AC/DC

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

2 PROBLEM CHILD

Früh übt sich

Man kann den Einfluss der Easybeats auf die australische Musikge­schichte und auf Malcolm und Angus Young gar nicht hoch genug ansetzen. Das Leben in der sie umgebenden gesetzten, konservativen Gesellschaft erzeugte in den Brüdern in zunehmender Weise einen Frust, und der Rock’n’Roll diente ihnen schließlich als eine Art Ventil dafür.

Angus erzählt: „Zu Hause war immer Musik um uns, wahrscheinlich deshalb, weil meine Brüder Musiker waren, jeder in einer anderen Epoche. Musik wurde bei uns nie als etwas Schlechtes angesehen, sondern immer als etwas Gutes. Ständig lief das Radio oder der Platten­spieler, und mein Vater sagte nie: ‚Mach das aus, das ist doch nichts!‘ Es galt immer: Je mehr Musik, desto besser.“

Malcolm und Angus wurden jedoch von ihren Eltern nicht darin unterstützt, nach dem Vorbild ihrer Brüder Alex und George die Musik zu ihrem Beruf zu machen. Angus berichtet über das geringe Ansehen der Rockmusik in ihrer Umwelt: „Natürlich haben uns die Easybeats inspiriert, aber man versuchte, uns von ihnen fernzuhalten. Unsere Lehrer waren mißtrauisch. Sie dachten, unser Bruder würde uns zur Rebellion anstiften. Wir sollten am besten gar nichts damit zu tun haben, und unsere Eltern dachten, es sei besser, wenn wir etwas anderes machen würden.“

Daher waren Mr. und Mrs. Young nicht gerade erfreut, als ihnen ihre beiden Jüngsten eröffneten, dass sie eine Laufbahn als Berufsmusiker anstrebten. „Viel Unterstützung bekamen wir nicht“, bestätigt Malcolm. „Unser Vater fragte George immer noch, wann er denn endlich etwas Anständiges machen würde.“

Der Verlauf von Malcolms und Angus’ Schulkarriere ließ aber auch wenig Raum für andere Berufswünsche. Nachdem die Familie in Australien angekommen war, hatte es nicht lange gedauert, bis Mal­colm als Schulhofrabauke berüchtigt wurde. Und obwohl Angus eine künstlerische Begabung erkennen ließ, zeigte er im allgemeinen wenig Interesse an der Schule. Er war häufig das Opfer körperlicher Züchtigung, die in den sechziger Jahren an australischen Schulen noch gang und gäbe war. „Gleich am ersten Tag wurde ich verprügelt“, erinnert er sich. „Der Lehrer sagte: ,Name!‘ – ,Young.‘ – ,Komm nach vorne, ich will den anderen ein Beispiel an dir geben!‘“

„Ich war unglücklich in der Schule und habe oft geschwänzt. Ich war ziemlich schlecht, und das einzige Fach, das ich richtig mochte, war Kunst. Da konnte man machen, was man wollte. Einmal bastelte ich eine zwei Meter große Fliege aus Pappmaché, die den anderen dann im Bus eine Riesenangst machte.“

Angus weiß über das australische Erziehungssystem nicht viel Gutes zu sagen: „Es war wie beim Militär, ich glaube, die waren auch noch stolz darauf, uns im Unklaren darüber zu lassen, was in der übrigen Welt passierte. Als ich aus Australien herauskam, war ich wirklich überrascht davon, wie die Leute woanders leben. Die hatten einfach viel mehr Freiheiten als wir.“

Als die Easybeats groß herauskamen, verlieh Angus’ Schulleiter seiner Abneigung gegen die Rockmusik Ausdruck, indem er ihm be­fahl, sich die Haare schneiden zu lassen, und ihm sagte, dass sein großer Bruder einen „Beruf für Perverse“ ergriffen habe. Das brachte seine Mutter auf den Plan. Sie nannte den Schulleiter einen Lügner und ließ ihn wissen, dass es an ihr und ihrem Mann sei, Angus zum Haareschnei­den zu schicken. Sie mochte überhaupt nicht, wie ihre Kinder von der Obrigkeit gegängelt wurden.

„Ich war eigentlich gar nicht böse.“ Darauf besteht Angus im Rück­blick. „Ich konnte durchaus zuhören. Und wenn ich etwas wissen wollte, schickte mich mein Vater in die Bücherei um die Ecke. Und dort war ich auch, wenn ich die Schule schwänzte. Es war toll da. Die hatten ganze Regale voll mit der Zeitschrift Down Beat aus Amerika. Darin las ich gerne Berichte über Muddy Waters. An den Zeitungsständen gab es so etwas nicht.“

Angus hatte, als seine Spielkunst noch in den Kinderschuhen steck­te, schon eine Gibson SG, die ihm später zum Markenzeichen werden sollte. Er konnte jedoch noch keine Akkorde, sondern nur Melodieläu­fe, obwohl er als Elfjähriger ein paar Stunden Gitarrenunterricht genos­sen hatte und obwohl seine allererste Gitarre eine abgelegte Akustik­klampfe von Malcolm gewesen war. Das meiste hatte er sich selbst beigebracht. Und so sieht er heute seine ersten Gehversuche in der Musik: „Ich tat den zweiten Schritt vor dem ersten. Zuerst lernte ich die Soli, dann die Akkorde.“

Doch auch damit konnte er schon früh Anschluss an Gleichgesinnte finden, die bereit waren, es mit ihm zu versuchen. Angus erzählt: „Ich war klein, und ich ging immer gleich nach der Schule in diese Klubs. Die meisten Typen, die da rumhingen, waren viel älter und sahen wirklich hart aus. Irgendwie fanden sie aber Gefallen an mir und ließen mich in ihren Bands spielen, und als sie merkten, dass die Leute tatsäch­lich wegen mir in ihre Konzerte kamen, machten sie sogar Werbung mit meiner Person.“

Die älteren Musiker kündigten Angus oft als den „Babystar“ an ‒ schließlich war er noch minderjährig. Angus erzählt aus der Zeit: „Die Klubbesitzer fragten: ,Wie alt ist der Kleine?‘ Wir mussten lügen und sagen: ,Ach, das ist doch ein Liliputaner.‘ Damit kam ich immer rein.“

Schon damals wusste Angus, dass es genau das war, was er im Leben anfangen wollte. „Ich steckte voller Energie und Tatendrang. Ich wollte es schaffen, und ich wusste, dass ich es schaffen würde. Ich wollte die Leute einfach nur auf mich aufmerksam machen. Ich ließ nicht locker und blieb immer dran.“

Wie man es an den australischen Schulen üblicherweise mit Kindern aus der Arbeiterklasse machte, so wurde auch Angus angeboten, kurz vor Vollendung seines fünfzehnten Lebensjahres zu gehen. Er nahm an. „Ein schönes Angebot war das!“, schnaubt er. „Wenn man nicht von selbst ging, wurde man rausgeschmissen. Wenn man im Jahr soundso oft gefehlt hatte, war man es einfach nicht wert, weiter unterrichtet zu werden.“

Angus erinnert sich folgendermaßen an seinen Fall: „Ich war vier­zehn und neun Monate ‒ mit diesem Alter endete die gesetzliche Schulpflicht. Der Schulleiter ließ uns in einer Reihe antreten und sagte: „Morgen, Jungs. Nun, eure Zeit ist gekommen ‒ ihr wisst schon: Ihr habt das Alter erreicht ... Mr. Young, Sie sind faul, Sie sind ständig abwesend, also schlage ich vor, ...‘ Wenn man damals in Australien aus einer Arbeiterfamilie kam, hatte man im Leben keine große Wahl. Malcolm und ich entschieden uns für die Fabrik.“

Während sich Angus vorübergehend als Hausmeister verdingte und eine Lehre als Schriftsetzer anfing – in der Druckerei wurde unter anderem das Softporno-Magazin Ribald hergestellt –, arbeitete Malcolm als Nähmaschinenmechaniker in einer Büstenhalterfabrik. Während sie tagsüber in ihren unbefriedigenden Jobs schufteten, nutzten sie ihre Freizeit, indem sie nach Feierabend in verschiedenen Sydneyer Bands spielten.

1971 schloss sich der achtzehnjährige Malcolm einer Gruppe an, die sich merkwürdigerweise den Namen Velvet Underground gegeben hatte. Sie hatte nichts mit der gleichnamigen legendären New Yorker Band von Lou Reed und John Cale zu tun, sondern war 1967 in Newcastle 100 Kilometer nördlich von Sydney gegründet worden. Nachdem sie ihr Lager in der Metropole aufgeschlagen hatten, holten sie sich Andy Imlah als Sänger und Malcolm als Gitarristen und nahmen auf dessen ausdrücklichen Wunsch auch mehrere Stücke seines damaligen Idols Marc Bolan ins Programm, das im übrigen aus Material von ame­rikanischen Westküstenbands wie den Doors oder Jefferson Airplane bestand. Die Gruppe war in den Sydneyer Tanzklubs gern gesehen. Malcolm konnte seinen Job an den Nagel hängen und verdiente seinen Lebensunterhalt fortan durch die Musik.

Er arbeitete nun ununterbrochen an seiner Musikerkarriere. Er war festes Mitglied bei Velvet Underground, spielte aber auch oft am selben Abend noch mit seinen Bandkameraden als Begeitgruppe von Ted Mulry, der ebenfalls bei Albert Productions war. Jedoch war die Musik von Velvet Underground nicht das, was ihm eigentlich vor­schwebte, besonders seit er Gefallen an Deep Purple gefunden hatte, und als er ihr einfallsloses Programm überhaupt nicht mehr ertragen konnte, verließ er Ende 1972 die Gruppe mit dem Entschluss, eine eigene Band zu gründen, in der er sich musikalisch besser würde verwirklichen können.

Nach der Auflösung der Easybeats waren George Young und Harry Vanda nach Australien zurückgekehrt, um als Komponisten- und Pro­duzentenduo für Albert Productions zu arbeiten. Das Gespann Vanda/Young sollte schließlich noch durch die Arbeit mit AC/DC und anderen Gruppen wie Rose Tattoo und Angel City eine neue, zeichensetzende Art von rauem australischem Hardrock prägen. Im Jahre 1973 jedoch arbeiteten George und Harry an einer eigenen Schallplatte, Tales Of Old Granddaddy. Sie nannten sich für dieses Projekt Marcus Hook Roll Band. Mehr zum Zeitvertreib hatten sie schon in London, wo sie sich seit ihrer Zeit mit den Easybeats hauptsächlich aufgehalten hatten, ein paar Lieder unter diesem Namen aufgenommen, aber nachdem der amerikanische Zweig von EMI Interesse bekundet hatte, wurde nun in Sydney ernsthafter an einer Langspielplatte gearbeitet. Dafür wurden Georges jüngere Brüder als zusätzliche Gitarristen angeheuert.

„Das war die erste Sache, die Malcolm und Angus vor AC/DC machten“, erzählte George später dem altgedienten australischen Musikjournalisten Glenn A. Baker. „Wir nahmen das Ganze nicht so ernst, und deshalb ließen wir sie mitmachen. So konnten sie mal sehen, wie es in einem Aufnahmestudio so zugeht.“

Die Arbeit mit George und Harry an Tales Of Old Granddaddy, heute übrigens ein begehrtes Sammlerstück, machte Malcolm klar, dass es mit dem Grundgedanken des Rock’n’Roll unvereinbar sei, alle Instru­mente getrennt aufzunehmen und die Tonspuren nachträglich zusam­menzumischen. Seine eigene Band würde das bestimmt nicht so ma­chen. Malcolm hatte schon recht klare Vorstellungen von der Gruppe, in der er spielen wollte.

 

3 IT’S A LONG WAY TO THE TOP (IF YOU WANNA ROCK’N’ROLL)

Aller Anfang ist schwer

Während sein älterer Bruder Pläne für die Band seiner Träume schmie­dete, war Angus schon dabei, eine ihm eigene Bühnenshow zu entwic­keln. Später vertraute er der Zeitschrift Rip an, dass seine unkontrolliert wirkende, spasmische Körpersprache auf der Bühne ihn ganz unwillkürlich überkomme: „Immer wenn ich spiele, ist es irgendwie so, dass sich, während die meisten anderen nur einen Ton auf der Gitarre langziehen, bei mir der ganze Körper zieht. Ich bin eben ein kleiner Kerl. Und wenn ich einen Akkord runterschlage, dann geht mein Kör­per mit. Bei den anderen bewegen sich nur die Finger, bei mir der ganze Körper.“

Angus’ spezieller Entengang, den er sich von Chuck Berry abge­guckt hatte, und der „Anfall“ auf dem Boden, die bis heute zu seinen Markenzeichen gehören, waren hilfreiche Mittel, die Aufmerksamkeit der betrunkenen Krawallmacher in den Spelunken der Vororte auf sich zu ziehen. Viele dieser Einlagen sind eher zufällig entstanden. Angus erzählt, dass die Band, in der er vor AC/DC spielte, eines Abends „beim Publikum überhaupt nicht gut ankam. Ich ging über die Bühne und stolperte über das Gitarrenkabel. Ich kam mir natürlich wie ein Idiot vor. Da wälzte ich mich auf dem Boden herum und ließ das Ganze aussehen wie einen Todeskampf; dazu ließ ich die Gitarre kreischen, dass es durch Mark und Bein ging. Das war der einzige Applaus, den wir den ganzen Abend über bekamen. Malcolm wollte eine neue Band gründen, und er sagte nur: ‚Komm und mach das bei uns.‘“

Angus hatte zwar keine genauen Vorstellungen davon, was er im Leben anfangen sollte, aber er wusste recht genau, was er nicht tun wollte. „Ich würde nicht arbeiten gehen“, erzählte er der Zeitschrift Circus. „Darin war ich mir ziemlich sicher. Ich weiß noch, wie mein Vater sagte: ,Du und Malcolm in einer Band? Das kann nicht gutgehen!‘“ Wir lagen uns ständig in den Haaren.“ Ursprünglich wollte Malcolm in seiner noch namenlosen neuen Gruppe alleine Gitarre spielen, aber in letzter Minute entschloss er sich, statt eines Keyboarders Angus hinzu­zunehmen. Die Originalbesetzung von AC/DC umfasste neben Malcolm und Angus den Sänger Dave Evans, den gebürtigen Holländer Larry Van Knedt am Bass und den Schlagzeuger Colin Burgess, der davor bei den Masters Apprentices, einer recht beliebten Band aus Adelaide, die Felle gegerbt hatte.

Der aus Newcastle stammende Frontmann Evans, den Malcolm während seiner Zeit bei Velvet Underground kennengelernt hatte, der Angus als „kleinen Hohlkopf“ verspottete – bis er ihn spielen hörte – und der von ebendiesem später als „kleiner Gary-Glitter-Fan“ entlassen werden sollte, war ein sich im Stile der Glamrocker kleidender Schön­ling auf Plateauabsätzen, dessen überzogene Possenreißerei auf der Bühne im Gegensatz zu dem eher bodenständigen Bild stand, das AC/DC später abgeben sollten. Evans war zwar kein besonders guter Sän­ger, aber er besaß eine Ausgefallenheit, die darin bestand, dass er sich an der Glamrock-Bewegung orientierte, für die Malcolm damals ein offenes Ohr hatte.

Angus erklärt: „Als wir anfingen, war es uns egal, ob wir ins Radio kommen würden und was die Leute über uns sagten. Wir wussten nur, dass das, was wir machen wollten, der Musik damals fehlte. Wir gingen einfach auf die Bühne und spielten Rock.“

Der erste Auftritt von AC/DC, damals noch ohne Namen, fand in der Silvesternacht 1973 in dem kleinen Sydneyer Klub Chequers statt. Das Quintett läutete das neue Jahr mit einem Programm ein, das zum größten Teil aus Stücken von Gruppen wie den Beatles, den Rolling Stones oder von Chuck Berry bestand. Die Band musste ihren wahren Stil erst noch finden. Dennoch sind sich die Zeugen darin einig, dass schon in dieser frühen Phase die Feuerkraft ihrer Musik beeindruckend war. „Wir waren ungefähr zwei Wochen zusammen gewesen“, erinner­te sich Angus später an jenen Abend. „Wir mussten raus auf die Bühne und losfetzen, das war klar. Vom ersten Moment an lief es wie am Schnürchen. Die Leute dachten, wir seien ein Haufen Verrückter. – ,Wo sind die Kleinen ausgebrochen?‘ und solche Sprüche.“

Zu jener Zeit trug Angus schon sein Markenzeichen auf der Bühne, die Schuluniform. „Ich fing an, meinen Schuljungenanzug zu tragen“, erklärt er, „weil wir in meiner ersten Band immer gleich nach der Schule probten; ich hatte ihn also schon an. Die in meiner nächsten Gruppe fanden mich gut in dem Anzug, weil die Leute auf sie aufmerksam wurden, und als ich dann bei AC/DC war, erwartete man schon, mich so zu sehen.“

Angus hat aber auch an anderer Stelle erklärt, dass sein Kostüm das Ergebnis eher praktischer Überlegungen war. „Ich trug Shorts, weil man sich in ihnen leichter bewegen kann als in Jeans. Wenn ich stark schwitzte, hingen sie an meinen Beinen wie festgeklebt. Ich dachte: ,Du machst es jetzt wie die Fußballer und trägst kurze Hosen.‘ Da kam meine Schwester und schlug vor: ,Zieh doch einfach deinen Schulanzug an.‘ Ich ging damals in Sydney zur Schule und hatte einen Blazer, denn die Schüler dort tragen Uniformen. Ich nahm eine alte Mütze, machte ein großes ,A‘ drauf, und das war’s. Am Anfang dachte ich: ,Du siehst ja verrückt aus in diesem Schul­jungenanzug und mit der ganzen Aufmachung, du musst noch was anderes bringen. Du kannst nicht einfach auf die Bühne gehen und erwarten, dass alles von selbst geschieht.‘ Und so habe ich dann immer neue Sachen in die Show eingebaut, und sie wurde immer ausgefalle­ner. Aber der Entengang und das Herumhüpfen waren schon immer. Wenn ich auf einem Fleck stehen muss, kann ich einfach nicht spielen, und solange ich zurückdenken kann, gehe ich mit dem Kopf mit, wenn ich Musik höre.“

Wo die Ursprünge von Angus’ wahnsinniger Bühnenshow auch liegen mögen, sie gab der relativ einfachen Darbietung der frühen AC/DC eine selbstdarstellerische Note, die bis ins Groteske hineinspielte, und symbolisierte auf durchschlagende, wenn auch recht seltsame Weise die Auflehnungshaltung der Gruppe gegenüber der Gesellschaft. In den frühen Tagen jedoch war der Anblick des zwergenhaften Gitar­renhelden eher dazu geeignet, das Kneipenpublikum zu verwirren. „Es war wie ein Sprung ins kalte Wasser“, erklärt Angus. „Die Leute fragten sich: ,Soll das ein Witz sein?‘ und fingen an zu lachen. Malcolm sagte zu mir: ,Stopf ihnen das Maul! Zeig ihnen, dass du spielen kannst!‘ Das Gute daran war, dass sie uns nicht mehr vergaßen, denn da war der Kleine in den kurzen Hosen, der sich aufführt wie bei einem epileptischen Anfall.“

Manchen Berichten zufolge war der Name „AC/DC“ ein Vorschlag von Schwester Margaret. Sie soll die Abkürzung bei den Benutzerhinweisen auf ihrer Nähmaschine bemerkt haben. Angus hat einmal gesagt, er habe sie zuerst auf Mamas Staubsauger entdeckt. Die Young-Brüder haben immer wieder hartnäckig darauf verwiesen, dass der Bandname aus dem Bereich der Elektrizität stammt. Dass darin im Slanggebrauch auch eine Anspielung auf gewisse sexuelle Neigungen enthalten ist, behauptete man, nicht gewusst zu haben.

Obwohl die Gruppe den Bezug der Bisexualität, den ihr Name anklingen ließ, fortwährend heftig bestritt, sagte Malcolm in einem Interview mit der australischen Rockzeitschrift Go-Set im Jahre 1974: „Wenn die Leute denken wollen, dass wir fünf Schwuchteln sind, dann können sie das von mir aus.“ Die Unklarheit über den Namen „AC/DC“ nahm solche Züge an, dass die fünf oft sogar auf Schwulenveranstaltungen spielen sollten; weil die Gruppe immer heiß auf Konzerte war, wurde nichts abgelehnt.

Bis April 1974 war die Rhythmussektion der Originalbesetzung durch den Bassisten Rob Bailey und den Schlagzeuger Peter Clack (nach einem kurzen Zwischenspiel der Drummer Ron Carpenter und Rüssel Coleman) ersetzt worden. So nahmen AC/DC ihre erste Single auf. „Can I Sit Next to You Girl“ war von Malcolm und Angus geschrie­ben worden, als Produzenten zeichneten George Young und Harry Vanda verantwortlich. Das Debüt zog zwar weithin unbemerkt vor­über, in einzelnen Städten jedoch, in Perth und in Adelaide, wurde das Stück zu einem kleinen Hit.

George hatte Malcolm unterdessen ermöglicht, als Gitarrist an der LP Hard Road mitzuarbeiten, die er und Harry Vanda für Stevie Wright produzierten. Der ehemalige Sänger der Easybeats war nach deren Auflösung heroinsüchtig geworden, hatte aber auch in Sydney die Besetzung des Musicals Jesus Christ Superstar verstärkt. Hard Road enthielt den australischen Superhit „Evie“, und es war für AC/DC eine Sache von größter Werbewirksamkeit, bei einem Gratiskonzert im Sydneyer Opernhaus vor mehr als 10.000 Zuschauern als Vorgruppe spielen zu dürfen. Die Hauptgruppe bestand neben Stevie Wright aus George Young und Harry Vanda sowie Malcolm.

Das, was AC/DC bei diesem Auftritt geboten hatten, veranlaßte Go-Set zu der Prophezeiung, dass man auch zukünftig „mit ihnen rechnen muss. Sie spielen den Rock’n’Roll intelligent und bauen in Standard­nummern wie .Heartbreak Hotel“, ,No Particular Place to Go‘ und ,Shake, Rattle and Roll* ihre eigenen Ideen ein.“ Ferner konnte man in dem Bericht lesen, dass die Gruppe „gut aussah und sich gut anhörte. Ihr Material ist teilweise selbst komponiert und wird ohne Zweifel viele Freunde finden, wenn die Band ein bisschen mehr herumkommt.“

George Young hatte im frühen Erfolg von AC/DC weiterhin eine Schlüsselrolle inne, und das nicht nur, weil er ein fähiger Produzent war, sondern auch, weil er seine hart erworbene Erfahrung aus den Tagen mit den Easybeats mitbrachte. Er hatte die Rückschläge in der Karriere seiner Band, die aus Naivität und Unerfahrenheit entstanden waren, vor Augen, und er gab viel von seiner Weisheit weiter. Seine nützlichen Ratschläge waren von unschätzbarem Wert für AC/DC, in­dem sie ihnen viele der Fehler ersparten, die er selbst gemacht hatte. Ganz besonders wichtig war es, die Rock’n’Roll-Wurzeln der Musik nicht aus den Augen zu verlieren. Dieser Bodenkontakt war den Easy­beats verlorengegangen, nachdem sie angefangen hatten, mit anderen Stilrichtungen zu experimentieren.

Auch wenn Malcolm und Angus die frühen Jahre von AC/DC später als einen Aufstieg aus dem absoluten Nichts darstellten ‒ wobei diese Behauptung sicherlich eine ganze Menge Wahrheit für sich in Anspruch nehmen kann ‒, so sollte doch nicht vergessen werden, dass die Gruppe in zweierlei Hinsicht einen Vorteil besaß, nämlich einmal durch die Finanzkraft des Albert-Imperiums hinter sich und zum anderen durch die Hilfe ihrer Karriereberater George Young und Harry Vanda, die ihnen mit ihren Beziehungen zur Seite standen. Besonders George war beim Aufbau des typischen AC/DC-Klanges gleichermaßen unverzichtbar. Er bündelte ihre ungezügelte Kraft, versuchte dabei aber nicht, sie für den Massengeschmack glattzubügeln. „Es war unglaublich, wie das alles klappte“, wundert sich Angus heute. „George wusste genau, wen er im Studio oder bei den Radiosendern ansprechen musste, und das machte alles viel einfacher für uns.“

Auch wenn ihnen im Tonstudio und im Geschäftsbereich viel gehol­fen wurde, auf der Bühne waren sie plötzlich wieder auf sich selbst gestellt. „Wir waren eine der ganz wenigen australischen Bands, die eigene Stücke spielten“, betont Angus. „Die anderen spielten Nummern von Led Zeppelin oder Deep Purple in ihren Kneipen; wir hatten ein größeres Ziel vor Augen. In den Klubs konnte es aber schon recht wild zugehen; in Perth stieg mal so ein Trottel auf die Bühne und nahm mich in den Schwitz­kasten. Der Typ hatte es schon den ganzen Abend auf mich abgesehen. Aber ich wehrte mich und versetzte ihm damit den Schock seines Lebens. Ich weiß, dass ich auf der Bühne winzig aussehe, aber wenn ich da oben bin, schwebe ich wie auf Wolken. Wenn ich diese Schuluni­form anziehe, gehe ich in einen anderen Zustand über. Da ergreift irgendwas Besitz von mir. Malcolm meint dazu: ,Er ist wie besessen.‘ Ich bin dann eine ganz andere Person. – Und als dieser Idiot in meine Welt eindringen wollte, musste ich ihm halt einen Platzverweis erteilen.“

Obwohl die frühen Klubkonzerte von AC/DC auf diese Weise recht aufreibend sein konnten, zeigte die dabei gewonnene Erfahrung der Band, wie man ein völlig gleichgültiges Kneipenpublikum für sich gewinnt. Angus gibt ein Beispiel: „Einmal kamen wir in einer Kneipe in Australien bei den Leuten überhaupt nicht an. Man konnte spüren, wie sie dachten: ,Ist das alles?‘ Da drehte ich durch. ‒ ,Wenn die sich langweilen, dann möchte wenigstens ich meinen Spaß haben‘, dachte ich, ging mitten ins Publikum rein und tanzte mit meiner Gitarre auf den Tischen hemm. Einmal hatte ich nach so einem Abend noch ganze zwei Saiten auf meiner Gitarre. Aber Malcolm sagte: ,Mann, was du mit diesen zwei Saiten für ein Solo hingelegt hast, Angus!‘ Ich hatte eine gute halbe Stunde so gespielt.“

 

In jenem (australischen) Winter 1974 stellten AC/DC mit Georges Zustimmung einen gewissen Dennis Laughlin als ihren ersten Manager ein. Auch er stammte ursprünglich aus Schottland, war in der Nähe von Burwood aufgewachsen und war der Sänger der bekannten Gruppe Sherbet gewesen. Eine der ersten von Laughlins Anweisungen als Manager lautete dahingehend, AC/DC hinaus auf die Straße zu bringen, um die Liveszene außerhalb Sydneys für sich nutzen zu können. Laughlin gelang es, für sie einen Vertrag zu erwirken, der ihnen den äußerst werbewirksamen Platz als Vorgruppe von Lou Reed auf dessen Austra­lientournee im August bescherte.

Zu dieser Zeit hatten die Young-Brüder erkannt, dass die Gruppe unbedingt einen neuen Frontmann brauchte, weil die mangelhaften gesanglichen Qualitäten und das überzogene Gehabe im Auftreten von Dave Evans immer weniger zu Malcolms und Angus’ forscher Haltung mit ihrer klaren Linie passten. „Wir schmissen ihn oft von der Bühne“, gab Angus später Auskunft. „Ich und Malcolm improvisierten dann zu Boogies und alten Chuck-Berry-Nummern, und die Leute fanden uns ohne ihn besser.“


Ein Papagei, ein Löwe und ein verruchter Höllenhund, losgelassen auf dem Reading- Festlval 1976