1998 aus dem Vatikan. Da es auch hier konkret um den rechtlichen Status der kirchlichen Einrichtungen auf palästinensischem Gebiet gehe, seien keine Ausführungen zu politischen Fragen geplant; deshalb – so der Vatikan – könne es nicht um Verhandlungen über den Status Jerusalems gehen.

Der Heilige Stuhl nutzte 1998 zwei Gelegenheiten, um die Auffassung zur Situation in Nahost und Jerusalem zu unterstreichen. Aus Anlass des 50. Jahrestags der Errichtung der Apostolischen Delegatur in Jerusalem und Palästina schrieb Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano am 19. Februar einen Brief an den Delegaten. Die Ereignisse der vergangenen Jahrzehnte hätten „einen großen Teil der Katholiken, gemeinsam mit ihren Mitbürgern, zu Opfern des Krieges, zu Opfern von ethnischen Wanderungen und häufig außerordentlich gefährlichen Umständen, obdachlos, ohne eigenes Land und zu Flüchtlingen“ gemacht. Jerusalem sei die Stadt, die von zwei Völkern als Hauptstadt beansprucht werde, sie „ist leider immer noch Anlass andauernder Rivalität, wenn nicht von Gewalt, und Gegenstand ausschließlicher Beanspruchung“, was der Berufung Jerusalems als Stadt des Friedens entgegenstehe.57

Während Montezemolo im Frühjahr zum neuen Nuntius in Italien bestellt wurde und der Heilige Stuhl am 6. Juni Pietro Sambi als Botschafter nach Israel schickte, konzentrierte er sich erneut auf die Jerusalemfrage. Für den 26./27. Oktober 1998 hatte Patriarch Sabbah Präsidenten und Delegierte verschiedener Bischofskonferenzen nach Jerusalem geladen, um über die Zukunft der Stadt zu sprechen. Hinter verschlossenen Türen sorgte besonders die Intervention des Heiligen Stuhls für klare Worte.58 Erzbischof Tauran kritisierte dabei unmissverständlich die Politik Israels und bezeichnete die Stellung Jerusalems als einzigartig, dementsprechend seien auch ihre Konflikte von einzigartiger Natur. Weil es sich aber um ein politisch komplexes Problem handle, sei „die übliche Differenzierung zwischen der Frage der heiligen Stätten und der Jerusalemfrage für den Heiligen Stuhl nicht annehmbar“, da die religiöse und die politisch-territoriale Frage zusammengehören. Tauran bezeichnete Ostjerusalem als illegal annektiert, die politische Dimension der Heiligen Stadt sei dem Vatikan in seiner Sorge stets gegenwärtig, vor allem, um „in erster Linie zu vermeiden, dass die Heilige Stadt zum Schlachtfeld wird, und zweitens, um zu gewährleisten, das sie nicht – wie in der heutigen Situation – ein klarer Fall internationaler Ungerechtigkeit wird. Die derzeitige Lage ist gewaltsam entstanden und wird mit Gewalt aufrechterhalten.“ Deutlicher als jede politische Äußerung Roms gegenüber dem Heiligen Land zuvor, betonte Tauran, dass niemand behaupten könne, der Heilige Stuhl interessiere sich lediglich für den religiösen Aspekt der Stadt und ignoriere das politische Problem. Jede exklusive Forderung – sei sie religiös oder politisch motiviert – steht „im Gegensatz zur eigentlichen Logik der Stadt. […] Ausschließlichkeitsansprüche können nicht von zahlenmäßig oder historisch begründeten Kriterien unterstützt werden.“ Mit dieser Aussage wurde Israel erneut in seine territorial-politischen Grenzen verwiesen. Jerusalem könne das Symbol und nationale Zentrum der beiden Völker werden, die es als ihre Hauptstadt ansehen. Die alte Forderung des Heiligen Stuhls nach friedlicher Koexistenz wird damit deutlich, gleichzeitig ist die Idee einer doppelten Hauptstadt der exakt entgegengesetzte Kurs zur Auffassung Israels. Auch künftig fordere der Heilige Stuhl „den Schutz Jerusalems durch ein besonderes international gewährleistetes Statut“ und den Anspruch aller drei Religionsgemeinschaften auf die gleichen Rechte und den freien Zugang zu den heiligen Stätten. Anders als diplomatische Kreise zu Beginn der Neunzigerjahre vertrat Tauran die Auffassung, dass es mit der einfachen Deklaration der heiligen Stätten als „exterritoriale Gebiete“ nicht getan sei: „Die Identität der Stadt ist von einem heiligen Charakter gekennzeichnet, der nicht nur mit den einzelnen Stätten oder Denkmälern verbunden ist, so als ob sie voneinander oder von der jeweiligen Gemeinde getrennt werden könnten. Der heilige Charakter prägt Jerusalem als Ganzes …“ Mit dieser Rede Taurans zeigt sich erneut die von Rom wahrgenommene politische Dimension in Nahost, die nicht ausschließlich auf eine Religion bezogen wird. Kaum zuvor ist von islamischer oder jüdischer Seite die Bedeutung Jerusalems so umfassend zu definieren versucht worden, wie es Tauran gewagt hat.

Gefahr und Hoffnung für den Frieden: Nazaret und die Pastoralsynode

Während die Jerusalemfrage nach wie vor der Dreh- und Angelpunkt für einen künftigen Frieden in Nahost ist, drohte Ende der Neunzigerjahre eine weitere Auseinandersetzung die Verständigung zwischen den Religionen zu gefährden. 1998 begann der latente Streit in Nazaret: Eine provisorische Moschee wurde dort bereits gegen den Protest der Christen errichtet, in einem weiteren Fall ein Grundstein gelegt, aber bis heute noch kein Bau vollendet. Die so genannte „Nazaret-Krise“ hat das friedliche Miteinander zwischen der christlichen (35 Prozent) und muslimischen Bevölkerung stark in Mitleidenschaft gezogen. In den schwelenden Streit hatte im Herbst 1999 die israelische Regierung eingegriffen und einen Kompromissvorschlag vorgelegt, der die Grundsteinlegung am 22. November rechtlich absicherte. In dem vom Parlament verabschiedeten Plan dürfen die Muslime auf einem rund 2000 Quadratmeter großen Platz eine auf maximal 700 Quadratmeter begrenzte Fläche für den Bau der Moschee nutzen. Mit diesem Kompromiss war die christliche Seite nicht einverstanden. Da die Verkündigungsbasilika der römisch-katholischen Kirche gehört und unter der Verwaltung des Franziskanerordens steht, setzte sich sehr bald der seit 1994 amtierende Patriarchalvikar und Weihbischof des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem, Giacinto Boulos Marcuzzo, für die Sache ein. Dabei betonte er versöhnlich, dass man nicht gegen den Bau von Moscheen sei: „Es ist sehr eigenartig. Nazaret war seit Jahrhunderten eine Stadt von Frieden und Koexistenz zwischen allen Gemeinschaften. Als ich vor einigen Jahren hierher als Bischof kam, war ich fast erstaunt über die guten und engen Beziehungen zwischen Christen und Muslimen. Was jetzt geschieht, gehört nicht zum Erbe der Stadt.“ Als Motor der Eskalation sieht Marcuzzo allerdings nicht islamische Fundamentalisten, wie vornehmlich in der westlichen Presse festgehalten wurde, sondern politische Interessen, zumal Christen und Muslime in der Vergangenheit Kirchen und Moscheen gemeinsam gebaut hätten. Nach seiner Auffassung haben „Politiker im Wahlkampf um die Stadtregierung von Nazaret die islamische Bevölkerung angefeuert, auf dem Platz eine Moschee zu bauen. So ist der Fanatismus eskaliert. Das ist die eine Seite. Andererseits ist es ein Skandal, dass Behörden und Polizei nichts dagegen unternommen haben.“59 Die Spannungen begannen bereits 1996, traten aber erst drei Jahre später offen zu Tage. Die katholische Kirche versuchte der Situation zu begegnen und verfasste Ende Oktober 1999 (in der zentralen Phase der Planungen für die Heilig-Land-Reise von Papst Johannes Paul II.) ein bisher nicht veröffentlichtes internes Dokument unter dem Titel „Background information – the crisis in Nazareth“. Darin werden die Haltung islamischer Kräfte gegenüber der Kirche sowie das Taktieren der israelischen Regierung analysiert. Deutlich wird festgehalten, dass es vonseiten der palästinensischen Autonomieregierung keine Ermutigung radikaler islamischer Kreise für die Situation in Nazaret gebe. Tatsächlich hatte Yassir Arafat mehrfach in diesem kritischen Stadium seine Glaubensgenossen zum Einhalt ermahnt. Als Folge des Konflikts konstatiert das Dokument einen künftig neu und stetig anwachsenden Christenexodus. Aus Protest gegen diese Lage reagierten alle christlichen Kirchen im Heiligen Land mit der Schließung heiliger Stätten am 22. und 23. November 1999. Patriarch Sabbah ging sogar so weit, den anvisierten Papstbesuch infrage zu stellen.60 In Rom beobachtete man die Lage mit Sorge; mehrfach verurteilte Johannes Paul II. die zeitweilig gewaltsame Eskalation ebenso wie Mängel in der israelischen Rechtsprechung, die den Grundstückbesitz betrafen. Erst eine höchstrichterliche Verfügung sorgte im Frühjahr 2003 für eine Räumung des von Muslimen besetzten Geländes.

Aufgrund der zahlreichen Schwierigkeiten und des schleppenden Friedensprozesses, vor allem aber zur eigenen Ermutigung, setzte sich die katholische Kirche der Region das Ziel einer inneren Erneuerung: Die Führer der lateinischen Kirche und der mit Rom unierten Ostkirchen riefen zu einer Pastoralsynode auf, die an Pfingsten 1996 begann und in verschiedenen Arbeitsphasen vier Jahre lang dauerte. An ihr nahmen die Vertreter von sechs verschiedenen Riten teil (Lateiner, Melkiten, Maroniten, syrische Katholiken, armenische Katholiken, Chaldäer) sowie zeitweise auch orthodoxe Beobachter. Der Abschluss dieser Synode kann mit der Sitzungsperiode vom 8. bis 13. Februar 2000 zu Recht als Höhepunkt des innerkirchlichen Lebens bezeichnet werden. Das Schlussdokument sollte der Papst während der Heilig-Land-Reise an ausgewählten Stationen kirchlichen Repräsentanten offiziell übergeben. Grundlage des Synodenprozesses war ein bereits 1992 vorgelegter Pastoralplan. Die Synode beschäftigte sich zunächst mit innerkirchlichen Fragen, die die katholische Erziehung, Erwachsenenbildung und Sakramentenlehre behandelten. Ein zweiter Teil befasste sich mit der „Mitverantwortung in der Kirche“. Hier kamen Fragen nach der Ordenspräsenz in den Diözesen, deren pastoraler Alltag und vor allem die vielfältigen Hilfseinrichtungen zur Sprache. Ausführlich diskutierten einzelne Synodenperioden das Miteinander der verschiedenen katholischen Gemeinschaften und die ökumenische Bewegung. Nach dem zunächst innerkirchlichen Prozess und dem sich dann auf die anderen Konfessionen ausdehnenden Reflexionsgegenstand galt es als Notwendigkeit, den Blick für die Gesellschaft zu schärfen. So ging es um eine offene und dem Dialog verpflichtete Verhältnisbestimmung zu den anderen monotheistischen Religionen, der christlichen Präsenz im öffentlichen Leben und im Bereich des menschlichen Leidens sowie um eine Diskussion der Rolle von sozialen Kommunikationsmitteln in der Sendung der Kirche. Die Vielfalt der Themen erklärt, warum die Synode so lange gedauert hat. Umso wichtiger war es, die Ergebnisse in einem Schlussdokument zusammenzufassen, das die pastorale Wirklichkeit und Herausforderung der Kirchen von Nahost widerspiegelt. Die Synode war daher mit den einzelnen Diskussionsbeiträgen eine bedeutende Voraussetzung für die vatikanischen Reiseplaner, um die Visite von Johannes Paul II. auf der Folie der konkreten Situation der Menschen vor Ort zu realisieren, was sich dann später in den Reden des Papstes niederschlagen sollte.

Angemerkt sei hier für den Kontext der israelischen Politik die wichtige Wende mit dem Wahlsieg von Premierminister Ehud Barak am 17. Mai 1999, der auch im Vatikan mit Erleichterung aufgenommen wurde.