" Hoch Geachter Her Verhörrichter …"

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Die Abwesenheit des Aufsehers hingegen würde für die verachteten Menschengruppen allzu schnell einladend wirken und den eigenen Überwachungsraum zu deren Asyl verkommen lassen. Dies schien der Verhörrichter bei dem in Alvaneu Bad stationierten Landjäger Michael Mutzner festgestellt zu haben, weshalb er ihn auch dezidiert rügte: In seiner Abwesenheit sei er seinen Arbeitskollegen undienlich gewesen, als sie seine Hilfe benötigt hätten. Dies insbesondere,



«als Landjäger Desax die entronenen Weibsbilder zu verfolgen hatte, wovon zweÿ gerade 3 Tage in seinem Muzners Bezirk verweilten, und leicht hätten aufgefangen werden können, wenn er in selben gewesen wäre».

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Durch solche ‹Versäumnisse› konnte die eigentliche Randzone (das heisst der Aktivraum beziehungsweise Aufenthaltsraum der verfolgten Personen) ins Zentrum, also in den Raum zu stehen kommen, in dem die verfolgten Individuen definitionsgemäss am wenigsten vermutet wurden. Daraus kann die Erkenntnis gewonnen werden, dass als Folge dieser Strukturen und insbesondere im Hinblick auf den reduzierten Korpsbestand eine permanente Wachsamkeit der Polizeibeamten gefordert wurde, wobei mit der Permanenz mitunter auch die direkte Beziehung zum Thema Zeit ersichtlich wird.





2.6 Zeit



Die obigen Ausführungen haben gezeigt, wie eng der Zeit- mit dem Mobilitäts- und Raumaspekt gekoppelt war. Es stellt sich deshalb die zentrale Frage, ob der Landjäger tatsächlich fortwährend unterwegs war. Das Bild der ständigen Mobilität drängt sich insofern auf, als Polizist sein nicht explizit bedeutete, zu einer bestimmten Tages- oder Wochenzeit von einem absoluten Zustand eines Staatsangestellten in den absoluten Zustand eines Privatmanns zu wechseln. Im Folgenden werden Tragweite und Ausgestaltung des organisatorischen Zeitdispositivs von zwei Seiten betrachtet: In einem ersten Schritt wird nach der allgemeinen Dichotomisierung in Dienst- und Freizeit gefragt, wobei der Massstab im Wesentlichen auf ganzheitliche und langfristige Dimensionen ausgerichtet ist. Demgegenüber widmet sich der zweite Teil dieses Unterkapitels den kurzfristigen Zeitfragen, die nach Aspekten des Gegensatzes zwischen Ruhe- und Aktivitätsphasen fragen und insbesondere das Thema Nacht behandeln.





Freizeit



Eine zentrale Frage taucht bei der Untersuchung des Quellenmaterials immer wieder auf: Existierte für die Landjäger die temporale Kategorie Freizeit? Eine rasche Beantwortung dieser hier am Anfang gestellten und nicht ganz leicht zu erörternden Frage fällt zunächst negativ aus. Als Belege dafür dienen beispielsweise Weisungen wie die klare Mahnung, welche der Verhörrichter dem Landjäger Hercules Derungs d.Ä. zukommen liess, als dieser wirtschaftlichen Nebentätigkeiten nachging: «Dieses kann einem in fortwährender Thätigkeit stehen sollenden Angestellten durchaus nicht angehen.»

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 Die Gegenposition kann aus den Instruktionsabschnitten herausgelesen werden, die sich mit der Zeitfrage befassten. So hiess es dort, dass die Landjäger an «Sonn- und gebotenen Feiertagen und einem beliebigen freien Tage in der Woche» nicht patrouillieren müssten. Im zweiten Teil des Paragrafen indes wurde dieses theoretische Freizeitfenster postwendend relativiert. Darin hiess es, dass diese Tage nur dann dienstfrei seien, wenn nicht «mehrere Landstreicher bemerkt» würden oder falls nicht andere Polizeimassnahmen «sonst irgend nothwendig» seien.

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 Die Fragilität dieses Freizeitzuspruchs ist somit offenkundig. Die Aussagen verdeutlichen, dass die Landjäger ihre Pflicht nie wirklich ablegen konnten und in ständiger Pikettbereitschaft zu stehen hatten. Das formal-normativ definierte Zeitprofil rief im Endeffekt nicht mehr und nicht weniger als nach einem permanent auf Kontrolle und auf Transparenz ausgerichteten Landjägerleben. Das Risiko, an einem freien Tag durchreisende Zielpersonen unbehelligt gewähren zu lassen, war zu gross, als dass der Polizeibeamte seine Aufmerksamkeit für bestimmte Zeitintervalle vollends hätte fallen lassen können. Durch die permanent rückverfolgbare Linienführung seiner Wanderwege konnte ihm eine Dienstvernachlässigung auch vergleichsweise leicht nachgewiesen werden. Als Beispiel kann der Verweis des Verhörrichters an die Adresse des in Zernez stationierten Landjägers Jakob Guler angeführt werden, dass dieser seine Patrouillen zu selten über den Ofenpass hinüber ins Val Müstair gemacht habe. Dieses gehe aus den Einträgen in seinem Tourbuch sowie natürlich aus dem Schreiben der Obrigkeit von Val Müstair hervor, «während es doch in seiner Instruktion heiß, daß der Landjäger nur den Sontag und noch ein Tag in der Woche frei habe, und jede Woche alle Ortschaften seines bezirkes besuchen soll».

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 In der Instruktion von 1840 schliesslich wurde der Wunsch nach regelrechter Überwachung polizeilicher Mobilität erstmals auch in ganz konkreter und genuin paragrafischer Ausformulierung festgelegt.

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 Der Verhörrichter jedenfalls zeigte sich besonders dann unzufrieden, wenn er von nach Chur gelieferten und daselbst verhörten Fremden deren Einreiseweg vernahm und daraus Verdacht auf nicht erfolgte Gebietskontrolle durch den am betroffenen Durchgang stationierten Landjäger schöpfte. Der in Fläsch stationierte provisorische Landjäger Johann König beispielsweise wurde, nachdem von Landjägern Reklamationen eingegangen waren, dass eine grosse Anzahl Vaganten als ihren Einreiseweg den Fläscherberg angegeben hatten, diesbezüglich heftigst ermahnt.

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 Die Gewährung freier Tage widersprach der gleichzeitig von oben geforderten permanenten Aufmerksamkeitspflicht. Dieses Dilemma offenbarte sich auch in der Forderung nach dem permanenten Tragen der Uniform. In einer das gesamte Landjägerkorps betreffenden Verordnung des Kleinen Rates an die Landjäger an den Zollstätten hiess es:



«Sämmtliche Landjäger, die an den Zollstätten sowohl als die andern, sind angewiesen, sich durchaus aller ihrem Berufe fremdartigen Beschäftigungen zu enthalten. Eben so wird es ihnen zur Pflicht gemacht, bei Strafe im Unterlaßungsfalle aus dem Dienste entlaßen zu werden, einmals in andrer Kleidung zu erscheinen, als in ihrer Uniform.»

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Der Polizeibeamte war bis zur Entstehung einer Pensionskasse für Landjäger, sofern es nicht zu einem freiwilligen oder erzwungenen Dienstaustritt kam, gewissermassen ein Polizist für die Ewigkeit. Dies galt sowohl aus lang- als auch aus kurzzeitiger Perspektive: Die Landjäger hätten für ihre Pflichten «Tag und Nacht bereit zu stehen»,

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 wobei betreffend obere Dienstalterslimite keine Vorschriften vorlagen.

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 Eine Dienstentlassung, die nicht disziplinarischer Natur war, stand in der polizeilichen Korpsorganisation kaum zur Debatte. Das Alter konnte insofern nur indirekt einen Dienstentlassungsgrund darstellen; dann nämlich, wenn es die Anforderungen an den Landjäger so stark beeinträchtigte, dass er diese nicht mehr ausreichend erfüllen konnte und es zu Dienstvergehen, etwa der Entweichung von Häftlingen oder nicht zufriedenstellenden Patrouillierungsintensitäten, kam. Die erste altersbedingte Entlassung betraf in den Jahren 1820/21 gleich zwei, dann mit Leonhard Fausch erst 1841 einen weiteren Landjäger.

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Dies alles berücksichtigend können zwei Dimensionen zeitlicher Grenzenlosigkeit im Landjägerberuf konstatiert werden: Erstens waren effektive Freiräume im Sinne eines vollkommenen Losgelöstseins vom Polizeiberuf innerhalb des Tagesbeziehungsweise Wochenablaufs eher eine paragrafische Floskel als tatsächliche Realität. Zweitens war die sich nach Kategorien der Altersdimension richtende Dienstzeit nach oben offen. Dieser konnte der Landjäger nur dann entweichen, wenn er seinen freien Dienstaustritt nahm, was unter Umständen jedoch mit negativen Konsequenzen finanzieller Natur verbunden war. Insofern bleibt die Frage, ob das Konstrukt der Freizeit im Polizeisystem effektiv nur theoretischer Art war, bestehen.



Die Definition, gemäss welcher Freizeit als arbeitsfreie Zeit umschrieben wird, ist vergleichsweise jüngeren Ursprungs.

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 In einem stark landwirtschaftlich geprägten Umfeld, als das sich das Graubünden des frühen 19. Jahrhunderts in weiten Teilen präsentierte, war Freizeit im Sinn des heutigen Begriffsverständnisses ausserhalb der von der langsam einsetzenden Tertiärisierung betroffenen Domänen ein kaum vorzufindendes temporales Phänomen. Eine Trennung von Arbeits- und Freizeit setzte sich insbesondere in denjenigen Berufsgebieten durch, wo Erwerbsarbeit im Anstellungsverhältnis ins Spiel kam. Dies war in einer vorwiegend von Selbstversorgung dominierten Gesellschaftsstruktur kein Thema. Daselbst war der Gedanke, einen Zeitraum des Alltags für arbeitsfreie Interessen zu verwenden, zwiespältig. Denn gemeint ist mit dem angesprochenen Zeitraum nicht die Ermöglichung eines Intermezzos für Geselligkeits- und Erholungsansprüche. Diese waren in Abhängigkeit von Charakter und Wohlstandssituation des vorindustriellen Menschen ohne Weiteres möglich, und man gestand sich solche Arbeitspausen auch zu.

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 Im vorliegenden Betrachtungszusammenhang geht es viel eher um die Empfindungsebene dessen, was der moderne Freizeitbegriff mit sich brachte. In der erwähnten Tradition des bäuerlichen Alltags jedenfalls, der durch Ora-et-labora-Einheiten besetzt war, wurden auch Sonn- und Feiertage nicht als absolute Freizeittage verstanden.

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 So kann man im Fall der Polizeibeamten fragen, ob sie dank der Einbindung in ein Erwerbsarbeitssystem einen Teil ihres Alltags tatsächlich als von allen Dienstfaktoren losgelöste Freizeit empfanden. Jedenfalls war der nach pekuniären Lohn- sowie amtlichen Anstellungsprinzipien funktionierende Polizeiberuf trotz allmählich einsetzendem Strukturwandel im Graubünden des frühen 19. Jahrhunderts nach wie vor ein Exotikum. So fällt es schwer, die von oben erfolgte Äusserung des Zugeständnisses freier Tage vollumfänglich als reines Regelwerk sine intentione abzutun. Allerdings steht auch fest, dass eine allfällige Freizeit (und dies haben die vorherigen Bemerkungen gezeigt) angesichts der permanenten Bereitschaftspflicht auf jeden Fall eingeschränkter Natur war. Zu diesem permanenten Pikettdienst nämlich gehörte einerseits die Alarmbereitschaft bei Gefahren oder beim Ertappen von Aufenthaltern ohne Aufenthaltsbewilligung, andererseits aber auch die bereitwillige Entgegennahme von ad hoc-Aufträgen. Letztgenanntes ständige Verfügbarsein während der Freizeit war von den Bündner Landjägern gegenüber zwei Seiten zu erfüllen, nämlich gegenüber dem Kanton als auch gegenüber den Ortsobrigkeiten. Ein Bericht des Landjägers Christian Bantli über die zeitraubende Tätigkeit der Überwachung des Gefangenen Joseph Kap gibt Einsicht in dieses Beziehungsgeflecht:

 



«ch hab schon zweÿ mahl die keten und Preson Schlüßel ab gegäben und wie ich wider um komme so seind die Herren; und der H-fisgall: Damone an mier; nemt ihr die Schlüßel auf diße können wier uns nicht verlaßen; so das ich nebst meinen anderen Pflichten hier wäder Son; noch Feirtäge kaum Zeit hab meine kleider und wafen in stand zu halten; wan ich mich von dem Kap los sprechen will; so sagen die Herren vier wollen es beÿ dem Herren Paron schon gut machen das ihr kein verweis bekommen.»

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«Ich habe schon zweimal die Ketten und Gefängnisschlüssel abgegeben. Nichtsdestotrotz gelangen die Herren als auch der de Mont an mich: ‹Nehm die Schlüssel, auf die können wir uns nicht verlassen.› Sodass ich nebst meinen anderen Pflichten hier weder am Sonn- noch an anderen Feiertagen kaum Zeit habe, meine Kleider und Waffen instand zu halten. Wenn ich mich von lossprechen möchte, sagen die Herren, dass sie keinen Verweis . »



Die Gefangenenüberwachung, für welche die Ortsobrigkeiten die Dienste des Polizeikorps oftmals strapazierten, war bis zu einem gewissen Grad offiziell erlaubt: Einerseits war es der Polizeileitung genehm, wenn das Entfliehen von Verbrechern mittels polizeilicher Mithilfe unterbunden werden konnte. Andererseits war die Verfügbarmachung der kantonalen Polizeikräfte auch als wohlwollendes Zeichen gegenüber den Obrigkeiten zu verstehen, um deren Zustimmung für das Korps und den Kooperationswillen der lokalen Behörden zu forcieren. Trotz dem klaren zeitlichen Rahmen

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 wurden diese Polizeidienste aber oft über Gebühr in Anspruch genommen, weshalb es in der Frage der Gefangenenüberwachung zu vielen Beschwerden durch den Verhörrichter kam.

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 Die zitierten Aussagen Bantlis zeigen mitunter die obrigkeitliche Strategie, das verhörrichterliche Verständnis für ihre Anliegen zu gewinnen. Das Beispiel verdeutlicht weiter, dass der Kanton wegen der von zwei Seiten auf die Polizeibeamten zukommenden Aufträge eine möglichst lastfreie Freizeit gar nicht ermöglichen konnte. Offensichtlich musste dies die Polizeileitung nolens volens hinnehmen.



Aus einer anderen Perspektive zeigt das zitierte Beispiel schliesslich auch, wofür die Freizeit gemäss formal-normativem Polizeisystem verwendet werden sollte: Indem Landjäger Christian Bantli auf den Unterhalt der Ausrüstung verwies, wusste er sich gegenüber seinem Vorgesetzten als gewissenhafter Polizeibeamter zu präsentieren, dessen Freizeit immer im Dienst des Polizeiwesens stand. Der Unterhalt der Ausrüstung wurde auch in den Intruktionen explizit vorgeschrieben, wobei dieser klar und deutlich nicht in die aktive Dienstzeit fallen sollte:



«Dieselben haben bei Dienstfunktionen stets in ihrer Montierung, allzeit reinlich und ordentlich, auch in der Montur alle möglichst gleich gekleidet zu erscheinen, und haben für ihre Armaturstücke gehörige Sorge zu tragen.»

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Hier zeigt sich, dass Freizeit nicht im Sinn von «Selbstentfaltung» verstanden wurde und den Gesetzmässigkeiten der Arbeitszeit zu folgen hatte. Im Wesentlichen indes schwiegen sich die Instruktionen über die Freizeit der Landjäger aus. Vom Verhörrichter ist einzig bekannt, dass er es «für Katholiken ein der ersten Pflichten» erachtete, «wenigstens an Sonn- und gebotenen Feiertagen eine heilige Messe anzuhören».

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 Diese Ansicht erwähnte er zwar im Zusammenhang mit der Organisation von Gottesdiensten im Zuchthaus. Angesichts der Bedeutungszuweisung und der allgemein gefassten Formulierung jedoch tangierte sie jeden guten Christen und in diesem Sinn auch die Landjäger. Beim Wortlaut des Verhörrichters indes handelte es sich explizit nicht um eine Anweisung, sondern er betrachtete den Besuch des Gottesdienstes als innere Pflicht. So betonte er an anderer Stelle in einem Bericht an den Kleinen Rat betreffend Landjäger Simeon Fleisch, dass dieser «sehr irreligieus zu seyn und an nichts zu glauben» scheine, was er jedoch nicht als Anlass für eine Zurechtweisung, sondern als mögliche Begründung für dessen fehlerhaftes Verhalten aufführte.

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 Der Anspruch des regelmässigen Gottesdienstbesuches konnte aber zuweilen überaus schnell fallengelassen werden: Nach einer angeblich durch den Landjäger Joseph Bergamin weitergeleiteten Anfrage der Obrigkeit von San Bernardino an den Verhörrichter, den Landjägerposten von Mesocco nach San Bernardino zu verlegen, antwortete dieser, dass Bergamin auch weiterhin in Mesocco stationiert bleiben müsse. Er habe «jedoch alle Sonn- und Feiertäge und nur wann es wohl möglich ist auch dann und wann einmal in der Woche nach Bernhardin zu gehen und sich dort aufzuhalten».

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 Dies verdeutlicht, dass das Freizeitfenster in der Praxis oftmals dem polizeilichen Auftrag geopfert wurde. Diese Prioritätensetzung lässt sich auch in einem weiteren Bereich des polizeilichen Freizeitdispositivs der Bündner Landjäger feststellen: Obwohl das Wort «Urlaub» in den Quellen nirgends Erwähnung findet, kristallisierte sich im Lauf der Jahre die Praxis heraus, den meisten Landjägern auf deren Anfrage, sofern die Bedingungen günstig waren, einen Urlaub von einigen wenigen Tagen zu gewähren. Diese Heimreise konnte in den meisten Fällen nur einmal pro Jahr beansprucht werden, wobei Reisen nach Chur davon, sofern sie im Zusammenhang mit einer Problemlösungsabsicht standen, welche ihrerseits auch der Polizeileitung genehm war, nicht betroffen waren. Zu letztgenannter Kategorie zählten beispielsweise Schuldenbegleichungen an Personen, die mit ihren Anliegen und wegen der fast ganzjährigen Abwesenheit der Landjäger den mit ihnen in ständigem Kontakt stehenden Verhörrichter aufsuchten. Weiter durften die Landjäger auch für Uniformrestitutionen nach Chur gehen. Entsprechende Beispiele wiederholen sich im Quellenmaterial in überaus hoher Anzahl.



Falls ein Urlaubsgesuch gutgeheissen wurde, hatte der Landjäger in der Regel für die Zeit seiner Abwesenheit einen Ersatzmann als provisorischen Polizeibeamten zu suchen. Oftmals schlugen die Landjäger dem Verhörrichter schon bei der Anfrage einen möglichen Stellvertreter vor. Landjäger Placidus Genelin beispielsweise gab für die Zeit seiner Abwesenheit am Markt von Lugano als Ersatzmann Domenig Kinzel von Grono an, welcher sechs Jahre in der Miliz gedient habe.

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 In anderen Fällen wurde ein Landjäger als Ersatzmann eingesetzt, welcher zur Zeit der Anfrage entweder in Chur oder an einem nahe gelegenen Ort stationiert war. Für diese Praxis kamen insbesondere die Landjäger am Grenzzoll infrage: Der in Brusio am Zoll stationierte Landjäger Andreas Flütsch, welcher es nach eigenen Worten «sehr nothwendig» hatte, nach Hause zu gehen, schlug dem Verhörrichter den zur selben Zeit im Val Poschiavo stationierten Landjäger Paul Haag vor, wobei er im Fall eines ablehnenden Entscheids des Verhörrichters auch einen anderen Ersatzmann aufsuchen könne.

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 Der Verhörrichter gewährte ihm 14 (!) Tage Urlaub und willigte mit der Voraussetzung ein, dass er sich im Fall einer längeren Abwesenheit «durch einen andern Vertrauten Mann ersezen zu laßen» habe.

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Der Heimurlaub war der einzige Moment im Jahr, während dem der Landjäger frei von allen Dienstpflichten war. Aber selbst bei solchen Urlauben wurde von den Landjägern verlangt, die Heim- und Rückreise in Uniform zurückzulegen, um bei allfälligen Ereignissen als Dienstperson einschreiten zu können.

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 Die Heimreise konnten die Landjäger anders als bei Urlaub höchstens in bewilligten Notfällen antreten. In seinem Rapport vom April 1840 beispielsweise ersuchte Landjäger Christian Grass d.Ä. um die Erlaubnis, für einige Tage nach Hause nach Serneus (Klosters) zu gehen, um das von grossen Windschäden zerstörte Dach persönlich reparieren zu können.

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 Der Landjäger aus dem Prättigau erhielt die Erlaubnis, über die Karzeit drei bis fünf Tage nach Hause zu gehen.

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 Sein Namensvetter Joos Grass als weiteres Beispiel hatte 1839 eine ähnliche Erlaubnis erhalten, nachdem auf seinem Maiensäss «ein Stall und eine Hütte verbrunnen» seien.

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 Schliesslich zählten auch längere Krankheiten zu den sogenannten Notfällen. Dem bei der Tardisbrücke stationierten Landjäger Johann Luzi Sutter beispielsweise schickte der Verhörrichter, nachdem Sutter wegen seines Unwo