Pink Floyd

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Getreu der Firmenlinie wurde Pink Floyd der A&R-Mann Norman Smith als Produzent zugeteilt. Er war ein adretter ehemaliger Angehöriger der Luftstreitkräfte sowie ein erfahrener Jazz-Musiker und half gelegentlich bei den Beatles als Toningenieur aus. „Er war ein Vertreter der alten Schule und hatte einen sehr trockenen Sinn für Humor“, erinnert sich Roger Waters. „Außerdem erweckte er stets den Eindruck, ein alter Entertainer zu sein. Ich mochte ihn wirklich sehr.“

Die Sessions für das Album, das schlussendlich The Piper at the Gates of Dawn heißen sollte, begannen im Januar 1967 im Studio Three. In den nächsten paar Monaten sollten immer wieder die Beatles im Studio Two nebenan an ihrem nächsten Album, Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band, arbeiten. Smith hatte Pink Floyd bezüglich seiner Qualifikationen nicht im Unklaren gelassen, doch gestaltete sich die Zusammenarbeit nicht immer einfach. Um das Eis zu brechen, setzte sich der Produzent ans Klavier und hämmerte auf die Tasten ein, woraufhin die Band einstieg. Diese Jam-Sessions erfüllten zwar ihren Zweck, doch war Syd weniger offen, wenn es darum ging, sich wegen seiner eigenen Musik Ratschläge erteilen zu lassen. „Mit Syd war es, als würde man gegen eine Ziegelmauer anreden“, erklärte Smith. „Er nahm einen Take auf und kam in den Regieraum, um reinzuhören. Ich machte ihm ein paar Vorschläge und er nickte bloß. Er reagierte nicht wirklich und nahm einfach einen weiteren Take auf, der sich exakt gleich wie der erste anhörte. Roger war sehr hilfsbereit und die anderen waren absolut in Ordnung, Rick war sehr entspannt. Aber was Syd anging, so begriff ich, dass ich meine Zeit vergeudete.“ Jeff Jarratt war bei den Sessions in seiner Rolle als Tape-Op mit dabei. „Meine Erinnerungen unterscheiden sich von Normans“, erklärt er. „Syd war ganz klar der kreative Antrieb der Band. Ich fand ihn fantastisch. Als ich gebeten wurde, die Sessions zu betreuen, sah ich mir Pink Floyd live an und war total hin und weg. Es war alles so frisch und aufregend. So etwas hatte ich noch nie gehört. Norman leitete sie an, damit ihr Material auf Platte so gut wie möglich klang. Also kann es schon vorgekommen sein, dass er Dinge sagte, mit denen er ihre Denkweise in Frage stellte.“ Waters sieht die Sache ähnlich: „Obwohl Syd viel auf LSD war, gab es zu diesem Zeitpunkt keine wirklichen Probleme mit ihm.“ Dennoch waren alle der Meinung, dass die abgefahreneren musikalischen Ideen der Band sich nicht mit der traditionellen Herangehensweise von Smith vertrugen.

„Ich war nicht allzu vertraut mit der Art von Musik, die sie spielten“, gab Norman zu. „Psychedelische Musik war nicht mein Ding. Ich war jedoch der Ansicht, dass es mein Job war, sie dazu zu bewegen, etwas melodischer zu denken.“ Was das betraf, so war Smith durchaus erfolgreich dabei, die Band „von den Ausschweifungen der Live-Konzerte“, wie Peter Jenner dies bezeichnet, abzubringen. Stattdessen wurden improvisationslastige Nummern wie „Pow R. Toc H.“ auf eine überschaubare Länge gekürzt, obwohl Pink Floyd mit der 9 Minuten und 41 langen Version von „Interstellar Overdrive“ auch ein musikalischer Streifzug in der Art ihrer Live-Shows gestattet wurde. Laut dem mittlerweile verstorbenen Abbey-Road-Toningenieur Pete Brown war dies der erste Song, den er die Band proben hörte, als er mit der Arbeit am Album begann. „Ich öffnete die Türe und schiss mir fast in die Hosen“, erinnerte er sich Jahre später. „Jesus, war das laut. So etwas hatte ich eigentlich noch nie gehört.“

„Peter Brown war eine unglaubliche Type“, erinnert sich Jeff Jarratt. „Ein lustiger, extrovertierter Kerl. Er war älter als die Band, aber er war gegenüber neuen Ideen sehr aufgeschlossen.“

„Peter hatte eine viel kreativere Grundeinstellung als vielleicht Norman“, meint Peter Jenner. „Außerdem war er extrem schwul – superschwul sogar –, was damals recht ungewöhnlich war.“ Andrew King erinnert sich daran, dass Brown am Mischpult saß und seine Fingerspitzen mit einer Paste präparierte, die zur Behandlung von Schnitten und Kratzern gedacht war, da er sich Sorgen machte, die endlosen Sessions würden durch Überbeanspruchung bleibende Spuren hinterlassen.

Geschichten von Aufeinandertreffen zwischen Pink Floyd und den Beatles während dieser Sessions sind von zweifelhafter Authentizität. Sie reichen von „rein fiktiv“ – Barrett spielte nicht heimlich auf Sgt. Pepper – bis hin zu „recht banal“, wie etwa jene, derzufolge die Floyds eingeladen worden seien, die Beatles zu treffen und dabei auf einen übelgelaunten Lennon und einen fröhlichen McCartney getroffen seien. Nick Mason schrieb davon, bescheiden dabeigesessen zu haben, als die Beatles gerade an einem Mix von „Lovely Rita“ arbeiteten. Norman Smith fügte dem Sammelsurium von Geschichten noch eine weitere hinzu. Er habe sich gerade im Studio Three aufgehalten und zu Beginn der Piper-Sessions versucht, eine persönliche Beziehung zu Pink Floyd aufzubauen, als angeblich Folgendes passierte: „Die Tür öffnete sich und niemand anderer als Paul McCartney betrat den Raum. Er stellte sich ihnen vor, obwohl sie klarerweise wussten, wer er war. Dann, als er wieder ging, tippte er mir auf die Schulter, und sagte zu ihnen: ‚Mit diesem Kumpel hier könnt ihr nichts falsch machen.‘ Ich denke, das beeindruckte die Jungs.“

„Man muss im Kopf behalten“, sagt Jeff Jarratt, „dass sich Bands in den Abbey Road Studios ständig über den Weg liefen. Wer kann schon sagen, wie oft sich Pink Floyd und die Beatles dort wirklich getroffen haben?“ Aubrey „Po“ Powell erinnert sich an ein Aufeinandertreffen von Barrett, Waters und McCartney im UFO: „Neben der Bühne gab es diesen kleinen Korridor. Ich saß ebendort, als McCartney vorbeikam und einen Joint rauchte. Paul war ein sehr leutseliger Typ und reichte den Joint herum. Nachdem er wieder weg war, sagte Syd: ‚Wow, das war Paul McCartney und er war da, um sich Pink Floyd anzusehen.‘ Mich überraschte seine Aussage und ich sagte zu ihm: ‚Syd, du bist ja inzwischen selbst ziemlich cool.‘ Ich erinnere mich außerdem daran, dass Roger, den ich zuvor noch nie rauchen gesehen hatte, einen tiefen Zug von diesem Joint nahm. Er wusste, wann er sich nach den Regeln zu richten hatte.“

Die Erfolge und Durchbrüche, die die Beatles an der Abbey Road feierten, waren sicherlich mitverantwortlich dafür, dass die Floyds The Piper at the Gates of Dawn aufnehmen konnten. Im Anschluss an das Beatles-Album Revolver hatten sich die Toningenieure an Dinge wie Phasing und Multitracking und all den anderen „schrägen Scheiß“, wie es Jenner ausdrückt, gewöhnt.

„Besonders Roger interessierte sich für das Studio an sich und die Entwicklung des Sounds“, erinnerte sich Smith. Andrew King hingegen berichtet, dass auch Syd ein ähnliches Interesse zeigte: „Ich weiß noch sehr genau, wie Syd den Song ‚Chapter 24‘ mischte und die Regler für den finalen Mix betätigte. Und er war sehr gut darin. Er wusste, was er wollte, und war vollends in der Lage, seine Wünsche auch umzusetzen – zumindest auf technischer Ebene.“

Zwar soll Barrett während der Aufnahmesessions etliche Mikrofone gekillt haben und die Anzeigen regelmäßig in den roten Bereich getrieben haben, doch aus dem gelegentlichen Chaos ging schließlich ein Album mit elf Songs sowie – was am wichtigsten war – eine zusätzliche Single hervor. „Als ich ‚See Emily Play‘ hörte, wusste ich, dass es das war. Das war der eine Song“, erzählte Smith.

Pink Floyd stellten die Single – zuerst noch unter dem Titel „Games for May“ – am 12. Mai bei einem Event unter demselben Namen in der Londoner Queen Elizabeth Hall vor. Jenner hatte die prestigeträchtige Location, in der sonst eher klassische Klänge zu hören waren, durch die Freundschaft seiner Frau Sumi zum Konzertveranstalter Christopher Hunt klarmachen können. Die Band beschloss, dort auch zum ersten Mal ihr neuestes Spielzeug, den Azimuth Coordinator, zum Einsatz zu bringen. Tatsächlich handelte sich dabei eigentlich um das erste quadrophonische Soundsystem. Der Coordinator war von einem der Tüftler in den Abbey Road Studios für die Band gebastelt worden. Es bestand aus vier Rheostaten, die sich in einer großen Kiste befanden. Diese Apparatur umfasste außerdem eine Art „Joystick“, den Richard Wright betätigte, um den Sound – egal, in welcher Location – um 270 Grad zu schwenken. Zwar war allein die Lautstärke, in der Pink Floyd an jenem Abend spielten, ein Thema, doch vor allem die Seifenblasen-Maschine und das Verstreuen von Blumen während ihres Auftritts sorgten für Verstimmung. „Die Kombination aus zerquetschten Narzissen-Stängeln und zerplatzten Seifenblasen hinterließ auf den Lederstühlen und dem Boden eine schmierige Flüssigkeit“, erzählt Jenner. „Wir wurden sofort für weitere Auftritte dort gesperrt und ich glaube nicht, dass sie so bald wieder Popgruppen an die South Bank ließen.“

Nur wenige Tage später war es die Lautstärke, die den Interviewer der Kultursendung Look of the Week auf BBC1 beschäftigte. Nach einem Ausschnitt von Pink Floyds „Pow R. Toc H.“ wurden Barrett und Waters mit ein paar skeptischen Fragen des österreichischen Musikers und Streichquartett-Fans Hans Keller konfrontiert. Der Austausch wirkt mittlerweile wie ein kurioses Historienspiel: der seriöse Musikwissenschaftler im Anzug versus die Pop-Newcomer in geblümten Hemden. „Warum muss alles so schrecklich laut sein?“, erkundigt sich Keller. „So gefällt es uns eben“, kontert Waters. Syd, ganz im Gegensatz zum Ruf, der ihn umweht, wirkt ausgesprochen aufmerksam und ebenso eloquent wie sein Bandkollege. Keller lässt sich davon allerdings nicht beeindrucken und offeriert eine spitzfindige Perspektive in Bezug auf Pink Floyds Musik: „Mein Urteil lautet, dass es sich hierbei um eine Art Rückführung in die Kindheit handelt.“

Nachdem sie Abbey Road hinter sich gelassen hatten, kehrte die Band ins Sound Technique Studio zurück, wo sie schon mit Joe Boyd an „Arnold Layne“ gearbeitet hatten, um die neue Single, „See Emily Play“, fertigzustellen. Allerdings gab es da ein Problem. „Leider fand Syd überhaupt keinen Gefallen an ‚See Emily Play‘“, erklärte Norman Smith. „Eigentlich glaube ich nicht, dass er überhaupt gerne Singles aufnahm.“

 

Am Tag der Session erhielt Syd einen Anruf von David Gilmour. Der Gitarrist war auf Kurzbesuch in London, um für Jokers Wild, die zu jener Zeit gerade einen Gig als Hausband in einem Pariser Nachtclub hatten, Ausrüstung zu kaufen. Barrett hörte sich absolut normal an und lud Gilmour ins Studio ein. Als dieser eintraf, war er vom Anblick, der sich ihm bot, schockiert. „Er sah sehr eigenartig aus. Als wären seine Augen aus Glas“, erinnert er sich. „Er war nicht unbedingt sehr freundlich und schien mich auch gar nicht wiederzuerkennen. Ich blieb vielleicht ein oder zwei Stunden, bevor ich wieder aufbrach. Ich kannte LSD, da ich es ja selbst schon genommen hatte, aber ich brachte es nicht mit dieser Situation in Zusammenhang. Er war einfach sehr seltsam drauf.“ Gilmour kehrte nach Frankreich zurück. Zwar machte er sich Sorgen über den Zustand seines Freundes, doch konnte er noch nicht abschätzen, wie sehr er sich schon bald auf seine eigene Karriere auswirken würde.„See Emily Play“ erschien am 16. Juni 1967. Roy Featherstone, ein großes Tier bei EMI, prägte im Rahmen der Veröffentlichung den Slogan „Straight to Heaven in ’67“. Peter Jenner erinnert sich: „Obwohl das inzwischen ziemlich abgedroschen klingen mag, funktionierte der Slogan damals.“

Der Song zeichnete sich durch eine Brise der für Syd so typischen Experimentierfreude aus, in diesem Fall dem Geräusch eines Plastiklineals, das über das Griffbrett einer Gitarre gezogen wurde. Andererseits hatte die Nummer auch „eine wundervolle Melodie“, wie Norman Smith betonte. „See Emily Play“ – eine perfekte Legierung aus psychedelischem Exzess und Pop in Reinkultur – übertraf „Arnold Layne“ auf allen Ebenen. Einerseits verzichtete die Band darauf, ein ähnlich sinistres Thema wie auf der Vorgänger-Single zu besingen, entschied sich andererseits aber dafür, Wrights unheimlich klingendes Keyboard und Syds entrückt wirkenden Gesang so einzusetzen, um ein Abdriften in Richtung Easy-Listening-Pop und ähnliche Gefilde zu vermeiden. Der New Musical Express jubelte: „[Der Song] bietet eine Vielzahl seltsamer Oszillationen, Nachklänge, elektronischer Vibrationen, verschwommener Dröhngeräusche und ansprechender Harmonien.“

Obwohl „See Emily Play“ nicht ganz so skurril war wie einige seiner anderen Kompositionen auf The Piper at the Gates of Dawn, war der Song dennoch gepfeffert mit Eindrücken aus Syds und Rogers Kindheit in Cambridge. „Ich weiß genau, über welche Wälder Syd in ‚See Emily Play‘ singt“, erklärte Waters 2004. „Als Kinder sind wir alle in diese Wälder gegangen. Es ist eine ganz spezielle Gegend – ein besonderes Waldstück neben der Straße in die Gog Magog Hills.“

Wer die fragliche Emily ist, ist tief in der Mythologie rund um Pink Floyd verwurzelt. Einige behaupten, es würde sich bei ihr um Emily Young handeln, die an der Notting Hill Free School und dem UFO-Club quasi zum Inventar gehörte und mittlerweile eine geachtete Bildhauerin ist. Obwohl Emily Syd tatsächlich kennenlernte, hat sie keine konkrete Kenntnis davon, dass der Song von ihr handeln könnte. Jenny Spires behauptet, dass „Emily“ einfach Barretts Vorschlag gewesen wäre, wenn er je eine Tochter gehabt hätte. Zur Zeit der ursprünglichen Veröffentlichung des Songs erklärte Waters einem Radio-Interviewer: „Alle könnten Emily sein. Sie ist einfach eine besessene Puppe, das ist alles.“

Zwei Wochen nach dem Erscheinen der Single wurden Pink Floyd eingeladen, bei Top of the Pops aufzutreten. Andrew King sollte später sagen, dass sich Syds Verfall über die unterschiedlichen Auftritte der Band in der Show hinweg deutlich abzeichnete: zwei widerwillige Performances sowie eine Darbietung, der er ebenso fernbleiben hätte können. Peter Wynne-Willson war vor einem der Auftritte mit Syd am Trafalgar Square. „Es wurde immer später. Irgendwann sagte ich zu ihm: ‚Sollten wir nicht langsam aufbrechen?‘ Wir hielten ein Taxi an und Syd bat den Fahrer, ein ganz anderes Ziel anzusteuern.“

Norman Smith begleitete die Band in die Lime Grove Studios im Westen Londons, wo sie ihren ersten Fernsehauftritt absolvieren sollten. „Ich erklärte ihnen, dass sie zu einem Playback spielen müssten, so wie das damals alle Gruppen taten“, erinnerte er sich. „Ich glaube nicht, dass Syd sehr glücklich damit war, aber die anderen akzeptierten es. Also ließen sie sich ihre Haare waschen und Make-up auftragen. Eigentlich dachte ich, dass es Syd egal sei, wie er aussah, aber als er wieder erschien, sah er aus wie ein Popstar. Ich sagte ihm, dass er fantastisch aussähe. Er ging also geradewegs zum nächsten Spiegel, zerzauste seine Haare und wischte sich mit ein paar Taschentüchern die Schminke aus dem Gesicht … Eine Woche später, als wir zurückkehrten, passierte genau dasselbe. In der Show stand er einfach nur da und ließ seine Gitarre vor sich herunterhängen. Im Anschluss sagte ich ihm, dass er unsere Karriere ruinieren würde, wenn er so weitermachte. Aber das ging bei ihm in ein Ohr rein und beim anderen wieder hinaus.“

Die Single erreichte schließlich Platz 5 in den UK-Charts. Als die Gruppe zu einem dritten Auftritt eingeladen wurde, weigerte sich Syd. „Der Grund dafür war, dass John Lennon auch nicht bei Top of the Pops auftrat und wir das deshalb auch nicht müssten“, teilte Roger Waters dem Melody Maker mit. Sue Kingsford traf Syd an einem Nachmittag vor einem seiner Auftritte bei Top of the Pops. Sie und Jock lebten inzwischen in einer Wohnung in der Beaufort Street in South Kensington, nahe der Cromwell Road. „Auf einmal hörten wir, dass jemand gegen unsere Tür schlug“, erinnert sie sich. „Und da stand Syd. Er war barfuß, was damals zwar nichts Außergewöhnliches war, aber seine Füße waren total verdreckt und bluteten. Er sah aus, als hätte er komplett den Verstand verloren, und sagte kein Wort. Er kam herein und wir setzten ihm irgendwelche Cornflakes und eine Tasse Kaffee vor. Allerdings blieb er immer noch stumm. Er saß einfach nur da. Ungefähr eine Stunde nach seinem Eintreffen schlug erneut jemand an die Tür. Es waren ein paar von Pink Floyds Leuten, die fragten, ob Syd da wäre. Wir bejahten dies und sagten, dass er in der Küche säße und wir vermuteten, dass es ihm nicht allzu gut ginge. Sie meinten bloß, dass ihnen das scheißegal wäre. Sie schliffen ihn einfach hinter sich her. Später am Abend fand ich heraus, dass sie ihn zu Top of the Pops mitgenommen hatten. Der Grund, warum er während der Show auf einem Kissen saß, war, dass er so jenseitig unterwegs war, dass er gar nicht stehen hätte können.“

Trotz ihrer Vorstellung bei Top of the Pops lud die BBC die Gruppe ein, Ende Juli als Gäste in ihrer Radioshow Saturday Club aufzutreten. Nachdem sie ins Studio transportiert worden waren, beschloss Syd erneut, sich beteiligen zu wollen. Dieses Mal lieferte er keinerlei Erklärung. „Als wir den Anruf erhielten, dass wir an der Reihe wären, konnte niemand Syd finden“, erinnerte sich Norman Smith. „Der Portier teilte uns mit, dass er jemanden, auf den Syds Beschreibung passte, zur Türe hinausgehen hätte gesehen. Roger und ich gingen also auf die Straße hinaus und da war er auch schon. Er bog gerade um die Ecke. Das war es dann damit.“

Selbstverständlich hatte das alles negative Auswirkungen auf sein Verhältnis zum Rest der Gruppe. Aubrey „Po“ Powell, der den Van der Band fuhr, willigte ein, Syd nach einem Gig in Portsmouth an der Südküste zurück nach London zu chauffieren. „Die anderen wollten ihn nicht wirklich bei sich haben. Ich weiß noch, dass es wie aus Eimern goss. Er rauchte einen Joint und muss ungefähr zwei Stunden lang durchgelacht haben. Allerdings sprach er kaum etwas. Er verlor offenbar langsam den Verstand.“

Im August gab Blackhill gegenüber der Presse eine Erklärung ab, nachdem Pink Floyd mehrere Konzerte abgesagt hatten. „Es stimmt nicht, dass Syd die Band verlassen hat“, erklärte Andrew King dem New Musical Express. „Er ist müde und erschöpft, weshalb ihm geraten wurde, sich zwei Wochen lang zu erholen.“

Peter Jenner suchte Rat bei Sam Hutt. Hutt hatte in jenem Sommer gerade sein Medizinstudium abgeschlossen und machte sich nun einen Namen als Londons hipster Arzt. „Es gab da diese Idee, Syd zum ‚lieben Onkel Doktor‘ zu schicken“, erzählt Hutt heute. „Schließlich wusste ich ja alles über Drogen und nahm sie auch selbst, ohne dabei aus dem Ruder zu laufen.“

Hutt hatte sich inzwischen eine Finca auf Formentera gemietet. Die Insel repräsentierte für all jene, die es nicht in den Osten verschlug, das westliche Ende ihrer Hippie-Route. Syd und Lindsay, Richard und Juliette, Sam, dessen Frau und ihr junger Sohn begaben sich schließlich für zwei Wochen dorthin. Später schlossen sich auch noch Roger und Judy Trim an, die aber auf dem benachbarten Ibiza wohnten. Der Plan bestand darin, Barrett „zurückzuholen“, ihn dazu zu bewegen, Gitarre zu spielen, sich in der Sonne zu entspannen und das Leben zu genießen. Syd folgte diesen Vorgaben pflichtbewusst und schien während des Urlaubs phasenweise recht zufrieden. Allerdings gab es da auch einen Haken, wie sich Hutt erinnert: „Er zog sich ständig LSD rein.“

Die mediterrane Idylle wurde auch regelmäßig von Gewittern heimgesucht, was nicht gerade dazu beitrug, Syds angeschlagene Psyche zu schonen. „Das Wetterleuchten hinter den Wolken erhellte den ganzen Himmel“, erinnert sich Hutt. „Auch wenn man nichts genommen hatte, konnte einen das in Aufruhr versetzen. Nun füge dieser Gleichung noch Acid hinzu: Syd ging im wahrsten Sinne des Wortes die Wände hoch. Er krallte sich in die Wand, während er sich vom Boden lösen wollte.“

„Ich fand es total beschissen.“ Pete Townshend von The Who gehörte zu jenen, die The Piper at the Gates of Dawn nach seiner Veröffentlichung im August nicht vom Hocker reißen konnte. Townshend bemängelte in erster Linie, dass die Platte der Live-Show der Gruppe und der für sie typischen „Wall of Sound“ nicht gerecht wurde. Doch Norman Smith hatte nur getan, worum man ihn gebeten hatte. Er hatte die exzessiveren Seiten der Band abgeschliffen und Peter Jenner dabei geholfen, seinen Traum von einer Avantgarde-Popgruppe zu verwirklichen. Nur zwölf Monate zuvor hatte Pink Floyds Repertoire noch Songs wie „Louie Louie“ umfasst. Doch auf ihrem ersten Album war kaum noch etwas vom Blues-Einfluss der Band zu hören. Richard Wrights Vorlieben für klassische Musik und Jazz scheinen an dessen Stelle gerückt zu sein, wobei sein Keyboard die Lücken füllte, an denen üblicherweise eine Leadgitarre zu hören gewesen wäre, wodurch die Platte über weite Strecken hinweg eine sinistre Unterschwelligkeit erhielt. Auch wenn Songs wie „Bike“, „The Gnome“ und „Flaming“ um Kinderreime herum entstanden zu sein schienen („Watching buttercups come to life … sleeping on a dandelion“), vermittelten „Matilda Mother“ und „The Scarecrow“ doch auch eine gewisse Bedrohlichkeit – wie vertonte Märchen der Gebrüder Grimm. „Lucifer Sam“ wird erfüllt von einem Sixties-Agentenfilm-Thema. Auch findet darin Jenny Spires in Gestalt von „Jennifer Gentle“ Erwähnung.

Nächtliche I Ging-Sessions in der Earlham Street fanden ihren Niederschlag in „Chapter 24“, das von dröhnenden Keyboards und Percussion getragen wird, während die Band zusätzlich noch Gebrauch von den abstrusen Musikinstrumenten machten, die so im Studio herumlagen. „Interstellar Overdrive“ und „Astronomy Domine“ waren hingegen in einer tristeren, lärmigeren Ecke angesiedelt. Zweiterer Song ähnelte in den Worten Nick Masons dem, „was Roy Lichtenstein in seine Bilder einfließen ließ“. Er klang, als ob Pop Art und Science Fiction zu einem Rocksong kombiniert worden wären – ein Eindruck, der noch dadurch verstärkt wurde, dass Peter Jenner durch ein Megaphon aus einem Kinderbuch über die Planeten astronomische Koordinaten vorlas, während Roger Waters primitive Bassläufe beisteuerte.

Während Barretts Songs einen wehmütigen, kindlichen Charme verbreiten, wirken „Pow R. Toc H.“ und das alleinig von Waters komponierte „Take Up Thy Stethoscope and Walk“ mittlerweile wie grobe Muster späterer Songs des Bassisten. Sowohl die fieberhafte Andeutung von Wahnsinn als auch das wilde Geheul sollten auf Dark Side of the Moon und Animals erneut zum Einsatz kommen.

Syds märchenhafte Beiträge zum Album trafen den Nerv derjeniger, die ebenso aus Cambridge stammten. „Alles erinnerte einen stark an Cambridge“, meint etwa Seamus O’Connell. „Als wir diese außergewöhnlichen Songs zum ersten Mal hörten, etwa ‚Bike‘, fiel uns allen diese Verbindung auf.“

„Ich vermutete immer schon, dass Syds Kindheit auf sonderbare Art und Weise nie zu Ende gegangen war“, sagt Anthony Stern. „Deshalb fand sich das auch alles in seiner Musik wieder. Die Kindheit war eine idyllische Zeit und ich denke, er fand die Vorstellung, erwachsen zu werden und sich mit der Welt der Eltern auseinanderzusetzen, als ernsthaft beängstigend.“

 

Für Sue Kingsford ist Syds Verlangen nach seiner Heimatstadt nur allzu vertraut. „Wenn er nicht in Cambridge war, bewegte er sich außerhalb seiner Wohlfühlzone“, vermutet sie. „Wir beide fuhren an den Wochenenden nachhause. Ich erinnere mich daran, wie wir eines Nachts in der Cromwell Road gemeinsam auf LSD waren. Syd, der stundenlang kein Wort gesagt hatte, fragte plötzlich: ‚Fährst du am Wochenende heim?‘ Ich bejahte dies, woraufhin er antwortete: ‚Weißt du, das ist alles, was ich tun möchte. Einfach heimfahren.‘“

So wie auch Sgt. Pepper stand Pink Floyds Debüt-LP repräsentativ für das Jahr 1967 und entfaltete seine Wirkung auch auf nachfolgende Generationen von Hörern. Die Kritiker meinten es gut mit dem Album, obwohl einige der „irren Sounds“, wie sie der Record Mirror bezeichnete, für viele Pop-Fans ihrer Zeit noch etwas voraus gewesen seien.

Fotograf Vic Singh, der verpflichtet worden war, das Cover-Foto der Band zu schießen, ist sich ebenso nicht ganz sicher. „Ihre Musik wirkte fremd und ziemlich surreal“, sagt er heute. „Als ich sie zum ersten Mal hörte, dachte ich, dass das nie funktionieren würde.“ Singh, der sich damals ein Studio unter anderem mit David Bailey teilte, war ein angesagter Society-Fotograf, der mit George Harrison befreundet war. „George hatte eine Prisma-Linse geschenkt bekommen, wusste aber nicht, was er damit anfangen sollte, weshalb er sie mir gab.“ Singh wies Jenner und King an, alle Boutiquen, die sie kannten, nach bunten Klamotten zu durchstöbern, in die sie die Band stecken sollten. Dieses eine Mal schien sogar Syd sich gerne an Spielregeln zu halten. Vic gelang es, die Band „mithilfe von ein paar Joints und ein paar Shots Scotch im Kaffee“ ein wenig aufzulockern, bevor er „einfach drauflos fotografierte“. Die Spezial-Linse des „stillen Beatles“ teilte das fertige Bild und verdoppelte somit die Floyds. „Es war ungewöhnlich und anders – und sie waren begeistert vom Resultat“, erzählt Singh. „Und Syd steuerte für die Rückseite des Covers sogar eine kleine Zeichnung bei.“ The Piper at the Gates of Dawn sollte eines der wenigen Pink-Floyd-Studioalben sein, welches die Gruppe auf der Vorderseite des Covers zeigte.

Vic Singhs Erfahrungen mit Syd standen im krassen Kontrast zu dem, was Andrew Whittuck mit ihm mitmachen musste. Der freiberufliche Fotograf, der in jenem Sommer auch die Beatles und den Maharishi in London ablichtete, fotografierte Pink Floyd sowohl in den Abbey Road Studios als auch im Haus seiner Eltern. „Ich hatte ja zusammen mit Nick Mason die Grundschule in Hampstead besucht“, erzählt er heute. „Allerdings waren wir beide zu cool, das Thema zur Sprache zu bringen.“ Die Band traf mitsamt einem Roadie und ihrer Beleuchtungsapparatur ein und baute diese in Whittucks Schlafzimmer auf: „Sie spielten mir ihr Album vor, das anders war als alles, was ich jemals gehört hatte. Sie sprachen auch viel über den Komponisten Stockhausen, der es anscheinend echt draufhatte, und machten sich alle im Zimmer meines Bruders breit. Syd schlief praktisch in einem Eck zwischen Bett und Tür, in das er sich hineingequetscht hatte. Irgendwann kam meine Mutter zur Türe herein, sah ihn und verkündete: ‚Der Junge sieht aus, als könnte er eine starke Tasse Tee vertragen.‘ Sie machte sich auf den Weg und holte ihm eine. Natürlich war mir das peinlich, aber – um fair zu sein – Syd wurde daraufhin tatsächlich ein wenig lebhafter.“

Pink Floyd zogen mittlerweile die Aufmerksamkeit der Musikpresse auf sich, doch bei den damaligen Interviews waren es vor allem Waters und Mason – und nicht der Leadsänger –, die als Wortführer in Erscheinung traten. „Ich lüge und bin ziemlich aggressiv“, erklärte Roger im Gespräch mit Disc and Music Echo. „Ich will erfolgreich sein und für alles, was ich tue, geliebt werden“, verkündete Nick im selben Interview. Im Gegensatz dazu gab sich Barrett zurückhaltender und weniger wortreich. „Unsere Musik gleicht einem abstrakten Gemälde“, erklärte er in einem kurzen Augenblick der Erkenntnis. „Sie soll in jedem Menschen etwas hervorrufen.“

Nach der Rückkehr von Formentera versammelte sich die Band erneut im Sound Technique Studio, da EMI bereits auf eine neue Single drängte. Unter den neuen Songs, die zur Verfügung standen, war auch Barretts auf schreckliche Weise prophetisches „Scream Thy Last Scream“. Den Song, der ursprünglich „Scream Thy Last Scream Old Woman with a Casket“ geheißen hatte, sang Nick Mason, wobei er von hinterlistig anmutendem Hintergrundgesang und lauernden, taumelnden Klängen begleitet wurde. Bei „Vegetable Man“ sang Syd zu einem unmelodiösen Rhythmus Zeilen wie „I’ve been looking all over the place for a place for me“, was auch nicht viel fröhlicher wirkte. „Er sang über sich selbst. Es war ein außergewöhnliches Dokument einer ernsthaften mentalen Störung“, erklärt Peter Jenner. „Ein Song von unglaublicher wahnsinniger Pracht“, hält dem Andrew King entgegen. Dr. Hutt stattete der Band einen Besuch ab, als sie den Track aufnahm. Nur leider war er gerade auf einem Trip: „Alles, an was ich mich noch erinnern kann, ist: Oje, jetzt kommen die Dämonen!“

„Wir waren wahrscheinlich die einzigen Leute in Los Angeles, die ein Exemplar von The Piper at the Gates of Dawn besaßen“, betont Alice Cooper. Pink Floyds erstes Album wurde Ende Oktober 1967 in den USA veröffentlicht, als der 19-jährige Alice noch unter seinem bürgerlichen Namen Vincent Furnier bekannt war und in einer Band namens The Nazz sang. Außerdem war er „total fixiert auf alles, was mit britischen Bands zu tun hatte“. Die Wege von Alice und Pink Floyd sollten sich bereits kurz nach der US-Veröffentlichung des besagten Albums zum ersten Mal kreuzen.

Andrew King flog in seiner Funktion als Tour-Manager vor Pink ­Floyds erster US-Tour in die Vereinigten Staaten. Wie er heute erklärt, lief vom ersten Tag an „alles schief, was schieflaufen konnte“. In San Francisco fand King heraus, dass die Visa für die Band noch nicht bereitlagen. Gemäß den gewerkschaftlichen Vorschriften musste eine britische Band de facto gegen eine amerikanische Gruppe ausgetauscht werden, im konkreten Fall hieß das für Pink Floyd Sam the Sham and The Pharaohs. „Ich musste die Lage Bill Graham, dem Veranstalter, erklären“, sagt King. „Ich fühlte mich wie ein totales Arschloch.“

Graham, eine beeindruckende Persönlichkeit von der amerikanischen Westküste, war niemand, mit dem man es sich verscherzen wollte. Er hatte Pink Floyd Auftritte in Clubs und Konzertsälen verschafft, wo sie mit Janis Joplins Band, Big Brother and The Holding Company, spielen sollten. Aufgrund der fehlenden Visa musste die Band nun ihre ersten sechs Konzerte an der Westküste absagen. „Ein erzürnter Bill holte schließlich den amerikanischen Botschafter um 4 Uhr morgens aus seinem Bett in London, damit er die Angelegenheit klärte“, fährt King fort. „Die Band saß dann schon im nächsten Flugzeug. Wenn es so etwas wie ein Trostpflaster für mich gab, dann war es das, dass ich die Ike and Tina Turner Revue zu sehen bekam, die Bill anstelle von Pink Floyd für den ersten Abend gebucht hatte.“