Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 6

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Anakin

Als Anakin an einem Dezembermorgen die Augen öffnete …

„Ach wie ... schön.“ Er schaute mit leicht geöffneten Augen aus seinem Fenster, das umhangen war mit weißen Gardinen und blauen Pünktchen. Sein großer Teddy Charlie starrte auf ihn. „Hurra, Hurra!“ Stolpernd sprang Anakin aus seinem Bett, schmiss seine hellblaue Bettdecke auf den Boden und rief staunend: „Es schneit, es schneit.“

Er schnappte sich Charlie an seinem braunen Teddyarm und huschte fröhlich die Treppen runter. „Mama, es schneit.“

Seine Mutter, die zwei Tage vor Weihnachten noch einmal an Plätzchennachschub in der Küche hantierte, nahm Anakin in den Arm, streichelte ihm über sein blondes Haar und schaute ihm in seine strahlend blauen Augen „Ja, mein Schatz. Heute Mittag bauen wir einen großen Schneemann.“

Anakin konnte es kaum erwarten. Zwei Tage waren nun vergangen und heute war der Tag, auf den der kleine Anakin schon das ganz Jahr wartete. Heute war Weihnachten. Heute stand Anakin besonders früh auf. Eigentlich hatte er sich aber vorgenommen, ganz lange zu schlafen, damit es nicht so lange dauerte, bis er seine Geschenke bekommen würde. „UAAAAH …“ Mit einem großen Gähnen setzte er sich auf und zog verschlafen seine hellblauen flauschigen Pantoffeln an. „Endlich! Endlich! Charlie, heute ist Weihnachten.“

Mama und Papa hatten schon gemeinsam den Tisch gedeckt. Es roch nach frischen Brötchen und durch die Nase krabbelte ein süßer Zimtgeruch, der vom Tee kam. Liebevoll frühstückten sie zusammen und auch Charlie bekam seinen Stuhl – so wie jeden Morgen. Am Mittag dann ging es zum Schlittenfahren. Danach wurde ein zweiter lustiger Schneemann gebaut, damit der andere nicht so alleine stand. Das war sogar eine Schneedame mit einem roten Damenhut und einer pinken Schürze mit Herzchen darauf. Am Abend wurde ein riesiger Tannenbaum aufgestellt, der bis zur Decke reichte.

Mama, Papa, Anakin und natürlich, wer durfte nicht fehlen? Charlie! Er musste auch dabei sein und schaute zu, wie die Familie den Baum schmückte. Weihnachtskugeln in allen Farben, Zuckerstangen, Bonbons, eine wunderschöne Lichterkette: Der Baum war der schönste, den Anakin sich vorstellen konnte. Aber wo waren die Geschenke? Keine in Sicht. Anakin rieb sich am Kopf und wunderte sich.

Ein bisschen Zeit verging, dann gab es ein leckeres Weihnachtsessen. Danach spielten Mama, Papa und Anakin Spiele.

Auf einmal klopfte es an der Türe. Papa öffnete sie langsam. Wer war das?

Ein Weihnachtsmann mit einem langen Bart stand in der Türe mit einem riesigen Sack voller Geschenke. „G...Geschenke!“, rief Anakin glücklich. Darauf hatte Anakin das ganze Jahr gewartet, auf ein wunderschönes Weihnachtsfest. Er umarmte Mama und Papa überglücklich und hatte sogar Charlie einen ganz, ganz kurzen Moment vergessen. Was gibt es Schöneres als glückliche Kinderaugen an Weihnachten.

Mari Schwarzer

*

Eine Heilige Nacht

„Nun ist der Winter da“, ruft Mama Iris und schaut ins Kinderzimmer, wo ihre beiden Kinder friedlich spielen. „Schaut mal aus dem Fenster, es schneit!“ Lara und Henning springen auf und laufen ans Fenster. „Oh, sind das aber dicke Flocken, da können wir bald Schlitten fahren, oder Mama?“

„Ja, morgen werden wir den Schlitten vom Dachboden holen oder ich sage es gleich dem Papa und bitte ihn, heute Abend den Schlitten zu holen. Dann sind wir ganz sicher, dass wir ihn morgen früh nehmen können. Ich bringe euch dann mit dem Schlitten zum Kindergarten, ist das ein Angebot?“ Die Kinder jubeln und tanzen vor Freude.

„In zehn Minuten wird zu Abend gegessen, also räumt auf und wascht euch die Hände.“ Mama geht zurück in ihre Küche und deckt den Tisch.

Es klingelt. „Das wird der Papa sein“, ruft Mama und geht die Tür öffnen. Nein, es ist Frau Nachbarin. „Guten Abend Frau Ludwig! Wie geht es Ihnen?“

„Ich bin hier, um Ihnen etwas Wichtiges zu sagen. Wir ziehen schon in zwei Tagen um. Nicht wie geplant nach dem Weihnachtsfest. Unser Großvater ist erkrankt und braucht unsere Hilfe. Jetzt muss alles schnell gehen.“

„Ja, dann wünsche ich Ihnen, dass alles so wird, wie Sie es sich wünschen“, antwortet Mama Iris. „Schade, dass wir Weihnachten nicht zusammen feiern können. Es wäre in diesem Jahr das vierte Mal. Unsere Zwillinge waren alle ein Jahr alt, als wir unser erstes Weihnachtsfest zusammen feierten. Das war immer sehr schön!“

„Die Wohnung ist schon wieder vermietet“, antwortet Frau Ludwig. „Wir kommen noch, um Auf Wiedersehen zu sagen. Bis bald. Tschüss.“

Frau Ludwig ist gerade gegangen, da kommt Papa ins Haus.

„Wir können gleich essen“, ruft Mama Iris und füllt die Teller mit Gemüsesuppe.

Am Tisch wird dem Papa erzählt, was sich bei der Familie Ludwig ereignet hat und dass sie schon in zwei Tagen auszieht. Der Papa ist erstaunt und meint: „Dann bin ich gespannt, wer unser neuer Nachbar sein wird. Freuen wir uns mal darauf.“

„Papa, kannst du uns den Schlitten vom Dachboden holen. Mama bringt uns morgen damit zum Kindergarten.“

„Na, klar doch. Die ganze Nacht wird es noch schneien. Es wird eine weiße Weihnacht geben.“

Am anderen Morgen sind die Kinder schon früh aus den Betten. Sie ziehen sich ohne Murren an und frühstücken sogar ordentlich. Sie wollen früh los. „Mama, wo ist der Schlitten?“, ruft Lara.

„Vor dem Haus. Seid ihr auch warm angezogen?“

„Natürlich“, ruft Henning. Er setzt sich seine warme Mütze auf und Lara wickelt sich einen weichen Schal um den Hals. Dann laufen sie los. Als Mama kommt, sitzen sie schon auf dem Schlitten. Dann geht es mit Hurra-Rufen los.

So wird es nun jeden Tag bis zu den Weihnachtsferien gemacht. Inzwischen sind die neuen Nachbarn eingezogen. Aber gesehen hat sie noch niemand.

„Vielleicht gehen wir mal einen Abend zu ihnen“, rät Papa Andi seinen Lieben.

Und so machen sie es. Gespannt stehen sie vor der Tür. Nach zweimaligem Schellen öffnet ein Mann die Tür. Er grüßt sehr freundlich und ruft laut seiner Frau zu: „Biana, wir bekommen Besuch! Bitte kommen Sie doch herein. Sie sind unser erster Besuch hier im neuen Heim. Wir sind sehr erfreut.“ Da er Englisch spricht, verstehen ihn nur Mama und Papa. Die Kinder stehen staunend daneben.

Vater Andi stellt seine Familie vor und dann kommt auch schon die neue Nachbarin mit einem Kind auf dem Arm. Ein anderes Kind hat sie an der Hand. „Das ist meine Frau Biana und meine Kinder Sabia und Lucas. Wir kommen aus Namibia. Es war eine weite Reise hierher. Ich habe hier in Deutschland eine gute Arbeit gefunden als Ingenieur und meine Frau ist Lehrerin. Vielleicht kann sie demnächst hier in der Schule Englischunterricht geben. Wir müssen uns noch an Vieles gewöhnen. Alles ist neu für uns. Auch der Schnee und die Kälte.“

Die Kinder laufen gleich ins Kinderzimmer. Alle Spielsachen werden ausgiebig angeschaut. Sie verstehen sich auch ohne gemeinsame Sprache.

Die Erwachsenen gehen ins Wohnzimmer. „Ich heiße Sie als unsere neuen Nachbarn herzlich willkommen“, sagt Vater Andi. Sie geben sich freundschaftlich die Hände und lächeln dabei. Sie reden noch eine Weile zusammen, unter anderem auch über das bevorstehende Weihnachtsfest. Weil die Kinder ins Bett müssen, verabschieden sie sich bald.

Zu Hause angekommen meint der Vater: „Da haben wir nette Nachbarn bekommen, was meinst du, Iris?“

Nun mischen sich die Kinder ein: „Uns fragst du gar nicht. Wir haben schon Freundschaft geschlossen und ihnen versprochen, sie nach Weihnachten mit in den Kindergarten zu nehmen.“

„Ja, dann ist ja alles gut. Nun ab mit euch ins Bett, morgen reden wir weiter.“

Am anderen Morgen sitzen alle um den Frühstückstisch und beratschlagen, was noch zu tun ist, denn heute ist Heiligabend.

„Ich hole gleich den Tannenbaum und ihr helft mir beim Schmücken. Mama backt den Weihnachtskuchen und bereitet das Weihnachtsessen vor. Um fünf Uhr gehen wir alle in die Kirche. Was meint ihr zu meinem Vorschlag“, fragt der Papa.

„Ach, wir haben uns doch mit unseren neuen Freunden verabredet“, ruft Henning.

„Ja, du kannst ja rübergehen und sie fragen, ob sie mit uns in die Kirche gehen“, meint Mama Iris.

„Gute Idee“, ruft Papa und die Kinder laufen los.

Als sie zurück sind, strahlen sie und Mama sieht ihnen schon von Weitem an, dass sie Erfolg hatten.

Zwei Familien aus ganz verschiedenen Welten gehen zusammen in die Kirche. Sie verstehen sich gut und die Kinder hören den Vater sagen: „Wollen Sie nicht bei uns den Heiligen Abend verbringen? Das würde uns sehr freuen. Und die Kinder werden begeistert sein, wenn Sie Ja sagen.“

„Danke, wir nehmen Ihre Einladung gerne an“, antworten beide wie aus einem Mund. Und so feiern sie fröhlich den Heiligen Abend zusammen. Als die Lichter am Weihnachtsbaum angezündet werden, strahlen die Augen der Kinder. Sie sehen kleine Päckchen unter dem Baum liegen. Der Vater bückt sich und verteilt sie. Das ist für die Kinder der schönste Augenblick an Heiligabend. Danach werden viele Weihnachtslieder gesungen und Geschichten erzählt. Die neuen Nachbarn erzählen, wie man in Namibia Weihnachten feiert. „Bei uns ist es Weihnachten sehr heiß, wir haben oft 40 Grad im Schatten und die Kerzen müssen im Kühlschrank gelagert werden“.

„Oh, und wir ziehen dicke Pullover an und freuen uns, dass wir eine Heizung haben“, antwortet Vater Andi.

Alle sind glücklich, besonders die Kinder. Herzlich umarmen sich die beiden Familien und wünschen sich gegenseitig eine gesegnete Weihnacht. Gemeinsam singen sie, jeder in seiner Sprache: Stille Nacht, heilige Nacht.

 

Lore Buschjohann aus Gütersloh schreibt gerne Kindergeschichten. Einige dieser Geschichten wurden bereits in Anthologien veröffentlicht.

*

Weihnachtsbasar

Wenn es etwas gibt, worüber sich alle Kinder auf der Welt einig sind, dann bestimmt darüber, dass die Weihnachtstage zu den schönsten Tagen des Jahres gehören. Während jedes Kind an einem anderen Tag Geburtstag hat, so gibt es beim Weihnachtsfest einen Grund, sich gemeinsam zu freuen, Geschenke zu bekommen und selbst welche zu verschenken.

An diesen besonderen Tagen ist kaum ein trauriges Gesicht zu sehen. Es gibt mehr Kekse, als ein Kindermagen verträgt, funkelnde, selbst geschmückte Weihnachtsbäume und farbenfrohe Lichter, die jedes Fenster schmücken. Wer könnte auch nur daran denken, da Trübsal zu blasen?

„Wahrscheinlich bin ich im Moment das einzige traurige Kind auf der Welt“, dachte Kai missmutig, während er auf seinem Bett saß und aus dem Fenster hinaus in die Finsternis starrte.

Vor Kurzem hatte es angefangen zu schneien. Bestimmt kamen ihn morgen früh seine Freunde besuchen, um ihn zur ersten Schneeballschlacht des Winters abzuholen. Sein Blick verfolgte die dicken weißen Flocken, die stetig zu Boden fielen. Nicht sehr spannend, aber immer noch besser, als das große pinke Ungetüm anzustarren, das auf der anderen Seite seines Bettes auf ihn wartete.

Vor wenigen Stunden noch, als er mit seiner Familie unten im Wohnzimmer saß und darauf wartete, dass die Bescherung endlich anfing, hatte er an nichts anderes denken können. Das riesige Paket, auf dem in fetten schwarzen Buchstaben sein Name stand, zog seine Blicke magisch an. Vielleicht hätte ihn das rosa Geschenkpapier mit den aufgedruckten Feen stutzig machen sollen. Doch er dachte, es handle sich nur um einen kleinen Scherz, den sich der Weihnachtsmann erlaubt hatte.

Ha! Von wegen!

Anstatt der coolen Playmobil-Ritterburg oder des knallroten ferngesteuerten Autos, das ganz oben auf seiner Wunschliste stand, hatte er ein Pony geschenkt bekommen. Ein pinkes Stofftier-Pony mit riesigen blauen Glupschaugen und goldener Mähne. Schnell hatte sich das erwartungsfreudige Grinsen in eine enttäuschte Grimasse verwandelt.

„Das ist das letzte Mal, dass wir dein Geschenk beim Weihnachtsmann bestellen“, versuchte sein Vater ihn zu trösten. „Nach den Feiertagen fahren wir in den Spielzeugladen und du darfst dir ein neues Geschenk aussuchen.“

Das nutzte Kai in der jetzigen Situation überhaupt nichts! Was war nur passiert? Er hatte sich so bemüht, den Wunschzettel ordentlich zu schreiben. Konnte der Weihnachtsmann etwa seine Schrift nicht lesen? Oder gab es eine Verwechslung? Vermutlich würde er es nie erfahren.

Während er dasaß und in seinen traurigen Gedanken versank, sah er aus seinen Augenwinkeln, wie auf einmal ein gleißendes Licht mitten in seinem Zimmer auftauchte. Erschrocken zuckte er zusammen, zwang sich jedoch, genau hinzusehen, was geschah. Eine kleine rundliche Gestalt trat aus dem Lichtkreis hervor, schnaubte mehrmals und blickte den Jungen aus großen waldgrünen Augen an. Sie trug eine spitze Zipfelmütze und ein grünes Jäckchen. An ihren Beinen ringelte sich eine weiß-rote Strumpfhose empor, die aus spitzen, nach oben gebogenen Schuhen entwuchs.

„Ein Weihnachtself!“, entfuhr es ihm, ehe er sich beherrschen konnte. Hastig schlug er sich eine Hand vor den Mund, um das fremdartige Wesen nicht aus Versehen zu verärgern. Doch der Elf lächelte nur und verbeugte sich vor ihm.

„Ganz recht. Ich bin ein Weihnachtself“, verkündete er mit heller Stimme. „Und ich bin zu dir geschickt worden, um mich im Namen des Weihnachtsmannes zu entschuldigen. Uns ist ein schlimmer Fehler bei der Zuteilung der Geschenke unterlaufen.“ Sein Blick fiel auf das pinke Pony. Er blinzelte. „Ein wirklich schrecklicher Fehler“, fügte er hinzu.

Kai rümpfte die Nase. „Ist auch egal. Jetzt ist es zu spät, um etwas daran zu ändern.“ Aber ihm tat es schon leid, dass irgendwo auf der Welt ein kleines Mädchen vergeblich auf sein Stofftier gewartet hatte.

„Keinesfalls!“, rief der nächtliche Besucher aus. „Du ahnst ja gar nicht, wie anstrengend unser Job ist! Wir müssen jedem Kind auf der Erde ein Geschenk bringen. Wir arbeiten hart daran, unser System zu verbessern, aber der Weihnachtsmann ist auch nicht mehr der Jüngste und Fehler passieren eben. Auch bei uns. Deswegen möchte ich dich herzlich auf den Weihnachtsbasar einladen!“

Der Weihnachtself deutete auf den leuchtenden Kreis, in dem Kai die Umrisse mehrerer Personen erkannte. Es musste sich um eine Art Portal handeln, das mitten in seinem Zimmer schwebte. Aufgeregt klopfte das Herz in seiner Brust. Was hatte das Ganze nur zu bedeuten?

„Irgendwo dort ist das Mädchen, dem das Geschenk gehört“, erklärte der Elf. „Es heißt auch Kai, genauso wie du. Deswegen ist uns diese Verwechslung passiert. Wenn ihr euch findet, könnt ihr die Geschenke tauschen.“

Das ließ sich Kai nicht zweimal sagen. Hastig sprang er von seinem Bett, umfasste den Hals des Ponys mit beiden Armen und folgte seinem Besucher auf den Weihnachtsbasar. Ein Kribbeln überlief seinen Körper, als er das Portal durchschritt.

Danach schallte ihm eine wahre Geräuschwelle entgegen. Hunderte Kinder aus aller Welt standen hier beisammen, unterhielten sich und lachten gemeinsam. Mit großen Augen spähte er hinter dem Stofftier hervor, beobachtete das Geschehen neugierig.

Selten hatte er außerhalb eines Spielzeuggeschäfts so viele Spielzeuge auf einmal gesehen. Von geschnitzten Holztieren über funkelnden Plastikschmuck bis hin zu Spielkonsolen war wirklich alles da. Zwischen den Kindern huschten zahllose Weihnachtselfen umher, verhinderten, dass Streit ausbrach, und übersetzten Gespräche, wenn die Basargäste einander nicht verstanden.

Plötzlich spürte er, wie jemand am Hemd seines Pyjamas zog. Überrascht drehte er sich um und blickte in die dunklen fragenden Augen eines etwa sechsjährigen Mädchens. Schwarze Locken hingen ihm ins Gesicht. Auf seinem gelben Schlafanzug tanzten rosa Einhörner mit grünen Waldfeen.

„Ich bin Kai“, sagte das Mädchen. Anklagend zeigte es auf das Stofftier in seinen Armen. „Und du hast mein Pony.“

„Ich bin auch Kai“, gab er zurück. „Wo hast du mein Geschenk?“

Das Mädchen deutete auf ein rotes ferngesteuertes Auto, das in einiger Entfernung auf dem Boden lag. Ruckartig wurde das pinke Ungetüm aus seinen Fingern gerissen. Mit tapsigen Schritten rannte das andere Kind davon.

„Gerne geschehen!“, rief er ihr hinterher, erhielt jedoch keine Antwort. „Dann eben nicht.“

Mit einem Schulterzucken sammelte er sein hübsches, rotes Auto ein und mischte sich unter die anderen Kinder. Bestimmt durfte er noch eine Weile hier bleiben. Die Weihnachtselfen würden ihm schon Bescheid sagen, wenn er nach Hause zurück musste.

Lily Beier (geb. 1989) schreibt bereits seit vielen Jahren Geschichten. Besonders kreativ wird sie nachts, deswegen kommt ihr die Arbeit als Krankenschwester im Nachtdienst sehr gelegen. Mehr aus Interesse als aus Ehrgeiz studiert sie Germanistik und Geschichte in Bochum. Im Moment schreibt sie vor allem Kurzgeschichten.

*

Was macht Marie zu Weihnachten?

„Wer bist du?“, fragte Marie den Unbekannten ganz aufgebracht. Er sah ziemlich merkwürdig aus, ein brauner Bär, der nicht höher als bis zu ihren Knien reichte, mit einer großen roten Schleife um den Hals gebunden und einer großen Kristallkugel in der Hand, die hellrosa leuchtete.

„Mein Name ist Sorgenlos und ich bin hier, um dir zu helfen.“

Die kleine Marie staunte: „Warum denn?“

„Weil du ungeduldig bist, denn ich habe gesehen, wie du dich aufgeregt hast, weil du noch keine Geschenke bekommen hast.“

Tatsächlich war dem so. Heute war Heiligabend, doch die Geschenke durfte sie erst dann bekommen, wenn ihre Großeltern und ihre Tanten und Onkel bei ihnen angekommen waren. „Aber ich möchte jetzt schon meine tollen Geschenke!“, jammerte Marie uneinsichtig.

Der Bär seufzte darauf nur. „Damit du siehst, wie viel das Christkind an diesem Tag zu tun hat, werde ich dich jetzt mit zu ihm nehmen!“

Noch bevor Marie etwas sagen konnte, erstrahlte die Kugel ganz hell und verschlang die beiden im Nu. Nur Sekunden später stand sie schon auf einer der großen Wolken, die den Nachthimmel bedeckten. Wenn man an Weihnachten und die Heimat vom Christkind dachte, verband man es sofort mit einer großen Stadt, umgeben von zahllosen Süßigkeiten – und erst das große Schloss, in dem es wohnen sollte! Doch nichts lag ferner als die Annahme, dass das Christkind eitel und von glitzernden Dingen umgeben sei. Das Gegenteil war der Fall, was Marie gleich erkannte, denn Bescheidenheit war seine Tugend.

Vor ihren Augen stand das Christkind in einem normalen Zimmer und war höchstpersönlich damit beschäftigt, die Liste mit den Kindern der ganzen Welt durchzugehen.

„Hallo, Marie, ich habe dich bereits erwartet.“ Der Engel guckte sie freundlich an, eine ähnliche Kristallkugel haltend wie der Bär. „Es freut mich, dass du hier bist. Du bist heute Abend aber ziemlich ungeduldig gewesen, nicht wahr?“

Marie war es auf einmal unangenehm, dass sie nicht warten konnte, aber sie wollte doch schon so gerne die tollen Geschenke haben!

„Nun, wie du siehst habe ich viel zu tun und kann nicht überall gleichzeitig sein, das verstehst du doch?“

Marie war ihr Benehmen plötzlich so peinlich, dass sie beschämt zu Boden sah.

„Weißt du, wie ich das mit den Geschenken mache?“ Neugierig blickte das Mädchen nun hoch. Mit einem kurzen „Ich zeige es dir!“ hob er vorsichtig die Kristallkugel in seiner Hand auf Maries Augenhöhe. Viele traurige Gesichter, voll Kummer und Sorgen, guckten ihr entgegen. „Diese Kinder, die du hier siehst, haben es sehr schwer in ihrem Leben, sie haben keine Eltern und auch kein eigenes Zuhause, sie leben in Heimen oder gar auf der Straße.“

Marie war den Tränen nahe, denn so hatte sie es noch nie gesehen, dass es anderen Menschen schlimmer ging als ihr.

„Diese kleinen Seelchen bekommen die Geschenke zuerst. Es ist wichtig, ihnen unsere Liebe zu zeigen“

Der Blick war sanft, als er Marie anschaute. „Ich bin mir sicher, dass du nicht mit Absicht so ungeduldig bist, trotzdem musst du eines verstehen: Jeder hat es verdient, etwas Besonderes zu Weihnachten zu bekommen, egal ob reich oder arm, ob groß oder klein.“ Tränen kullerten Maries Wangen hinunter.

„Tut mir leid!“ Sie sah ein, dass es sehr unfair von ihr gewesen war – sie war wichtig und sonst keiner. Das Kind war freudig überrascht, als das Christkind es liebevoll umarmte.

„Schön, dass du es jetzt verstehst, aber es ist spät geworden. Du musst nach Hause.“

Da kam dem Mädchen plötzlich eine grandiose Idee! „Ich möchte dir bitte helfen!“ Die Kleine wollte ihr Fehlverhalten wiedergutmachen. Die anderen Kinder auf der Welt sollten ein genauso schönes Weihnachten haben wie sie.

Nach kurzem Überlegen willigte das Christkind ein. „Gut, dann lege jetzt bitte deine Hand auf die Kristallkugel und schließe dabei ganz fest die Augen.“

Ohne groß darüber nachzudenken, tat es Marie und gleich darauf durchströmte sie eine wohlige Wärme, die sie nie zuvor verspürt hatte. Glück und Freiheit beherrschten sie stärker als zu Beginn ihrer großartigen Reise zum Christkind.

Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, in der sie leichtfüßig schwebte, doch in Wahrheit dauerte es keine zwei Sekunden. Sie spürte wieder festen Boden unter sich. Langsam und vorsichtig öffnete sie ihre Augen.

Das Zimmer hatte sich schlagartig verändert. Es stand kein Christkind mehr neben ihr, sondern ein bescheiden geschmückter Christbaum – wenn man das kleine, dürre und kahle Etwas denn einen Baum nennen konnte. Neugierig blickte sie umher und entdeckte, dass sie ein kleines Geschenk in den Händen hielt.

„So macht das Christkind das!“, staunte sie und schlich auf leisen Pfoten zum Baum, doch der Boden knarrte so laut, dass sie kurz innehielt und nach Geräuschen von den Hausbewohnern lauschte. Als jedoch nach gut einer Minute nichts Verdächtiges zu hören war, fuhr sie mit ihrem Auftrag fort. Sie kam nicht weit, da hörte sie jemanden hinter sich nach Luft schnappen.

„Wer bist du?“

 

Erschrocken fuhr Marie herum und sah in das verblüffte Gesicht eines kleinen Jungen. Er war kaum jünger als sie selbst.

„Ich bin nur ein Traum“, log sie schnell und vollführte einen Tanz, den sie für ein Theaterstück in der Schule einmal einstudiert hatte. Und das sollte ein Geistertanz sein? Sie glaubte selbst nicht mal daran und den Jungen schien es auch nicht zu überzeugen.

„Nein, du bist echt“, stutzte der Kleine, ehe er etwas zaghaft auf Marie zuging. „Du hilfst dem Christkind, oder?“ Seine kindliche, aufrichtige Neugier beeindruckte das Mädchen sehr, doch etwas in seinem Blick verriet auch seine Trauer.

Erst jetzt nahm Marie das Zimmer genauer unter die Lupe. Die Wände könnten neue Farbe gebrauchen, von dem abgenutzten Teppich mal ganz abgesehen. Der Vorhang war halb abgerissen und die Möbel standen zusammengewürfelt im Raum. Alles hier wirkte alt und ungeliebt.

Marie konnte die nächsten Worte kaum aussprechen, als sie in die großen und unschuldigen Augen des Jungen sah. „Ja, ich helfe, die Geschenke auszuteilen.“ Wenn sie schon dachte, dass die Sonne hell leuchten konnte, so war es nichts im Vergleich zu der strahlenden Freude des Jungen.

„Das ist ja toll!“ Marie war sich sicher, ihr würden heute noch Tränen die Wangen hinunterlaufen.

„Wie heißt du denn?“, fragte sie und kniete sich vor ihm hin. Er war etwas kleiner als sie, bemerkte das Mädchen.

„Leon“, sagte er freudig.

„Gut, du scheinst brav gewesen zu sein, also habe ich ein schönes Geschenk für dich.“

Der Junge freute sich riesig, als er vorsichtig das Paket öffnete und hineinblinzelte.

„Ein Fußball! So einen habe ich mir schon so lange gewünscht!“ Obwohl sich Marie nichts daraus machen konnte, schien es für Leon alles zu bedeuten. „Mein Papa wollte mir immer schon einmal zeigen, wie das Fußballspielen geht, doch er schaffte es leider nicht mehr.“ Sie erkannte, dass Leon nun Tränen in die Augen traten.

Marie wollte noch so viel fragen, sie wollte mehr von ihm wissen.

Warum war dieses einfache Geschenk so wichtig?

Und was war mit seinem Vater geschehen?

War er einer jener Kinder, die keine unbeschwerte Kindheit hatten?

Doch bevor sie sich richtig verabschieden konnte, wurde sie wieder von diesem warmen Licht umgeben und aus dem Raum gezogen. Marie würde sich noch lange an das Gesicht des Jungen erinnern und auch an all jene Erfahrungen, die sie beim Christkind erlebt und mit nach Hause genommen hatte.

Michaela Secklehner (26) aus Sankt Georgen an der Gusen stammend, wurde zu Weihnachten das Christkind als Glaubenssymbol gelehrt und in ihrem Heimatland Österreich ist es besonders geschätzt. Deshalb bekam dieser Engel eine große Rolle in ihrer Kurzgeschichte. Nicht nur Malen (mittels Leinwand und Acrylfarben) und Zeichnen (vor allem mit Bleistift und Kohle) gehören zu ihren Leidenschaften, in ihrer Freizeit widmet sie sich auch dem Theaterspielen sowie dem Schreiben von Kurzgeschichten. Einige von ihnen wurden schon in Anthologien veröffentlicht.“