" Hoch Geachter Her Verhörrichter …"

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Ausgabekategorien

Dem wegen hoher Unterkunfts- und Zehrungsauslagen klagenden Joseph Anton Schuoler, provisorischer Landjäger in Bondo, wusste der Verhörrichter zu entgegnen:

«[Ü]brigens muß man ihm bemerken, daß alle außer ihm mit dem Sold von 54 [Kreuzern] samt Zugebühren zufrieden sind, und jeder nach seinem Einkommen zu leben habe. [/] Wenn er nicht den ganzen Tag im Wirthshaus sizt und dort zehrt, sondern wie vorgeschrieben in den bergen besonders im Bondascathal, Touren macht, und auf Alpen oder bei Landleuten seine Verpflegung und Quartier nimt, so sollte er wohl hinreichend auskommen.»390

Wie noch zu zeigen sein wird, war die Aussage, dass sämtliche restlichen Korpsmitglieder mit den finanziellen Einkünften zurechtkämen, ja sogar «zufrieden» seien, schlicht übertrieben. Dies war dem Verhörrichter auch nachweislich bewusst. Seine Beschreibung der ökonomischen Verhältnisse aus dem Alltag mehrerer Landjäger wurde jedoch als Mittel zum Zweck verwendet, um gegenüber einem Neuling wie Schuoler die bestehenden Sold- und sonstigen Bestimmungen betreffend Einkünfte nicht weiter rechtfertigen zu müssen. Dass es tatsächlich Landjäger gab, die mit den vorgesehenen finanziellen Einkünften zurechtkamen, genügte dem Verhörrichter, um die diesbezüglichen organisatorischen Richtlinien zu verteidigen und zu manifestieren. Schliesslich waren es in den Augen der leitenden Polizeigremien gerade diese Richtlinien, welche trotz ihrer positiv angelegten Ausrichtung am besten imstande waren, Problembereiche auszublenden und intendierte Strukturen zu verteidigen. Das formale Polizeisystem wurde insofern auf einen Idealzustand, nicht aber auf den real existierenden Mittelwert zugeschnitten. Für Problemfälle galt über weite Phasen das Prinzip des situativen Lösungswegs.

Woraus sich die konkreten Auslagen gemäss Richtlinien der Polizeileitung zusammensetzten, ist ansatzweise bereits ersichtlich geworden. Sie können grob in zwei Untergruppen aufgeteilt werden: Zur ersten Gruppe gehörten diejenigen Ausgaben, die in direktem Zusammenhang mit dem Dienst standen und auf welche die Landjäger in keiner Art und Weise verzichten konnten, sowie alle Expensen, welche zwar berufsunabhängig, aber dennoch lebensnotwendig waren. Die zur zweiten Gruppe zählenden Ausgaben waren von individuellen Faktoren, das heisst insbesondere von partikulären Konstellationen und Problemen der jeweiligen Landjäger, abhängig. Da letztere Gruppe wie anfangs erwähnt nicht wirklich innerhalb des polizeileitungsbezogenen Interessenspektrums lag, gehört sie auch entschiedener in den Bereich des alltagsbezogenen Polizeisystems. Letztlich verstanden die Leitungsgremien ihre Pflicht darin, den Beamten durch die im letzten Kapitel aufgeführten Einnahmen die Deckung der nicht verhandelbaren Auslagen der ersten Gruppe zu garantieren, was auch aus dem Zitat des Verhörrichters indirekt herauszulesen ist. Alle anderen Ausgaben lagen angesichts ihres Individualcharakters jenseits eines formal-normativen Definitionsbereichs. Die Antwort des Verhörrichters an den provisorischen Landjäger Schuoler unterstreicht dabei die Sichtweise, wonach der Landjäger durch einen geschickten Ausgabenhaushalt die Schlussbilanz in den Null-, wenn nicht sogar in den positiven Bereich hätte bewegen können. Von einem grossen Sparpotenzial kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Für dieses Verdikt reicht letztlich auch ein Blick auf den beträchtlichen Anteil finanzgeschwächter Landjäger und deren Aussagen betreffend tatsächliche Auslagen.391

Zur ersten Auslagengruppe gehörten wie erwähnt die sogenannten unvermeidbaren Ausgabekategorien, die für den Dienst unabdingbar waren.392 Dazu zählten im Wesentlichen Ausrüstungs- sowie externe Transport-, Übernachtungs- und Verköstigungsausgaben für die verwahrten Personen, aber auch für den Landjäger selbst. Wenn berücksichtigt wird, dass diese externen Kosten je nach Bezirk, Jahreszeit und entsprechender Personendichte sehr unterschiedlich waren, wird schnell erkennbar, dass die diesbezüglichen Ausgaben unter den Landjägern, aber auch der Finanzhaushalt des einzelnen Landjägers per se sehr stark variierten. Insofern ist es kaum möglich, ein aussagekräftiges Bild der Ausgaben zu machen, welches von der Polizeileitung als durchschnittlich beziehungsweise normal betrachtet wurde. Jedenfalls hatte die Richtlinie, dass nur die Auslagen für transportierte Personen rückvergütet werden sollten, entscheidenden Einfluss auf das Dienstverhalten der Landjäger: Die offiziell unerwünschten Personen laufen zu lassen und stattdessen in ihrer eigenen Unterkunft zu übernachten, war insofern eine Versuchung, als die Landjäger dadurch die Summe ihrer Ausgaben begrenzen konnten. Dort war erstens die Verpflegung billiger als in einem Wirtshaus und zweitens die Übernachtung bereits bezahlt. Der Kanton versuchte, solche Verlockungen mit klaren Richtlinien zu unterbinden: Sofern den Landjägern nachgewiesen werden könne, dass sie erstens Schriftenlose, zweitens Schriftenbesitzer, welche jedoch herumvagieren würden und «keinen bestimmten Zwek und Geschäfte» hätten, sowie drittens solche, «die nur ein unbedeutendes Gewerb» ausüben würden, wissentlich in den Kanton hereinlassen würden, seien die damit verbundenen Folgekosten für deren Wegtransport durch die fehlbaren Polizeibeamten zu begleichen.393

Einheitliche Zahlwerte für die jeweiligen Rückvergütungen für transportbezogene Spesen sind angesichts der unterschiedlichen Rechnungsauslegung wie erwähnt nicht möglich. Dennoch erscheint es angebracht, anhand einiger konkreter Zahlen eine gewisse Orientierungsgrösse zu geben. Diese wird an den Kommentaren des Verhörrichters zu den Angaben der Landjäger ersichtlich: Der in Ponte stationierte Landjäger Christian Grass d. Ä. etwa wurde daran erinnert, dass «Schüblinge» an seinem Ort nur mit Suppe und Brot verköstigt werden sollten und pro Person nicht mehr als 4 bis 6 Kreuzer ausgegeben werden dürften.394 Dem in Splügen stationierten Landjäger Johann Steger gab der Verhörrichter vor, für eine «Hauptmahlzeit» nur 10 bis 12 Kreuzer, für ein «Zwischeneßen» 5 bis 6 Kreuzer einzugestehen.395 Hinzu kamen oftmals die Auslagen für eine auswärtige Übernachtung. Dafür dürften 40 Kreuzer wohl etwa die Richtlinie gewesen sein. Aber auch hier konnten die Zahlen sehr variieren: Im sehr teureren Val Poschiavo etwa gab Landjäger Michael Mutzner für die eigene Übernachtung 51 Kreuzer an.396 Weitere Spesen konnten die Transportkosten verursachen. Landjäger Joseph Bergamin etwa gab für den «car da Mesocco enfin Rovaredo» / «Wagen von Mesocco nach Roveredo» beziehungsweise für rund 21 Kilometer Tallinie nebst den 30 Kreuzern fürs Hauptgericht (im entsprechenden Fall wurden nicht explizit Vaganten erwähnt) 3 Gulden 20 Kreuzer an.397 Zu erwähnen gilt in diesem Zusammenhang, dass die Gemeinden des Misox gemäss Bericht des Verhörrichters an den Kleinen Rat es ablehnten, für Häftlinge «Schubfuhr abzureichen». Dadurch mussten sie die Landjäger wie im Fall Bergamins «durch Private» führen lassen, 398 was zu erheblichen Mehrkosten führen konnte. Landjäger Sixtus Seeli beispielsweise gab für die transportierten Vaganten für die Monate Juni bis November (ein halbes Jahr) die Gesamtsumme von 6 Gulden 12 Kreuzer an.399

Die monatlichen Mietzinsen für die Unterkunft bedeuteten, zumindest was die Landjäger auf den Laufposten betrifft, eine der zentralsten Ausgabekategorien innerhalb der beschriebenen ersten Ausgabengruppe. In Chur beispielsweise kostete die Unterkunft, die J. Dalp dem Landjäger Martin Casanova vermietet hatte, für ein halbes Jahr 32 Gulden, monatlich also 5 Gulden 20 Kreuzer.400 Dies – vermutlich handelte es sich hierbei um ein Einzelzimmer oder eine Kleinwohnung – entsprach rund 20 Prozent des monatlichen Einkommens. Der in Splügen stationierte Landjäger Sixtus Seeli, der für sich und seine fünfköpfige Familie ein Haus mieten musste, gab bei einem Aufenthalt im Hinterrheintal mit zwei Gulden entsprechende 7,4 Prozent des Monatssolds als Kosten an.401 Rund acht Jahre später bezahlte er bei einem weiteren Aufenthalt 2 Gulden 10 Kreuzer beziehungsweise 8 Prozent seines monatlichen Lohns402 für die Unterkunft. Wenn der Landjäger Familienvater und in seinem Heimatort nicht Haus- oder Wohnungseigentümer war, musste er dort, sofern er die Familie nicht nachzog, nochmals Mietkosten in ähnlicher Höhe begleichen. Aus diesem Grund stand der Verhörrichter Landjägern, die um Erlaubnis betreffend Familiennachzug anfragten, nie im Weg, denn die Kosteneinsparungen standen ganz im Sinn der auf ein Auslagenminimum fokussierten Richtlinie der Leitungsgremien. Aus Kostengründen bat auch der in Scuol neu angestellte provisorische Landjäger Jakob Clavadetscher um Familiennachzug, wäre es doch «für arme Leüte» vorteilhafter, «ein Tisch zu füren», da im Unterengadin alles sehr teuer sei.403 Der Verhörrichter gab auch im Fall Clavadetschers sein Einverständnis, 404 sodass dieser seine Familie zu sich nach Scuol holen konnte. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass bei den Auslagen für die Unterkunft405 nicht viel Spielraum bestand und die Landjäger in der Regel gezwungenermassen mit den wenigen sich ihnen bietenden Offerten vorliebnehmen mussten.


32 Schweizer Batzen (Kanton Graubünden), 1820.

Mit dem Beispiel des Landjägers Clavadetscher wurde zugleich eine weitere wichtige Ausgabekategorie angesprochen, nämlich die Beschaffung von Nahrungsmitteln. Im Vergleich zu den Mietkosten ist es hier viel schwieriger, aus dem Quellenmaterial konkrete Zahlen zu gewinnen. Hätten die Landjäger täglich auswärts gespeist, hätten die monatlichen Kosten bei einem täglich konsumierten Hauptgericht à 30 Kreuzer insgesamt 15 Gulden betragen. Dabei waren 30 Kreuzer für eine auswärtige Mahlzeit ein vergleichsweise kleiner Betrag. Dies war beispielsweise die Summe, die Landjäger Joseph Bergamin für die Gefangenenverpflegung verrechnen liess.406 Die Landjäger waren insofern gut beraten, Wirtshäuser – auch wegen des drohenden Alkoholkonsums, wie der Verhörrichter immer wieder betonte – nur dann aufzusuchen, wenn es sich nicht anders einrichten liess. Dasselbe galt, sofern nicht ein Ort ausserhalb des eigenen Bezirks betroffen war, 407 auch im Fall auswärtiger Übernachtungen, deren Kosten bei rund 40 Kreuzern pro Nacht lagen.408 Eine zweitägige Reise mit zweimaliger Einnahme von Mahlzeiten sowie einmaliger Übernachtung in Wirtshäusern und sonstiger Kurzverpflegung konnte beispielsweise zwischen 1 und 2 Gulden kosten. Dies belegt das Beispiel des Landjägers Michael Mutzner: Für das als teuer beschriebene Poschiavo berichtete er, dass der Passkommissär Johann Joseph Gilli für ihn «vor 2 Mitag. und 1 Nachteßen, und vor 1 Nacht Schlaffen. und 1 Frustük 7 Pfu[n]d. das Pf[und] zu 15 Bl[uzger] gerechnet», oder «kurz wie er mir sagte. Über 1/2 Thaller bezalt habe».409 Die Summe entsprach mit 105 Bluzgern dem Gegenwert von 1 Gulden 30 Kreuzern. Diese Zahlen indes sind mit Vorsicht zu interpretieren, handelt es sich hierbei – neben den zur zweiten Auslagengruppe gehörenden sonstigen Kosten – doch um die am wenigsten transparente Ausgabekategorie.

 

Um die Nahrungsmittelkosten tief zu halten, bot sich am ehesten die Subsistenzwirtschaft an. In den Randzeiten konnten die Landjäger, sofern sie ihre Familie bei sich hatten, im heimischen Betrieb aushelfen. Dies war jedoch nur erlaubt, wenn die Landjäger nicht aktiven Handel mit Produkten betrieben. Als am Stationsort allein lebende Hintersässen konnten sie hingegen kaum Subsistenzwirtschaft betreiben, da ihre Arbeitszeiten dafür zu unregelmässig waren. Sofern die Landjäger ledig waren, war dies bei einer nicht allzu verschwenderischen Lebensform auch nicht nötig. Andernfalls waren sie häufig von Subsistenzwirtschaftsformen oder anderweitigen Einkünften, die ihre Ehefrauen am Heimatort erwirtschafteten, abhängig. In diesem Zusammenhang kann auch keine formal-normative Vorgabe entdeckt werden, nach welcher sich die Landjäger betreffend Nahrungsmittelfragen zu richten gehabt hätten. Dies wäre angesichts der sehr unterschiedlichen individuellen beziehungsweise privaten Konstellationen der Landjäger auch gar nicht möglich gewesen. Die Polizeiorganisation bot hier eher eine Art Entscheidungsfeld an, in welchem individuelle Lösungsstrategien der Landjäger von den Polizeigremien akzeptiert wurden. Das Beispiel des provisorischen Landjägers Johann Weber ist hierfür exemplarisch: In Madulain im Oberengadin stationiert, ersuchte er den Verhörrichter um die Erlaubnis, nach Hause gehen zu dürfen, um sich mit Kartoffeln eindecken zu können.410 Dazu musste Weber nach Luzein ins mittlere Prättigau reisen. Der Verhörrichter erteilte ihm die Erlaubnis, jedoch nur unter der Bedingung, dass die Heimreise schnell vonstattengehen und er sich auf dem Rückweg in Chur melden würde.411 Angesichts der noch zu behandelnden zahlreichen Fälle von Finanzproblemen, die sich bei einem Teil der Landjäger zeigten und die dem Verhörrichter viel Arbeit abverlangten, war die Strategie der Polizeileitung darauf ausgelegt, jeglichen finanziellen Schwierigkeiten vorzubeugen und vorsorgliche Aktivitäten zu unterstützen, sofern diese den Dienst nicht tangierten. Die an Weber gerichtete Forderung, sich auf dem Rückweg noch in Chur zu zeigen, liest sich demgegenüber fast schon als absichtliche Schikane, um gegenüber dem Landjäger die Heimreise nicht als Selbstverständlichkeit erscheinen zu lassen. Ferner gilt zu unterstreichen, dass ganz offensichtlich auch nicht sämtliche Anfragen, welche subsistenzwirtschaftliche Praktiken ansprachen, beantwortet wurden: Zum Gesuch des Landjägers Martin Antoni Albin beispielsweise, der vor dem Wintereinfall noch sein Maiensäss bewirtschaften wollte, 412 nahm der Verhörrichter in seiner anschliessenden Weisung nicht Stellung, sodass durchaus davon ausgegangen werden kann, dass auf diesen Wunsch nicht eingegangen wurde. Wie vorteilhaft indes die Situation sein konnte, im Heimatort stationiert zu sein – diese spezielle Gunst wurde, wie im Unterkapitel Postenzuteilung erwähnt, sehr wenigen Landjägern gewährt –, zeigt das Beispiel des Jonas Sandriser. Infolge eines des die Anbauprodukte beschädigenden Unwetters schrieb er auf das Jahr 1829 rückblickend:

«[Ich habe] daß lezte Jahr beÿ 40 [Gulden] unkosten wegen Wuren gehabt, und darzu alles gefelt, sehr wenig heü und Emt, zu gleich daß obst, und daß wenig frucht, daß mann Pflanz, ist ganz gefehhlt, andurch muß ich von da an, alles kaufen waß ich mit meiner famillien Eßen will aus meinem Verdienst.»413

Aus Sandrisers Worten ist zu entnehmen, wie eminent wichtig in seinem Fall subsistenzwirtschaftliche Formen waren. Ob sich die erwähnte Schadenssumme von 40 Gulden nur auf seine Anbauprodukte oder aber auch auf sonstige Besitztümer bezog, geht aus seiner Aussage nicht klar hervor. Wenn Ersteres der Fall gewesen wäre, hätte er den rund eineinhalbfachen Monatssold mit der Haupteinnahmekategorie kompensieren müssen. Mit anderen Worten hätte Sandriser, falls er jährlich Nahrungsmittel im Mindestwert von 40 Gulden erwirtschaftet hätte, im Gegensatz zu manchen Landjägern auf anderen Laufposten monatlich mindestens 3 Gulden 20 Kreuzer, also rund 12,3 Prozent des Monatssolds, eingespart.

Die Richtlinie, gemäss welcher Landjäger wenn immer möglich ausserhalb ihres Heimatortes stationiert werden sollten, führte dazu, dass die Polizeibeamten in den meisten Fällen in den ihnen zugewiesenen Orten als Hintersässen fungierten. Dies bedeutete in der Regel, dass sie vom gemeinsamen Gebrauch verschiedener ökonomischer Rechte und vom politischen Mitspracherecht ausgeschlossen blieben. Meist waren sie sodann zur Zahlung eines Hintersässengeldes verpflichtet. Sixtus Seeli beispielsweise bezahlte für seine fünfköpfige Familie bei einem Aufenthalt in Splügen jährliche 6 Gulden414 beziehungsweise rund 1,8 Prozent des Monatssolds, während seiner späteren Stationierung für jede Person jährliche 2 Gulden 50 Kreuzer, 415 was bei einem Fünfpersonenhaushalt theoretisch monatliche 1 Gulden 10,8 Kreuzer beziehungsweise 4,4 Prozent des Monatssolds ausmachte. Beim Hintersässengeld handelte es sich um die am wenigsten beeinflussbare Ausgabekategorie der Landjäger.416

Im Weiteren gehörte zu den unvermeidlichen Ausgaben das Brennholz. Als Hintersässen hatten die Landjäger in der Regel kein Anrecht auf das Losholz, welches zu den ökonomischen Rechten der jeweiligen Ortsbürger zählte. Deshalb mussten sie das Brennholz beziehungsweise das Recht, solches zu schlagen, aus eigener Tasche begleichen. In seinem Bericht hatte der Verhörrichter den betreffend Unterkunft und Holz bestehenden Unterschied zwischen den beiden Landjägergruppen angedeutet, indem er erwähnte, dass die «Landjäger bei den Zollstationen […] Quartier und |: wie wohl zu vermuthen steht:| Holz frei s[eien]».417 Obwohl aus seiner Aussage nicht eindeutig hervorgeht, dass die Landjäger am Grenzzoll erwiesenermassen holzfrei waren, unterstreicht die Stelle dennoch, dass die Polizeibeamten auf den Laufposten solches bestimmt nicht waren. Der Bedarf an Brennholz jedenfalls war angesichts des relativ kurzen Sommers und der kalten Winter im ganzen Kanton gross, in den Hochtälern wie dem Oberengadin noch ungleich grösser. Sofern die Landjäger alleinstehend waren, beschränkte sich das Einheizen auf die Stunden, während denen sie sich in ihrer Unterkunft aufhielten. Bedeutend grössere Auslagen dürften diejenigen Landjäger gehabt haben, deren Familienmitglieder sich infolge Familiennachzugs ebenfalls am Ort ihrer Laufposten aufhielten. Auch bei Landjägern, deren Familie am Heimatort verweilte, konnten grössere Auslagen anfallen, sofern die Familie ihren Holzbedarf nicht durch das zugeschriebene Losholz zu decken vermochte. Insofern beeinflussten die Brennholzausgaben den Entscheid für einen Familiennachzug je nach örtlichen Losholzbestimmungen und Brennholzpreisen sehr unterschiedlich. Entscheidend war sicherlich die Frage, ob das Brennholz am Heimatort Kosten verursachte und wie hoch diese zu stehen kamen. Je höher die Auslagen am Heimatort ausfielen, desto schneller fiel der Entscheid, die Familienangehörigen nachzuziehen. Dadurch konnte ein gewisser Vorteil erzielt werden. Allgemeingültige Angaben betreffend Holzbedarf indes sind angesichts der erwähnten Unterschiede nicht möglich. Eine ungefähre Einschätzung erlauben wiederum die in den Quellen auftauchenden Schilderungen: Im Januar 1832 beispielsweise bezahlte Landjäger Sixtus Seeli für «drei Fuder Holz plus Abschlagzins» 3 Gulden 52 Kreuzer.418 Diese rund sieben Kubikmeter entsprachen ungefähr 100 Scheiten à 50 Zentimeter, was in einem kalten Oberengadiner Winter für ungefähr fünf bis sechs Tage ausreichte.419 Im Extremfall hätte dies für einen mit der Familie im Oberengadin lebenden Landjäger, weil die anderen Familienmitglieder im Gegensatz zu ihm mehr oder weniger ständig im Haus ein- und ausgingen, bei ähnlichen Preisen ungefähr 15 Gulden pro Monat gekostet, was im Winter mehr als die Hälfte des Monatssolds bedeutet hätte. Als besagter Landjäger Sixtus Seeli 1840 aus Splügen rapportierte, gab er an, 30 Gulden für Holz bezahlen zu müssen.420 Weil er gleichzeitig die Wohnungsmiete (26 Gulden) und das Hintersässengeld (2 Gulden 50 Kreuzer/Person) angab (und diese Zahlen als Jahresangaben gelesen werden müssen), ist anzunehmen, dass der Holzpreis in Splügen 1840 tatsächlich bedeutend tiefer lag. Dies ist nicht zuletzt auch deshalb vorstellbar, weil mit dem Armengesetz von 1839 die Gerichtsgemeinden verpflichtet worden waren, Massnahmen zur Beseitigung der insbesondere auch unter den eigenen Kantonsbürgern grassierenden Armut zu treffen.421 Sofern Seeli mit 30 Gulden für ein Jahr gedeckt gewesen wäre, hätte dies umgerechnet 2 Gulden 30 Kreuzer pro Monat oder 9,3 Prozent des Monatssolds entsprochen. Dies alles berücksichtigend muss davon ausgegangen werden, dass der durchschnittliche Brennholzverbrauch im Monat in Anbetracht variierender Familienkonstellationen und unterschiedlicher Stationsorte übers Jahr berechnet422 je nach Landjäger zwischen 2–3423 und 10 Gulden424, also zwischen gerundeten 8 und 35 Prozent des Monatssolds verschlang. Demzufolge machten die Brennholzauslagen in einer Zeit ohne Öl- und Elektroheizung im gebirgigen Graubünden oftmals einen überaus hohen prozentualen Anteil der Gesamtausgaben aus.425 Dass diese Auslagen im Sold miteinkalkuliert waren, ist insofern anzunehmen, als die Bedeutung und Abhängigkeit von Brennholz in Graubünden unbestritten war und diese Ausgabekategorie mangels Alternativen gewissermassen eine Selbstverständlichkeit bedeutete.

Wie am Beispiel der Selbstversorgung im Nahrungsmittelbereich können nun auch für die Brennholzversorgung individuelle Subsistenzpraktiken festgestellt werden: Der neu in Splügen stationierte Landjäger Johann Steger beispielsweise meldete dem Verhörrichter im November 1832 von der erfolgreichen Herbeischaffung von Brennholz für seine in der Nähe seines bisherigen Postens an der Fürstenauer Zollbrücke im Domleschg wohnhafte Familie.426 Dem aus Ponte im Oberengadin um die Erlaubnis anfragenden Christian Grass d.Ä., für einige Tage nach Serneus im Prättigau heimkehren zu dürfen, um seiner «Familia mit dem Brennholz ein wenig zu hälfen weil es ein kalte Zeit» sei, 427 antwortete der Verhörrichter, dass ihm dieses Vorhaben nach dem im Dezember erwarteten Bettlerstrom über Neujahr erlaubt sei.428 Der in Ilanz stationierte Landjäger Sixtus Seeli wiederum hatte im Oktober 1834 um einen sechstägigen Urlaub gebeten, um bei seiner Familie in Flims Waldhaus Holz für den Winter zu hacken, 429 was auch ihm wie den allermeisten anderen Anfragenden erlaubt wurde.430 Die Entscheidungsgremien bewilligten sämtliche Vorschläge der Landjäger, die Probleme zu lösen vermochten und welche die Polizeileitung nichts kosteten. In solchen Bereichen waren die organisatorischen Richtlinien überaus flexibel. Die Frage, weshalb die beschriebenen Lösungsansätze nicht Teil der Instruktionen wurden, muss dahingehend beantwortet werden, dass das damalige Reglement in erster Linie nicht Rechte ansprach, sondern sich viel eher auf auferlegte Forderungen und Pflichten bezog. Das formale Polizeisystem war in dieser Hinsicht, und dies mag auf den ersten Blick paradox klingen, starr, um in gewissen Fragen flexibel sein zu können und sich durch unnötige Regelungen nicht den situativen Handlungsspielraum einzuschränken.

 

Schliesslich müssen als letzte Ausgabekategorie noch die Arztkonsultationen erwähnt werden. Wie angedeutet wurden entsprechende Unkosten, sofern der Grund des Arztbesuchs mit dem Dienst in Verbindung gebracht werden konnte, vom Kanton rückvergütet: Im Kommentar zum Bericht des Passkommissärs Johann Joseph Gilli betreffend Transport- und Arztbesuchskosten des Landjägers Peter Clavadetscher in Madulain beispielsweise notierte der Verhörrichter, dass er die Regierung angefragt habe, «Clavadetscher zu verguten», da derselbe «auf Streife krank wurde».431 Die Arztkosten von 2 Gulden 20 Kreuzern seien bewilligt worden, ebenso die sich auf 3 Gulden belaufenden Fuhrspesen für den Transport nach Zernez. Für Lebensmittel sei nichts verrechnet worden. Bei definitiv arbeitsunfähigen oder verstorbenen Landjägern vergewisserte sich der Verhörrichter vor Einleitung einer Rückvergütung beim behandelnden Arzt, dass die Ursache im dienstlichen Kontext lag: Stadtarzt Dr. Paul Eblin bescheinigte dem Verhörrichter beispielsweise auf dessen Anfrage, dass Landjäger Georg Nigglis «Lungenauszehrung […] als eine Folge seiner Dienstverrichtungen» zu betrachten sei.432 Nicht rückvergütet wurden demgegenüber Kuren, die nicht explizit ärztlich verschrieben worden waren, welche aber die Landjäger als gesundheitsfördernde Lösungsstrategie betrachteten. Ein Beispiel ist die Anfrage des in Schmitten (Seewis i. P.) stationierten Landjägers Jakob Wunderer, für einige Tage in ein Bad zu gehen, denn er «habe ser notwendig», sich «schräpffen zu laßen».433 Auch hier gilt betreffend organisatorische Richtlinien das, was bereits in anderen Ausgabekategorien festzustellen war: Der Verhörrichter erlaubte die Anfragen wenn immer möglich, um allfällige Probleme mit seinem Entgegenkommen möglichst frühzeitig zu unterbinden. Im Fall des Landjägers Wunderer, der mit der Methode des Schröpfens Giftstoffe aus seinem Körper entfernen lassen wollte, hiess es beispielsweise, dass ihm die Erlaubnis erteilt werde, er jedoch berichten müsse, wann er gehen wolle, damit man einen Ersatz schicken könne.434

Diese zentralen Auslagen, die zur beschriebenen ersten Gruppe der Ausgabekategorien zählen und entweder in direktem Zusammenhang mit dem Dienst oder aber als lebensnotwendig betrachtet wurden, wurden vom Verhörrichter zusammen mit dem Monatssold und den erwähnten Rückvergütungen beglichen. Auslagen, die zur zweiten Gruppe der Ausgabekategorien zählten, befanden sich ausserhalb des formal-normativen Spektrums und Interessengebiets. Dazu zählten beispielsweise Portokosten für den ausserdienstlichen Briefverkehr, Schulgeld für die eigenen Kinder, Auslagen für Alkohol, Tabak, Glücksspiele, andere Unterhaltungsauslagen wie Buch- und Zeitungskosten, alle ausserhalb des Dienstes entstandenen Gesundheitskosten, Luxusgüter und nicht zuletzt auch Ausgaben für die Subsistenzwirtschaft innerhalb der eigenen Familie. Die Vielfalt dieser Ausgabekategorien verdeutlicht den partikulären Charakter des Landjägeralltags, welcher im Zweiten und Dritten Teil noch näher untersucht wird.

33 Prozentuale Ausgabenanteile der Landjäger am erhaltenen Monatssold von 27 Gulden (ungefährer Durchschnittswert am Beispiel der Landjäger auf den Laufposten).