Kein Stress!

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Zum Buch

Es gibt kein Leben ohne Stress, er gehört zum Menschsein. Doch zu viel Stress verursacht Angstgefühle und Krankheiten. Mit suggestiven Bildern und kompetenten Texten hilft dieses Buch, Stress abzubauen und richtig damit umzugehen.

In den Anfängen der Menschheit diente das Stressempfinden dazu, besser auf Gefahren reagieren zu können: Stress half beim Fliehen oder beim Kämpfen. Auch heute ist ein gewisses Stresslevel nützlich, es motiviert uns dazu, Dinge zu erledigen. Ein zu hohes Stresslevel jedoch führt zu Anspannung, Angstgefühlen, Energie- und Schlaflosigkeit. Starker, permanenter Stress gilt als Ursache von Herzkrankheiten, Schlaganfällen und Krebs. Wie erkennt man Stressfaktoren im Alltag? Mit welchen Methoden lässt sich Stress vermindern? Und wie können wir lernen, damit umzugehen? Matthew Johnstone und Dr. Michael Player gehen diesen Fragen nach und zeigen, wie man die Denkmuster erkennt, die zu Stress führen, und sich daraus befreien kann. Sie stellen wirksame Entspannungsmethoden vor und erklären, wie ein anderer Umgang mit unserem Körper, unserer Zeit und unseren Beziehungen positiv auf das eigene Stressempfinden wirkt. Dieses Buch hilft, Stress so zu begegnen, dass er uns nicht schaden kann.

Stress verstehen und bewältigen – humorvoll illustriert, leicht verständlich und wissenschaftlich auf dem neuesten Stand.

Über die Autoren

Matthew Johnstone wurde 1964 in Australien geboren. Er ist Autor zahlreicher, sehr erfolgreicher Bücher: Neben den beiden Bänden zum Thema Depression – Mein schwarzer Hund (2008) und Mit dem schwarzen Hund leben (2009) und einer illustrierten Einführung in die Meditation (Den Geist beruhigen, 2012) erschien zuletzt Resilienz. Wie man Krisen übersteht und daran wächst (2015). Johnstone lebt als Kreativberater, Autor und Illustrator mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in Sydney. Mehr auf matthewjohnstone.com.au

Michael Player ist promovierter Psychologe. Er behandelt vor allem Patienten mit Depressionen und Angstzuständen. Stressreduktion ist ein zentrales Feld seiner Tätigkeit als Arzt und Vortragender. Zudem forscht Dr. Player am Brain and Mind Centre der University of Sydney.

Mehr auf michaelplayerpsychology.com.au


MATTHEW JOHNSTONE & DR. MICHAEL PLAYER

KEIN STRESS!

WIE SIE STRESS UND ANGSTGEFÜHLE BEWÄLTIGEN UND GELASSENER WERDEN

AUS DEM ENGLISCHEN VON VIOLA KRAUSS

KUNSTMANN

Die Last wird leicht, wenn mit Geschick man sie trägt.

OVID

Für unsere Familien,

unsere Freunde und

alle Gestressten dieser Welt.



INHALT

UNSERE GESCHICHTEN VOM STRESS

EINLEITUNG

1 WAS IST STRESS?

Anzeichen, Symptome und Auslöser von Stress

2 GEHIRN UND GEIST

Glanzleistungen, Fallgruben und Fakten

3 ANGST

Die körperlichen Auswirkungen von Stress verringern

4 ZEIT

Mit weniger mehr erreichen

5 GESUNDHEIT

Sich um den eigenen Körper kümmern

6 PARTNERSCHAFT

Den Beziehungsstress herunterfahren

7 ENERGIE

Ihr Bestes zum Vorschein bringen

SCHLUSSWORT

DANKSAGUNGEN

LITERATURHINWEISE UND QUELLEN

Unsere Geschichten vom Stress


von Matthew Johnstone

Früher hatte ich welliges dunkelbraunes Haar, heute sehe ich ungefähr so aus wie eine Zigarette, deren Asche jeden Moment weggeschnipst wird. Zum Teil liegt das an meinen Genen und am Älterwerden, doch Tatsache ist, dass mein Haar im Lauf eines bestimmten Jahres Mitte dreißig die Farbe verloren hat – dank des unerbittlichen, wachsenden Stresses, den ich mir größtenteils selbst machte.

Nachdem ich etwa drei Jahre lang als Art Director in der Werbung gearbeitet hatte, wusste ich, was es heißt, wirklich gestresst zu sein. Ein Teil des Problems war mein Job. Der andere mein Perfektionismus. Ein bisschen Perfektionismus ist nicht schlecht, genau wie ein bisschen Stress auch. Er lässt uns stolz auf unsere Arbeit sein, motiviert uns und bringt unsere Stärken zum Vorschein. Problematisch wird es, wenn er alles bestimmt. Ich legte die Latte derart unerreichbar hoch, dass mich sämtliche Arbeitsergebnisse enttäuschten und ich meinen Kolleginnen und Kollegen nichts mehr zutraute. Keineswegs war ich der beste Art Director der Welt, aber ich nahm die Sache verdammt ernst – denn »man darf sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen«.

Ich weiß noch genau, wie meine Schlafstörungen begannen. Es fühlte sich an, als ob elektrisch geladene Drähte durch meine Arme liefen, und eine Zeit lang blitzte es in meinen Augenwinkeln immer wieder stroboskopisch auf. Mittlerweile weiß ich, dass Stress sich auf viele verschiedene Arten äußern kann, und dass permanenter, nicht nachlassender und unbehandelter Stress unweigerlich beträchtliche psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen nach sich zieht. Und für unsere körperliche Gesundheit ist er auch nicht gerade förderlich. Einer meiner Brüder arbeitet als Psychiater, ein anderer hat Psychologie studiert, also hätte ich es wirklich besser wissen sollen. Aber ich bin ein Mann, hatte ein großes Ego und arbeitete in der Werbebranche, also drückte ich meine Gestresstheit weg und ertränkte sie in Arbeit, Alkohol und Freizeitdrogen. Das nahm den Druck weg und linderte die Qual, aber nur zeitweilig. Weil ich nicht auf mich geachtet hatte, war ich am Ende entsetzlich deprimiert. Seither widme ich mein Leben dem Thema psychische Gesundheit und versuche, anderen zu zeigen, wie sie nicht in die gleiche Falle geraten wie ich. Denn ich denke: Vorbeugung ist die beste Therapie.

Das vorliegende Buch enthält viele wichtige Infos des klugen Psychologen Dr. Michael Player, der sich allem, was mit Stress zu tun hat, mit größter Leidenschaft verschrieben hat. Viele Jahre lang hat er das Phänomen Stress als praktizierender klinischer Psychologe sowie als Wissenschaftler erforscht. In diesem evidenzbasierten Buch erklären wir, was genau Stress ist, und was dazu beiträgt, ihn zu lindern. Dazu gibt es jede Menge Bilder von mir, damit während des Lesens kein Stress aufkommt. Hier und da erzähle ich Geschichten aus meinem eigenen Leben, über Stress und andere Katastrophen. Diese »Kurzen Lektionen in Sachen Stress« bilden hoffentlich eine gute Ergänzung zu Michaels erhellenden Ausführungen.

Wenn Stress in Ihrem Leben eine große Rolle spielt, sollten Sie ihn nicht ignorieren und hoffen, dass er von alleine weggeht. Abschaffen können wir den Stress nicht, so schön es auch wäre. Aber wir können lernen, damit umzugehen, ihn zu verringern … und mit ihm zu tanzen. Betrachten Sie den Stress als ein eingebautes Alarmsignal dafür, dass in Ihrem Leben nicht alles in Butter ist. Betrachten Sie ihn als Verbündeten: Hören Sie ihm gut zu, und dann ändern Sie in aller Ruhe ein paar Dinge und schalten einen Gang herunter.

Kein Stress! Ich hoffe sehr, dass Ihnen dieses Buch dafür die richtigen Anregungen gibt.


Dr. Michael Player

Da ich mich sowohl wissenschaftlich als auch praktisch mit geistiger Gesundheit beschäftige, bekomme ich einen sehr speziellen, genauen Einblick, welche Folgen Stress für unseren Geist, unseren Körper und unser Verhalten hat. Ich habe den biologischen Auswirkungen permanenten Stresses nachgeforscht: Er zerstört Zellen und lässt wichtige Hirnregionen schrumpfen und verkümmern. Und ich hatte Menschen in Behandlung, die derart gestresst waren, dass sie weder essen, schlafen, sich konzentrieren noch Entscheidungen treffen oder ihrer Arbeit nachgehen konnten. Manche waren nicht einmal in der Lage, das Haus zu verlassen.

 

Ich habe selbst erfahren, dass wir mithilfe bestimmter Techniken funktionierende Strategien für unser Wohlergehen entwickeln, auf diese Weise zu guter Gesundheit zurückfinden und ein ausgeglichenes Leben führen können. Diese Techniken stellen wir Ihnen hier vor. Wir statten Sie mit einem Bewusstsein für die Auslöser und Symptome Ihres Stresses aus und unterstützen Sie dabei, eine tragfähige Strategie zu erarbeiten, wie Sie besser mit Stress umgehen können, um sich wieder lebendig und gut zu fühlen!

Seit unserer gemeinsamen Arbeit für das Black Dog Institute sind Matthew und ich dicke Freunde, tauschen Gedanken und schlechte Witze aus und treten manchmal miteinander auf. In meine Vorträge baue ich gern Matthews Illustrationen ein, und die Leute lassen mich jedes Mal wissen, wie sehr diese Bilder sie berühren und wie viel es ihnen bedeutet, dass jemand genau weiß, was sie durchmachen. Matthew ist ein außerordentliches Talent, dessen Arbeiten mich stets aufs Neue inspirieren und erstaunen, und für mich ist es eine große Ehre, seine Illustrationen mit Worten begleiten zu dürfen.

Stress hat bei mir immer wieder zu Sorge und Angst, innerer Unruhe, Trauer und sogar Depressionen geführt. Bei vielen wichtigen Lebensentscheidungen und Bewältigungsmechanismen stand der Stress, den ich zu dieser Zeit empfand, im Mittelpunkt. Ich hatte eine Reihe stressiger Jobs – ich arbeitete in gefährlichen Funktionen auf Baustellen (um mir das Geld für die Uni zusammenzusparen), als Börsenmakler und Händler für Termingeschäfte in den volatilen Märkten der Neunziger- und frühen Nullerjahre sowie in fordernden Unternehmen mit übereifrigen, aber ahnungslosen Leitungsteams. Lange Zeit haben diese stressigen Jobs meine Gesundheit ernsthaft beeinträchtigt und mich dazu gebracht, mein Elend mithilfe der üblichen Verdächtigen verringern und verscheuchen zu wollen.

Den größten Stress aber erlebte ich während des Studiums meiner wahren Liebe – der Psychologie. Eigentlich hätte das die reine Freude sein sollen, aber mein selbst geschaffener innerer Druck brachte mich dazu, meinen Master zu machen, während ich gleichzeitig an meiner Doktorarbeit schrieb und Teilzeit (heißt: Vollzeit!) am Black Dog Institute arbeitete. Nie hatte ich so viel zu tun wie damals, und um ehrlich zu sein, zerbrach ich daran irgendwie.

Etwas hat sich während dieser Zeit in mir verschoben, und ich war danach ein anderer als zuvor. Ich musste sogar einen zweiwöchigen »Notfall«-Urlaub einlegen, um wieder auf die Beine zu kommen. Damals bekam das keiner mit, aber mir ging es wirklich schlecht.

Meine umfassende Kein-Stress!-Strategie, die mit den besten Techniken zur Stressbewältigung arbeitet, wird Sie nicht gegen Stress immunisieren können. Aber sie hilft Ihnen, die Symptome in den Griff zu kriegen, bis Sie irgendwann wissen, worauf es wirklich ankommt. Kleiner Tipp: Ihre Gesundheit.

Ich hoffe, dieses Buch wird Sie dabei unterstützen, Ihre persönlichen Erfahrungen zu nutzen und eines zu lernen: Kein Stress!

IHR MANTRA FÜR DIESES BUCH:

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Einleitung

»Nicht der Stress bringt uns um, sondern unsere Reaktion darauf.« HANS SELYE

Hans Selye, der Vater der Stressforschung, hat Stress im Jahre 1936 – in einer Zeit, als dieser noch nicht als Ursache für viele Krankheiten unserer Zeit erkannt war – folgendermaßen definiert: »Die unspezifische Reaktion des Körpers auf jegliche Anforderung.« Später änderte er seine Definition von Stress als den »Anteil an Belastung und Verschleiß«, was meiner Meinung nach besser umschreibt, wie wir uns nach einer Stressperiode fühlen: müde, alt und zerschlagen.

Beginnen wir mit einigen vernichtenden Daten. Stress gilt inzwischen als einer der entscheidenden auslösenden Faktoren für nahezu alle ernsten Erkrankungen sowie für fünf der sechs häufigsten Todesursachen – Herzleiden, Krebs, Schlaganfälle, Erkrankungen der unteren Atemwege sowie Unfälle. Je nachdem, welche Studie wir zurate ziehen, ist Stress für 75 bis 90 Prozent unserer Besuche beim Allgemeinmediziner verantwortlich. Und die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass stressbedingte psychische Erkrankungen, u. a. Depressionen und Angststörungen, bald noch weiter verbreitet sein und Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Ursache Nummer 1 für Erwerbsunfähigkeit im Jahr 2030 überholt haben werden. Ganz schön alarmierend, finden Sie nicht auch?

Wenn Stress uns derart schlecht bekommt, sollten wir uns einfach davon fernhalten! Leider hat die Forschung gezeigt, dass die fünf Hauptstressoren (Dinge, die uns Stress verursachen) unsere finanzielle Situation, unsere Gesundheit, Beziehungen, das Führen eines gesunden Lebenswandels sowie die Gesundheit unserer Liebsten sind. Wer kann denen schon entkommen?

Je mehr Stress wir erfahren, desto mehr wird zudem unser Stresspfad (eine bestimmte Kombination miteinander verbundener Zellen im Gehirn) getriggert, und desto wahrscheinlicher ist es, dass wir mit wenig konstruktiven Taten und Gedanken reagieren, die uns nur noch mehr stressen. Je öfter dieser neuronale Pfad aktiviert wird, desto mehr verfestigt er sich im Lauf der Zeit. Das heißt, er lässt sich durch immer niedrigschwelligere Ereignisse triggern – was zu Überreaktionen führen kann (man nennt das »Stress-Sensibilisierung«). Das können wir tagtäglich beobachten: Leute, die völlig ausrasten, weil sie einen Bus verpasst oder Kaffee verschüttet haben. Obwohl der Auslöser an sich also nicht weiter dramatisch ist, muss man mit noch einer weiteren Sache klarkommen, und in der Summe wird es dann irgendwann zu viel.

Sobald wir Stress als unvermeidlichen Bestandteil des Lebens akzeptieren, der sich nicht einfach an- und abstellen lässt wie ein Wasserhahn, können wir lernen, damit umzugehen (aus der Welt schaffen können wir ihn nicht). Dieses Buch zeigt Ihnen, wie. Es gibt ein paar einfache Regeln dabei: Hören Sie nicht auf Ihren Verstand! Probieren Sie alles aus und schauen Sie, was für Sie passt. Nehmen Sie sich jetzt etwas Zeit und bemühen Sie sich darum, die besten Methoden zu erlernen, um Ihr Verhältnis zum Stress in den Griff zu bekommen – denn dieses Verhältnis ist eines, das Ihnen bleibt.

Alle Techniken in KEIN STRESS! habe ich auf ihre Wirksamkeit erprobt. Jede ist in gewisser Weise nützlich, doch welche für Sie persönlich die richtigen sind, finden Sie nur durch Ausprobieren heraus. Sie können sich nicht vorstellen, wie viele große, bullige LKW-Fahrer es gibt, die nach einem langen Tag auf der Autobahn nichts lieber tun, als sich auf einer Wolke schwebend zu imaginieren und sich dabei zu entspannen. Legen Sie sich während des Lesens ein NOTIZBUCH zurecht, damit Sie festhalten können, was Ihnen wichtig erscheint oder Sie inspiriert. Das, was wir zu Papier bringen, setzen wir nämlich eher in die Tat um.

Auf ein weniger gestresstes Leben! Gehen Sie es an, haben Sie Geduld und bleiben Sie dran. Sie sind es sich wert, und Ihr zukünftiges Ich wird es Ihnen danken!

WICHTIGE BOTSCHAFT DER AUTOREN

Wunderbar, dass Sie dieses Buch gekauft haben. Falls Ihnen der Stress momentan jedoch total über den Kopf wächst, sollten Sie nicht davor zurückscheuen, sich die nötige Hilfe und Unterstützung zu suchen.

Unterhalten Sie sich erst einmal mit einer Person, der Sie vertrauen: einem Freund, Ihrem Hausarzt oder jemandem in der Personalabteilung … Sie müssen das nicht alleine durchstehen. Geteiltes Leid ist halbes Leid, und das Leben ist einfach zu kurz, um sich ständig mies zu fühlen.


1 WAS IST STRESS?

ANZEICHEN, SYMPTOME UND AUSLÖSER VON STRESS

In diesem Kapitel zeigen wir Ihnen:

Warum und wie wir uns gestresst fühlen

Die Anzeichen, Symptome und Auslöser von Stress

Wie Sie Ihren Stresspegel im Auge behalten und in den Griff kriegen




WARUM FÜHLEN WIR UNS GESTRESST?

Stress kann alles sein, was uns körperlich, geistig oder emotional beansprucht. Er gehört zum Leben dazu, und ein moderater Stresspegel tut uns sogar gut. Er motiviert uns und schenkt uns die nötige Energie, etwas zu erledigen.

So würden wir zum Beispiel nicht für eine Prüfung lernen oder uns für eine wichtige Präsentation ins Zeug legen, wenn wir uns wegen des Resultats nicht ein wenig stressten. Dr. Kelly McGonigal von der Universität Stanford zufolge belastet uns gar nicht der Stress selbst, sondern die Art, wie wir darüber denken. Ihre Studien ergaben: Wenn wir glauben, dass uns der Stress schadet, dann tut er das auch!

Wenn wir uns bedroht fühlen (egal, ob wir es tatsächlich sind), zündet der Sympathikus ein Feuerwerk körperlicher Symptome, bekannt als »Kampf-oder-Flucht-Reaktion«. In grauer Vorzeit war das für uns Menschen lebensnotwendig, um den zahlreichen natürlichen Feinden entkommen zu können. Wenn ein solcher in die Nähe kam, aktivierte das Alarmsystem des Gehirns quasi einen automatisch vorprogrammierten Fluchtplan und half uns zu überleben.

Das steckt noch immer in uns. Das Herz schlägt schneller, um Blut in unsere Gliedmaßen zu pumpen, wir atmen tiefer, damit unsere Muskeln mit mehr Sauerstoff versorgt werden, wir schwitzen stärker, um den Hitzeverlust zu beschleunigen, wir verlangsamen weniger wichtige Körperfunktionen wie die Verdauung, unsere Pupillen weiten sich, damit wir fokussierter sind, und es werden Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet, damit wir zur Tat schreiten können. Je nach Art der Bedrohung bedeutet das: fliehen oder dableiben und kämpfen.

Das Problem besteht darin, dass unser Alarmsystem heutzutage Dinge als »Bedrohung« ausmacht, die unser Leben gar nicht wirklich in Gefahr bringen: ein Abgabetermin, der Streit mit einer Kollegin, oder ein 1:0 für die gegnerische Mannschaft eine Minute vor Abpfiff.

In diesen Fällen ist es falscher Alarm, denn es besteht keinerlei körperliche Gefahr, dennoch reagiert unser Körper so als ob. Bei dieser Stressreaktion konzentriert sich unser Gehirn ausschließlich auf die unmittelbare Bedrohung; der rationale Teil des Gehirns wird ausgeklinkt. Wir verlieren also das große Ganze aus den Augen, wodurch wir schlechter ruhig bleiben, logisch denken und die Probleme vernünftig lösen können.

Wenn wir besser mit Stress umzugehen lernen, aktivieren wir genau das Gegenteil unserer Kampf-oder-Flucht-Reaktion – die besänftigende »Entspannungsreaktion« nämlich, die vom Parasympathikus gesteuert wird.


WIE SICH STRESS ÄUSSERT UND WIE ER SICH ANFÜHLT

Schauen Sie sich diese Liste mit Symptomen gründlich durch und beurteilen Sie, ob sich eins oder mehrere davon regelmäßig bei Ihnen bemerkbar machen. Sie wissen dann, wo der größte Handlungsbedarf besteht. Schreiben Sie diese Symptome in Ihr NOTIZBUCH. Sich darüber klar zu werden, ist der entscheidende erste Schritt in Richtung Besserung.

 



WOHER KOMMT UNSER GANZER STRESS?

Die Frage klingt vielleicht merkwürdig, aber wie konnten wir es bloß zulassen, so verdammt gestresst zu werden? Tatsächlich stellt unsere moderne Lebensweise eine Bedrohung für das Leben selbst dar. Kaum zu fassen, wo wir im Westen doch in den sichersten und wohlhabendsten Gesellschaften und in der friedlichsten Epoche unserer Geschichte leben.

Noch dazu hat die Automatisierung unser Leben angeblich vereinfacht, die globale Vernetzung hat die Beziehungspflege erleichtert, wir haben mehr Wahlmöglichkeiten, besseren öffentlichen Nahverkehr, größere Fernseher und klügere Telefone. Und dennoch fühlen wir uns so gestresst und unglücklich wie nie zuvor. Was läuft bloß falsch?

Es lohnt sich, darüber Überlegungen anzustellen. Schreiben Sie sich auf, ob einer dieser Punkte zu Ihrem persönlichen Stresspegel beiträgt.

Obwohl wir über mehr »Freunde« und dank der Technik über eine bessere »Vernetzung« verfügen, sind unsere persönlichen Beziehungen und sozialen Bindungen schwächer geworden. Die evolutionäre Psychologie zeigt, dass menschliche Beziehungen und familiäre Bande Angstgefühle verringern können. Doch das vergessen wir gern aufgrund der folgenden Tatsache.

Unsere Ziele tendieren mehr in Richtung Geld, Ruhm und Image, was in eindeutigem Zusammenhang mit Angststörungen und Depressionen steht.

Wir saugen wesentlich mehr Informationen in uns auf, und eine Menge davon ist Panikmache. Wir leben in einer Kultur, in der Angst dazu benutzt wird, uns zu motivieren. Ständig sind wir einem Trommelfeuer von Warnungen ausgesetzt – vor Terrorismus, einer stagnierenden Wirtschaft, erhöhter Kriminalität, Migration usw.

Wir kämpfen gegen unangenehme Gefühle an, anstatt ihnen freien Lauf zu lassen. Wir weichen Situationen aus, die uns nervös machen, und versuchen, uns von jedem unangenehmen Gefühl abzulenken oder es zu betäuben.

Wir haben zu hohe Erwartungen, vermutlich weil in unserer Gesellschaft gerne betont wird, dass wir alles sein und erreichen können, was wir uns vornehmen. Deshalb verspüren wir den Druck, mehr sein und mehr tun zu müssen.

Stress wird dadurch verursacht, dass du ›hier‹ bist, während du eigentlich ›dort‹ sein möchtest.

ECKHART TOLLE