Praxis der Selbstanzeige

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Erbs, Georg/Kohlhaas, Max Strafrechtliche Nebengesetze, Loseblatt, 200. Ergänzungslieferung, Stand: Oktober 2014


Flore, Ingo/Tsambikakis, Michael Steuerstrafrecht, 1. Aufl. 2012


Franzen, Klaus/Gast-de Haan, Brigitte/Joecks, Wolfgang Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009


Hübschmann, Walter/Hepp, Ernst/Spitaler, Armin AO, FGO Kommentar, Loseblatt, 230. Ergänzungslieferung, Stand: November 2014


Klein, Franz Abgabenordnung, 12. Aufl. 2014


Kohlmann, Günter Steuerstrafrecht mit Ordnungswidrigkeitenrecht und Verfahrensrecht, Kommentar, Loseblatt, 51. Ergänzungslieferung, Dezember 2014


Meyer-Goßner, Lutz/Schmitt, Bertram Strafprozessordnung, Kommentar, 57. Aufl. 2014


Pahlke, Armin Abgabenordnung, 3. Aufl. 2014


Schwarz, Bernhard AO Kommentar zur Abgabenordnung, Loseblatt, 162. Ergänzungslieferung, Stand: Januar 2015


Tipke, Klaus/Kruse, Heinrich Wilhelm Abgabenordnung. Finanzgerichtsordnung. Kommentar, Loseblatt, 138. Ergänzungslieferung, Stand: November 2014

Lehr- und Handbücher:


Graf, Jürgen Peter/Jäger, Markus/Wittig, Petra Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2011


Quedenfeld, Dietrich/Füllsack, Markus Verteidigung in Steuerstrafsachen, 4. Aufl. 2012


Rolletschke, Stefan Steuerstrafrecht, 3. Aufl. Köln 2009


Schaumburg, Harald/Peters, Sebastian Internationales Steuerrecht, 2015


Stahl, Rudolf Selbstanzeige, 3. Aufl. 2011


Streck, Michael/Spatscheck, Rainer Die Steuerfahndung, 4. Aufl. 2006


Wabnitz, Heinz-Bernd/Janovsky, Thomas Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 4. Aufl. 2014

Aufsätze:


Bach, Florian Gruppenanfragen nach Art. 26 Abs. 1 OECD MA und deren Bedeutung für Art. 27 Abs. 1 DBA CH, PStR 2013, 72 ff.


Beyer, Dirk Selbstanzeige ab 1.1.2015 – Fallstricke in der Praxis, Handlungsoptionen und Lösungshinweise, NWB 2015, 769 ff.


Bülte, Jens Zur Situation der steuerstrafrechtlichen Selbstanzeige in Deutschland, ZWF 2015, 52 ff.


Buse, Johannes W. Die Selbstanzeige ab dem 01.01.2015, DB 2015, 89 ff.


Gehm, Matthias Eckpunkte der Neuregelung der strafbefreienden Selbstanzeige, StBW 2015, 105 ff.


Geuenich, Marcus Neue Spielregeln für die strafbefreiende Selbstanzeige, NWB 2015, 29 ff.


Grube, Friederike Darstellung und Analyse der neueren Rechtsprechung zum innergemeinschaftlichen Umsatzsteuerkarussell, MwStR 2013, 8 ff.


Klaproth, Martin Selbstanzeige nach abgeschlossener Betriebsprüfung, Stbg 2015, 75 ff.


Külz, Philipp/Welling, Timo Auswirkungen der Neuregelung des § 398a AO bei Selbstanzeigen im Unternehmen, PStR 2015, 133 f.


Lampe, Jan Erblasser hinterzieht Steuern, Erben unterlassen Berichtigung, Frage der Festsetzungsverjährung, PStR 2015, 95 ff.


Löwe-Krahl, Oliver Die BaFin schafft Selbstanzeige faktisch ab, PStR 2014, 238 f.


Madauß, Norbert Außenprüfung und Steuerstrafverfahren – Anmerkung aus der Praxis, NZWiSt 2014, 296 ff.


Mitsch, Wolfgang Verjährungsvielfalt bei der Steuerhinterziehung, NZWiSt 2015, 8 ff.


Rolletschke, Stefan/Steinhart, Kerstin Die steuerstrafrechtliche Konkurrenzlehre und ihre Auswirkungen; insbesondere auf das Selbstanzeigerecht, NZWiSt 2015, 71 ff.


Roth, David Jeder Mittäter muss vollen Strafzuschlag nach § 398a Nr. 2 AO bezahlen, PStR 2014, 273 f.


Samson, Erich Strafbefreiende Fremdanzeige (§ 371 Abs 4 AO) und Berichtigungspflicht (§ 153 Abs 1 AO), wistra 1990, 245 ff.


Schwartz, Tobias Praxisfragen zur neuen Selbstanzeigeregelung zum 1. Januar 2015, PStR 2015, 37 ff.


Stahl, Rudolf Die neue Selbstanzeige ab 2015, KÖSDI 2015, 19167 ff.


Webel, Karsten Strafzumessung bei unwirksamen Selbstanzeigen, PStR 2014, 70 ff.


Wegner, Carsten Geldwäsche-Verdachtsmeldung: BMF legt vor, BaFin zieht nach, PStR 2014, 181 ff.


ders. Checkliste: Bargeldtransfer im Grenzbereich, PStR 2014, 206 ff.


ders. Hinterziehung von Schenkungsteuer bei „Treuhandstruktur“ für Bankkonto?, PStR 2015, 31 f.


Wulf, Martin Selbstanzeige trotz laufender Betriebsprüfung? Praxiswissen zum Ausschlussgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 1 AO, Stbg 2013, 269 ff.


ders. Praxisprobleme der Selbstanzeige nach Verletzung der Anzeige- und Berichtigungspflicht aus § 153 AO, PStR 2014, 255 ff.


ders./Ruske, Alexander Versuchte Steuerhinterziehung und das Vollständigkeitsgebot PStR 2015, 14 ff.

1. Kapitel Einleitung

Inhaltsverzeichnis

 

I. Zahlen und Fakten

II. Die Neuregelung der Selbstanzeige 2015

1

Das vorliegende Buch erläutert die Praxis der Selbstanzeige aus der Sicht des Beraters anhand der seit dem 1.1.2015 geltenden Neuregelung. Nach einer kurzen Einführung zur aktuellen Situation bei der Selbstanzeige behandelt das 2. Kapitel (Rn. 15 ff.) die einzelnen Etappen einer erfolgreichen Selbstanzeigeberatung und gibt dabei anhand konkreter Fallkonstellationen und Fällen aus der Beratungspraxis für die jeweils typischen Beratungssituationen überblickartig konkrete Handlungsempfehlungen. Das 3. Kapitel (Rn. 118 ff.) stellt klassische Fallgestaltungen aus der Beratungspraxis dar und zeigt mögliche Verteidigungsstrategien auf. Das rechtlich zentrale 4. Kapitel (Rn. 168 ff.) erörtert die sich allgemein und im Besonderen im Zusammenhang mit den aufgezeigten Fallkonstellationen ergebenden rechtlichen Fragen. Das 5. Kapitel (Rn. 326 ff.) behandelt wichtige Sonderkonstellationen im Zusammenhang mit der Selbstanzeige wie etwa § 398a AO.

Auch wenn die Selbstanzeige in erster Linie zum Bereich des Strafrechts zählt, dürfen ihre Auswirkungen im außerstrafrechtlichen Bereich in der Beratung nicht unberücksichtigt bleiben. Das 6. Kapitel (Rn. 423 ff.) befasst sich daher mit den weiteren rechtlichen Folgen einer Selbstanzeige. Abschließend gibt das 7. Kapitel (Rn. 449 ff.) einen Ausblick auf die mögliche Behandlung aktueller Problemfelder und die weitere Entwicklung der Selbstanzeigeberatung. Einen praktischen Einblick in typische Dokumente im Rahmen eines Selbstanzeigefalles vermitteln schließlich – unter jeweiligem Kapitelverweis – die im 8. Kapitel (Rn. 471 ff.) angefügten Arbeitshilfen und Mustertexte.

1. Kapitel Einleitung › I. Zahlen und Fakten

I. Zahlen und Fakten

2

Selbstanzeigen spielen in der steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Praxis aktuell eine herausragende Rolle. Nach dem Rekordjahr 2010 mit mehr als 27.500 Selbstanzeigen[1] sank die Zahl der Selbstanzeigen zwar zunächst drastisch, um 2013 aber bereits wieder auf rund 26.000 anzusteigen.[2] Für 2014 ergab sich mit knapp 40.000 Selbstanzeigen nochmals eine Steigerung um ca. 60 %.[3]

Spitzenreiter sind durchgängig die Länder Baden Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bayern, während eher strukturschwache Länder wie Mecklenburg-Vorpommern kaum Selbstanzeigen verzeichnen.[4]

3

Neben den „emotionalen“ Sondereffekten, die im Gefolge der öffentlichkeitsträchtigen Verfahren Hoeneß und Schwarzer im ersten Halbjahr 2014 eine wahre Selbstanzeigenflut nach sich zogen, hat die bereits seit Mai 2014 kommunizierte geplante Gesetzesverschärfung im letzten Quartal 2014, wie Stimmen aus der Finanzamtspraxis berichten, zu einer regelrechten „Jahresendrallye“ geführt. Viele Steuerpflichtige haben noch in den letzten Tagen des alten Jahres die Finanzämter mit Selbstanzeigen regelrecht überschwemmt, um noch in den „Genuss“ der alten Rechtslage zu kommen.[5]

4

Insgesamt haben seit 2010 über 100.000 Personen eine Selbstanzeige abgegeben. Dies hat zu Mehreinnahmen des Fiskus von mehr als 4 Mrd. € geführt, so dass die Selbstanzeige unter fiskalischen Gesichtspunkten überwiegend als Erfolgsmodell gilt. Gleichzeitig ist sie aber auch ein Topthema in der anwaltlichen und steuerlichen Beratung. Daran wird auch die Neuregelung der Selbstanzeige mittelfristig nichts ändern. Denn eine Selbstanzeige ist in der Praxis nicht nur im Zusammenhang mit Schwarzgeld oder im Ausland schlummernden Konten relevant. Die Bandbreite möglicher Sachverhalte, in denen nachträglich der Vorwurf der Steuerhinterziehung im Raum steht, ist groß. Neben dem Unternehmensbereich sind insbesondere Erbschafts- und Schenkungsfälle betroffen. Damit wird die Thematik, auch wenn Selbstanzeigen quantitativ in den folgenden Jahren das Niveau der letzten Jahre und speziell 2014 nicht mehr erreichen werden,[6] qualitativ über mutmaßlich höhere Steuersubstrate in der Rechts- und Steuerberatung weiterhin eine nicht unbeträchtliche Rolle spielen.

5

Vor allem auch Selbstanzeigen nach altem Recht dürften Berater in naher Zukunft noch in großem Umfang beschäftigen. Schließlich gilt es, den „Sondereffekt“, der in den letzten fünf Jahren über die Finanzämter hereingebrochen ist, auch von Beraterseite „aufzuarbeiten“. Nicht nur bei den in den Jahren 2013 und 2014 eingereichten Selbstanzeigen ist – nachvollziehbar – der Großteil weder steuerlich noch gar strafrechtlich abgeschlossen. Auch gibt es bei den „Altfällen“ der Selbstanzeigen 2012 und früher noch erheblichen Beratungsbedarf.

Dies betrifft etwa mangels vorliegenden Bankenmaterials oder aus Kapazitätsgründen nicht abgeschlossene Besteuerungsverfahren, aber auch schon Rechtsbehelfs- bzw. Finanzgerichtsverfahren. Parallel dazu ist das alte Recht in eingeleiteten und vor Bestandskraft der Besteuerungsverfahren üblicherweise nicht abgeschlossenen Steuerstrafverfahren sowie in aus Selbstanzeigen resultierenden Außen- bzw. Steuerfahndungsprüfungen von Bedeutung. Daneben spielt es aber auch eine Rolle bei der steuerstrafrechtlichen Klärung von Fällen der sogenannten „fehlgeschlagenen“ Selbstanzeigen.

Nicht zu vergessen ist auch die Vielzahl der im Gefolge von Steuerfahndungsmaßnahmen auf der Basis von angekauften Steuer-CDs laufenden Ermittlungsverfahren, bei denen vorrangig strafprozessuale Überlegungen, zunehmend aber auch gepaart mit steuerverfahrensrechtlichen Themen unter dem Oberbegriff der Verfahrenstaktik Bedeutung erlangen und eine solide Kenntnis des bisherigen „Selbstanzeigerechts“ erfordern. Hierauf ist noch im Einzelnen einzugehen (vgl. 3. Kap. Rn. 153 ff.). Auf die mit dem neuen Selbstanzeigerecht einhergehenden Veränderungen in Theorie und Praxis muss der Berater ohnehin für eine bestmögliche Unterrichtung und Vertretung des Mandanten vorbereitet sein.

Anmerkungen

[1]

http://de.statista.com/statistik/daten/studie/292791/umfrage/selbstanzeigen-wegen-steuerbetrug-in-deutschland/.

[2]

Im Detail gehen die Angaben auseinander. Für 2013 berichtet die WirtschaftsWoche unter http://www.wiwo.de/finanzen/steuern-recht von 25.700 Selbstanzeigen, Focus meldet unter http://www.focus.de/finanzen/steuern/ ca. 24.000, die Welt unter http://www.welt.de/ im Artikel „40.000 Steuerhinterzieher zeigten sich 2014 selbst an“ vom 13.1.2015 gibt für 2013 eine Zahl von rund 27.000 Selbstanzeigen an.

[3]

Artikel „Selbstanzeige: Viele Steuerhinterzieher zu spät dran“ vom 9.3.2015, abrufbar unter http://m.welt.de/finanzen; Artikel „Rekord bei Selbstanzeigen von Steuerbetrügern“ vom 2.1.2015, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/thema/selbstanzeige; die Welt meldet unter http://www.welt.de/ in ihrem Artikel „40.000 Steuerhinterzieher zeigten sich 2014 selbst an“ vom 13.1.2015 für 2014 eine Zahl von 38.587 Selbstanzeigen; Artikel jeweils abrufbar unter Eingabe des Suchbegriffs „Selbstanzeige“.

[4]

Artikel „2014 Rekordwert bei Steuer-Selbstanzeigen“ vom 12.1.2015, abrufbar unter http://www.wiwo.de unter Eingabe des Suchbegriffs „Selbstanzeige“; Artikel „Rekord bei Selbstanzeigen von Steuerbetrügern“ vom 2.1.2015, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/thema/selbstanzeige.

[5]

Vgl. den Artikel „Viele Steuersünder zeigen sich selbst an“ vom 9.3.2015, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/thema/selbstanzeige.

[6]

Manche Bundesländer melden für die ersten Monate des Jahres 2015 aber auch einen Anstieg der Zahl der Selbstanzeigen, vgl. die Artikel vom 9. und 10.3.2015 unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/thema/selbstanzeige.; in seinem in der Wirtschaftswoche veröffentlichten Beitrag „Verwirrung um Neujahrsboom bei Selbstanzeigen“ vom 10.2.2015 hält Haerder schlicht einen Verwaltungsstau durch verlängerten Postlauf als Erklärung für möglich; Praktiker gehen noch bis 2017 von einer weiteren Selbstanzeigeflut aus (Kullen www.tagblatt.de [vom 4.2.2014 Stichwort: Selbstanzeige]).

1. Kapitel Einleitung › II. Die Neuregelung der Selbstanzeige 2015

II. Die Neuregelung der Selbstanzeige 2015

6

Die Selbstanzeige ist seit fast 100 Jahren ein bewährtes Instrument zur Aufdeckung bislang unbekannter Steuerquellen und zur Rückkehr des Steuerpflichtigen in die Steuerehrlichkeit. Nachdem das Recht der Selbstanzeige im Jahr 2011 bereits erheblich verschärft worden war, hat die Novellierung zum 1.1.2015 die Möglichkeit, Strafbefreiung durch eine Selbstanzeige zu erlangen, nochmals erschwert. Der Beratungsbedarf ist, selbst wenn die Selbstanzeigewellen zunächst abklingen sollten, enorm, gilt doch eine Selbstanzeige ohne professionelle Beratung als „kaum noch erfolgversprechend“.[1]

 

7

Ein Eckpunkt der Neuregelung ist die Verteuerung der Selbstanzeige. Die im Jahr 2011 eingeführte Betragsgrenze, bis zu der eine Steuerhinterziehung ohne Zahlung eines zusätzlichen Geldbetrages bei Selbstanzeige straffrei bleiben kann, halbiert sich von 50.000 € auf 25.000 €. Gleichzeitig erhöht sich der Zuschlag für Selbstanzeigen, die aufgrund der Höhe der hinterzogenen Steuern keine strafaufhebende Wirkung haben, bei denen aber die Strafverfolgung ausgeschlossen werden kann (§ 398a AO), deutlich. Nach der bis zum 31.12.2014 geltenden Rechtslage betrug der Zuschlag bei Überschreiten der 50.000 €-Grenze einheitlich 5 %. Seit dem 1.1.2015 gilt ein Stufentarif: von 25.000 bis 100.000 € beträgt der Zuschlag 10 % der hinterzogenen Steuern, zwischen 100.000 und einer Million € sind es 15 %. Bei einem Hinterziehungsbetrag von über einer Million € ist ein Zuschlag von 20 % zu zahlen, um die Strafverfolgung auszuschließen. Außerdem ist die fristgerechte Zahlung von Hinterziehungszinsen und Zinsen nach § 233a AO, soweit sie auf Hinterziehungszinsen angerechnet werden, seit dem 1.1.2015 Voraussetzung, um Straffreiheit zu erlangen bzw. das Absehen von Strafverfolgung zu erreichen, vgl. §§ 371 Abs. 3 S. 1, 398a Abs. 1 Nr. 1 AO.

8

Die Selbstanzeige verlangt darüber hinaus seit dem 1.1.2015 auch eine erhöhte Offenbarung steuerunehrlichen Verhaltens. Kernpunkt der Verschärfung ist die generelle Ausdehnung des Berichtigungszeitraums auf zehn Jahre.[2] Bislang bestand diese Verpflichtung nur in Fällen einer besonders schweren Steuerhinterziehung. Für eine wirksame Selbstanzeige sind aufgrund der Neuregelung nunmehr auch strafrechtlich bereits verjährte Steuerhinterziehungen anzuzeigen. Der Gesetzgeber umschreibt dies mit einem erhöhten „Erfüllungsaufwand“. Die Literatur bezeichnet die Verschärfungen dagegen als „kontraproduktiv“.[3]

Diese Regelung ist ausschließlich steuerrechtlich motiviert. Über die Angaben des Steuerpflichtigen in der Selbstanzeige sollen die Finanzämter Steuern verlässlicher festsetzen können und nicht mehr auf Schätzungen für steuerlich noch offene Altjahre angewiesen sein. Hintergrund ist der Umstand, dass für das Eingreifen der auf zehn Jahre verlängerten steuerlichen Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 S. 2 AO das Vorliegen einer Steuerhinterziehung dem Grunde nach mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen ist.[4] Schätzungen sind nur bei der Höhe der verkürzten Beträge zulässig.[5] In der Praxis liegt die Ursache für eine notwendige Schätzung der Besteuerungsgrundlagen jedoch häufig nicht in dem Unwillen des Steuerpflichtigen, die erforderlichen Unterlagen vorzulegen, sondern in der praktischen Unmöglichkeit, solche Dokumente zu beschaffen.[6]

9

Besonderheiten gelten für die Umsatzsteuer und die Lohnsteuer. Hervorzuheben ist die Ausnahme vom Grundsatz der Vollständigkeit. Insoweit feiert die Teilselbstanzeige, von der sich der Gesetzgeber 2011 verabschiedet hatte, eine Wiedergeburt.[7] Wird eine Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung korrigiert oder verspätet abgegeben, führt sie nun wieder in dem nacherklärten Umfang als Selbstanzeige zur Straffreiheit und sperrt nicht – wie nach der bis zum 31.12.2014 geltenden Rechtslage – eine weitere Selbstanzeige für denselben Zeitraum. Mit der Rückkehr zur Teilselbstanzeige trägt der Gesetzgeber der Fehleranfälligkeit dieses „Massengeschäfts“ Rechnung. Ebenso gilt in diesem Bereich keine Betragsgrenze, ab der eine strafbefreiende Selbstanzeige ausgeschlossen ist. Auch Tatentdeckung sperrt die Selbstanzeige in Bezug auf Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen nicht, § 371 Abs. 2a S. 2 AO. Dem Wortlaut der Norm ist aber nicht eindeutig zu entnehmen, ob eine korrigierte oder nachgereichte Lohnsteueranmeldung oder Umsatzsteuervoranmeldung nicht zum Eingreifen des Sperrgrunds der Tatentdeckung lediglich der auf diese Steuerarten bezogenen Taten führt, oder ob eine Tatentdeckung auch in Bezug auf andere Steuerarten hierdurch ausgeschlossen ist.

10

Zu erwähnen ist zuletzt noch die verlängerte Anlaufhemmung bei der Verjährung der steuerrechtlichen Festsetzung für den Fall, dass unversteuerte Kapitalerträge aus Nicht-EU-Staaten stammen, die nicht am automatischen Datenaustauschverfahren teilnehmen (§ 170 Abs. 6 AO),[8] näher hierzu im 5. Kap. Rn. 370.

11

Auf die Neuregelungen sowie auf weitere Besonderheiten ist im Einzelnen noch im „materiellen“ 4. Kapitel einzugehen. Zur Verdeutlichung der Änderungen ab 2015 vgl. die nachfolgende Synopse.


§ 371 AO ab 1.1.2015 § 371 AO bis 31.12.2014
(1) Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen. (1) Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft.
(2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn 1. bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung (2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn 1. bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung
a) dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten im Sinne des § 370 Absatz 1 oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung, oder a) dem Täter oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist oder
b) dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist, oder b) dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder
c) ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung, oder c) ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung, zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder
d) ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist, oder
e) ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b des Umsatzsteuergesetzes, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g des Einkommensteuergesetzes oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat, oder
2. eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, 2. eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste oder
3. die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25 000 € je Tat übersteigt, oder 3. die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 50 000 € je Tat übersteigt.
4. ein in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 bis 5 genannter besonders schwerer Fall vorliegt. Der Ausschluss der Straffreiheit nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c hindert nicht die Abgabe einer Berichtigung nach Absatz 1 für die nicht unter Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c fallenden Steuerstraftaten einer Steuerart.
(2a) Soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung begangen worden ist, tritt Straffreiheit abweichend von den Absätzen 1 und 2 Nummer 3 bei Selbstanzeigen in dem Umfang ein, in dem der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Absatz 2 Nummer 2 gilt nicht, wenn die Entdeckung der Tat darauf beruht, dass eine Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung nachgeholt oder berichtigt wurde. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das Kalenderjahr beziehen. Für die Vollständigkeit der Selbstanzeige hinsichtlich einer auf das Kalenderjahr bezogenen Steueranmeldung ist die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Voranmeldungen, die dem Kalenderjahr nachfolgende Zeiträume betreffen, nicht erforderlich.
(3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Absatz 4 angerechnet werden, innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. In den Fällen des Absatzes 2a Satz 1 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die fristgerechte Entrichtung von Zinsen nach § 233a oder § 235 unerheblich ist. (3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet.
(4) Wird die in § 153 vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsmäßig erstattet, so wird ein Dritter, der die in § 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Hat der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt, so gilt Absatz 3 entsprechend. (4) Wird die in § 153 vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsmäßig erstattet, so wird ein Dritter, der die in § 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Hat der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt, so gilt Absatz 3 entsprechend.

12

Kenntnisse des neuen Selbstanzeigerechts sind nicht nur für ab dem 1.1.2015 eingereichte Selbstanzeigen essentiell. Das neue Recht ist auch von Bedeutung, um die Wirksamkeit einer vor dem 1.1.2015 eingereichten Selbstanzeige prüfen zu können. In Ermangelung einer Regelung des zeitlichen Anwendungsbereichs der Neuregelung ist nach § 2 Abs. 3 StGB das im konkreten Einzelfall[9] für den Anzeigenden günstigere Gesetz anzuwenden. Insbesondere im Hinblick auf die wieder eingeführte Wirksamkeit von Teilselbstanzeigen im Zusammenhang mit Lohnsteueranmeldungen und Umsatzsteuervoranmeldungen ist das neue Recht das mildere Gesetz. Gleiches gilt auch für die Fälle einer trotz Prüfungsanordnung eingereichten Selbstanzeige.[10] Nach umstrittener Auffassung sperrte die Prüfungsanordnung die Abgabe einer Selbstanzeige für alle Besteuerungszeiträume im Hinblick auf die geprüften Steuerarten. Die Neuregelung behandelt gleichwohl eingereichte Selbstanzeigen nunmehr als wirksam, soweit sie die nicht von der Prüfungsanordnung umfassten Zeiträume betrifft.