Martin Fourcade

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Ein Jahr später hing sie aufgrund eines heftigen Schneesturms in Font-Romeu fest. Ich versuchte mein Glück erneut und stellte mich diesmal schon deutlich weniger plump an. (In diesem Alter lernt man schnell und ändert sich enorm …)

Nach diesem bedeutungsvollen Wochenende verging keine einzige Woche, ohne dass wir nicht mindestens eine Stunde lang telefoniert hätten.

Da wir relativ weit voneinander entfernt wohnten, ging dieser erste Teil unserer gemeinsamen Geschichte irgendwann leise zu Ende, aber mit 17 oder 18 trafen wir uns wieder, ohne das Band, das uns einte, jemals zerschnitten zu haben. Obwohl sie zum Studieren nach Toulouse ging, während ich als richtiger Biathlet zwischen Prémanon und Villard-de-Lans pendelte, wurde unsere Beziehung ernster.

Ist es nicht absolut verrückt, dass Hélène heute meine Frau und die Mutter meiner Kinder ist? In unserer Beziehung gab es einige Unterbrechungen, aber wir haben nie aufgehört, miteinander zu sprechen und uns zu vertrauen. Ich bin überzeugt, dass ich ohne sie in meiner sportlichen Karriere nicht so erfolgreich gewesen wäre. Sie gab mir die emotionale Stabilität, die ich brauchte. Ich habe ihr nie etwas vorgemacht, was es bedeuten würde, wenn sie sich dazu entschlösse, ihr Leben mit meinem zu teilen. Erst kürzlich erinnerte mich Hélène daran, was ich als Vierzehnjähriger mal zu ihr sagte: »Wenn du meine Frau wirst, wirst du mich öfter im Fernsehen sehen als in echt …«

Das zeigt mir, dass ich schon damals innerlich wusste, was ich wollte. Ja, ich wollte so wie die Typen auf den Postern in meinem Zimmer sein. Das war mehr als nur eine Laune: eine Flamme, die noch immer nicht erloschen ist.

Kapitel 2

Auf den Spuren meines Idols

Nach seinem Jahr im Internat in Font-Romeu beschloss Simon, in die Alpen zu gehen, in die Sportschule von Villard-de-Lans. Zunächst als Internatsschüler und später in seinem eigenen Appartement. Er trainierte wie ein Verrückter, machte mehr als alle anderen, und sein Trainer, Thierry Dusserre, erkannte schnell, dass er ein vielversprechendes Talent vor sich hatte. Simon war so – alles oder nichts. Er vereinte damals zwei Seiten in sich, von denen alle Trainer träumen: die des unterwürfigen Mönchs und die des Soldaten. Vermutlich ging es Simon, dem Jungen aus den Pyrenäen, auch darum, von den anderen Skiläufern, die aus den Alpen kamen, akzeptiert zu werden. So oder so ließ er sich jedenfalls nicht davon abhalten, sich ganz dem Training hinzugeben, wodurch er sehr schnell Fortschritte machte.

Die seltenen Male, die er nach Hause kam, waren für mich wie die Rückkehr des Messias. Wir waren nun nicht mehr in dem Alter, in dem Jungs sich mit Fäusten unterhalten. In dieser Hinsicht waren wir viel friedlicher geworden. Mein Bruder war jetzt mein Idol, und ich wollte mehr denn je in seine Fußstapfen treten.

Ein- oder zweimal haben wir ihn in Villard besucht. Es erfüllte mich mit Stolz, die Leute in seinem Umfeld kennenzulernen. Er war Teil des Elitezweigs (filière d’excellence) und galt als der beste französische Junior-Biathlet. Schon bald würde er der beste der Welt sein; daran bestand kein Zweifel, weder für ihn noch für mich. Bei einem Lauf mit seinem Trainer und Mentor, Thierry Dusserre, durfte ich ihn begleiten. Um mich nicht lächerlich zu machen, habe ich mich wohl ordentlich ins Zeug gelegt – jedenfalls scheine ich Thierry bebeeindruckt zu haben; zumindest hat er mir das ein paar Jahre später so gesagt.

Auf jeden Fall war für mich von da an klar, was ich wollte. Ich wollte all das auch kennenlernen, was Simon gerade erlebte, und diese Idee setzte sich in mir so fest, bis sie zu einer Art von Besessenheit wurde. Das ist zweifellos meine katalanische Seite: Wenn ich etwas wirklich will, habe ich einen Dickschädel. Ich muss bis zum Äußersten gehen, alles dafür tun, um es zu erreichen.

Eine Petition, um fortgehen zu dürfen

In diesem Jahr gab es mit Jean-Guillaume Béatrix und Grégoire Jacquelin zwei Sieger bei den französischen Junioren-Meisterschaften. Beide trugen die Farben des Comité du Dauphiné und wurden von Thierry Dusserre trainiert. Ich landete in der Mitte des Klassements und hatte sicher Potenzial, war aber nicht auf ihrem Niveau. Um meine Leistung zu verbessern, gab es in meinen Augen nur eine Lösung: Mitglied ihrer Trainingsgruppe zu werden. Was bedeuten würde, den Pyrenäen den Rücken zu kehren und in die Alpen zu gehen, um dort wie Simon das Nachwuchsleistungszentrum in Villard-de-Lans zu besuchen.

Ehrlich gesagt bin ich mir nicht mehr ganz sicher, was mich am meisten reizte: das unabhängigere Leben, fern von den Eltern, oder die Tatsache, dass das Comité du Dauphiné eine obligatorische Durchgangsstation war, um sportlich mehr zu erreichen.

Ich wusste, dass ich in diese Elitegruppe aufgenommen werden konnte. Erstens, weil mein Niveau gut und für ein Expertenauge auch unübersehbar war, dass dieses noch verbessert werden konnte. Zweitens, weil ich der kleine Bruder von Simon Fourcade war und dessen Einstellungen und Leistungen für die ganze Familie sprachen! Ich hatte Thierry Dusserre gefragt, der mir seine prinzipielle Zustimmung gegeben hatte. Blieb nur noch die meiner Eltern …

In der Mitte des Winters begann ich mit der Überzeugungsarbeit. Über Monate hinweg saß ich ihnen damit im Nacken, bei jeder Mahlzeit habe ich das Thema wieder auf den Tisch gebracht. Es war ein richtiger Kampf, mit ungewissem Ausgang: Sie waren der Meinung, dass es mir mit 15 Jahren noch etwas an emotionaler Reife fehlte, um fortzugehen, und sie waren sich auch der damit verbundenen finanziellen Opfer bewusst. Zwei Söhne im Hochleistungssportbereich, die weit weg von ihnen leben, ist für die Eltern kein unerheblicher Posten. Ich war nicht wirklich überzeugt, dass ich sie dazu bringen könnte, nachzugeben, aber ich hatte eine Strategie – Zermürbung. Diese habe ich systematisch angewendet. Ich ließ sogar eine Petition in der Familie unterzeichnen, um »befreit« zu werden!

Gegen Ende des Frühlings haben sie sich schließlich gefügt. Ich glaube, dass es mein Großvater väterlicherseits war, der meine Mutter überzeugte, es mich versuchen zu lassen. Ich war gerade im Zimmer von Brice, als sie zu mir sagten: »Okay, du kannst gehen.« Ich erinnere mich an kein anderes Detail, ich glaube, ich habe nichts mehr gehört oder gesehen, außer dass mein Traum endlich wahr werden würde. Sofort rief ich Thierry Dusserre an – und los ging’s!

Thierry lud mich zu einem Trainingslager Mitte des Sommers in den Cevennen ein, zusammen mit dem Rest der Gruppe. Die übrige Zeit jobbte ich bei der Wassersportanlage des Lac de Matemale – ich räumte das Material auf, half bei Reparaturen … Mein Chef war der Vater von jenem Thibault, der mich ein paar Jahre vorher noch vermöbeln wollte, aber inzwischen mein bester Freund geworden war. Die Vormittage hatte ich frei zum Trainieren, nachmittags arbeitete ich dann bis abends um 20.00 Uhr. Dann ging ich nach Hause oder feierte mit meinen Freunden.

Eines Nachts nach einer Party mit Freunden waren Thibault und ich allein im Chalet seiner Eltern, das oberhalb vom See lag. Sie hatten den Schlüssel eines ihrer Autos auf dem Tisch liegen lassen, und wir konnten einfach nicht widerstehen … Also nahmen wir den Schlüssel an uns, um eine kleine Runde zu drehen. Natürlich hatten weder Thibault noch ich – wir waren beide 15 Jahre alt – einen Führerschein. Nach ein paar Kilometern kam es, wie es kommen musste: Wir fuhren gegen einen Baum. Und zwar mit voller Wucht. Es war ein Wunder, das keiner von uns verletzt wurde. Das Erste, was ich nach dem Schock zu Thibault sagte, war: »Scheiße, meine Eltern werden mich nicht mehr nach Villard gehen lassen!«

Trotzdem habe ich meinen Vater angerufen, damit er uns abholt. Es war mein Glück, dass er das um den Baum gewickelte Wrack des Autos zuerst gesehen hat, bevor er mich anschreien konnte. Er muss rückblickend solch eine Angst gehabt haben, was uns hätte passieren können, dass er erst mal ruhig blieb. Doch am nächsten Tag ließ das Donnerwetter unserer Eltern nicht auf sich warten. Und natürlich mussten wir die Rechnung unserer riesigen Dummheit begleichen. Thibault hat den ganzen Sommer unbezahlt gearbeitet, um die Schulden bei seinen Eltern abzubezahlen. Mit mir zeigte sein Vater sich etwas gnädiger und behielt nur einen Teil meines Lohns ein … Dafür wurde uns nur eine überwachte Freiheit zugestanden – und zwar jedem für sich: Der eine ackerte vormittags, der andere am Nachmittag. Abends ausgehen durften wir kaum noch …

Den Tod vor Augen

So zog sich der Sommer in die Länge, bis auf eine kleine Pause für das Trainingslager in den Cevennen. Ich wurde gut aufgenommen und fand leicht meinen Platz in der Gruppe. Ich freundete mich recht schnell mit Jean-Guillaume Béatrix an, aber auch mit Marie-Laure Brunet, die wie ich aus Font-Romeu kamen.

Mein Start in Villard im September gestaltete sich etwas komplizierter. Hier musste ich mich in der Gruppe erst zurechtfinden. Ich teilte mir ein Zimmer im Internat mit drei Abfahrtsskifahrern, und zum Glück war die Stimmung hier gut. Am Wochenende ging ich zu meiner Gastfamilie, Chantal und Bruno Dusser, die auch schon Simon beherbergt hatten, bevor er seine eigene Wohnung hatte. Unter der Woche war ich mit ihrer Tochter Marine in der Schule. Mit ihnen fühlte ich mich fast wie in einer Familie. Chantal kommt auch aus den Pyrenäen, und Bruno arbeitet bei Rossignol als Leiter des Skilanglaufbereichs. Wir lebten also in der gleichen Welt …

Ich war nun ein Sportler unter vielen. Die Trainingseinheiten nahmen immer mehr zu, und ich machte gute Fortschritte. Nichts deutete darauf hin, dass ich dem Tod nur wenige Wochen nach dem Autounfall ein zweites Mal knapp entrinnen würde …

Im Oktober fuhren wir mit dem ersten Schnee ins Trainingslager nach Alpe d’Huez. Thierry Dusserre hatte für uns eine Schießeinheit vorgesehen, aber die stürmischen Wetterbedingungen zwangen uns zum fluchtartigen Rückzug in eine Turnhalle.

 

Wir mussten Schießbewegungen imitieren – leer, ohne Patronen im Magazin, als »Trockentraining«. Dabei arbeitet man an den Automatismen und an der Aufstellung: Laden mit geschlossenen Augen, es werden unermüdlich die Handgriffe wiederholt, die wir im Wettkampf ohne das geringste Zögern ausführen müssen.

Ich erinnere mich daran, dass Thierry Folgendes sagte: »Stellt euch vor, ihr seid beim ersten Rennen des Winters, bei der Qualifikation für den Europacup, ihr kommt im Schießstand an, atmet durch, nehmt euer Gewehr, steckt das Magazin hinein, und wenn ihr bereit seid, schießt ihr.«

Wir standen vor einer verspiegelten Wand, um unsere Position perfekt visualisieren zu können, in drei Reihen. Ich stand in der ersten. Hinter mir, leicht links, ein Mädchen aus der Gruppe. Auf Anordnung von Thierry nahmen wir unsere Gewehre, setzten das Magazin ein, legten das Gewehr an und schossen. Normalerweise hätten wir jetzt nur den Ton eines leeren Stoßes hören dürfen. Ein trockenes Klacken. Ich dachte an einen schlechten Scherz, als ich den Knall hörte. Aber als ich mit den Augen nach oben ging, sah ich den gesprungenen Spiegel vor mir. Etwas oberhalb vom Abbild meines Kopfes im Spiegel …

Ich dachte sofort, dass ich Mist gebaut und eine Patrone in meinem Magazin vergessen hätte. Ich ärgerte mich schon über mich selbst, solch einen Fehler gemacht zu haben. Denn das Erste, was man beim Biathlon lernt, sind die Sicherheitsvorkehrungen bei der Handhabung einer Schusswaffe. Wenn man am Ende einer Trainingseinheit das Magazin herausnimmt, überprüft man, dass keine Patrone darin verblieben ist – dass das Schloss leer ist, wenn man es wieder schließt. Diese Handgriffe werden sehr schnell zu Automatismen, und unsere Trainer nehmen uns diesbezüglich in die Verantwortung. Ich dachte, dass ich mich falsch verhalten hätte, aber als ich das Schloss öffnete, war dort keine Patronenhülse. Der Schuss konnte sich also gar nicht aus meinem Gewehr gelöst haben. Ich drehte mich um. Das Mädchen hinter mir überprüfte gerade seine Waffe. Und dann sah ich die Szene wie in Zeitlupe, wie in einem Film: Eine Patronenhülse löst sich, fällt auf den Boden und prallt ab …

Sie hatte vergessen, ihr Magazin zu leeren, als wir den Schießstand verlassen hatten, hatte nicht gemerkt, dass eine Patrone in den Lauf geführt wurde beim Laden; sie hatte richtig geschossen, und die Patrone des Kalibers .22 ging nur wenige Zentimeter an meinem Kopf vorbei.

Zurück zum Ausgangspunkt

Abgesehen von diesem Vorfall, der mich für immer geprägt hat, ist das Jahr gut verlaufen. Sportlich gesehen übertrafen meine Fortschritte und meine Ergebnisse die Erwartungen. Ich gewann Titel im Biathlon, im Skilanglauf gehörte ich zu den französischen Top 5, und ich qualifizierte mich für die Europameisterschaften in Österreich.

Was die Schule anging, war es etwas komplizierter. Ich glaube, das Internat lag mir nicht, und wenn ich nicht meine drei Zimmergenossen gehabt hätte, hätte ich wahrscheinlich nicht das ganze Jahr durchgehalten. Die anderen Athleten meiner Altersklasse waren Externe. Sie gingen nach der Schule nach Hause zu ihren Eltern, Brüdern, Schwestern, zu ihren Freunden aus Kindertagen … Das fehlte mir.

Außerdem arbeitete ich nicht genug für die Schule. Als der Frühling begann, kam es hart auf hart. Das Ende der Wettkämpfe, die Aussicht auf eine lange Vorbereitungsphase, fast acht Monate, bevor ich mich wieder an der Konkurrenz messen konnte … Meine Freunde und meine Freundin aus Font-Romeu fehlten mir, dazu die Erinnerung an den schönen Sommer am See – all das trug dazu bei, dass ich mich zunehmend deprimiert fühlte. Ich hatte das Gefühl, meine Jugend zu verpassen.

Zudem kam es in der Gruppe zu Spannungen. Thierry war bereits auf die kommende Saison fokussiert, während wir alle erst noch etwas Dampf ablassen mussten. Und dann war da noch der Junioren-Weltmeistertitel von Simon, der mir paradoxerweise Angst einflößte: Die enorme Arbeit und die Opfer, die er für seine Leistung erbringen musste, waren mir durchaus bewusst, und ich träumte zwar selbst von solchen Erfolgen, war aber innerlich noch nicht bereit dazu, genau so viel dafür zu tun.

Dank der Brückentage im Mai konnte ich nach Hause fahren, meine Kumpels wieder treffen und in mein Leben von früher eintauchen. Dabei wurde mir klar, dass Villard, so weit weg von meinem früheren Leben, für mich der falsche Weg war. Ich wollte wieder so sein wie als Teenager, wollte mit meinen Kumpels eine ruhige Kugel schieben, im Wassersportzentrum jobben und meinen Bootsführerschein machen. Ich wollte nicht mehr all diese Opfer hinnehmen, die nötig waren, um gut vorbereitet zu sein für das erste Trainingslager im Herbst, wollte wieder einen unbeschwerten Sommer wie früher erleben! Andererseits wusste ich, dass zwei Monate Nichtstun nicht vereinbar waren mit den hohen Zielen, die ich mir gesteckt hatte. Mir wurde klar, dass es eine Diskrepanz gab zwischen dem, was ich wollte, und dem, was ich bereit war, zu geben und zu opfern, um dies zu erreichen.

Ich vertraute mich Jean-Guillaume an und einigen anderen aus der Gruppe, meinen Freunden aus den Pyrenäen und auch meinen Eltern. Es Simon zu sagen, war schon schwieriger. Ich hatte Angst, ihn zu enttäuschen. Nach dem Ende unserer Kindheit hatten wir uns nie mehr so oft gesehen wie jetzt hier in den Alpen. Obwohl jeder von uns seine eigenen Freunde und Termine hatte, verbrachten wir auch viel Zeit miteinander in Villard. Nach der Woche im Internat war ich am Wochenende bei meiner Gastfamilie, besuchte aber auch Simon regelmäßig. Nie zuvor in unserem Leben standen wir uns so nah. Ich glaube, dass auch er stolz darauf war, wenn man in der Skiwelt von den »Brüdern Fourcade« sprach.

Es traf ihn, als ich ihm ankündigte, dass ich aufhören und zurückgehen würde. Doch er hat nicht versucht, mich umzustimmen. Ich denke, er hatte es wohl schon eine Weile gespürt, dass ich an diesem Punkt war. Der Frühlingsblues ist ein bekanntes Phänomen im Skilanglauf: Sechs Monate ohne Schnee, sechs undankbare Monate des einsamen Trainings, jedenfalls fast – mit dem Wissen, dass es sich zieht, dass es hart wird und dass du die Früchte deiner Arbeit erst im Dezember ernten wirst, wenn alles gut geht … Das hat schon mehr als einen von diesem Sport wieder abgebracht. Auch Simon hatte diese Phase durchgemacht. Ich aber war mit meinen damals 16 Jahren nicht in der Lage, sechs Monate lang die Zähne zusammenzubeißen.

Nachdem Simon Bescheid wusste, blieb nur noch einer, mit dem ich sprechen musste, und davor graute es mir am meisten: Thierry Dusserre. Ich fühlte mich schlecht ihm gegenüber, da ich ihn sehr schätzte (und noch immer schätze): dafür, was er für ein Mensch ist, aber auch für das Vorbild, das er in Sachen Professionalität und grenzenlosem Einsatz für den Biathlonsport ist. Er gibt alles für diesen Sport und für seine Schützlinge. Wir übernachteten regelmäßig bei ihm, um bei den Trainingslagern Kosten zu sparen, er kochte für uns, kümmerte sich um alles für uns. Und ich? Ich hatte keine Lust mehr, den gleichen Einsatz für den Sport zu bringen wie er. Ich stellte mir vor, im Herbst weiterzumachen, ohne die nötige Anstrengung unternommen zu haben, die er von uns allen erwartete. Ich wollte wieder zur Gruppe stoßen, ohne auch nur das Mindeste dafür getan zu haben. Ich wusste sehr wohl, welche Folgen das haben musste. Schon mit dem ersten Training auf Rollski würden diese sichtbar werden: Das hohe Niveau kennt keine Gnade für jene, die mogeln, wenn es um den dafür erforderlichen Einsatz geht. Ich wollte ihn nicht anlügen, hatte aber das Gefühl, ihn irgendwie zu betrügen, wenn ich nur daran dachte, aufzuhören. Und doch wollte ich all das hinter mir lassen, die bisherigen guten Ergebnisse hin oder her. Ich fühlte mich schuldig dafür, keine Lust mehr zu haben. Aber in meinem Kopf war es bereits eine beschlossene Sache: Ich würde dem Biathlon den Rücken kehren …

Neustart wie im Flug

Immerhin hatte ich den Mut, es ihm zu sagen. Thierry versuchte kurz, mich zu überzeugen, aber mein Entschluss war gefasst und nicht mehr zu revidieren. Er wusste das, kannte meinen Dickkopf und meinte: »Ich hoffe, du wirst das nicht bereuen …«

Nein, ich habe es niemals bereut, auch wenn ich, sportlich gesehen, einige Jahre nach meiner Pause den Rückstand wieder aufholen musste. Für mich war das damals genau das Richtige – und vielleicht auch die Voraussetzung dafür, dass ich schließlich mit den gleichen Zielen, aber mit einer neuer Willensstärke, zurückkommen konnte. Denn ich nutzte diese Zeit auch, um zu erkennen, warum ich diesen Sport und den Wettkampf wirklich liebe … Das ist vielleicht auch der Grund, warum ich bis heute, nach so langer Zeit und obwohl ich inzwischen die meisten Ziele, die ich mir gesetzt hatte, erreicht habe, immer noch begeistert bei der Sache bin.

Es dauerte ein bisschen, bis ich mich dazu entschloss, ein Sieger zu werden, bis ich erneut meine Sachen packte. Denn jetzt war ich erst einmal wieder zu Hause. Mein Vater hatte mir ein Zimmer neben der Garage ausgebaut, damit ich dort für mich sein konnte, ich war wieder mit meinen Kumpels am See und habe das Leben genossen. Es war herrlich!

Manchmal begleitete ich meinen Vater beim Triathlon. Es machte mir Spaß, und ich stellte mich gar nicht so schlecht an. Ich bestritt sogar ein paar Wettkämpfe mit ihm, und als die Schule wieder losging, widmete ich dem Ganzen noch mehr Zeit. Schwimmen in der Schule, spezielles Training mittwochs und samstags, plus einige Touren auf dem Rad abends unter der Woche mit meinem Vater. Ich hatte nie das Temperament, um lange inaktiv zu bleiben …

Mithilfe des Triathlons konnte ich meine Disziplin und meine Fitness insgesamt aufrechterhalten. So blieb ich jederzeit – ohne einen Gedanken daran zu verschwenden – in der Lage, wieder auf die Ski zu steigen.

Während ich in Villard war, hatte im Nachwuchszentrum von Font-Romeu der Biathlontrainer gewechselt. Denis Boissière, der nun die Zügel in seinen Händen hielt, kannte meinen Werdegang und wusste, dass ich keine Lust mehr hatte, mich voll reinzuhängen. Im Herbst kam er auf mich zu und schlug mir vor, mich seiner Gruppe anzuschließen, ohne Druck. Einfach, um es mir anzuschauen. In der darauffolgenden Woche brachte er sein Team zur Vorbereitung nach Tignes und lud mich dazu ein. Sein Vorschlag klang verführerisch: »Du machst alles in deinem Rhythmus, du verpflichtest dich zu nichts. Wenn es dir gefällt, bleibst du so lange wie du willst, und wenn es dir nicht gefällt, dann fährst du eben wieder. So einfach ist das!«

Die Großzügigkeit seines Angebots machte es mir nicht leicht, ihm abzusagen. Außerdem ist Skifahren im Herbst eigentlich ganz cool: Du hast seit langer Zeit keinen Schnee gesehen, und so langsam vermisst du ihn …

Dieses Gespräch mit Denis auf dem düsteren Gang im Untergeschoss des Gymnasiums in Font-Romeu hat mein Leben verändert. Ich fuhr also doch mit ihnen nach Tignes und traf auf eine super Truppe. Es gab zwei Jugendliche in meinem Alter, die etwa auf meinem Skilanglaufniveau waren, Gareth und Bastien, und die Stimmung war super. Wir konnten uns aneinander messen, und ich merkte, dass ich fast nichts verlernt hatte.

So begann das Abenteuer erneut.

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