Pink Floyd

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Bryan Morrison war einer der scharfsinnigsten Booking-Agenten des Landes, der von seinem Büro in der Londoner Charing Cross Road aus die Pretty Things managte. Außerdem verwaltete er die Verlagsrechte vieler anderer Bands, die er eben auch als deren Agent betreute, so etwa auch jene, die im angesagten Speakeasy auftraten. Jeff Dexter gehörte zu den ersten, die Morrison einluden, sich Pink Floyd im UFO anzusehen.

Im Jahr 1982 erinnerte sich Joe Boyd daran, dass Morrison ihm und der Band, die gerade probte, einen Besuch abstattete. Im Schlepptau hatte er zwei seiner Gehilfen, Tony Howard und den zukünftigen Pink-Floyd-Manager Steve O’Rourke. „Zwischen mir und den dreien herrschte sofort ein intensives Gefühl der Abneigung“, sagt er. Später erinnerte sich Boyd an „samtene Jacken, Schals, die sie um ihre Kehlen geschnürt hatten, enge Hosen … all dies Dandytum machte sie nur umso verdächtiger“. Diese Kombination aus traditionellem Gebaren und Elementen der prävalenten „Kiffer-Kultur“ ergab einen formidablen Mix. „Joe dürfte von Morrie, Steve und Tony eingeschüchtert gewesen sein“, schließt Jeff Dexter, „da man mit ihnen rechnen musste.“ Das Treffen sollte jedenfalls nicht ohne Folgen bleiben.

Morrison hatte sich bereits mit der Absicht an Blackhill gewandt, die Band in Zukunft zu repräsentieren. Auch hatte er The Pink ­Floyds Vertrag mit Boyd und Polydor unter die Lupe genommen und der Band mitgeteilt, dass er ihnen mehr zu bieten hätte. Noch bevor Joe irgendwelche Einwände erheben konnte, kehrte Blackhill Polydor den Rücken und unterschrieb einen Deal mit Morrison, der daraufhin eine Aufnahmesession finanzieren würde, die dann diversen Plattenfirmen zugespielt werden sollte.

„Das Problem bestand darin, dass Joe die einzige Person war, die wir im Musikbusiness kannten“, gesteht Jenner. „Und in unseren Augen hatte er sich in Bezug auf Jac Holzman nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Allerdings tauchte dann plötzlich Bryan Morrison auf und er schien so gut wie jeden zu kennen … Damals hieß das EMI, Pye oder auch Decca. EMI galt als hipper, weil sie die Beatles hatten und ihnen außerdem Abbey Road gehörte. Bryan sagte zu uns, dass wir uns für die Firma mit dem meisten Geld entscheiden sollten. Das ersparte uns das Nachdenken.“ Nachdem er einen Brief von EMI Parlophones neuem Produzenten Norman Smith, der sich nach neuen Bands umsah, erhalten hatte, wusste Bryan Morrison, dass er EMI an der Angel hatte.

„Ich verschickte Briefe an alle Manager und Agenten, die mir einfielen“, erzählte Norman Smith dem Autor dieses Buches im Jahr 2005. „Bryan Morrison schrieb mir zurück und lud mich ein, mir Pink Floyd anzusehen. Ich hatte noch nie von ihnen gehört und, um ehrlich zu sein, hatte ich kein großes Interesse an psychedelischer Musik. Aber er nahm mich mit in den UFO-Club und, obwohl die Musik mir überhaupt nichts gab, fiel mir auf, dass sie damals schon eine große Anhängerschaft hatten. Ich begriff, dass ich mir meinen Business-Hut aufsetzen sollte. Mir war völlig klar, dass wir hier ein paar Platten verkaufen könnten.“ Der vorgeschlagene Deal verzögerte sich aber, als Jenner und King einen Vorschuss verlangten. „Sie wollten vorab etwas Kohle – 5000 Pfund“, erzählte Smith. „Üblicherweise zahlte EMI aber keine Vorschüsse. Es war schwierig, das Firmenmanagement davon zu überzeugen, aber letzten Endes gelang es mir.“

Laut Smith wollte sich der damalige A6R-Chef von EMI, Beecher Stevens, in die Gestaltung des Deals einbringen – und erntet seitdem fälschlicherweise die Lorbeeren dafür, die Band unter Vertrag genommen zu haben. Jenner erinnert sich, dass das Label „begeistert war, als hip und groovy zu gelten, so eine Band an Land gezogen zu haben“. The Pink Floyd wiederum konnten sich glücklich schätzen, einen Deal für ein Album anstelle eines Vertrags, der die Betonung auf Hit-Singles legte, gelandet zu haben.

Der verschmähte Joe Boyd hatte großmütig die neuen Versionen von „Arnold Layne“ und dessen B-Seite „Candy and a Currant Bun“ produziert, wobei ihm, wie er später erzählte, Roger über die Schulter geschaut und seinen „langen Zeigefinger“ auf einen der Regler gelegt hatte. Allerdings gestatteten die Regeln der EMI ihren Künstlern nicht, mit unabhängigen Produzenten zu arbeiten. Gleichzeitig schraubte die Morrison Agency die Gage der Band für ihre Auftritte im UFO nach oben. Joe Boyds Beziehung zu Pink Floyd war jedoch endgültig beendet. „Es war so ein klassischer Fall von ‚Danke fürs Produzieren, Joe. Wir sehen uns, okay?‘“, erklärt Boyd.

„Zwischen Joe und uns gab es im Anschluss eine leichte Verstimmung“, erzählt Jenner. „Aber wir hatten nicht mehr jedes Mal Zeit, um im UFO aufzutreten, wenn sie uns darum baten. Und so fingen wir an, bei ihnen nachzufragen: ‚Wie viel wärt ihr denn bereit zu zahlen?‘ Joe fühlte sich über den Tisch gezogen und man muss sagen, dass dem ja auch so war. Ich hoffe, dass wir mittlerweile alle darüber hinweg sind.“ Boyd beschrieb den Coup in seinem Buch White Bicycles: Making Music in the 1960s: „So wie auch ich, waren Jenner und King überfordert. Keiner von uns hätte zu träumen gewagt, dass Jahrzehnte später auch in den entferntesten Winkeln der Erde, in den Handschuhfächern irgendwelcher Taxis in Ländern der Dritten Welt Kassetten von Dark Side of the Moon zu finden sein würden.“

Pink Floyds erste Single war „Arnold Layne“, ein Song über einen Fetischisten, dessen wunderliches Hobby es war, Damenunterwäsche zu stehlen. Sie wurde am 11. März 1967 veröffentlicht. Die Kinks und The Who versuchten sich bereits an ausgefalleneren Songtexten und bahnten gleichzeitig einer Reihe von schrulligen englischen Bands den Weg, die mit großem Vergnügen genauso klangen: schrullig und englisch. „Arnold Layne“ war im Vergleich dazu schon etwas grusliger. Die Lyrics waren angeblich von einer wahren Geschichte inspiriert, die sich in Cambridge ereignet hatte. Ein unbekannter Unterhosen-Dieb hatte Mary Waters’ Wäscheleine leergeräumt und Roger hatte Syd von diesem Vorfall berichtet. Die Musik bediente sich eines wirren, Ringelspiel-artigen Rhythmus. Barretts Gesang klang aufsässig englisch und ließ trockenen Humor vermuten. Es war Richard Wrights Farfisa-Orgel, die am offenkundigsten psychedelisch daherkam und der Nummer anstelle eines konventionellen Gitarrensolos einen farbenfrohen Anstrich verpasste und den Song zu dominieren vermochte. Im Frühling 2006, als er als Keyboarder in David Gilmours Solo-Band unterwegs war, sang Wright Syds Leadgesang-Part für eine Version des Songs.„Arnold Layne“ erinnert daran, wie unverzichtbar der ruhige, zaghafte Wright für Pink Floyds früheste Arbeiten war. „Jeder – inklusive mir – unterschätzte Rick“, gesteht Peter Jenner. „Aber er war so wichtig für diese frühen Aufnahmen. Ich erinnere mich daran, wie er Harmonien und Arrangements aussuchte, den anderen sagte, was sie singen sollten, und Rogers Bass stimmte … Ich glaube außerdem, dass die Zusammenarbeit von Rick und Syd generell unterschätzt wird.“

Mit ein wenig Hilfe seitens des Managements („Wir wendeten ein paar Hundert Pfund dafür auf, die Scheibe in die Charts einzukaufen“, gestand Andrew King) erreichte „Arnold Layne“ schließlich die Nummer 20 in den UK-Charts, wurde gleichzeitig aber auch von Radio Caroline und Radio London aufgrund der heiklen Thematik boykottiert. „Wir haben keine Ahnung, was sie daran so aufregt“, protestierte Waters in Disc and Music Echo. „Der Song handelt von einem Kleidungsfetischisten, der ein wenig ein Rad ab hat. Das ist ein sehr einfacher, direkter Song über eine Art von menschlichem Dilemma.“

Die ehemalige UFO-Hausband hatte sich also dafür entschieden, in den Vordergrund des öffentlichen Interesses zu drängen, obwohl ein Auftritt bei Top of the Pops, dem Flaggschiff der BBC, schließlich gestrichen wurde, als die Single ihren Höhepunkt überschritten hatte. „Wir wollen Popstars sein“, erklärte Waters einem Interviewer. Oberflächlich betrachtet wirkte es, als wäre die Band bereit, durch alle Reifen zu springen, die man ihnen vor die Nase hielt: Sie posierten herausgeputzt in ihren besten Hemden und Stiefeln für ein Foto vor dem EMI-Hauptquartier am Manchester Square und ließen sich selbstgefällig mit EMI-Schwergewicht Beecher Stevens in seinem Büro ablichten. Vor allem aber begaben sie sich auf eine zermürbende Tour, die die Morrison Agency gebucht hatte. Diese Konzertreise führte sie kreuz und quer durchs ganze Land, wobei sie regelmäßig zwei Gigs an einem Abend zu absolvieren hatten.

Abgesehen von „Arnold Layne“ bestand das Set der Gruppe nach wie vor aus weniger leicht verdaulichen „Freak-outs“, die das benebelte, zugedröhnte Publikum im UFO regelmäßig in begeistertes Staunen versetzt hatten. Die Konzertbesucher in der Provinz reagierten hingegen weit weniger aufgeschlossen: Verstimmte Gäste bedachten die Gruppe vom ersten Rang herab mit Bierduschen und Waters, der sich nicht scheute, selbst dem feindseligsten Publikum mit einer spitzfindigen Bemerkung entgegenzutreten, erlitt eine klaffende Kopfwunde, als er eines Abends von einer Münze an der Stirn getroffen wurde. Aubrey „Po“ Powell fuhr die Band sechs Monate lang zu ihren Gigs und sah, wie schlecht ihre Musik ankam: „Sie spielten vor, sagen wir mal, 20 Mods, die angesichts dieser psychedelischen Band alle entsetzt dreinblickten. Sie wollten doch eigentlich Junior Walker hören.“

Als The Pink Floyd sich zur Vorzeige-Underground-Band der EMI mauserten, befand sich die Szene, die sie ursprünglich hervorgebracht hatte, gerade im Umbruch. Im Frühjahr war Keith Richards von den Stones wegen Drogen verhaftet worden und die Vorliebe der Musikbranche für illegale Substanzen wurde zum idealen Futter für die Klatschpresse. News of the World titelte etwa mit Schlagzeilen wie „POP SONGS UND DER KULT UMS LSD“ und The Pink Floyd wurde fälschlicherweise unterstellt, sich selbst als „social deviants“ – also als „soziale Abweichler“ – bezeichnet zu haben. Dabei hatte die Zeitung sie mit Mick Farrens Band, The Social Deviants, verwechselt. Nachdem Anwälte konsultiert worden waren, erhielten The Pink Floyd schließlich eine Entschuldigung. Es gelang ihnen sogar, die EMI davon zu überzeugen, dass ihre Musik in keinerlei Hinsicht die Erfahrung eines LSD-Trips nachzuempfinden versuche, wie ihnen vorgeworfen wurde. „Wie wir das angestellt haben, weiß ich auch nicht“, wundert sich Nick Mason.

 

Während The Pink Floyd weiteren Konsequenzen entgingen, hatten andere nicht ganz so viel Glück. Inmitten all der Aufregung wurde John „Hoppy“ Hopkins wegen Marihuana-Besitzes für sechs Monate eingebuchtet. „Ich war einfach leichtsinnig, unglaublich leichtsinnig“, gesteht er heute ein. Bevor er seine Strafe im Knast von Wormwood Scrubs antrat, übergab er Joe Boyd die alleinige Kontrolle über den UFO-Club. Als A&R-Mann beschloss Boyd verständlicherweise, den Fokus darauf zu legen, neue Bands zu buchen anstatt weitere Mixed-Media-Happenings zu veranstalten. In den folgenden Jahren sollte Boyd behilflich sein, die Karrieren von Fairport Convention, Nick Drake und vielen anderen zu organisieren, doch für manche war der kommerziellere Ansatz an den Club ein Anzeichen dafür, dass die Underground-Szene gespalten wurde – dass sie eben einfach nicht länger den Namen „Underground“ verdiente. The Pink Floyds Unterschrift bei EMI verdeutlichte diese Veränderung. „Meiner Meinung nach war es eine Schande, dass Pink Floyd nicht mehr die ‚unsrigen‘ waren“, bekennt Jenny Fabian.

Mick Farren sieht die Sache pragmatischer. „Den rationaler Denkenden unter uns war ziemlich klar, dass die Floyds auf einem Major-Label landen würden, aber ein paar der Freaks sahen darin einen Ausverkauf. Ich erinnere mich, dass jemand auf die Toilettenwand im UFO ‚Pink Finks‘ [in etwa: ‚Pinke Verräter‘] geschmiert hatte. Mich störte allerdings, wie schnell sie sich aus der Drogenkultur, in der sie sich einen Namen gemacht hatten, verabschiedeten, als die Kacke plötzlich am Dampfen war und die Stones verhaftet wurden, Hoppy ins Gefängnis musste und man auf der Straße massiv schikaniert wurde. Das ließ sie wie Drückeberger wirken.“

Die Gruppe sah die Szene jedoch mehr als eine Art Startrampe für ihre Musik denn als eine Philosophie, nach der sie ihr Leben richten wollte. Nachdem sie ihre akademische Ausbildung abgebrochen hatten, um eine Musikkarriere zu verfolgen, war eben diese Karriere wichtiger als das Schicksal der London Free School oder der International Times.

„Mit manchen Elementen des ‚Undergrounds‘ konnten wir etwas anfangen“, sagt Nick Mason heute. „Man lieferte die Musik, während andere Leute tanzten, sich die Gesichter anmalten und in Unmengen von Götterspeise badeten. Vermutlich da wir der Mittelklasse entstammten und einigermaßen gebildete Leute waren, gelang es uns, unter anderem so zu sprechen, als würden wir einer aktuellen Bewegung angehören.“

Roger Waters sieht das Ganze sogar noch distanzierter. „Bis heute weiß ich immer noch nicht genau, was es mit vielen dieser Dinge überhaupt auf sich hatte“, gibt er zu. „Da wurde zwar vage von einer Revolution gesprochen, aber nichts Spezifisches. Ich las auch die International Times ein paar Male, aber was war die Notting Hill Free School noch einmal? Was war ihre Zielsetzung genau? Ich begriff nie, worum es dabei ging – abseits von ein paar ‚Happenings‘ vielleicht. Diese ‚Happenings‘, die wir veranstalteten, waren nie mehr als ein Witz.“

Zwar konnte EMI überredet werden, der Band einen neue Ford Transit und ein neues Binson Echorec – jenes Wunderding, das für die Space-Geräusche verantwortlich war – zu spendieren, doch für die Hotelkosten wollte die Plattenfirma nicht aufkommen. Nach Gigs im hohen Norden musste die Band daher stets noch die nächtliche Rückfahrt nach London in Kauf nehmen. Die zusammengewürfelte Crew hielt ihnen dabei den Rücken frei. Peter Wynne-Willson verlud die Ausrüstung und schraubte die selbstgemachte Beleuchtungsanlage der Band für ihre Auftritte zusammen. Peter hatte noch keinen Führerschein, weshalb Blackhills Sekretärin, die leider inzwischen verstorbene June Child, als Fahrerin des Vans einsprang. Die hübsche Blondine sollte sich als integraler Bestandteil der Floyd-Crew erweisen und Syd in der Not auch eine Schulter zum Ausheulen bieten. Später heiratete June den Barrett-Jünger Marc Bolan, der ebenso von Blackhill betreut wurde.

„Ich kaufte eine Menge Ausrüstung und Gegenstände, die für Experimente in Bezug auf die Bühnenbeleuchtung eingesetzt wurden“, erinnert sich Peter Wynne-Willson. „Jeden Monat kam June in die Earlham Street, um die Unmengen von Quittungen durchzugehen. Um diesen öden Prozess etwas interessanter zu gestalten, entwickelten wir ein System. Wir saßen einander an einem kleinen Tisch, der unter einem Stockbett stand, gegenüber und legten einen Fuß in den Schritt des jeweils anderen. Das war ein amüsantes kleines Ritual. June trug nur die allerkürzesten Miniröcke.“

Trotz allem sollte die Vielzahl von Gigs schon bald ihren Tribut von Blackhills Star-Act fordern. „Ich warf Jahre später einen Blick auf ihren Terminplan“, berichtet ein Vertrauter der Band. „Wer war bloß dafür verantwortlich, sie auf diese Weise durch England zu scheuchen? Der reinste Wahnsinn. Das wäre jedem über den Kopf gewachsen, geschweige denn den Leuten auf Drogen.“

Matthew Scurfield stand inzwischen kurz davor, seine Karriere als Schauspieler am Theater zu starten. Als er seinen Bruder Ponji in die Earlham Street begleitete, sah er mit eigenen Augen die Auswirkungen, die der neue Arbeitsumfang auf Syd hatte. „Syd war jemand, der nicht hundertprozentig in der Spur lief, so wie die anderen in der Gruppe“, sagt er. „Er war nicht so ehrgeizig wie etwa Roger. Ich hielt Syd immer für einen Außenseiter – sogar innerhalb von Pink Floyd. Es war damals ganz offensichtlich, dass ihr Ehrgeiz ihnen in Bezug auf ihre Kunst einen Strich durch die Rechnung machte. Stets hieß es: ‚Komm schon, Syd, wir müssen weiter!‘“

Immer noch wird viel über Barretts damaligen Drogenkonsum spekuliert. Was nahm Syd, wie viel nahm er und wie oft? „Ich denke nicht, dass Roger und Nick damals irgendwelche harten Drogen nahmen“, erklärt Andrew King. „Ich hielt Roger eher für die Art von Typ, der ein paar Pints im Pub kippte. Rick kiffte gelegentlich. Und Syd probierte einfach alles aus.“

„Syd, Andrew und ich rauchten Dope“, sagt Peter Jenner. „Und obwohl ich mich jetzt nicht dezidiert daran erinnern kann, dass Syd jemals sagte, wir sollten einen Trip einwerfen, wusste ich, dass er LSD nahm. Wie oft? Keine Ahnung. Mir wurde stets erzählt, dass er ein paar Freunde hatte, die echt religiös in Bezug auf ihr Acid waren, obwohl ich mich nicht erinnern kann, dass Syd jemals so gewesen wäre. Allerdings glaube ich schon, dass das LSD einer der Auslöser für Syds Probleme war.“

„Syd nahm ganz sicher nicht jeden Tag in der Earlham Street LSD“, betont Peter Wynne-Willson. „Es lag vielleicht eher am Dope als am Acid. Ich weiß, dass das Dope heutzutage viel stärker ist als damals, aber junge Männer zwischen 18 und 20 sind besonders gefährdet, mentale Schäden abzubekommen, wenn sie ein sensibles Naturell haben. Was Syd angeht, so kann ich mich nicht an einen Trip erinnern, der den Ausschlag gegeben hätte. Mitunter fühlte er sich nicht wohl, wenn er bekifft war, aber das traf nicht auf LSD zu. In England gab es in erster Linie Hasch. Syd und ich rauchten in der Regel Joints und manchmal auch aus Shillums. Wir rauchten nur sehr selten pures Hasch aus Pfeifen.“

Für Peter Jenner überschnitt sich Pink Floyds (der bestimmte Artikel „The“ ging im Laufe des Jahres verloren) Auftritt bei „The 14-Hour Technicolor Dream“ im Alexandra Palace im April mit dem „Höhepunkt des Acid-Konsums in diesem Sommer“. Die Fundraiser-Veranstaltung für die International Times, bei der gerade erst eine Razzia stattgefunden hatte und welche daraufhin auf polizeiliche Anweisung hatte zusperren müssen, war der letzte organisatorische Beitrag von John Hokpins, bevor er ins Gefängnis musste. „Ich war derjenige, der die Saalmiete ausverhandelte“, sagt Hoppy heute. „Und noch Jahre später waren sie auf der Suche nach mir. Das war vielleicht ein Spaß! Es müssen zehntausend Leute durch die Türen gegangen sein. Die Freunde von Michael X fungierten de facto als Sicherheitspersonal. Was wir erst Jahre später herausfanden, war, dass sie das Eintrittsgeld, das die Leute zahlten, einfach einsteckten. Also floss nur wenig Geld dahin, wohin es eigentlich sollte.“

Neben Pink Floyd sollten außerdem noch die Pretty Things, The Soft Machine und der neueste Overground-Held des Underground, Arthur Brown, auftreten. Letzterer würde schon bald mit „Fire“ seinen ersten Hit landen, den er in der Regel mit brennender Kopfbedeckung performte. Zusätzlich gab es noch Avantgardefilm-Vorführungen, Beatnik-Gedichtlesungen, eine Spiralrutsche sowie ein Fiberglas-Iglu, in dem man Bananenschalen rauchen konnte. Unter den Besuchern, die sich den Wahnsinn nicht entgehen lassen wollten, befand sich auch John Lennon.

Am selben Abend hatten Pink Floyd zuerst noch einen Auftritt im niederländischen Fernsehen zu absolvieren, bevor die Band zurück nach London flog, um anschließend im halsbrecherischen Tempo zum Alexandra Palace in Muswell Hill zu rasen. Peter Jenner, der anscheinend das Maximum aus dem Abend herauszuholen gedachte, hatte sich bereits etwas zu früh einen Trip eingeworfen. „Ich fuhr immer noch den Van, als ich wieder zu mir kam“, erzählt er. Gleichzeitig befand sich Peters alter Kumpel von der Uni, „Alternativmediziner“ Sam Hutt, in einer ähnlichen Lage. „Ich fuhr zusammen mit Rick Wright und war auf LSD“, erinnert er sich. „Autofahren auf Acid? Nicht sehr empfehlenswert. Alles, an was ich mich erinnern kann, ist, dass ich ganz auf dieses glänzende Cape, das Rick trug, fixiert war – zumindest glaubte ich, dass er so etwas tragen würde.“ Im Inneren der Location zog schließlich die Spiralrutsche Hutt in ihren Bann. „Rauf und runter, rauf und runter! Und jedes Mal wurde ich erneut geboren“, lacht er heute darüber.

Für Robert Wyatt von The Soft Machine war Pink Floyds Auftritt um 4 Uhr morgens „einer ihrer besten Gigs überhaupt. Ich war total von den Socken“. Andere wiederum behaupteten fälschlicherweise, dass Syd zu bedient gewesen wäre, um noch aufzutreten – und doch zeigen Fotos aus jener Nacht, wie Barrett seine Hände an der Gitarre hat und absolut noch in der Lage ist zu spielen. Allerdings war Richard Wrights Cape nicht ganz so glänzend wie in Dr. Hutts Erinnerung.

Für den Event-Organisator, John „Hoppy“ Hopkins, war Pink Floyds Performance im Morgengrauen nur von zweitrangiger Bedeutung. „Einer unserer Freunde war Chemiker“, erinnert er sich, „und brachte etwas mit, von dem wir heute annehmen, dass es mit DMT [das Halluzinogen Diemethyltrytamin] verwandt war. Egal was es auch war, meine Freundin und ich verspürten ein angenehmes, warmes Gefühl und beobachteten schließlich vor dem Alexandra Palace den Ausblick über die Lichter Londons. Ich sah Pink Floyd also gar nicht spielen. Und wenn ich das doch tat, kann ich mich nicht mehr daran erinnern.“

Peter Jenners Erwähnung von Syds LSD-Freunden könnte sich gut auf einen seiner Mitbewohner in diesem Jahr beziehen. Ende 1967 ließ Syd die Earlham Street zugunsten eines Zimmers in einer der Wohnungen in der Cromwell Road 101 hinter sich. Die Lesmoir-Gordons hatten sich gut ein Jahr zuvor mit Bill Barlow, der ebenso aus Cambridge stammte und der Vermieter der berüchtigten Wohnung in der Clarendon Street 27 in Cambridge gewesen war, im ersten Stock des viktorianischen Gebäudes eingenistet. Die alte „Cambridge-Szene“ machte sich nun in diesem neuen hauptstädtischen Party-Haus breit, das sich bis zu seinem Abriss in der Nähe des Busbahnhofs am West London Air Terminal in Earls Court befand. Da Nigel durch sein Studium an der London School of Film Technique in den allerangesagtesten Kreisen verkehrte, wurde Hausnummer 101 zu einem Mekka der sich überlappenden Kunst-, Musik-, Film- und Drogenszenen der Hauptstadt. Unter anderem gehörten der Dichter Allen Ginsberg, der Filmemacher Kenneth Anger sowie die Barden Donovan und Mick Jagger zu jenen, die sich dort die Klinke in die Hand drückten.

Ab 1965 hatten die zahlreichen Räumlichkeiten des Gebäudes Pink Floyd außerdem die Möglichkeit geboten, ihre Proben dort abzuhalten. Auch Roger Waters wohnte für kurze Zeit dort. Außerdem sollte eine Reihe von exotischen Mietern dort Unterkunft finden. So etwa auch John Esam, ein in Neuseeland geborener Beatnik, der im frühen Londoner LSD-Verteilungsnetz eine wichtige Rolle gespielt hatte, oder Prince Stanislas Klossowski de Rola, auch bekannt als Stash de Rola, der Sohn des prominenten französischen Künstlers Balthus. Stash war ein Vertrauter der Rolling Stones, der später gemeinsam mit Brian Jones wegen eines Drogendelikts verhaftet wurde und sich außerdem gemeinsam mit Syd Barrett auf einen denkwürdigen LSD-Trip begab. Mehr darüber später.

 

Der Künstler Duggie Fields hatte kurze Zeit Architektur am Regent Street Poly studiert, wo er durch Juliette Gale mit der Truppe aus Cambridge in Kontakt gekommen war. Irgendwann 1965 zog er schließlich in die Cromwell Road 101. „Pink Floyd probten in einem der Räume“, erinnert er sich. „Ich ging dann die Treppen hinunter, um ein paar amerikanische R&B-Scheiben aufzulegen. Ich drehte die Lautstärke so laut es ging auf, da ich der Meinung war, dass Pink Floyd über keinerlei Gespür für Rhythmus oder Subtilität verfügten. Daher hoffte ich, dass die Platten, die ich spielte, sich vielleicht positiv auf sie auswirken würden.“ Duggie lebte immer noch in der Cromwell Road (in einem Raum, der mit Marvel Comics austapeziert war), als Barrett sich im Zimmer nebenan einquartierte. Das Haus hatte sieben Zimmer, die auf die beiden Obergeschosse verteilt waren, und es lebten neun bis zehn Leute dort“, berichtet Fields. Die Wände, die Decke und der Boden des Wohnzimmers waren weiß angestrichen (eine Idee, die aus dem Film Der gewisse Kniff von 1965 stammte) und oft wurden Filme an die Wände projiziert, die manchmal auch rückwärts abgespielt wurden. Der Raum wurde in der Regel von den Hausbewohnern, ihren Freunden und mitunter auch komplett fremden Leuten in Beschlag genommen.

„Ich erinnere mich, dass ich einmal vom College nachhause kam und um die 20 Leute dort vorfand. Ich kannte niemanden von ihnen. Keiner von ihnen wohnte dort“, erzählt Fields. „Und das konnte sowohl am Tag als auch in der Nacht vorkommen.“

Im Erdgeschoss lebte ein Dozent („der arme Mr. Poliblanc“, wie ihn einer der ehemaligen Bewohner inzwischen nennt), der überhaupt keinen Bezug zu den anderen Wohnparteien hatte. „Einem von uns gelang es, seinen Stromzähler anzuzapfen, was bedeutete, dass wir de facto seinen Strom klauten“, gesteht Duggie. „Der Stockwerksflur verkam zu einer Art Müllhalde, weil niemand seinen Abfall hinaustrug. Bis heute weiß ich nicht, wo der Müll aus unserem Haus landete.“

Abgesehen von allerlei Wortführern der hauptstädtischen Gegenkultur bot Hausnummer 101 auch Pip und Emo Unterschlupf. Am Flur war eine Zwischendecke eingezogen, die ausreichend Platz ließ, um in dem klaustrophobisch-winzigen Zwischenraum eine Matratze zu verstauen. „Cromwell Road war immer die letzte Zuflucht“, stöhnt Emo. „Dort gingen wir erst hin, wenn wir überall sonst hinausgeflogen waren. Ich erinnere mich immer noch an diese Plattform über dem Korridor. Die Mädchen hatten immer eine Heidenangst, wenn sie dort hinaufklettern sollten. Zwischen mir und Pip gab es immer einen Wettlauf um dieses Bett, falls es das einzige war, das noch frei war.“

In den Worten eines seiner Bekannten: „Duggie Fields stand nicht auf Selbstauslöschung.“ Doch nur weil er den Verstand behielt, ließ sich das nicht über alle Stammgäste in der Cromwell Road behaupten. Obwohl die Geschichten über die Bewohner des Hauses zum Teil übertrieben sind, erinnert sich Mick Rock, ein weiterer regelmäßiger Besucher, daran, dass im Allgemeinen eine drogenschwangere, chaotische Atmosphäre herrschte. „Abgesehen von Duggies Zimmer war der Rest der Hütte voll mit LSD-Burnouts.“ Gruppen-Trips waren in der Cromwell Road absolut keine Seltenheit, egal, ob Barrett nun dort lebte oder nicht, und ein Augenzeuge erinnert sich daran, dass die Flasche mit LSD und die Pipette im Kühlschrank der Lesmoir-Gordons zu finden war. Mindestens ein Mal marschierte die LSD-Gesellschaft auf dem falschen Weg in den Busbahnhof ein, was trotz ihrer gefühlten Unverwundbarkeit die große Gefahr mit sich brachte, von einem entgegenkommenden Fahrzeug angefahren zu werden. Die stacheligen Eisenzäune, die die Cromwell Street 101 umgaben, stellten sogar eine noch größere Gefahr dar.

Eines Nachts fand Nigel Lesmoir-Gordon, als er aus dem Badezimmerfenster blickte, einen seiner alten Drogenkumpels aus Cambridge, Johnny Johnson, nackt und desorientiert an einem Regenwasserabflussrohr hängend vor. Nigel überredete ihn, wieder ins Haus zurückzuklettern. Johnson hatte zuvor bereits einmal versucht, sich mittels Sprung aus dem Fenster selbst umzubringen. Sein nächster Versuch sollte ihm tatsächlich das Leben kosten.

Joe Boyd behauptet, dass er im Mai jenes Jahres Lindsay Corner und Syd im Londoner West End über den Weg gelaufen sei, wobei Syds Augen „wahnsinnig“ auf ihn gewirkt hätten. Lindsay erklärte ihm, dass Barrett eine Woche lang jeden Tag LSD genommen hätte.

Barretts angeblicher täglicher LSD-Konsum bietet seit langem Stoff für wilde Spekulationen. Manche glauben, dass er tatsächlich täglich LSD nahm. Die meisten behaupten aber, das dem nicht so war. Andere aus dem Umfeld Pink Floyds machten sich wiederum Sorgen, dass seine Mitbewohner seinen Drogenkonsum anstachelten, indem sie seine Drinks mit LSD versetzten. „Die Bude in der Cromwell Road war voll heftiger, durchgeknallter, messianischer Acid-Freaks“, berichtet Peter Jenner.

Zwei der Leute, die Syd in der Cromwell Road gelegentlich um sich hatte, waren unter den Namen „Mad Sue“ und „Mad Jock“ bekannt. Im realen Leben hieß „Jock“ eigentlich Alistair Findlay. „Sue“, seine damalige Freundin, hieß mit bürgerlichem Namen Susan Kingsford. Sie war Model und kannte Barrett und Gilmour noch vom Cambridge Technical College. Nachdem sie in einer TV-Werbung für einen Schokoriegel aufgetreten war, verschlug es sie nach London, wo sie sich mit einem weiteren Bewohner der Cromwell Road zusammentat, der für Robert Fraser arbeitete, jenem Galeristen, der zusammen mit einigen der Stones wegen Drogen hochgenommen wurde. Dieser Freund „ließ sich mit den Drogen-Leuten ein“, wie Sue heute erzählt, „und ich ließ mich mit ihm ein“. Sie hatte auch einen Kurzauftritt in Peter Whiteheads Filmmaterial, das er bei „The 14-Hour Technicolor Dream“ drehte. Ihr zufolge trägt sie darin „einen Bisammantel – und sonst nichts“, hält eine Narzisse und lächelt selig.

„Ich erinnere mich an Sue und Jock“, sagt Mick Rock. „Sue war dieses unglaublich hübsche Mädchen, das zu viel Acid eingeworfen hatte.“ Duggie erinnert sich hingegen, dass Sue eigentlich nicht wirklich verrückt war, sondern „möglicherweise nur ein wenig exzentrisch“. Zwar gibt sie zu, dass sie erstaunliche Mengen LSD konsumiert habe („Wir nahmen es ständig“), jedoch besteht Sue darauf, dass sie nie jemandem etwas in den Drink gekippt habe. „Warum hätte irgendjemand so etwas tun sollen?“, betont sie. „Wenn man damals Acid nahm, dann war das alles eine ernste Angelegenheit. Man lauschte den Klängen von Bach, sah sich Kenneth Angers aktuellsten Film an oder las im Tibetanischen Totenbuch.“

„Jemandem etwas unterzujubeln, war ein schreckliches Verbrechen“, gab Alistair Findley gegenüber Barretts Biografen Tim Willis zu Protokoll. „Das tat man einfach nicht.“

„Wenn sie wirklich allen etwas in die Drinks kippten“, fragt Duggie Fields, „warum dann eigentlich nicht auch mir? Das kam nämlich nie vor.“

Was auch immer seine späteren Probleme gewesen sein mögen, Syd war definitiv geistig auf der Höhe, als er begann, an Pink Floyds erstem Album zu arbeiten. Die Band fand sich zu diesem Zweck in den Abbey Road Studios ein, die dem EMI-Konzern gehörten. In dieser Einrichtung, die weltweit als eine der besten ihrer Art galt, herrschte Zucht und Ordnung: Techniker in weißen Labormäntelchen waren zur Stelle, um bei etwaigen Fehlfunktionen der Ausrüstung auszuhelfen, und Tape-Operators und Toningenieure erlernten dort die Kniffe ihrer Zunft – von der Positionierung der einzelnen Mikros bis hin zur korrekten Methode, ein Kabel aufzurollen. Am besten aber war wohl der inspirierende Mix von Musikern, der dort täglich aus und ein ging. Der damalige Tape-Operator und spätere Toningenieur Jeff Jarratt erinnert sich: „Du bist am Morgen zur Tür hereingekommen und hast den Komponisten und Dirigenten Otto Klemperer im Studio One vorgefunden. Die Beatles waren gleichzeitig im Studio Two und Pink Floyd belegten Studio Three.“