Drug trail - Spur der Drogen

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Banale Story

Qualle schien sichtlich enttäuscht.

„Was?“, fuhr Oliver ihn an, da er mit seinem schlechten Gewissen haderte. Wäre er vormittags ans Handy gegangen, hätten sie jetzt unter Umständen mehr Material für die morgige Ausgabe. Aber es war schließlich um Eve gegangen, seine Tochter – und Weihnachten. „Keines der anderen Blätter hat mehr als wir. Die Beamten vor Ort haben alles derart dicht gemacht, als wäre ein fucking Außerirdischer gelandet.“ Oliver schmiss verärgert den Kugelschreiber über seinen Tisch.

„Ich sag doch gar nichts, Boss“, nörgelte Qualle gespielt beleidigt, um sich dann an Jenny und Frank zu wenden, die ebenso offenkundig frustriert am Besprechungstisch gegenüber lehnten. „Immerhin konntest du die beiden ersten Fragen bei Hobbs landen. Das ist doch schon was.“ Qualle reckte lobend den Daumen in die Höhe.

„Ach, Qualle, du bist süß.“ Jenny stieß sich vom Besprechungstisch ab, ging einen Schritt auf den Assistenten Olivers zu und kniff ihn in die dicke Wange.

„Wie sind die Fotos geworden?“, fragte Oliver an Frank gewandt.

„Wenn wir einen Leichenwagen auf Seite eins drucken wollen, passt das Bildmaterial.“

„Okay. Ich schlage vor, wir ziehen ein Archivbild von Logan Winston, den Leichenwagen gibt’s als Miniaturbild. Ohne in Spekulationen zu verfallen, bekommen wir mit der Story nicht mehr als eine halbe Seite gefüllt. Seite drei dann noch den Lebenslauf. Geburt, wesentliche Eckpfeiler seiner Karriere, Abgang.“

„Keine Spekulationen?“, setzte Jenny nach.

„Du hast den Präsidenten gehört. Rücksichtsvolle Berichterstattung im Sinne seiner Familie. So hat er sich doch ausgedrückt, oder?“

„Schon, aber müssen wir uns daran halten? Ich hab das mehr als Bitte ver…“

„Welche Hypothesen willst du aufstellen?“, unterbrach Oliver sie. „Director Hobbs hat ausdrücklich betont, dass Winston eines natürlichen Todes gestorben ist. Wo nichts ist, werden wir auch nichts finden!“

„Aber du hast doch selbst gesagt, dass da irgendwas faul ist. Straßensperren, die ganze Abschottung, als sei unser Vizepräsident mit einem hochansteckenden Virus infiziert gewesen. Das Ganze stinkt doch zum Himmel!“, widersprach Jenny.

Frank nickte zustimmend, während Oliver an seine eigene Abfuhr im George Washington Hospital dachte. Tatsächlich hatte man den Leichnam zur Obduktion dorthin gebracht. Doch kein Kommentar der Ärzte, nicht mal auf die Station wurde er vorgelassen.

„Vergesst die Riesenstory. Das ist kein Material für den Pulitzer. Ein andermal vielleicht. Klimpert zwanzig Spalten runter, dann legt euch schlafen. Ich für meinen Teil mach Feierabend. Qualle, hast du ’ne Zigarette für mich?“

Zögernd zog Qualle ein faltiges Päckchen aus seiner Brusttasche und reichte es Oliver. Eigentlich hatte sein Boss damit aufgehört.

Blackout

Rodrigo rieb seine eiskalten Handflächen aneinander. Alleingelassen saß er vornübergebeugt im Flur des George Washington Hospitals. Trotz des alles überlagernden Geruchs nach Desinfektionsmittel hatte er noch immer den säuerlichen Duft des Erbrochenen Catalinas in der Nase. In seinem Kopf drehte sich alles. Außerstande, einen klaren Gedanken zu fassen, schossen in seinem Schädel Bilder der letzten Stunden wie Stroboskopblitze wild durcheinander. Bildsequenzen von Catalina, wie ihr regloser Körper vor ihm gelegen hatte. Wie er sie immer wieder geschüttelt und dabei um Hilfe geschrien hatte. Offensichtlich hatte er seine Jeans angezogen, ein Handtuch um Catalinas nasse, schlaffe Gestalt gelegt. Ein weiterer Lichtblitz und er stand auf einmal mit nacktem Oberkörper barfuß im Aufzug – Catalina in seinen Armen – regungslos. Keine Ahnung, wie er in der Eiseskälte zum geparkten Wagen gekommen war. Die Autofahrt ins Krankenhaus – dasselbe schwarze Loch der Amnesie. Wie war er nur hierhergekommen? Jetzt zuckten kurz die Bilder der heraneilenden Schwester vor seinem Auge. Dann erneute Dunkelheit. Als er wieder aufgewacht war, hatte man ihm eine Decke um die Schultern gelegt und etwas in seinen Arm gespritzt. Ein Beruhigungsmittel, erklärte ihm die freundliche Schwester, bevor sie ihn auf den Stuhl in diesen gottverdammten Korridor abgeschoben hatte. Das weiße Neonlicht brannte in seinen verheulten Augen. Wo war Catalina jetzt? Konnten sie ihr helfen?

Er musste etwas unternehmen. Irgendetwas. Würde er weiterhin hier sitzen bleiben, lief er Gefahr, wahnsinnig zu werden.

Gerade als er aufstehen wollte, erschrak er wegen zweier Männer, die direkt vor ihm standen und auf ihn herabsahen. Woher waren die so plötzlich gekommen? Sie sprachen mit ihm, doch er konnte lediglich ein dumpfes Gemurmel vernehmen. Jetzt packte ihn einer der Männer an der Schulter, zog ihn hoch und drehte ihm die Arme auf den Rücken. Was um Himmels willen geschah hier? Was hatten die Männer mit ihm vor?

Er spürte das kalte Metall der Handschellen, war jedoch nicht in der Lage, Widerstand zu leisten. Mürrisch legte ihm der zweite Beamte die zuvor heruntergerutschte Wolldecke über die Schultern.

Die Bakers

„Hi, Mom, frohe Weihnachten.“

„Robert, lieb, dass du anrufst. Wie geht’s dir? Habt ihr das Fest schön verbracht?“

„Kommt drauf an, Mom. Unser Truthahn hat dieses Jahr auf jeden Fall überlebt. Wir hatten alle Hände voll damit zu tun, dem Präsidenten irgendwelche Pläne auszuarbeiten.“

„Mit ‚wir‘ meinst du bestimmt dich und William“, mutmaßte Birgit.

„Ja, klar. Ich soll dir einen schönen Gruß von Dad ausrichten. Es geht hier tatsächlich drunter und drüber. Politik, du kennst das ja.“

Und wie Birgit das kannte. Als sie nach ihrem Studium in Hamburg Anfang der Achtziger aus dem Norden Deutschlands nach München gezogen war, um dort eine Stelle am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung anzunehmen, hatte sie nicht geahnt, dass dieser Ortswechsel ihr bis dato so streng gehütetes Single-Dasein auf den Kopf stellen sollte.

Professor Walter vom Institut hatte ihr 1982 die Aufgabe übertragen, das sogenannte Praxisreferat einzurichten. Eine Institution, deren Hauptaufgabe darin bestand, Medienunternehmen zu akquirieren, um Studenten zur Ergänzung der universitären Ausbildung Praktikumsplätze zur Verfügung zu stellen. Mit Liebe und Engagement widmete sich Birgit dieser Herausforderung. Ihr erklärtes Ziel war es, nicht nur in Deutschland ansässige Firmen zu gewinnen, sondern darüber hinaus Medienagenturen im Ausland. Dann, auf einer Werbeveranstaltung im Deutschen Hof in München, hatte sie ihn das erste Mal getroffen. Im maßgeschneiderten hellgrauen Anzug und mit seinen strahlend blauen Augen sah er umwerfend aus. Sie wusste, sollte er sie an diesem Abend ansprechen, würden sie über kurz oder lang im Bett landen. Und er sprach sie an, mit der zurückhaltenden und dennoch zielführenden Art der Diplomatie.

„Fräulein Schmidt, darf ich Ihnen meinen Glückwunsch zu Ihrem überaus gelungenen Vortrag aussprechen?“, waren seine Worte, als er im Foyer auf sie zutrat. Er stellte sich ihr als William Baker vor, Generalkonsul der Vereinigten Staaten in München.

So jung und schon Generalkonsul, überlegte Birgit, während sie innerlich bereits dahinfloss. Der Duft seines Rasierwassers, ebenso die gewählte Aussprache – er sprach perfekt Deutsch, wenn auch mit Akzent – das Gesamtpaket passte.

Sie setzte ihr strahlendstes Lächeln auf, ließ sich liebend gern auf einen Drink an der Hotelbar einladen, und noch am selben Abend landeten sie in seiner Wohnung. Aus dem One-Night-Stand entwickelte sich eine, ja, man könnte es fast schon Beziehung nennen, die dem Wunsch beider entsprach, ihre persönliche Freiheit nicht aufzugeben. Wenn man sich ein-, zweimal die Woche traf, so stand unausgesprochen fest, dass dies rein zum Ausleben sexueller Fantasien gedacht war. Bis zu dem Tag, da ihr bewusst wurde, dass etwas nicht stimmen konnte. Eine Frau spürt so etwas und es wurde dann durch ein positives Ergebnis des Schwangerschaftstests bestätigt.

Daraufhin hatte sie in Erwägung gezogen, für William italienisch zu kochen, um bei Pasta, Weißwein und Kerzenschein die Neuigkeit möglichst positiv zu verkaufen. Doch sie entschied sich dagegen, zog es vor, sich mit ihm in einem Fastfood-Lokal zu treffen, vielleicht unbewusst, um diese Angelegenheit, diese Schwangerschaft in der gleichen Geschwindigkeit zu besprechen, in der das Essen serviert wurde.

„William, übrigens … mmh, ich bin schwanger“, sagte sie schmatzend, nachdem sie ihre Tabletts mit Burger und Pommes vor sich abgestellt hatten, um sogleich, ohne Luft zu holen und wie beiläufig, weiter auszuführen: „Du brauchst dir keinen Kopf zu machen. Ich stell keine Ansprüche, du hast keinerlei Verpflichtungen, sieh es einfach als … als kleinen Betriebsunfall.“ Sie zuckte etwas unbeholfen mit den Schultern, während sie Williams immer größer werdende Augen betrachtete. Wie schön blau sie doch waren. „Wir könnten nachher noch ins Kino gehen. Flashdance soll ganz gut sein. Was meinst du?“, fragte sie völlig belanglos, das Thema schneller wechselnd, als ein Boxenstopp bei einem Formel-1-Rennen dauert.

Gänzlich überrumpelt starrte William sie an. „Bist du sicher?“, flüsterte er und schob die zwischen ihnen liegende Tüte Pommes beiseite.

„Wenn man den Filmkritiken Glauben schenkt, ja. Auch soll die Musik zu Flashdance der Hammer sein.“

„Birgit, hör bitte auf, derart banal zu diskutieren. Seit wann weißt du es?“

„William, ich, ich …“ Jetzt verschlug es Birgit die Sprache. Ihre Brust hob und senkte sich vor Aufregung. Vorsichtig tupfte sie sich eine Träne aus dem Winkel ihres Auges. „Ich weiß, das war alles nicht so geplant. Ich bin ebenso überrascht wie du. Aber sieh doch mal: Eine Abtreibung kommt nicht infrage. Du kennst mich! Ich bin ein Mensch, der über sein Leben und über das Wie und Wann selbstständig entscheidet. Ich werde gewiss ganz gut alleine klarkommen, ein Kind großzuziehen. Meinst du nicht auch?“

 

William antwortete nicht sofort. Ohne den Blick von ihr abzuwenden, schien er in seinen Gehirnwindungen nach der passenden Antwort zu kramen. Schließlich hatte er diese anscheinend in Form einer Frage gefunden: „Wieso grenzt du mich von vornherein derart aus? Ich meine … ich habe doch ein nicht ganz unerhebliches Wort mitzureden.“

„Ich werde nicht abtreiben, wenn du das meinst!“ Birgit funkelte ihn nervös und gleichzeitig kampfeslustig an.

„Wer spricht denn von Abtreibung? Du doch, nicht ich. Ich spreche vielmehr von einer gemeinsamen Wohnung, mindestens sechs Zimmern mit zwei Bädern, damit wir uns ab und an aus dem Weg gehen können. Wir sollten einen Babysitter engagieren, der perfekt Windeln wechseln kann. Und wenn du willst …“

„Pssst.“ Birgit unterbrach ihn lächelnd, während sie ihm den Zeigefinger auf die Lippen legte. „Genau das wollte ich vermeiden. Dass du dich verpflichtet fühlst.“

„Sicher fühle ich mich verpflichtet“, entgegnete William sanft. „Aber es ist ein schönes Gefühl.“

Noch im selben Jahr heirateten sie standesamtlich, 1984 kamen die Zwillinge Philipp und Robert zur Welt. Die gemeinsame Wohnung am Starnberger See, etwas außerhalb Münchens südlich gelegen, besaß sogar acht Zimmer – was allerdings auch nicht verhindern konnte, dass ihre Ehe nach nur drei Jahren vor dem Aus stand. Pragmatisch trafen sie rechtzeitig die Entscheidung, getrennte Wege zu gehen, bevor die Phase der gegenseitigen Vorhaltungen in ihrer Lebensgemeinschaft die Oberhand gewann. Während Birgit mit Philipp in der Wohnung am Starnberger See blieb, willigte William ein, den Posten des Beraters für Auslandsfragen in Washington D.C anzunehmen. So wurden die Zwillinge Philipp und Robert im zarten Alter von drei Jahren getrennt, da William seinen Sohn Robert mit in die Vereinigten Staaten nahm, während Philipp bei seiner Mutter blieb.

Über all die Jahre des Erwachsenwerdens trafen sich die Brüder sowie Birgit und William, sooft es die Zeit und die Ferien zuließen, abwechselnd in München und Washington D.C. – für Philipp und Robert, trotz der Tausenden von Kilometern Entfernung, ein ganz normales, außergewöhnlich multikulturelles Familienleben.

Übergabe Ramirez

Dem Sheriff des Metropolitan Police Departments – kurz MPDC – missfiel es sichtlich, als zwei Beamte des Secret Service mit ernster Miene in seinem Büro erschienen.

„Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte er daher, ohne von seinem Tisch aufzusehen.

„Sie haben seit gestern Abend einen gewissen Rodrigo Ramirez in Gewahrsam.“

„Kann sein. Was ist mit ihm, dass ihr Jungs vom Secret Service bei mir antanzt?“ Noch immer würdigte der Sheriff die Agenten keines Blickes.

Ohne auf die Frage einzugehen, legte einer der in dunkle Wintermäntel gehüllten Anzugträger ein gefaltetes Blatt Papier auf den Tisch des Sheriffs. Der kannte diese Art von Schreiben, diese Direktiven, die ihm wieder einmal vor Augen führten, dass er und sein Department außen vor gelassen wurden, wenn es um die wirklich wichtigen schlimmen Jungs ging. Doch dieses Mal schien es sich bei der nachgefragten Person um einen ganz großen Fisch zu handeln. Die Verfügung zur sofortigen Überstellung des genannten Häftlings an den Secret Service war von keiner geringeren Person als der Direktorin der CIA selbst, Julia Hobbs, unterschrieben.

Erstmals sah der Sheriff von seiner Tischplatte auf und musterte die beiden Beamten. „Warten Sie hier“, wies er die Agenten an, stand auf, trat an dem Duo vorbei und verließ das Büro. Er überquerte den Flur, bis er an eines der Großraumbüros kam, in dem der Duft von Hot Dogs und kalter Pizza lag.

„Luke“, schrie er über die Köpfe der anderen Polizeibeamten hinweg und deutete nickend einem der Beamten im hinteren Flügel des Raums an, zu ihm zu kommen.

„Chief, was gibt’s?“, fragte Luke, dem der grimmige Ausdruck im Gesicht seines Chefs nicht entgangen war.

„Du warst doch gestern dabei, als ihr diesen Rodrigo Ramirez aus dem George Washington geholt habt, oder?“

„Klar. Was ist mit ihm?“

„Keine Ahnung. Wo ist der Bericht?“

Luke schien derartig überrumpelt, dass er anfänglich nur stammelnd antworten konnte: „Chief, der Bericht, also, der Bericht …“

„Kein Bericht? Verdammt, Luke, du weißt doch …“

„Chief, es war nach 23:00 Uhr, als wir im Krankenhaus ankamen. ’ne Stunde später hatte ich Feierabend. Bin eh erst um 2:00 Uhr nach Hause gekommen. Da war keine Zeit für nen Scheißbericht.“

„Schon gut, entspann dich“, beruhigte der Sheriff. „Wieso wurdet ihr gerufen?“

„Einer der Ärzte … also, dieser Ramirez hatte seine Freundin ins George Washington gebracht, da war sie aber bereits verstorben. Der Arzt äußerte den Verdacht des Drogenmissbrauchs. Sicherheitshalber hat er dann uns informiert.“

„Drogen, so, so“, sinnierte der Sheriff. „Sonst irgendwas, was die Jungs vom Secret Service auf den Plan rufen könnte?“

„Secret Service?“, wiederholte Luke erstaunt, um gleich darauf verneinend den Kopf zu schütteln.

„Zwei dieser Halbaffen warten in meinem Büro und wollen Ramirez mitnehmen. Und so wie es scheint, mit Befehl von ganz oben.“

Lukes Mundwinkel verzogen sich nach unten, während er unwissend mit den Schultern zuckte.

„Gut, schaff mir diese geleckten Secret-Typen vom Hals und übergib ihnen Ramirez. Lass dir ’ne Quittung geben, nicht, dass die uns noch ans Bein pissen, sollte der Mexikaner verschollen gehen.“

Ihr wisst, was das bedeutet

„Was wissen wir über diesen – wie heißt er noch mal?“ William hatte kurz zuvor Julia Hobbs gebeten, in einem der schweren Ledersessel vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen.

„Rodrigo Ramirez“, antwortete Julia. „Nicht sehr viel. Mexican American, braucht also keine Aufenthaltsgenehmigung. Ebenso seine verstorbene Freundin, eine gewisse Catalina Flores.“

„Und was macht diesen Ramirez so interessant?“, fragte Robert, der ebenfalls anwesend war, dem sich allerdings noch nicht alle Zusammenhänge erschlossen.

„Rodrigo Ramirez ist Angestellter im Four Seasons, was allein genommen noch nicht problematisch ist“, erklärte Julia. „Doch die Tatsache, dass dessen Freundin am gleichen Tag wie Logan Winston verstarb, darüber hinaus die gleichen Symptome aufwies, macht die Sache so brisant.“

„Du meinst, sie ist auch an einer Überdosis gestorben?“

„Nicht ganz, Robert“, erklärte die Direktorin der CIA. „Wir wissen mittlerweile, dass es keine Überdosis war, der Winston und die Freundin dieses Ramirez zum Opfer gefallen sind. Genau genommen schnupften vermutlich beide schlichtweg Kokain. Doch dieses war gestreckt mit einem Mittel, das einen tödlichen Anstieg des im Körper befindlichen Adrenalins bewirkt. Epinephrin wird in sehr kleinen Dosen in der Medizin verwendet – in unserem Fall führt die erhöhte Beimengung zu Blutdruckanstieg, exzessiven zerebralen Blutungen bis hin zu Kammerflimmern und Herzstillstand.“

Robert und William sahen sich an. Beiden war bewusst, dass nun der Fall eingetreten war, den William im Oval Office als Worst-Case-Szenario an die Wand gemalt hatte.

„Jetzt haben wir die undichte Stelle, Julia“, stellte er daher fest.

„Nicht ganz“, meinte diese prompt. „Nur dann, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Freundin dieses Ramirez und Logan Winston hergestellt wird.“

„Und das versuchst du zu verhindern“, resümierte William ohne jegliche Betonung in seiner Stimme.

„So ist es. Ramirez befindet sich in der Obhut des Secret Service. Noch weiß er nicht, warum und in welchem Zusammenhang. Wir müssen ganz sicher sein, woher er das Koks hat und dass er die Puzzleteile nicht zu einem Ganzen zusammenfügt.“

„Das bedeutet?“, fragte Robert.

„Ihr wisst, was das bedeutet!“, flüsterte Julia. „Es geht hier um nationale Interessen.“

Jetzt hast du mich neugierig gemacht

Robert lag bereits im Bett, als sein Handy summte. Verschlafen tastete er mit seiner rechten Hand auf dem Nachttisch, bis er das Mobiltelefon zu fassen bekam. Das hell erleuchtete Display blendete seine zusammengekniffenen Augen. „Big Brother“, las er verschwommen – dann drückte er den grünen Hörer und raunzte mit leiser, brüchiger Stimme: „Phil, was hast du vor? Willst du mich mit Schlafentzug quälen?“

„Klar“, erwiderte Philipp und Robert konnte das Schmunzeln seines Bruders durch die Leitung hören. „Wenn du dich nicht meldest, liegt es an mir, dich anzurufen. Was geht ab?“

„Was willst du zu nachtschlafender Zeit wissen?“, fragte Robert, der nun endgültig wach geworden war.

„Nichts Bestimmtes. Wie geht’s euch, dir und Dad, meine ich?“

„Du weckst mich mitten in der Nacht, um zu erfahren, wie es uns geht? Au Mann, Phil. Gut so weit. Wir haben zu tun, Dad und ich, rund um den Tod des Vizepräsidenten.“

„Warum das?“, fragte Phil. „Schreibt doch den Posten einfach aus, stellt einen Vize ein und weiter geht der Trott.“

„Wenn es so einfach wäre“, entgegnete Robert. „Da spielen viele Faktoren mit rein, verstehst du?“

„Kein bisschen! Was für Faktoren?“

„Hinter, na ja, hinter den Kulissen. Manches ist nicht so, wie man es aus der Presse erfährt.“

„Höre ich da brisantes Material knistern? Winston war ein Doppelagent und wurde von 007 aus dem Verkehr gezogen?“

„So in etwa“, lachte Robert auf.

„Mal im Ernst, jetzt hast du mich neugierig gemacht“, flüsterte Philipp.

„Ich kann dir nichts sagen, Phil, topsecret.“

Philipp pfiff durch die Zähne. „Topsecret also?“

„So ist es“, antwortete Robert.

„Jetzt lass dich nicht so feiern. Ich bin’s, dein Bruder. Meine Lippen sind versiegelt.“

„Im Ernst, ich darf nicht darüber reden. Nur so viel: Manches deutet darauf hin, dass Drogen im Spiel waren, und wir vermuten, dass noch etliches auf uns zukommen wird.“

„Winston hat sich nen goldenen Schuss gesetzt und Amerika wird von Drogen überflutet?“, fragte Philipp.

„Lass uns jetzt Schluss machen, Phil, ich muss in ein paar Stunden raus und mir fallen die Augen zu. Ich melde mich, ja?“

„Schon gut, penn weiter“, gab Philipp nach.

Dann legten sie auf.