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Existenz Israels: Zwischen Staatsgründung, Flüchtlingen und der Jerusalemfrage

Die Gründung der Pontifical Mission war Auslöser für zahlreiche, wenn auch teilweise erst wesentlich später, vor allem nach 1967 und dem Ausbruch der Intifada von 1988, gegründeten Einrichtungen, in denen sich insbesondere die katholische Kirche und andere Konfessionen für die Gesamtbevölkerung engagierten. Kompliziert bleibt die Bewertung des Flüchtlingsdramas in der frühen Zeit des Staates Israel. In Israel konzentrierte man sich darauf, der Welt zu zeigen, wie gut sich die Lage für die christliche Minderheit entwickelte, die arabische Seite neigte zur Dramatisierung. Tatsächlich – und das wirkt sich bis heute aus – sind weit weniger Christen damals geflüchtet, weil ihre wirtschaftliche Situation insgesamt besser war als die vieler muslimischer Mitbewohner: „Die christlichen Gemeinden Palästinas litten unter den Kriegsfolgen, insbesondere aufgrund der massiven Flucht und Vertreibung. Auf israelischem Gebiet war durch das unterschiedliche Fluchtverhalten christlicher und muslimischer Palästinenser der Anteil der Christen an der arabischen Bevölkerung zwar gestiegen; in einzelnen Gemeinden gab es jedoch große Mitgliederverluste. Fünf Pfarreien des Lateinischen Patriarchats in Israel mussten aufgegeben werden, weil der Großteil der Gemeindemitglieder geflohen war.“22 Besonders schwierig war die Situation in Jerusalem, denn oft hatten die Christen, die im arabischen Teil der Stadt lebten, ihren Arbeitsplatz auf israelischem Gebiet verloren: „Christliche Institutionen und Klöster in Ostjerusalem waren von ihrem Grundeigentum im Westteil und damit von ihren Einkommensquellen abgeschnitten. Da die Emigrationsrate der Christen in Jerusalem besonders hoch war, verlor die Stadt ihre Stellung als Zentrum des christlichen Lebens in der Region.“23

Sieben Jahre nach den drei Enzykliken, die die Sorge des Papstes für das Heilige Land beschrieben, veröffentlichte Pius XII. am 1. November 1956 ein weiteres Rundschreiben unter dem Titel Laetemur admodum, in dem er mit Blick auf die Unruhen in Ungarn und Polen sowie die Suezkrise auch zum Friedensgebet im Nahen Osten aufrief und erneut den Schutz der heiligen Stätten und eine Lösung der Flüchtlingsfrage einforderte.24 In allen Dokumenten und der konkreten Arbeit vor Ort wiederholte der Vatikan auf diplomatischer Ebene die Auffassung trotz internationalen Drängens, dass zuerst rechtliche, eigentumsspezifische und juristische Fragen geklärt sein müssten, bevor Israel vom Heiligen Stuhl anerkannt werden könne.

Erwähnt werden soll hier auch das Interesse des Heiligen Stuhls und damit der katholischen Kirche an der Frage nach dem Status von Jerusalem. Während der Heilige Stuhl zunächst die in der Resolution 181 vom 29. November 1947 dargelegte Idee begrüßte, nach der Jerusalem als „corpus separatum“ und eine Internationalisierung unter der Verwaltung der Vereinten Nationen vorgesehen war, die den Schutz der heiligen Stätten garantierte, vollzog sich ein allmählicher Paradigmenwechsel in dieser Frage.25 Spätestens als Paul VI. nach der israelischen Eroberung Ostjerusalems im Sechstagekrieg am 7. Juni 1967 forderte, die Heilige Stadt möge eine „offene Stadt“ sein, und zwar nicht nur für Christen, sondern auch für Juden und Muslime, war das ein neuer Akzent. Dieser wurde ergänzt mit der vatikanischen Erwartung, dass Jerusalem ein Begegnungsort der Religionen werden müsse. Das sei zu realisieren mit einer internationalen Regierung in Jerusalem, die eine eigene autonome Verwaltung aufbaue.26 Diese Neupositionierung in der Jerusalemfrage, die – als Äußerung der katholischen Kirche – auch immer gleich für die Kirche im Land bestimmend war, sorgte für innerkirchliche Diskussionen. Ausdrücklich unterstrich Paul VI. noch am gleichen Tag, dass Jerusalem zur offenen Stadt zu erklären sei, und zwar nicht nur für die Christen, sondern auch für Juden und Muslime. Die vatikanische Position wurde ergänzt durch ein Schreiben des Papstes vom 8. Juni an die im Krieg beteiligten Staaten, demzufolge ein Waffenstillstand für das Wohlergehen der Region von außerordentlicher Priorität sei. Am 10. Juni schrieb der L’Osservatore Romano in einem nicht gezeichneten Kommentar, dass eine territoriale Internationalisierung der Stadt jetzt erst recht anstehe, um Jerusalem zu einem Begegnungsort zu machen: „Wenn auch niemand die Kraft der spirituellen und geschichtlichen Bande bestreitet, die Jerusalem mit dem Judentum und dem Islam verbinden, so kann man doch andererseits nicht vergessen, dass die christliche Welt auf Zion wie auf eine einzigartige, große heilige Stätte blickt.“27 Gemeint war, dass die Stadt mit ihrer Umgebung eine internationale Regierung brauche, also nicht nur eine Aufsicht und Kontrolle, sondern als separates Stadtgebiet eine eigene autonome Verwaltung. Die durch den Sechstagekrieg notwendig gewordene Präzisierung zeigt, dass der Heilige Stuhl noch immer – mehr stillschweigend – wie in der Resolution 181 vom „corpus separatum“ ausging, dieses aber nicht mehr ausdrücklich forderte, sondern verstärkt den spirituellen Charakter der Stadt für alle drei monotheistischen Religionen hervorhob: „Die Stadt Gottes muss nach ihren eigenen, von allen Nationen anerkannten Gesetzen regiert werden.“28 Die UN-Resolution 2253 vom 4. Juli 1967 erklärte in der Folge alle israelischen Maßnahmen, die Jerusalem betrafen, für ungültig. Tatsächlich gab der Heilige Stuhl die Forderung nach einem „corpus separatum“ in Form einer territorialen Internationalisierung mehr und mehr auf. Er konzentrierte sich auf einen Einsatz für die heiligen Stätten (auch über Jerusalem hinaus), die durch jene Garantien geschützt werden müssten, die das internationale Recht biete. In der Weihnachtsansprache für die Kurie am 22. Dezember 1967 präzisierte der Papst: „Notwendig ist die Wahrung der Kultfreiheit, der Respekt vor den heiligen Stätten [aller drei Religionen, Anm. d. Vf.], ihr Erhalt und der Zugang zu ihnen. Sie sollten durch spezielle Immunitäten aufgrund eines eigenen Statuts geschützt werden. Dessen Beachtung sollte eine Institution mit internationalem Charakter garantieren, unter besonderer Berücksichtigung der historischen und religiösen Physiognomie Jerusalems.“29 Es ging also nicht nur um die heiligen Stätten der Christen, sondern mehr noch um die Kultfreiheit. Außerdem forderte der Papst – ebenfalls ein Novum – „die freie Ausübung der religiösen und zivilen Rechte“ der Bevölkerung unabhängig von der Religion. Nach dieser faktischen Überwindung der Idee des „corpus separatum“ warnte Paul VI. in der Folge verstärkt vor einem christlichen Exodus aus der Region. Während der Weihnachtsansprache vom 23. Dezember 1971 bestätigte er die veränderte Haltung des Heiligen Stuhls. Man wolle nichts mehr zum bisher Dargelegten hinzufügen: „Es bedarf eines international garantierten Sonderstatuts, das dem pluralen Charakter und allen Besonderheiten der Heiligen Stadt gerecht wird und die Rechte der verschiedenen Einwohner der Stadt berücksichtigt, die in ihr wohnen und sie als ihr spirituelles Zentrum ansehen.“30

Erster Aufbruch: Paul VI. im Heiligen Land und der Sechstagekrieg

Während die katholische Ortskirche im Heiligen Land den Aufbau der Gemeinden selbstbewusst voranbrachte, fiel der Blick auch häufig nach Rom, um zu schauen, wie auf diplomatischer Ebene eine Verbesserung für die Situation der Christen insgesamt versucht wurde. Dabei ist bemerkenswert, dass bereits am 27. März 1952 der israelische Außenminister Mosche Scharet von Pius XII. als Privatperson empfangen wurde. Einige Jahre zuvor hatte der Papst Scharet noch in der Eigenschaft als Vertreter der „Jewish Agency“ getroffen. Immerhin war eine solche Begegnung, wenn auch ohne größere politische Konsequenz, möglich. Dennoch entwickelten sich die Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Staat Israel langsam, vor allem musste Rom gleichzeitig die Palästinenserfrage berücksichtigen. Das führte in den Sechzigerjahren zu mehreren friedenspolitischen Interventionen des Heiligen Stuhls. Die Annäherung zeigte sich beispielsweise, als israelische Delegationen offiziell an den Begräbnisfeierlichkeiten für Pius XII. und Johannes XXIII. sowie an Eröffnung und Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils teilnahmen.

Das Verhältnis der katholischen Kirche zum Judentum und damit später auch zum israelischen Staat konnte den entscheidenden Schritt nach vorne nur aufgrund des Konzils machen. Dies ist dem visionären Blick Papst Johannes’ XXIII. zu verdanken, der schon früh plante, das Konzil auch über die nichtchristlichen Religionen und vor allem das Judentum diskutieren zu lassen. Hier kann nicht der lange Weg zum Entstehen des Konzilsdokumentes Nostra aetate nachgezeichnet werden, das von der Hochachtung gegenüber den Muslimen spricht und in besonderer Weise eine völlig neue und aufgeschlossene Verhältnisbestimmung gegenüber dem Judentum vollzieht.31 Dieser Schritt war nicht nur ein Paradigmenwechsel, sondern eine umfassende neue Definition und Grundlage für jedes weitere interreligiöse Gespräch. Nostra aetate hat gerade in der israelischen Regierung einen Kurs des fortlaufenden Kontaktes und der guten gegenseitigen Beziehungen ergeben, wohingegen die einheimische palästinensische Bevölkerung, insbesondere auch Katholiken, gegen das Konzilsdokument protestierten, weil sie angeblich die palästinensische Frage aus der Wahrnehmung des Papstes verloren gehen sahen. Die positive Öffnung des Konzils zu den Weltreligionen sorgte auf der anderen Seite dafür, dass innerhalb weniger Monate 1966 mehrere islamisch dominierte Staaten volle diplomatische Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl aufnahmen, unter anderem Ägypten, Syrien, Iran und Irak.

Papst Johannes XXIII. konnte die Vollendung seiner Annäherung an das Judentum nicht mehr erleben. Papst Paul VI. griff die Idee jedoch gleich nach Pontifikatsbeginn auf. Überraschend kündigte er zum Ende der zweiten Session des Konzils an, eine Reise ins Heilige Land unternehmen zu wollen. In nur wenigen Wochen musste das heikle Unterfangen für den Besuch in Jordanien und Israel vorbereitet werden. Wichtig ist dabei zu bedenken, dass Reiseankündigung und -durchführung noch weit vor der Verabschiedung des Konzilsdokumentes Nostra aetate lagen. Deshalb betonte Paul VI., dass er als Pilger ins Heilige Land fahre, um auf den Spuren Jesu für den Frieden zu werben und die Ortsgemeinden zu stärken. Während der Reise vom 4. bis 6. Januar 1964 gab es deshalb auch keine politische Annäherung, um den Staat Jordanien oder Israel anzuerkennen. Paul VI. spürte aber während des Aufenthaltes und der zahlreichen Begegnungen, dass es die Notwendigkeit gab, die Verhältnisbestimmung zum Judentum und zum Islam durch das Konzil zu definieren. So wird man zu Recht sagen können, dass die Heilig-Land-Reise des Papstes sich positiv auf das Zustandekommen von Nostra aetate ausgewirkt hat.

Nach Pilgerreise und Konzil entwickelte sich die vatikanische Nahostdiplomatie gegenüber Israel aufgeschlossener, gleichzeitig bemühte sich der Heilige Stuhl um einen intensiven Austausch mit islamischen Staaten. Die katholischen Konfessionen sind durch den Papstbesuch zu einer öffentlich wahrnehmbaren Größe im Heiligen Land geworden. War schon zuvor die umfangreiche karitative Arbeit ein im gesellschaftlichen Kontext geschätztes Element gewesen, hat die Präsenz des Papstes der Kirche zu einer dauerhaften weltweiten Beachtung in Israel und Jordanien verholfen. Vor allem war es die Pontifical Mission, die ihre Tätigkeit wesentlich ausdehnen konnte und so – neben den Vereinten Nationen – zur sichersten Größe im Kampf gegen das Flüchtlingselend wurde. Dieser Auftrag verschärfte sich nach dem Sechstagekrieg erheblich. Was für den Heiligen Stuhl seit der Staatsgründung die regelmäßige Anmahnung des Existenz- bzw. Bleiberechtes für das israelische Volk und palästinensische Flüchtlinge war, entwickelte sich zu deutlichen politischen Optionen seit 1967.

Unter Druck: Zwischen Sechstagekrieg und Camp David I

Der Sechstagekrieg (5. bis 10. Juni 1967) mit seinen Flüchtlingsströmen und neuen territorialen Grenzziehungen stellte die Kirche im Heiligen Land vor große Herausforderungen. Wie bereits im Krieg 1948/49 flüchteten auch zahlreiche Christen, wenngleich statistisches Material nur schwierig zu erhalten ist. Erneut war die Hilfe des Vatikans für die Christen und darüber hinaus für alle Menschen vor Ort gefordert. Während die strategische Koordination und Umsetzung der Pontifical Mission aufgrund personeller Veränderungen verspätet anlief, wandte sich Paul VI. zunächst an Caritas Internationalis. Bereits nach wenigen Tagen wurde vor Ort in Jerusalem die Gründung eines lokalen Caritas-Komitees besprochen, das fortan von Caritas Internationalis in Rom gesteuert und unterstützt wurde. In der Folge ging es vor allem um eine zielgerichtete Koordinierung der humanitären Hilfe zusammen mit der Pontifical Mission.32

Die Kriegsschäden machten auch vor den katholischen Einrichtungen nicht Halt, vor allem waren Ordenshäuser, Schulen und einige Kirchen in die Schusslinie geraten. Am härtesten hatte es die Dormitio-Abtei auf dem Zion getroffen. Politisch positionierte sich der Heilige Stuhl in der Situation des Sechstagekriegs vor allem in der Jerusalemfrage, wie bereits weiter oben dargestellt. Tatsächlich sah sich die katholische Kirche in Israel und den besetzten Gebieten in die Pflicht genommen, das Menschenrecht auf Heimat einzuklagen. Dabei war die Gratwanderung zu bewältigen, die vorsichtigen Annäherungen an den israelischen Staat ebenso aufrechtzuerhalten wie für die palästinensische Frage einzustehen. Vor allem ging es dem Heiligen Stuhl – abgestimmt in diplomatischen Noten mit der katholischen Kirche vor Ort – um eine Garantie des Rechts der freien Religionsausübung, um die in Bedrängnis geratenen Christen zu schützen. Der Heilige Stuhl blieb in der angespannten Situation also nicht neutral, sondern suchte Gelegenheiten, an den Teilungsplan der UNO und die damit verbundene Internationalisierung Jerusalems zu erinnern, stellte aber gleichzeitig universale Forderungen auf, die weit mehr als die 1947 politisch formulierten Erwartungen umfassten. Umso überraschender war für viele Beobachter die Reise des israelischen Außenministers Abba Eban 1969 in den Vatikan, der offiziell von Papst Paul VI. in Privataudienz empfangen wurde. Offensichtlich war es feinfühliger Diplomatie gelungen, diese Begegnung zu arrangieren, um politische Gespräche hinter den Kulissen zu führen. Gleichzeitig sah der Papst die Notwendigkeit, durch öffentliche Appelle und scharfe Verurteilungen auf die wachsende Gewalt palästinensischer Terroristen zu reagieren.33 Für Paul VI. und die katholische Kirche im Heiligen Land war klar, dass trotz aller berechtigten Forderungen für die territoriale Integrität der Palästinenser Terror nicht als Mittel zum Zweck gerechtfertigt werden konnte und gleichzeitig der Schutz aller heiligen Stätten – nicht nur der Christen – garantiert sein musste. Vor allem forderte der Papst auf internationaler Ebene unermüdlich für die Christen im Heiligen Land eine dauerhafte Lösung des Flüchtlingsproblems. Die Pontifical Mission bemühte sich parallel, die christliche Minderheit zum Verbleib in der Region zu ermutigen, und stellte entsprechende Ausbildungsprojekte und Arbeitsmaßnahmen zur Verfügung. Dabei dehnte sie ihre Tätigkeit wesentlich auch zugunsten von Nichtchristen aus, was ihre ohnehin schon große Akzeptanz förderte. Dennoch ließ sich die schleichende Abwanderung nicht stoppen, was zur Folge hatte, dass 1971 aufgrund eines Impulses der Ortsbischöfe ein lokales Justitia-et-Pax-Sekretariat eingerichtet wurde, das durch religiöse und kulturelle Angebote den Gemeinschaftssinn der Christen untereinander stärken und gleichzeitig mit einer gezielten Kommunikation die weltweite Öffentlichkeit über die Lage im Nahen Osten sensibilisieren sollte. Die innerkirchlichen palästinensischen und damit lokalkirchlichen Gesprächskreise wurden zu einem wichtigen Element in der christlichen Selbstbestimmung vor Ort. In Verbindung mit theologischen Debatten dürfen in ihnen die Keimzellen für eine sich allmählich entwickelnde palästinensische Theologie gesehen werden.

Im historischen Kontext muss an eine für den Heiligen Stuhl und vor allem die katholische Ortskirche brisanten Vorfall erinnert werden, der zwischenzeitlich die Beziehungen zum israelischen Staat gefährlich belastete. 1970 verkauften die Assumptionisten das bereits 1885 gebaute Pilgerhospiz „Notre Dame de France“ an eine Tochtergesellschaft des Jüdischen Nationalfonds ohne – wie im Kirchenrecht festgeschrieben – den Heiligen Stuhl zu informieren, geschweige denn um Erlaubnis zu fragen. Auf diplomatisch heiklem Terrain und mit einer klaren Anweisung aus Rom ausgestattet, unternahm der Apostolische Delegat, Bischof Pio Laghi, den gewagten Rückkauf im Frühjahr 1972. In der Folge verwirklichte Laghi seine Idee, hier ein internationales Pilger- und Kulturzentrum zu errichten, das fortan den Namen „Notre Dame of Jerusalem Center“ trug und unter Papst Johannes Paul II. am 13. Dezember 1978 eine kanonische Errichtung wurde, deren Statuten am 2. Februar 1981 approbiert wurden.

Trotz mehrfacher scharfer Kritik des Papstes an den politischen und völkerrechtlichen, vor allem aber humanitären Zuständen in Nahost kam es nach der Episode um „Notre Dame“ zu einer immerhin kurzfristigen Annäherung, als Premierministerin Golda Meir am 15. Januar 1973 Paul VI. aufsuchte. Geschickt bettete die israelische Diplomatie die Romvisite zwischen die Stationen England und Elfenbeinküste, um sie nicht „zum Gang nach Canossa“ werden zu lassen, wie Meir ihren engsten Beratern anvertraute. Details der Gespräche sind zwar nicht veröffentlicht worden, der Vatikan erklärte aber, dass der Papst auf die Leiden des jüdischen Volkes und das tragische Schicksal der Flüchtlinge hingewiesen habe, vor allem aber auf „die heiligen Stätten und den heiligen und universalen Charakter Jerusalems“. Meir sicherte von ihrer Seite zu, die Friedensbemühungen voranzutreiben, gleichzeitig habe Israel aber das natürliche Recht, sich vor dem wachsenden Terror zu schützen.34

Der Oktoberkrieg 1973 (6. bis 26. Oktober) forderte den Papst zu weiteren Stellungnahmen heraus, die sich allerdings vornehmlich auf die kriegerischen Handlungen und das Flüchtlingselend bezogen. Erneut wurde durch den militärischen Konflikt ein weiteres Anwachsen des Exodus der christlichen Bevölkerung registriert, allerdings ohne Kenntnis über die genauen Flüchtlingszahlen. Anders als 1967 waren gerade Familien aus den relativ gut situierten katholischen Schichten bereit, im Land zu bleiben. Weil aber die Friedensbemühungen in der Folge stockend verliefen, der palästinensische Terror zunahm und auch die kirchlichen Hilfswerke vor immer neue Herausforderungen gestellt wurden, sah sich Paul VI. veranlasst, am 25. März 1974 das Apostolische Schreiben Nobis in animo über die Notlage der Kirche im Heiligen Land zu veröffentlichen. Die Kirche von Jerusalem, so der Papst, nehme einen „privilegierten Platz“ in der Liebe des Heiligen Stuhls ein: „Ohne darauf einzugehen, dass das ständige Andauern einer Situation, die eines klaren juristischen, international anerkannten und garantierten Fundamentes entbehrt, […] denken Wir hier im Besonderen an Jerusalem, die Heilige Stadt und Hauptstadt des Monotheismus.“ Eine für alle Seiten gerechte Lösung war die Forderung Pauls VI. Sein Brief wollte den christlichen Gemeinschaften im Heiligen Land Mut machen. Das war umso schwieriger, als er die israelische Politik ebenso berücksichtigen musste wie den Terror der PLO und die restriktive Haltung von Jordaniens König Hussein gegenüber den palästinensischen Flüchtlingen. Bei den gegenwärtigen Schwierigkeiten handle es sich um die „verwickelten und delikaten Probleme der Koexistenz der Völker jenes Landes, ihres Zusammenlebens in Frieden wie auch um die Fragen religiösen, bürgerlichen und menschlichen Charakters, die das Leben der verschiedenen Gemeinschaften betreffen“, so der Papst. Kritik wird an fehlenden internationalen Garantien und der Gefahr eines weiteren Christenexodus geübt, der „die heiligen christlichen Stätten von Jerusalem und Palästina fast zu Museen“ degradieren würde, und das angesichts einer Kirche im Heiligen Land, die gleichsam „die Nachfolgerin der Urkirche“ sei. In einem Prozess des „Sich-Zusammenfindens kann die Anwesenheit der christlichen Gemeinschaft zusammen mit der hebräischen und islamischen ein Faktor der Eintracht und des Friedens sein“. Neben diesen für Paul VI. teilweise überraschenden politischen Formulierungen ging es ihm auch um eine Stütze für die Arbeit der katholischen Kirche im Heiligen Land. Die Karfreitagskollekte solle nicht nur für den Erhalt von Gebäuden und die heiligen Stätten genutzt werden, „sondern zuallererst für die pastorale, karitative, erzieherische und soziale Arbeit, welche die katholische Kirche im Heiligen Land zum Wohl der christlichen Brüder und der lokalen Bevölkerung leistet“. Ihm gehe es dabei vor allem um einen effizienten und gut koordinierten Einsatz der Spenden. Im politischen Tenor des Apostolischen Schreibens bleibt bemerkenswert, dass der Terminus „Palästina“ hervorgehoben und damit das Existenzrecht der Palästinenser indirekt unterstrichen wird. Ähnlich drückte es der Papst in einem einige Monate später an die Pontifical Mission gerichteten Brief aus.35 Darin erinnerte er an die Schwierigkeiten des palästinensischen Volkes: „Die Palästinenser liegen uns besonders am Herzen, weil sie das Volk des Heiligen Landes sind …“, betonte Paul VI. Mit Blick auf die umfassende, grenzüberschreitende Hilfe der Pontifical Mission schrieb er: „Die Mission soll nicht nur weiterhin ohne Rücksicht auf Nationalität oder Religion denen helfen, die in der Folge der wiederholten Konflikte, die diese Region verwüstet haben, gelitten haben oder immer noch leiden, sondern sie soll auch in der sich entwickelnden Situation einen Beitrag zu Ausbildungs-, Wiedereingliederungs- und Entwicklungsprojekten für die palästinensische Bevölkerung leisten.“ Was die Pontifical Mission bis dahin – spätestens seit der Situation um 1967 – geleistet hatte, nämlich die Maxime „need not creed“ („Bedürftigkeit, nicht Glaubensbekenntnis“) zu verwirklichen, war nun ausdrücklich auch vom Papst bestätigt worden. Mit beiden Dokumenten und den vielfachen anderen öffentlichen Äußerungen zur Lage im Heiligen Land zeigt sich, wie sehr die persönliche Erfahrung des Papstes vor Ort zur eigenen Sensibilisierung für die Region beigetragen hat.

Während am 14. April 1975 der tragische Bürgerkrieg im Libanon ausbrach und sich das Engagement des Heiligen Stuhls erkennbar in die Region des Zedernstaates verlagerte, waren die katholischen Gemeinden im Heiligen Land um Konsolidierung bemüht, vor allem mit dem Auf- und Ausbau der neuen, unter Paul VI. ins Leben gerufenen Bildungseinrichtungen wie dem Effata-Zentrum oder der Universität von Betlehem. Gerade in den letzten Pontifikatsjahren konnte noch einmal ein verstärktes diplomatisches Wirken des Papstes festgestellt werden, als er 1977 und auch noch 1978 zahlreiche hochrangige Vertreter des Nahen Ostens und Nordafrikas zu Privataudienzen empfing, um mit ihnen über Lösungsansätze für einen Frieden in der Mittelmeerregion zu sprechen. Das Ergebnis der geheimen Verhandlungen zwischen Israel, Ägypten und den USA in Camp David am 17. September 1978, die zu einem Frieden zwischen Israel und Ägypten führten, erlebte Paul VI. nicht mehr: Er starb wenige Wochen zuvor am 6. August. Insgesamt wird man ihm sein hohes persönliches Engagement für das Heilige Land anrechnen müssen, das mit seiner Reise 1964 begründet, mit dem Paradigmenwechsel in der Jerusalemfrage 1967 umgesetzt und mit der religionsübergreifenden Hilfskoordinierung durch die Pontifical Mission in der Folge besiegelt wurde. Wenn auch manche den Papst als zu zurückhaltend werten, war er doch der Papst des Heiligen Landes, wie es in einigen Nachrufen hieß.