Katholiken in den Thüringer Kleinstaaten

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Als mehrere Theologieprofessoren in Preußen durch ihre Bischöfe gemaßregelt wurden, da sie den Konzilsbeschlüssen zur Unfehlbarkeit und zum Jurisdiktionsprimat ihre Zustimmung verweigerten, intervenierte die preußische Staatsregierung.235 Zunächst wurde am 8. Juli 1871 die katholische Abteilung des Kultusministeriums aufgehoben236, da diese eine Interessenvertretung der Katholiken, besonders aber des Zentrums, im Regierungs- und Verwaltungsapparat darstellte.237 Auf Regierungsaber auch auf der Schulverwaltungsebene wurde den katholischen Anliegen damit der Boden entzogen. Bildungspolitik sollte vollständig unter staatliche Kontrolle kommen. Zur weiteren Schwächung eines möglichen katholischen Widerstands bzw. einer katholischen Einflussnahme auf die Gesellschaft trat am 10. Dezember 1871, und dies auf Betreiben Bayerns, der so genannte Kanzelparagraph in Kraft, der es Geistlichen unter Androhung von Festungshaft verbot, in ihrer Wortverkündigung, insbesondere aber in ihrem Predigtdienst, zu politischen Themen Stellung zu beziehen.238

Ein wichtiger Einflussbereich der Kirche auf das gesellschaftliche Miteinander war deren Funktion im Bildungswesen. Die schulische Ausbildung war so zu großen Teilen eine kirchliche Erziehung. Mit dem „Gesetz betreffend die Beaufsichtigung des Unterrichts und Erziehungswesens“ vom 11. März 1872 beendete Bismarck diese herausragende Stellung der Kirche im Bereich Bildung.239

Besonders der Gesellschaft Jesu, den Jesuiten, wurde eine staatsgefährdende Tätigkeit vorgeworfen, letztlich um einen der etabliertesten Orden mit großer Bedeutung für den Katholizismus in Deutschland zu schwächen. Durch das so genannte Jesuitengesetz vom 4. Juli 1872 wurden alle Mitglieder des Ordens aus Deutschland iesen.240

Im „Kampf“ von Kirche und Staat ging es Bismarck zunehmend darum die deutsche Geistlichkeit enger an den Staat zu binden und sie aus ihrer kirchlichen Verknüpfung zu lösen. Sie sollten zu Dienern des staatlichen Systems werden. Die im Mai 1873 nach heftigen parlamentarischen Diskussionen erlassenen Maigesetze dienten dem Ziel den katholischen Klerus aus der kirchlichen Ordnungs- und Dienstgewalt mehr und mehr zu lösen, indem künftig der Staat über die Vorbildung der Kleriker und deren Anstellung, über die Rahmen von kirchlicher Disziplinargewalt und über die Grenzen der Verhängung kirchlicher Strafen befand.241 Den Katholiken an sich wurde es ermöglicht, auf einfache Weise aus der Kirche auszutreten. Eine entsprechende Erklärung vor den staatlichen Organen genügte fortan und bedeutet seither die Befreiung von der Kirchensteuer.242

Katholiken sollten vor allem Bürger des Staates sein und nicht Untertanen einer Kirche, die zudem noch päpstlich und ultramontan geprägt war.243 Der Staat wollte sich vom Einfluss der Kirche emanzipieren.244 Dies zu erreichen, wurde die Bedeutung der Kirche auf eine rein religiöse Ebene zurückgedrängt und ihr durch das „Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung“ vom 9. März 1874, ihre Bedeutung für das bürgerliche Rechtssystem genommen.245 Dadurch wurde es möglich, ein säkularisiertes, von der Kirche vollkommen unabhängiges Leben, das allein dem Staat verpflichtet ist, zu führen.

Auch die Gesetzesordnungen bzgl. der „Verwaltung erledigter katholischer Bistümer“ (20. Mai 1874)246, das „Gesetz betreffend die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römisch-katholischen Bistümer und ihre Geistlichen“ (22. April 1875)247, das Gesetz betreffend die geistlichen Orden und ordensähnlichen Kongregationen der katholischen Kirche“ (31. Mai 1875)248 und das „Gesetz über die Vermögensverwaltung in katholischen Kirchengemeinden“ (20. Juni 187 5)249 wirkten drastisch auf die kirchliche Selbstbestimmung und Freiheit und damit auf das kirchliche Leben an sich, auch auf die Pastoral.

Amtsenthebungen von Bischöfen, aber auch Haftstrafen für zahlreiche Geistliche, bildeten den Höhepunkt in der Auseinandersetzung, die letztlich jedoch das Ziel, das Band zwischen Gläubigen und ihrer Kirche zu lockern, verfehlte.250 Im Gegenteil bewirkte es eine neue Form von Solidarität und Zusammenhalt in der Kirche.251 Hinzukam, dass durch Bedrängnis der katholischen Kirche in Deutschland die Bedeutung des Papsttums als feststehende Instanz und Autorität weiter wuchs. Bismarcks Kulturkampf geriet in eine Pattsituation.252 Eine Annäherung der „Kontrahenten“ war für beide Seiten zwingend, jedoch unter dem Pontifikat Pius IX. (17921878) nicht möglich. Dessen Nachfolger auf dem Stuhl Petri, Papst Leo XIII. (18101903), kündigte durch seine erste Enzyklika „Inscrutabili Dei consilio“ (21. April 1878) eine Wende innerhalb des kirchlichen Umgangs mit der modernen Lebenswelt an.253 Es ging um eine Aussöhnung, ein Aufbrechen verhärteter Fronten, eine Öffnung der Kirche zu den herrschenden sozialen, gesellschaftlichen und politischen Realitäten.

Auch in der innerdeutschen Politik ergaben sich neue Anforderungen, die eine Konfrontation mit der Zentrumspartei zunehmend als hinderlich für die bismarcksche Politik erscheinen ließ.254 Die Politik des Reichskanzlers entfernte sich zunehmend vom liberalen Block und suchte neue Verbündete im konservativen Lager, das, mit ihm zusammen, in der wachsenden Sozialdemokratie den eigentlichen „Reichsfeind“ sah und für deren Einschränkung Bismarck neue Mehrheiten suchte.255

Die Verhandlungen mit der römischen Kurie und der neue politische Kurs in Preußen führten letztlich zum Ende des Kulturkampfes. Sukzessive wurden die Bestimmungen gelockert, zunächst in zwei Milderungsgesetzen, später in zwei Friedensgesetzen, so dass Leo XIII. am 23. Mai 188 7256 die Auseinandersetzung für beendet erklärte, auch wenn einige Kulturkampfverordnungen, wie etwa die Zivilehe und der Kanzelparagraph (erst 1953 abgeschafft), bestehen blieben.257

Katholische Kirche und Arbeiterschaft

Bis zum Ende der Monarchie fügte sich auch die katholische Kirche immer weiter in die Struktur des jungen, preußisch geprägten Deutschen Reiches ein, besonders gefördert durch ein positiv geprägtes Verhältnis vieler Bischöfe zu Kaiser Wilhelm II. (1859-1941, reg. 1888-1918) und der Sorge vor einem Wachsen „revolutionärer Kräfte“.258 Auf der anderen Seite kam es zu einer Öffnung, besonders junger Geistlicher, für die sozialen Fragen der Zeit und damit einhergehend zu einem erheblichen Konfliktpotential zwischen Kirchenleitung und „Arbeiterkaplänen“.259 Auch wenn dies die kirchliche Einheit nicht grundsätzlich gefährdete, so zeigte sich darin eine weitere Spannung, die über das Miteinander von Kirche und Staat hinausreichte. Die Kirche zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde mit den Fragen und Problemen der Arbeiter konfrontiert und rückte damit in ein Konkurrenzverhältnis zur Sozialdemokratie.260 Auf der anderen Seite zeichnet sich in der Frömmigkeitspraxis dieser Zeit ein klar kirchlich geprägtes Glaubensverständnis, d.h., dass Symbole, Riten und traditionelle Frömmigkeitsformen, wie z.B. Wallfahrten, die Befolgung der kirchlichen Lehren, verbunden mit einer starken Anhänglichkeit an die Autorität des Papstes und der Bischöfe, zunehmend Bedeutung erlangten.261 Die ultramontane Ausrichtung vieler Katholiken knüpfte sich oft an diese Alleinstellungsmerkmale katholischen Bekenntnisses und Frömmigkeit. Die katholische Kirche bot Orientierung und Festigkeit, eben nicht nur als Institution, sondern durch den Glauben selbst, der durch die Marien- und Herz-Jesu-Frömmigkeit eine besondere Prägung erhielt und besonders im Kulturkampf als religiöser Gegenpunkt diente.262

Ausdruck fand die neue Frömmigkeit der Menschen in der Gründung von Kongregationen, Bruderschaften und Vereinen, die Zusammenhalt durch ein verbindendes Anliegen schufen und letztlich auch die Einbindung der Katholiken in ihre Kirche förderten. Die katholische Kirche war in neuer Weise Heimat und Bekenntnis geworden. Die Kirchentreue in Arbeiterkreisen hingegen war weit weniger gesichert und konnte auch durch die Gesellen- und Kolpingvereine nur teilweise gefördert werden.263

Kennzeichnend für die Geschichte des Katholizismus des 19. Jahrhunderts in Deutschland ist ein tiefgreifender Wandel auf allen gesellschaftlichen und politischen Ebenen bis hinein in die soziale Frage. In diesem Kontext entwickelten sich auch die katholischen Gemeinden der Thüringer Kleinstaaten, deren Entwicklung sich indes durch weitere, besondere Rahmenbedingungen auszeichnete. Dies bezieht sich nicht nur auf die außergewöhnliche politische Situation, die die Kleinstaaterei mit sich brachte und sich je nach Einzelstaat unterschiedlich darstellte, sondern auch darin, dass es um die Neubegründung von katholischer Glaubenspraxis an sich ging. Katholizismus war für die Thüringer Kleinstaaten des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts ein Novum.

Im Folgenden wird nun die Entwicklung des Katholizismus in den einzelnen Thüringer Kleinstaaten intensiver betrachtet.

21 Eine Beschreibung des frühmittelalterlichen einheimischen Adels ist schwierig: Grundlegend lässt sich sagen, dass sich in Thüringen eine Adelsschicht eine gewisse Unabhängigkeit vor den Franken bewahren konnte, aber selbst zu schwach war, um eine eigene Führungsrolle einzunehmen. Es blieb bei einem Gewirr von Edlen mit Titeln wie „dux“, „comes“ oder „marchio“. Vgl. dazu: H. Wittman, Im Schatten der Landgrafen. Studien zur adligen Herrschaftsbildung im hochmittelalterlichen Thüringen (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, kleine Reihe 17), Köln-Weimar-Wien 2008, S. 478-486.

 

22 Vgl. H. Patze, Land, Volk und Geschichte, in: H. Patze/W. Schlesinger (Hg.), Geschichte Thüringens, Bd. 6: Kunstgeschichte und Numismatik der Neuzeit (Mitteldeutsche Forschungen 48/VI), Köln 1979, S. 217

23 Vgl. dazu weiterführend: S. Weigelt, Ludwig IV., der Heilige, Landgraf von Thüringen und Pfalzgraf von Sachsen, in: D. Ignasiak (Hg.), Herrscher und Mäzene. Thüringer Fürsten von Hermenefred bis Georg II, Rudolstadt-Jena 1994, S. 77-90. Die Angabe der Lebensdaten der Thüringer Landgrafen, Herzöge und Fürsten beziehen sich auf: D. Ignasiak, Regenten-Tafeln Thüringischer Fürstenhäuser. Mit einer Einführung in die Geschichte der Dynastien in Thüringen, Jena 1996.

24 Vgl. Ignasiak, Regenten-Tafeln, S. 27.

25 Vgl. S. Tebruck, Pacem confirmare – iusticiam exhibere – per amiciciam concordare. Fürstliche Herrschaft und politische Integration: Heinrich der Erlauchte, Thüringen und der Weißenfelser Vertrag von 1249, in: J. Rogge/U. Schirmer (Hg.), Hochadlige Herrschaft im mitteldeutschen Raum (1200-1600). Formen – Legitimation – Repräsentation (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte 23) Stuttgart 2003, S. 243-303, hier S. 243. Verwiesen sei auch auf: H. Kunde/S. Tebruck/H. Wittmann, Der Weißenfelser Vertrag von 1249. Die Landgrafschaft Thüringen am Beginn des Spätmittelalters (Thüringen gestern & heute 8), Erfurt 2000; S. Raßloff, Geschichte Thüringens, München 2010, S. 30.

26 Vgl. B. Streich, Die Anfänge der Residenzbildung in Thüringen. Dynastische Verbindungen, Teilungen, Haupt- und Nebenresidenzen, in: K. Scheurmann/J. Frank (Hg.), Neu entdeckt. Thüringen – Land der Residenzen, Essays, Jena 2004, S. 27-42, hier S. 28. Zur sich ausbildenden Hegemonialmacht vgl. D. Stievermann, Die Wettiner als Hegemonen im mitteldeutschen Raum (um 1500), in: J. Rogge/U. Schirmer (Hg.), Hochadlige Herrschaft im mitteldeutschen Raum (1200-1600). Formen – Legitimation – Repräsentation (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte 23), Stuttgart 2003, S. 379-393.

27bißher in bruderlicher loblichmir lieb und eynigkeit Ungetilit bey ainandir sitzende pliben [gemeinsam regiert haben]; Wir nur auß gutir bewegnus und redlichen ursachen [von] uns beiden, allen Unsern Landesn luten und undirthanen zcu gut Merung unnde bleiblicher enthaldung [Erhaltung] bruderlicher trew und fruntschafft allinthalbin ufs bequemest und nuzlichst betrachtet, Im Namen gotis retig worden sein, Uns Mit einandir auß gemalten, unser beider uffgeerbten und angefallen fürstentumen und landen, und anderm [das, wir] an uns bracht, doch hirinn das herzcogtum und kurfurstentum zu Sachssen Uns herzcogen Ernst als kurfürsten und unsern Nachvolgenden erben, die nach und kurfursten sein werden allein, zcustehinde, ußgeslossen, uffs bruderlichst, fruntlichst und allergleichst erblich zcu teilen, Und uns darauff bruderlich und beflißlich mit einandir undirrett, das solch Erblich teiilung und vertragen [Vertrag], [von] uns als dem Eldsten zu machen [ist], Und unserm lieben bruder als dem Jungsten nach gemachter und geoffinter [dargelegter] teilung solch frist […] unsers lieben bruders und unser Erbliche teylung zcu machen beladen angenomen.“ Hauptteilungsvergleich zwischen Ernst und Albrecht von Sachsen 1485, hier zit. nach: John, Quellen zur Geschichte Thüringens. Von der Reformation bis 1918, Erfurt 1995, S 37f. Vgl. dazu: K. Blaschke, Die Leipziger Teilung 1485 und die Wittenberger Kapitulation 1547 als grundlegende Ereignisse mitteldeutscher Territorialgeschichte, in: J. John, Kleinstaaten und Kultur in Thüringen vom 16. bis 20. Jahrhundert, Weimar-Köln-Wien 1994, S. 1-7, hier S. 3-5; V. Graupner, Die Leipziger Teilung von 1485, in: H. Hoffmeister/V. Wahl (Hg.), Die Wettiner in Thüringen. Geschichte und Kultur in Deutschlands Mitte (Schriften des Thüringer Hauptstaatsarchiv 2), Arnstadt-Weimar 1999, S. 87-94 und Raßloff, Geschichte Thüringens, S. 39.

28 Vgl. Raßloff, Geschichte Thüringens, S. 31f.

29 Die Kurgebiete lagen auf dem Gebiet des heutigen östlichen Sachsen-Anhalts und des nordwestlichen Sachsens um Wittenberg und Torgau und zogen sich in einem schmalen Band bis in die Gegend von Zwickau. Streitigkeiten und kämpferische Auseinandersetzungen gab es zwischen den verschiedenen Linien, die in sich auch weiter aufgeteilt wurden, immer wieder. Die einzelnen Herrschaften konzentrierten sich zunehmend auf den Ausbau des linieneigenen Herrschaftsgebietes und Einflusses; vgl. F. Boblenz, Albertiner und Ernestiner, in: H. Hoffmeister/V. Wahl (Hg.), Die Wettiner in Thüringen. Geschichte und Kultur in Deutschlands Mitte, Arnstadt-Weimar 1999, S. 95-100, hier S. 95.

30 Dem Vetter des Kurfürsten Johann Friedrichs (1503-1554), Moritz von Sachsen (1521-1553), selbst evangelisch, aus der albertinischen Linie der Wettiner, war als Verbündetem des katholischen Kaisers Karl V. die Vollstreckung der am 19. Juli 1546 angeordneten Reichsacht gegen Johann Friedrich aufgetragen worden. Vgl. Stievermann, Die Wettiner als Hegemonen, S. 391. Als am 24. April 1547 Johann Friedrich nach der verlorenen Schlacht bei Mühlberg in Gefangenschaft geriet, kam es durch die Wittenberger Kapitulation vom 19. Mai 1547 zur besagten Verschiebung der Machtverhältnisse. Vgl. dazu: Auszug aus der Wittenberger Kapitulation, 19. Mai 1547, in: John, Quellen zur Geschichte Thüringens, S. 69-71 und Raßloff, Geschichte Thüringens, S. 40. Moritz von Sachsen wurde in protestantischen Kreisen als „Judas von Meißen“ bekannt, da er sich aus politischen Gründen gegen den Schmalkaldischen Bund der protestantischen Fürsten gestellt hatte.

31 Vgl. U. J. Wandel, Vom Passauer Vertrag zur Erfurter Teilung, in: H. Hoffmeister/V. Wahl (Hg.), Die Wettiner in Thüringen. Geschichte und Kultur in Deutschlands Mitte, Arnstadt-Weimar 1999, S. 175-180, hier S. 175.

32 Hingewiesen sei auf die große Erbteilung von 1680, in der die sieben Söhne Herzog Ernsts des Frommen von Sachsen-Gotha ihre eigenen Herrschaften etablierten. Vgl. Raßloff, Geschichte Thüringens, S. 41 und T. Klein, Ernestinisches Sachsen, kleinere thüringische Gebiete, in: A. Schindling/W. Ziegler (Hg.), Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500-1650, Bd. 4: Mittleres Deutschland (KLK 52), Münster 1992, S. 8-39, hier S. 8-14.

33 Die Ernestiner hatten durch den Verlust der Kurwürde und den dazugehörenden Ländereien zu wenig Macht im Reich, so dass sich ihre Politik zunehmen nach Innen, auch die eigenen Territorien richten musste. Die Zerplitterung ist eine indirekte Folge hiervon. Vgl. J. Bauer, Reformation und ernestinischer Territorialstaat in Thüringen, in: J. John (Hg.), Kleinstaaten und Kultur in Thüringen vom 16. bis 20. Jahrhundert, Weimar-Köln, 1994, S. 37-73, hier S. 37.

34 Im Thüringer Grafenkrieg (1342-1346) lehnten sich, unter Führung der Mainzer Erzbischöfe, die Thüringer Adelsfamilien gegen die Wettiner auf, unterlagen jedoch. Nur die Schwarzburger und Reußen etablierten sich dauerhaft. Vgl. Raßloff, Geschichte Thüringens, S. 31f.

35 Vgl. J. Berger/J. Lengemann, Geschichte eines Aufstiegs: Die Schwarzburger, in: K. Scheurmann/J. Frank, Neu entdeckt. Thüringen – Land der Residenzen (Thüringer Landesausstellung, Schloss Sondershausen, 15. Mai-3. Oktober 2004, Katalog 1), Jena 2004, S. 49-63, hier S. 49 und weiterführend: H. Herz, Die Grafen von Schwarzburg von den Anfängen bis zur Bildung der Grafschaft Schwarzburg-Rudolstadt, in: Thüringer Landesmuseum Heidecksburg (Hg.), Die Grafen von Schwarzburg-Rudolstadt. Albrecht VII. bis Albert Anton (Kleine kulturgeschichtliche Reihe 3), Rudolstadt 22004, S. 9-34 und T. Klein, Die Grafen von Schwarzburg, in: H. Patze/W. Schlesinger (Hg.), Geschichte Thüringens, Bd. 5, Teilband 1 (Mitteldeutsche Forschungen 48/V/1/1), S. 266-275.

36 Vgl. Raßloff, Thüringer Geschichte, S. 35.

37 Vgl. Berger/Lengemann, Geschichte eines Aufstiegs, S. 49.

38 Hierin handelt es sich um das Recht einer Familie in den Reichstagen Sitz und Stimme zu haben. Dieses Recht wurde direkt vom Kaiser vergeben, war aber in der Neuzeit mit dem Vorhandensein von Reichslehen verbunden. Letztendlich klärte sich über diese Frage die Eigenständigkeit einer Familie und deren Zugehörigkeit zum unabhängigen Adel im Reich.

39 Vgl. Berger/Lengemann, Geschichte eines Aufstiegs, S. 49.

40 Vgl. Klein, Ernestinisches Sachsen, S. 30 und W. Huschke, Die Grafen von Schwarzburg, in: H. Patze/W. Schlesinger (Hg.), Geschichte Thüringens, Bd. 5, Teilband 1 (Mitteldeutsche Forschungen 48/V/1/1), Köln 1979, S. 554-561, hier S. 554. Die Ablehung der schwarzburgischen Selbstständigkeit durch die Wettiner war insbesondere am Weimarer Hof lange Zeit scharf geübt worden. Herzog Johann Ernst III. (1664-1707) bezeichnete demnach den (auch) reichsunmittelbaren Grafen Anton Günther II. (1653-1716) als seinen Vasallen, das an den faktischen politischen Zuständen vorbei ging und als Provokation verstanden werden musste. Konkret wollte er „… die Grafen von Schwarzburg in den Schranken gebührender Subjektion zu erhalten.“ Vgl. ebd. S. 556.

41 Vgl. Klein, Ernestinisches Sachsen, S. 30.

42 Vgl. Raßloff, Thüringer Geschichte, S. 35.

43 Vgl. ebd. S. 35f.

44 Vgl. Klein, Ernestinisches Sachsen, S. 32.

45 Vgl. S. Strucke, Die Reußen und ihr Land. Die Geschichte einer süddeutschen Dynastie, St. Michael 1984, S. 125 und Raßloff, Thüringer Geschichte, S. 42.

46 Vgl. dazu weiterführend: R. Jonscher, Thüringer Kulturlandschaft vom 16. bis zum 19. Jahrhundert – Konstanten und Wandel. Ergebnisse und Desiderate der landesgeschichtlichen Forschung seit 1990, in: R. Jacobsen (Hg.), Residenzkultur in Thüringen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert (Palmbaum-Texte Kulturgeschichte 8), Jena 1999, S. 11-28.

47 Vgl. dazu Raßloff, Thüringer Geschichte, S. 42f und F. Jürgensmeier, Kurmainz, in: A. Schindling/W. Ziegler (Hg.), Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation un Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500-1650, Bd. 4: Mittleres Deutschland (KLK 52), Münster 1992, S. 60-97.

48 Die wettinischen Versuche die Erfurter Territorien unter sächsische Herrschaft zu stellen, waren durchaus vielfältig: Auch als das Haus Wettin zwei Mal den Mainzer Bischofsstuhl mit einem Familienmitglied besetzen konnte, so unter den Erzbischöfen Ludwig (1341-1382) und Albrecht (1467-1484), kamen die Einverleibungsversuche nicht über den 1483 verliehenen Schutzmachtstatus hinaus. Erst 1664 wurde Erfurt endgültig Kurmainzisch und die Schutzfunktion der Wettiner aufgehoben. Herzog Ernst der Fromme (1601-1675) von Sachsen-Gotha-Altenburg bemühte seinen Kanzler Veit Ludwig v. Seckendorff in zwei Abhandlungen, die Ansprüche der Wettiner durchzusetzen. Durch Rechtsexekutionstruppen wurde im genannten Jahr der Mainzer Anspruch letztlich durchgesetzt. Vgl. E. von Danckelmann, Die Politik der Wettiner in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, in: Thüringisch-Sächsische Zeitschrift für Geschichte und Kunst 13 (1923/1924), S. 23-67, S. 30.

49 Vgl. zur Geschichte der katholischen Kirche in Thüringen weiterführend: J. Pilvousek, Die Christianisierung Mitteldeutschlands bis zur ersten Jahrtausendwende, in: B. Seyderhelm (Hg.), Tausend Jahre Taufen in Mitteldeutschland, Regensburg 2006, S. 43-51; Fernerhin: J. Pilvousek, Zur Geschichte des Bistums Erfurt. Ein Überblick, in: Jahrbuch für mitteldeutsche Kirchen und Ordensgeschichte 1 (2005), S. 147-150. Als besonderer Ausdruck der nachreformatorischen-kurmainzer Herrschaft sei beispielhaft auf die Darstellungen zur Erfurter Fronleichnamsprozession verwiesen: Ders., Fronleichnam in Erfurt 1674 bis 1802. Volksfest mit missionarischen Ambitionen?, in: B. Kranemann/J. Pilvousek/M. Wijlens (Hg.), Mission – Konzepte und Praxis der katholischen Kirche in Geschichte und Gegenwart (EThSchr 38), Würzburg 2009, S. 123-140.

50 Vgl. Raßloff, Geschichte Thüringens, S. 47.

 

51 Vgl. zu den Grundlagen der Reformation in den Wettiner Gebieten weiterführend: K. Blaschke, Sächsische Landesgeschichte und Reformation. Ursachen, Ereignisse, Wirkungen, in: E. Bünz/S. Rhein/G. Wartenberg (Hg.), Glaube und Macht. Theologie, Politik und Kunst im Jahrhundert der Reformation (Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt 5), Leipzig 2005, S. 111-132 und R. Herrmann, Thüringische Kirchengeschichte, Bd. 2., Weimar 1947 (Nachdruck 2000), bes. S. 5-16.

52 Vgl. Bauer, Reformation und Territorialstaat, S. 41.

53 Vgl. H. Kirchner, Reformationsgeschichte von 1532-1555/1566. Festigung der Reformation, Calvin, katholische Reform u. Konzil von Trient (Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen 6) Berlin 1988, S. 33. Die Rahmenbedingungen waren hierfür günstig: Der Kaiser weilte zwischen 1532 und 1541 nicht im Reich, so dass die Fürsten selbstständig politisch aktiv sein konnte. Letztlich musste Kaiser Karl V., außenpolitisch bedrängt durch Frankreich und die Türken, im Inneren Kompromissbereitschaft zeigen. Die Reformation brachte den Ernestinern zunächst keine größere Hegemonialmacht ein. Dies mag zunächst verwundern, doch verhinderte die Politik anderer protestantischer Fürsten, allen voran des hessischen Adels, eine weitere ernestinische Etablierung. Vgl. dazu Stievermann, Die Wettiner als Hegemonen, S. 391. Nach Stievermann führte die Einführung des Reformation jedoch grundsätzlich zur verstärkten Entwicklung eines „territorialfürstlichen ‚Absolutismus‘“, D. Stievermann, Evangelische Territorien im Konfessionalisierungsprozeß, in: A. Schindling/W. Ziegler (Hg.), Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land der Konfession 1500-1650. Bilanz – Forschungsperspektiven – Register (KLK 57), Münster 1997, S. 45-65, hier S. 62.

54 Vgl. dazu: U. Schirmer, Untersuchungen zur Herrschaftspraxis der Kurfürsten und Herzöge von Sachsen. Institutionen und Funktionseliten (1485-1513), in: J. Rogge/U. Schirmer (Hg.), Hochadlige Herrschaft im mitteldeutschen Raum (1200-1600). Formen – Legitimation – Repräsentation (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte 23), Stuttgart 2003, S. 305-378 und Raßloff, Geschichte Thüringens, S. 49.

55 Schon am 31. Oktober 1525 wandte sich Luther in einem Schreiben diesbezüglich an den Kurfürsten Johann. Dieser möge sich der Fragen der kirchlichen Verwaltung annehmen, da sie dringend gelöst werden müssten. Nicht aber allein der Notstand diene dazu als Legitimation, sondern es sei zumindest in Fragen der Verwaltung eine grundsätzliche Kompetenz des Landesherrn auch die Kirche des Landes zu lenken. Ein Eingreifen in den Kultus selbst billigte Luther im geringerem Maße ebenfalls, dies aber nur, um Notsituationen abzuwenden bzw. zu lösen. Vgl. dazu: I. Höß, Humanismus und Reformation, in: H. Patze/W. Schlesinger (Hg.), Geschichte Thüringens, Bd. 3: Das Zeitalter des Humanismus und der Reformation (Mitteldeutsche Forschungen 48/III), Köln 1967, S. 1-145, hier S. 73f.

56 Eine grundsätzliche Verhältnisbestimmung von Volk und Obrigkeit verfasste Luther bereits 1523 in seiner Schrift: „Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei“. Gewidmet war sie Herzog Johann dem Beständigen, Bruder des Kurfürsten, der in Weimar eine eigene Residenz unterhielt und entgegen der passiven Haltung Friedrichs des Weisen, aktiv Partei für Luther ergriff, insbesondere ab 1525 als Kurfürst, vgl. H. Jadatz, Wittenberger Reformation im Leipziger Land. Dorfgemeinden im Spiegel der evangelischen Kirchenvisitationen des 16. Jahrhunderts, in: Herbergen der Christenheit, Sonderband 10 (2007), S. 47; vgl. E. Müller, Luther in Weimar, in: Thüringer kirchliche Studien 5 (1987), S. 97-108. Vgl. zur Typologie des evangelischen Landesherrn weiterführend: M. Rudersdorf, Die Generation der lutherischen Landesväter im Reich. Bausteine zu einer Typologie des deutschen Reformationsfürsten, in: A. Schindling/W. Ziegler (Hg.), Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land der Konfession 1500-1650. Bilanz – Forschungsperspektiven – Register (KLK 57), Münster 1997, S. 137-170.

57 Vgl. dazu: M. Schulze, Fürsten und Reformation. Geistliche Reformpolitik weltlicher Fürsten vor der Reformation (Spätmittelalter und Reformation, Neue Reihe 2), Tübingen 1991 und Klein, Ernestinisches Sachsen, S. 12.

58 Vgl. E. Bünz/C. Volkmar, Das landesherrliche Kirchenregiment in Sachsen vor der Reformation, in: E. Bünz/S. Rhein/G. Wartenberg (Hg.), Glaube und Macht. Theologie, Politik und Kunst im Jahrhundert der Reformation (Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt 5), Leipzig 2005, S. 89-109. Zum machtpolitischen Aspekt vgl. außerdem Höß, Humanismus und Reformation, S. 72. Der Einfluss der Wettiner auf die Hochstifte Merseburg, Naumburg-Zeitz und Meißen war hoch. Die reichsunmittelbaren geistlichen Territorien verloren schon vorreformatorisch faktisch ihre Eigenständigkeit, die ihnen damit nur noch rein formal zukam.

59 Vgl. Bünz, Das landesherrliche Kirchenregiment, S. 10. Luther griff demnach bereits vorhandene Tendenzen auf und brachte für diese eine theologische Legitimation. Die Verdichtung der Territorien mit der Schaffung einer größeren Zentralgewalt und die Kommunalisierung der städtischen Kirchen waren Grundanliegen der frühneuzeitlichen Herrscher im Aufbau ihres Staatswesens. Vgl. V. Leppin, Die Wittenberger Reformation und der Prozess der Transformation kultureller zu institutionellen Polaritäten (Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologischhistorische Klasse 140/4), Leipzig 2008, S. 36. Berndt Hamm findet hierfür die passende Formulierung: „normative Zentrierung“, vgl. dazu: B. Hamm, Reformation als normative Zentrierung von Religion und Gesellschaft, in: JBTh 7 (1992), S. 241-279. Besonders das alte Klerikerbild, das den Geistlichen besondere Privilegien in der Gesellschaft einräumte, widersprach diesem Prozess. Die Kritik am Klerus schlug auf allen Ebenen durch, so dass sich ein ausgesprochen heftiger Antiklerikalismus entwickelte. Vgl. dazu: H. Goertz, Radikalität der Reformation. Aufsätze und Abhandlungen (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 93), Göttingen 2007, S. 41-48, bes. S. 44. Der Antiklerikalismus war insbesondere ein anti-römischer. Die Gedanken einer „Libertas Germaniae“ sind auch bei Luther zu finden, wenn auch in besonderer Ausformung; vgl. A. Schmidt, Konfession und nationales Vaterland. Katholische Reaktionen auf den protestantischen Patriotismus im Alten Reich (1520-1620), in: T. Kaufmann/A. Schubert/K. von Greverz (Hg.), Frühneuzeitliche Konfessionskulturen (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 207), Heidelberg 2008, S. 13-48, hier S. 14; Dieter Stievermann fasst für den Gesamtprozess treffend zusammen: „Verstärkung der fürstlichen Gewalt, raumübergreifende dynastische Verflechtungen, Königsnähe, verdichtete kuriale Beziehungen, Ausbildung von Behörden und Landständen, Finanzwesen, Wirtschaft und Kultur“, Stievermann, Evangelische Territorien im Konfessionalisierungsprozeß, S. 46.

60 Vgl. Höß, Humanismus und Reformation, S. 75.

61 Vgl. dazu: Auszug aus Georg Spalatins (1484-1545) Visitationsinstruktionen 1528, in: John, Quellen zur Geschichte Thüringens, S. 60-64. Visitationen fanden später in weiten Teilen Deutschlands auch im Bereich der Hochschulen statt. Die Kommissare waren von den Hochschulen unabhängig und kamen meist aus dem direkten Einflussbereich des Landesherrn, der durch sie in besonderem Maße landesherrliche Kontrolle ausüben konnte. Vgl. U. Ludwig, Philippismus und orthodoxes Luthertum an der Universität Wittenberg. Die Rolle Jakob Andreäs im lutherischen Konfessionalisierungsprozess Kursachsens (1576-1580) (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 153), Münster 2009, S. 328 und weiterführend: K. A. H. Burkhardt, Geschichte der sächsischen Kirchen- und Schulvisitationen von 1524 bis 1545. Die Visitationen in den heutigen Gebietsteilen der Königreiche Preußen und Sachsen, des Großherzogtums Weimar, der Herzogtümer Gotha, Meiningen, Altenburg, des Herzogtums Braunschweig und der Fürstentümer schwarzburg-Rudolstadt, -Sonderhausen, Reuß jüngere Linie und Reuß ältere Linie, Neudruck der Ausgabe Leipzig 1879, Aalen 1981. Frühste Formen von Visitationen sind auch für Thüringen belegbar, vgl. dazu: R. Herrmann, Die Kirchenvisitationen im Ernestinischen Thüringen vor 1528 in: Beiträge zur Thüringischen Kirchengeschichte 1 (1930), S. 167-230 und Bauer, Reformation und Territorialstaat, S. 52-59.